Der alte Senn – Vertrieben aus Undank: Heimat-Heidi 4 – Heimatroman
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»Du, Luise, schau mal wer da kommt.« Die Berger-Heidi zeigte mit einer Kopfbewegung aus dem Fenster. Luise, die Seniorwirtin des Bergerhofs tat einen Schritt zur Seite und sah hinaus. Ein alter Mann kam mit schweren Schritten einen schmalen Pfad herunter, seine Sachen waren abgetragen und er selbst wirkte eher verwahrlost. »Ja Herrschaftseiten, der Flori«, murmelte Luise. Es war halb zehn am Vormittag und sie war mit ihrer Schwiegertochter Heidi in der Küche des Bergerhofs, um das Mittagessen vorzubereiten, zu dem sie heute mehr Gäste als sonst erwarteten. »Er schaut net besonders gut aus«, sagte Heidi, »soll ich mal nach ihm schauen?« »Nein, laß mal«, antwortete Luise, »das mach' ich schon.« Dann wischte sie sich die Hände an einem Tuch ab und verließ die Küche, um den alten Mann in Empfang zu nehmen. Florian Winderdaler war vor einem Monat zweiundachtzig geworden, war jahrelang Senn auf der Bragner-Alm gewesen und seit zwei Jahren zog er von Hof zu Hof, um ein Dach über dem Kopf zu haben und etwas zu essen zu bekommen. Bis zu seinem achtzigsten Lebensjahr war er jeden Sommer auf der Alm gewesen, hatte dort seinen Dienst getan, um im Winter hinunter zu seinem Bauern auf den Bragner-Hof zu gehen und dort auszuharren, bis der nächste Sommer kam. Während dieser Zeit hatte der Flori auf dem Hof stets kleinere Arbeiten erledigt. Bis der Bragner-Andi den Hof übernommen und Flori Winderdalers Art der Überwinterung unterbunden hatte. »Du bist jetzt zu alt«, hatte er gesagt, »such bei der Gemeinde an, daß du einen Platz im Heim bekommst.« Der Flori hatte sich geschämt, als er bei der Gemeinde nach einem Heimplatz fragen sollte, weil jeder Senn bei dem Bauern, für den er jahrelang gearbeitet hatte, ein lebenslanges Einsitzrecht auf dem Hof hatte, das war ungeschriebenes Gesetz und galt gleichermaßen für Magd und Knecht. Nur für den Bragner-Andi schien das nicht zu gelten.
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Rezensionen für Der alte Senn – Vertrieben aus Undank
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Buchvorschau
Der alte Senn – Vertrieben aus Undank - Stefanie Valentin
Heimat-Heidi
– 4–
Der alte Senn – Vertrieben aus Undank
Heidi sorgt sich um den alten Flori
Stefanie Valentin
»Du, Luise, schau mal wer da kommt.« Die Berger-Heidi zeigte mit einer Kopfbewegung aus dem Fenster.
Luise, die Seniorwirtin des Bergerhofs tat einen Schritt zur Seite und sah hinaus. Ein alter Mann kam mit schweren Schritten einen schmalen Pfad herunter, seine Sachen waren abgetragen und er selbst wirkte eher verwahrlost.
»Ja Herrschaftseiten, der Flori«, murmelte Luise.
Es war halb zehn am Vormittag und sie war mit ihrer Schwiegertochter Heidi in der Küche des Bergerhofs, um das Mittagessen vorzubereiten, zu dem sie heute mehr Gäste als sonst erwarteten.
»Er schaut net besonders gut aus«, sagte Heidi, »soll ich mal nach ihm schauen?«
»Nein, laß mal«, antwortete Luise, »das mach’ ich schon.« Dann wischte sie sich die Hände an einem Tuch ab und verließ die Küche, um den alten Mann in Empfang zu nehmen.
Florian Winderdaler war vor einem Monat zweiundachtzig geworden, war jahrelang Senn auf der Bragner-Alm gewesen und seit zwei Jahren zog er von Hof zu Hof, um ein Dach über dem Kopf zu haben und etwas zu essen zu bekommen.
Bis zu seinem achtzigsten Lebensjahr war er jeden Sommer auf der Alm gewesen, hatte dort seinen Dienst getan, um im Winter hinunter zu seinem Bauern auf den Bragner-Hof zu gehen und dort auszuharren, bis der nächste Sommer kam. Während dieser Zeit hatte der Flori auf dem Hof stets kleinere Arbeiten erledigt.
Bis der Bragner-Andi den Hof übernommen und Flori Winderdalers Art der Überwinterung unterbunden hatte.
»Du bist jetzt zu alt«, hatte er gesagt, »such bei der Gemeinde an, daß du einen Platz im Heim bekommst.«
Der Flori hatte sich geschämt, als er bei der Gemeinde nach einem Heimplatz fragen sollte, weil jeder Senn bei dem Bauern, für den er jahrelang gearbeitet hatte, ein lebenslanges Einsitzrecht auf dem Hof hatte, das war ungeschriebenes Gesetz und galt gleichermaßen für Magd und Knecht.
Nur für den Bragner-Andi schien das nicht zu gelten. Seitdem er den Hof übernommen hatte, zählten nur noch die Erträge, alles andere galt bei ihm nicht.
Der Andi war ein großer Bursch von dreißig Jahren, der außer dem alten Flori auch noch zwei andere Bedienstete vom Hof gejagt hatte. Einer war auch schon über siebzig gewesen und lebte jetzt bei einer Nichte in Kempten und der andere, der Schneider-Lois, war gerade in Pension gegangen und hatte sich darauf gefreut, in der gewohnten Umgebung seinen Lebensabend zu verbringen.
Doch der Lois hatte ebenso gehen müssen, was ihm derart zugesetzt hatte, daß er im wahrsten Sinn des Wortes vor Aufregung gestorben war.
Selbst da war der Andi nicht zur Besinnung gekommen, sondern er hatte es sogar abgelehnt, für das Begräbnis aufzukommen, was selbstverständlich gewesen wäre. So hatte es in der gesamten Gemeinde für Aufsehen und böses Blut gesorgt. Doch das alles störte den jungen Burschen nicht, er tat wie er meinte tun zu müssen und spielte den großspurigen Bauern.
»Servus, Flori«, begrüßte die Luise den Alten, als der auf den Hof kam, besonders freundlich, »du bist aber schon lang’ nimmer bei uns gewesen. Schön, daß du wieder mal da bist. Wir freuen uns.«
Florian Winderdaler blieb stehen und blinzelte gegen die Sonne, dann atmete er tief durch, schließlich nickte er.
»Ja, das stimmt, ich bin lang’ nimmer bei euch auf dem Berger-Hof gewesen«, sagte er, »aber jetzt hab’ ich wieder mal herkommen müssen.«
»Das ist schön«, sagte Luise, die schon überlegte, wo sie den Flori unterbringen konnte, denn jetzt, in der Saison, waren die Zimmer des Gasthofes alle belegt.
»Ich wollt’ eigentlich nur um ein Stück Brot bitten«, sagte der Alte, der wirklich einen total
heruntergekommenen Eindruck machte.
»Ein bisserl wirst aber doch bei uns bleiben«, erwiderte Luise, »wenn du schon mal da bist, was eh selten genug der Fall ist, dann darfst nicht gleich wieder weggehen.«
Der Alte sah die Seniorwirtin des Bergerhofs daraufhin mit einem Blick an, in dem so was wie ein Fünkchen Hoffnung lag, dann lächelte er.
»Weißt du was?« fragte er. »Dir glaub’ ich’s sogar, wenn du es sagst. Aber ihr habt das Haus doch sicher voll belegt. Ich kann also gar net dableiben.«
»So belegt, daß net ein Schlafplatz für dich da ist, das gibt es gar net«, erwiderte Luise, dann zeigte sie auf seine Kleidung. »Ich hab’ ein paar schöne Sachen drinnen. Wenn du magst, dann kannst du sie haben.«
Der Flori nickte, vermied es aber, die Luise anzusehen. Er war zeitlebens ein stolzer Mann gewesen, der sein freies Leben auf der Alm über alles geschätzt hatte. Daß er jetzt, um zu überleben, quasi betteln gehen mußte, das war in seinen Planungen nicht vorgesehen gewesen.
»Ich kann auch in der Scheune schlafen«, murmelte er, »jetzt im Sommer ist das gar net schlimm. Ein Lager im Heu ist allweil besser als gar keines.«
»Du wirst net im Heu liegen«, erwiderte Luise, »sondern so, wie es sich’s für einen Menschen gehört, nämlich in einem Bett mit weißem Laken, verstehst? Jetzt kommst aber erst mal mit in die Küche, da kannst eine Brotzeit bekommen. Denn gefrühstückt haben wirst ja noch net, oder?«
Der Lois schüttelte den Kopf.
»Wo kommst denn her?« wollte die Luise daraufhin wissen.
»Vom Schuster-Bauern aus Balding«, antwortete Flori.
»Zu Fuß?« Luise sah den Alten ungläubig an.
Doch der nickte. »Sicher zu Fuß. Oder meinst, mich würd’ wer irgendwohin fahren?«
»Aber von Balding her zu uns, da gehst vier Stunden und länger«, erwiderte Luise.
»Viereinhalb Stunden bin ich gegangen, wenn du es ganz genau wissen willst.« Flori zeigte auf eine Uhr in der Küche. »Ich hab’ beim Schuster auf die Uhr gesehen und jetzt ist es grad halb zehne durch.«
Luise stutzte. »Dann bist du schon um fünf losgegangen? Wieso denn schon so zeitig?«
»Beim Schuster bin ich net gar so gern«, erwiderte der alte Flori, »da zählens dir die Stückl Brot zusammen, die du gegessen hast, solang’ du bei ihnen gewesen bist. Es sagt zwar keiner was, aber spüren tust es in jeder Sekunde.«
Luise starrte den Alten ungläubig an. »Das gibt’s doch gar net.«
Da lächelte der Alte. »Oje, Bergerin, was meinst denn, was es net alles gibt auf der Welt. Um das festzustellen, darfst net reich sein, da mußt arm sein. Dann erlebst aus erster Hand, was es heißt, auf andere angewiesen zu sein.«
Luise nickte. Sie blieb stehen und sah den Florian nachdenkend an.
»Du wirst, solang’ du hier bist, droben bei uns in einem der Privaträume wohnen«, sagte sie.
Doch der Alte schüttelte sofort den Kopf. »Das kommt überhaupt net in Frage. Wenn ich überhaupt dableib’, dann schlaf’ ich da, wo die Dienstboten schlafen.«
Die Luise schüttelte den Kopf. »Da ist wirklich alles belegt. Wir haben seit ein paar Tagen ein Madel zur Aushilfe bekommen. Es stammt aus Hindelang, studiert in München Pädagogik und will sich in den Ferien ein paar Mark dazuverdienen. In den Sommermonaten ist der Bergerhof immer voll belegt.«
»Dann… geh’ ich heut’ nachmittag weiter«, sagte Flori.
»Gar nix gehst du«, widersprach Luise. »Mir ist nämlich noch was eingefallen.«
»Was denn?« Hoffnungsvoll sah der ehemalige Senn die Berger-Luise an.
»Drüben über dem ehemaligen Stall, wo heut’ die Garage drinnen ist«, begann sie.
»Ja? Was