Als Annalen das Gedächtnis verlor: Der kleine Fürst 294 – Adelsroman
Von Viola Maybach
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
Marina von Beeven wälzte sich schlaflos in ihrem Bett. Es war doch zu lächerlich, dass sie sich benahm, als sei Annalena noch immer ihre Teenagertochter, um die sie sich Sorgen machen musste, wenn sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht zu Hause war! Aber sie konnte nichts dagegen tun: Je mehr sie versuchte, endlich einzuschlafen, desto wacher wurde sie. Schließlich stand sie auf, um mit ihrer Unruhe nicht auch noch ihren Mann zu wecken, der schon in früheren Zeiten selig hatte schlafen können, wenn Annalena mit ihren Freundinnen und Freunden die Nacht zum Tage gemacht hatte. Sie war nie auf die Idee gekommen, die schlaflosen Nächte zu zählen, die sie der Lebenslust ihrer Tochter zu verdanken hatte, es mussten sehr, sehr viele sein. Aber es war dann immer ein wunderbarer Moment gewesen, wenn Annalena endlich nach Hause gekommen war. Eigentlich war dieses Heimkehren immer gleich abgelaufen, jedenfalls erinnerte sie sich so daran. »Mama, wieso bist du denn noch auf? Ich habe dir doch schon tausend Mal gesagt, dass du ruhig schlafen kannst, mir passiert schon nichts!« »Ach, ich konnte einfach nicht schlafen. War es denn schön auf der Party?« »Es war ganz toll, aber jetzt bin ich echt müde. So viel wie dieses Mal habe ich noch nie getanzt.« Mit diesen Worten war Annalena in ihrem Zimmer verschwunden, und auch Marina hatte sich wieder ins Bett gelegt – und war, kein Wunder, innerhalb kürzester Zeit eingeschlafen. Als sie die Küche betrat, sah sie auf die Uhr. So spät war es noch gar nicht, erst ein Uhr. Früher hatte sie meistens bis zwei oder drei auf ihre Tochter warten müssen. Offenbar war das noch immer so. Sie machte sich etwas Milch warm und gab einen Löffel Honig hinein. Das alte Rezept – ob es auch heute noch half?
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Buchvorschau
Als Annalen das Gedächtnis verlor - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 294 –
Als Annalen das Gedächtnis verlor
… hatte Julius die größte Krise seines Lebens
Viola Maybach
Marina von Beeven wälzte sich schlaflos in ihrem Bett. Es war doch zu lächerlich, dass sie sich benahm, als sei Annalena noch immer ihre Teenagertochter, um die sie sich Sorgen machen musste, wenn sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht zu Hause war! Aber sie konnte nichts dagegen tun: Je mehr sie versuchte, endlich einzuschlafen, desto wacher wurde sie.
Schließlich stand sie auf, um mit ihrer Unruhe nicht auch noch ihren Mann zu wecken, der schon in früheren Zeiten selig hatte schlafen können, wenn Annalena mit ihren Freundinnen und Freunden die Nacht zum Tage gemacht hatte. Sie war nie auf die Idee gekommen, die schlaflosen Nächte zu zählen, die sie der Lebenslust ihrer Tochter zu verdanken hatte, es mussten sehr, sehr viele sein. Aber es war dann immer ein wunderbarer Moment gewesen, wenn Annalena endlich nach Hause gekommen war.
Eigentlich war dieses Heimkehren immer gleich abgelaufen, jedenfalls erinnerte sie sich so daran. »Mama, wieso bist du denn noch auf? Ich habe dir doch schon tausend Mal gesagt, dass du ruhig schlafen kannst, mir passiert schon nichts!« »Ach, ich konnte einfach nicht schlafen. War es denn schön auf der Party?« »Es war ganz toll, aber jetzt bin ich echt müde. So viel wie dieses Mal habe ich noch nie getanzt.« Mit diesen Worten war Annalena in ihrem Zimmer verschwunden, und auch Marina hatte sich wieder ins Bett gelegt – und war, kein Wunder, innerhalb kürzester Zeit eingeschlafen.
Als sie die Küche betrat, sah sie auf die Uhr. So spät war es noch gar nicht, erst ein Uhr. Früher hatte sie meistens bis zwei oder drei auf ihre Tochter warten müssen. Offenbar war das noch immer so.
Sie machte sich etwas Milch warm und gab einen Löffel Honig hinein. Das alte Rezept – ob es auch heute noch half? Damals hatte es manchmal tatsächlich gewirkt, aber ganz zuverlässig war es nicht gewesen, wenn sie sich nicht täuschte. Langsam trank sie die Milch, noch immer in ihre Erinnerungen an Annalenas Teenagerjahre versunken. Deshalb drang das Geräusch auch nicht sofort zu ihr durch. Erst beim dritten Klingeln des Telefons sprang sie endlich auf, mit wild klopfendem Herzen. Wenn Annalena um diese Zeit anrief, konnte das nur bedeuten, dass ihr etwas zugestoßen war …
»Lena?«, rief sie ins Telefon.
»Hier ist Dr. Brocks, ich rufe aus meiner Klinik an«, erwiderte eine ruhige Stimme. »Spreche ich mit Frau von Beeven?«
»Ja, aber …«
»Sie sind die Mutter von Annalena von Beeven?«
Marina tastete nach der Wand, um Halt zu finden. Dies war ein Albtraum, sie konnte nur hoffen, jeden Moment daraus zu erwachen. »Ja«, flüsterte sie. »Was ist passiert?«
»Jemand hat sie angefahren und anschließend Fahrerflucht begangen. Sie kann von Glück sagen, dass einer unserer Ärzte sie gefunden und umgehend einen Rettungswagen gerufen hat. Ihre Tochter hat schwere innere Verletzungen erlitten, sie musste sofort operiert werden. Die OP dauert noch an. Es tut mir seid leid, Frau von Beeven.«
»Aber sie wird doch wieder gesund? Sie können ihr doch helfen?«
Der Arzt am anderen Ende der Leitung räusperte sich. »Wir tun alles, was in unserer Macht steht, das versichere ich Ihnen. Aber ich muss Ihnen leider sagen, dass der Zustand Ihrer Tochter kritisch ist.«
Marina schloss die Augen. Die Beine versagten ihr den Dienst. Ganz langsam rutschte sie an der Wand entlang nach unten.
»Frau von Beeven?«
»Ja, ich … wir kommen sofort, Herr Doktor. Bitte, retten Sie unsere Tochter.« Sie wartete die Erwiderung nicht ab, sondern beendete das Gespräch. Ihr Mund war trocken, ihre Augen brannten, am liebsten hätte sie geschrien, um wenigstens einen Teil ihrer inneren Spannung loszuwerden. Aber sie unterdrückte diesen Wunsch. Was half es, wenn sie auch Ernst noch in Panik versetzte? Sie versuchte aufzustehen, doch das gelang ihr nicht ohne weiteres. Sie brauchte mehrere Anläufe, bis es ihr gelang, wieder auf die Füße zu kommen.
Als sie sich auf den Weg zum Schlafzimmer machte, schien ihr Körper aus Blei zu bestehen. So schwer war er mit einem Mal, dass es ihr kaum gelang, ihn vorwärts zu schleppen. Sie hatte das Schlafzimmer noch nicht erreicht, als dessen Tür geöffnet wurde und Ernst erschien. »Marina, was ist denn los? Wartest du etwa …« Er sah ihr Gesicht und brach ab. Mit zwei Schritten war er bei ihr, nahm sie in die Arme. »Was ist passiert? Sag schon!«
»Lena«, schluchzte sie, während sie sich an ihn klammerte. »Lena ist angefahren und schwer verletzt worden. Sie operieren sie schon. Wir müssen in die Klinik, Ernst!«
Was dann geschah, bekam sie nur noch wie durch einen Nebel mit. Irgendwann jedoch saß sie angezogen neben Ernst im Auto. Er musste sie anschnallen, weil ihre Finger zu stark zitterten, und natürlich musste er fahren. Sie wäre dazu nicht imstande gewesen. Ernst jedoch war zumindest äußerlich die Ruhe selbst. Er fuhr nicht einmal besonders schnell, sondern so wie immer.
Aber anders als sonst sprach er kein Wort, bis sie die Klinik erreicht hatten.
*
»Wir haben ihm ein Beruhigungsmittel gegeben«, sagte Walter Brocks mit gedämpfter Stimme zu Baronin Sofia, die nicht von Julius’ Seite gewichen war, seit sie ihn an der Straße gefunden hatte, mit der schwer verletzten jungen Frau neben sich, die er in die stabile Seitenlage gebracht hatte und deren starke Blutungen er zu stoppen versuchte. Fast zeitgleich mit ihr waren Polizei und Rettungswagen eingetroffen.
»Ich hätte Sie gar nicht anrufen sollen«, hatte Julius gestammelt. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen nun auch noch diesen Abend verderbe, aber ich … Sie sind mir einfach eingefallen, und ich wollte nicht ganz allein sein hier und …«
Sie hatte ihn zu beruhigen versucht, aber er war außer sich gewesen, hatte zweifellos unter Schock gestanden. Trotzdem hatte er die junge Frau so umsichtig versorgt, wie es unter den gegebenen Umständen möglich gewesen war. Jetzt lag er selbst als Patient in Dr. Brocks’ Klinik und wurde behandelt.
»Hoffentlich schläft er eine Weile, Herr Doktor«, erwiderte Sofia, während ihr Blick besorgt auf dem Gesicht des jungen Mannes ruhte, mit dem sie einen so schönen Abend im Schloss verlebt hatten. »Was für eine furchtbare Geschichte!«
»Ja, wir können nur hoffen, dass die Polizei den flüchtigen Fahrer oder die Fahrerin ausfindig macht!«, erwiderte Walter Brocks grimmig. »Lässt eine schwer verletzte Frau einfach zurück, ohne sich weiter um sie zu kümmern, nachdem er sie angefahren hat! Wahrscheinlich ist er nicht einmal ausgestiegen. Was sind das für Menschen, die so etwas tun?«
»Menschen, die Angst vor den Konsequenzen haben, schätze ich.«
Walter Brocks nickte. »Ein Glück war es immerhin, dass Herr von Claasshoff uns den Namen der jungen Frau sagen konnte, sie hatte ja keine Papiere bei sich. Ihre Eltern werden bald hier sein.«
»Aber Sie wird doch überleben?«
»Ich hoffe es von ganzem Herzen. Aber sie hatte