Der kleine Fürst 108 – Adelsroman: Das hässliche Entlein
Von Viola Maybach
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Frau von Hagen", sagte die alte Dame, "das war ein ganz wunderbarer Roman, den Sie mir neulich empfohlen haben. Etwas in der Art hätte ich gern noch einmal!
Irina von Hagen lächelte ihr schüchternes Lächeln. "Es freut mich sehr, dass Ihnen das Buch gefallen hat, Frau Heller.
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Buchvorschau
Der kleine Fürst 108 – Adelsroman - Viola Maybach
Der kleine Fürst –108–
Das hässliche Entlein
Liebe macht schön, Irina!
Roman von Viola Maybach
»Frau von Hagen«, sagte die alte Dame, »das war ein ganz wunderbarer Roman, den Sie mir neulich empfohlen haben. Etwas in der Art hätte ich gern noch einmal!«
Irina von Hagen lächelte ihr schüchternes Lächeln. »Es freut mich sehr, dass Ihnen das Buch gefallen hat, Frau Heller.«
»Ich konnte gar nicht aufhören zu lesen, mein Mann hat sich schon beschwert«, berichtete die Kundin. »Wenn er wüsste, dass ich heute schon wieder bei Ihnen im Laden bin, wäre er sicher gar nicht erfreut!« Karin Hellers lebhafte Augen blitzten. »Aber er hat ja gewusst, dass ich eine Leseratte bin, als wir geheiratet haben, also darf er sich jetzt auch nicht beschweren, habe ich Recht?«
»Ich möchte aber nicht, dass er böse auf mich ist«, erklärte Irina, holte ein Buch aus dem Regal und reichte es der alten Dame. »Sehen Sie es sich in Ruhe an. Möchten Sie vielleicht einen Kaffee trinken?«
»Gern!« Karin Heller strahlte noch mehr und ging zu der gemütlichen Leseecke im hinteren Teil des Verkaufsraums. Irina schenkte ihr eine Tasse Kaffee ein, stellte sie mit Milch und Zucker auf ein Tablett und brachte sie ihr.
»Danke, Frau von Hagen. Ich kaufe es bestimmt, aber ein bisschen reinschnuppern möchte ich schon gern …« Mit diesen Worten versank die alte Dame in dem Roman, und Irina zog sich zurück.
Es waren noch einige andere Kunden im Laden, die sich jedoch selbst umsehen wollten. Einmal mehr fragte sich Irina, warum sie ohne Probleme mit fremden Menschen über Bücher reden konnte, wo ihr doch bei jedem anderen Thema sofort die Worte im Halse stecken blieben. Sie war schon als kleines Mädchen überaus schüchtern gewesen, und leider hatte sich die Vorhersage ihrer Grundschullehrerin: »Keine Sorge, das wächst sich aus« bisher nicht bewahrheitet. Im Gegenteil, sie selbst hatte den Eindruck, dass es von Jahr zu Jahr eher schlimmer wurde.
Nur hier, in ihrer eigenen Buchhandlung, bei deren Eröffnung ihre Eltern sie unterstützt hatten, vergaß sie ihre Schüchternheit. Sobald es um Bücher ging, war sie um Worte nicht verlegen. Aber wehe, ein Kunde versuchte, sie in ein allgemeines oder sogar persönliches Gespräch zu ziehen: Dann floh sie, so schnell sie konnte.
Sie hatte zwei sympathische Angestellte gefunden, die mit ihrer ausgeprägten Schüchternheit ganz selbstverständlich umgingen: Margret Sonnenbauer war blond und rundlich, fünfzig Jahre alt und überglücklich, wieder eine Stelle zu haben, nachdem sie sich schon beinahe damit abgefunden hatte, nie wieder in ihrem erlernten Beruf arbeiten zu können. Ihr Kollege Hannes Zenk war ein gut aussehender Blonder von Ende Dreißig, der auf jüngere Leserinnen wie ein Magnet wirkte. Immer wieder staunte Irina darüber, wie viele Frauen zwischen zwanzig und fünfzig offenbar allein seinetwegen in den Laden kamen. Er flirtete dezent mit ihnen, verkaufte viel und freute sich ganz unschuldig darüber.
Einige Minuten später öffnete sich die Tür der Buchhandlung erneut, aber dieses Mal war es kein Kunde, der hereinkam, sondern Irinas Bruder Nikolaus – noch so ein Typ, auf den die Frauen flogen. Es faszinierte Irina jedes Mal von Neuem, wie sich die Atmosphäre in einem Raum veränderte, sobald ihr Bruder ihn betrat. Die anwesenden Frauen veränderten ihre Haltung, verstohlene Blicke flogen in seine Richtung, die Stimmen klangen anders.
Nikolaus umarmte Irina liebevoll und flüsterte ihr ins Ohr: »Gehst du mit mir Mittag essen?«
Gleich darauf eilte eine junge Frau auf Irina zu, um sich beraten zu lassen. Sie hatte vorher erklärt, sie komme allein zurecht. Nikolaus wartete geduldig, solange seine Schwester mit der Kundin sprach. Die aber schien kaum zuzuhören, stattdessen warf sie Nikolaus immer wieder herausfordernde Blicke zu. Er antwortete mit einem nichtssagenden Lächeln und wandte sich schließlich ab, bis die Kundin enttäuscht aufgab und wenig später den Laden verließ, ohne etwas gekauft zu haben.
»Hab ich sie vergrault?«, fragte Nikolaus besorgt.
Irina und er hatten beide die dunklen Haare des Vaters geerbt, aber sonst unterschieden sie sich äußerlich sehr. Ihr Bruder war groß, Irina eher klein und zierlich; seine Augen waren blau, ihre braun; er war ein ausgesprochen gut aussehender Mann mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein, sie tat wegen ihrer Schüchternheit alles, um möglichst nicht aufzufallen. Sie trug die schönen, dichten dunklen Haare kurz geschnitten und benutzte kein Make-up, und während Nikolaus bei seiner Kleidung viel Wert auf Stil legte, bevorzugte Irina Kostüme und Hosenanzüge in gedeckten Farben wie grau, dunkelblau, braun und beige. »Tarnfarben«, sagte ihre Schwester Cornelia dazu. Annäherungsversuchen entging Irina auf diese Weise tatsächlich: Niemand kam bei ihrem Aussehen auf die Idee, einen Flirt mit ihr zu suchen, und so war es ihr gerade recht.
»Sie hätte sowieso nichts gekauft«, seufzte sie jetzt. »Sie hatte gehofft, Hannes im Laden anzutreffen, aber er hat ja erst ab heute Nachmittag Dienst. Sie wollte nicht gleich wieder gehen, weil sie immer denkt, ich wüsste nicht, dass sie nicht wegen der Bücher kommt.«
»Soll ich jetzt beleidigt sein?«, fragte Nikolaus belustigt. »Ich war also nur der Lückenbüßer für deinen Kollegen?«
Sie strich ihm liebevoll über den Arm. »Wenn du noch zehn Minuten wartest, gehe ich mit dir – aber ich mag meine Kunden nicht hinauswerfen.«
»Eigentlich solltest du aber schon geschlossen haben«, bemerkte Nikolaus nach einem Blick auf die Uhr.
Sie nickte nur. Eine Viertelstunde später waren alle Kunden gegangen, auch Karin Heller, die glückstrahlend mit ihrem neuen Roman abgezogen war, und Nikolaus führte seine Schwester in ein versteckt gelegenes französisches Restaurant. »Die haben neu aufgemacht«, erklärte er, als sie sich verwundert umsah. »Sehr gutes Essen, ich habe es schon getestet – und weil es noch neu ist, hat man hier seine Ruhe.«
Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Er wusste natürlich, dass sie ruhige Orte bevorzugte. Viele Leute, Lärm und Hektik wurden ihr schnell zu viel.
Sie studierten noch die Speisekarten, als jemand sagte: »Niko! Wenn das keine Überraschung ist!«
Irina sah auf und begegnete einem neugierigen Blick aus dunklen Augen. Der Mann war blond, nicht sehr groß und sah nett aus. Er lächelte sie an. Sie erwiderte das Lächeln, dann sah sie zu ihrem Bruder hinüber, der aufgesprungen war, um den Blonden zu begrüßen. Er wich ihrem Blick beharrlich aus, als er seinen Bekannten bat, doch bei ihnen am Tisch Platz zu nehmen, falls er allein sei.
»Ja, bin ich, aber ich will nicht stören.«
»Du störst doch nicht, Leo. Irina, das ist Leo von Brühl, wir kennen uns von früher.«
Die Freude über das unerwartete Auftauchen ihres Bruders verflog. Sie hatte gedacht – gehofft – er sei wirklich gekommen, um sie zu sehen und mit ihr zu reden. Aber jetzt zeigte sich, dass es wieder einmal nur das Übliche war …
Die Mahlzeit verlief wie viele andere vor ihr: Die beiden jungen Männer unterhielten sich lebhaft miteinander, wobei vor allem Nikolaus bemüht war, seine Schwester ins Gespräch zu ziehen, was ihm nur sehr unzureichend