Mutterliebe auch für Birgit: Mami Bestseller 71 – Familienroman
Von Gisela Reutling
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Über dieses E-Book
Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt!
Für den Kinderarzt Dr. Kemper war es ein alltäglicher Anblick: Das in Fieberhitze glühende Gesicht eines Achtjährigen und neben dem Bett die Mutter, in deren Miene sich alle Besorgnis zeigte, die Dr. Kemper nur zu gut kannte. »Ich kann das gar nicht verstehen, Herr Doktor«, klagte Frau Schulte, »gestern war er noch ganz munter, und heute früh, als ich ihn weckte, ging es ihm so schlecht. Er hustete fürchterlich und verlangte nach heißem Zitronenwasser, das habe ich ihm mit einem Teelöffel Honig gegeben. Dann habe ich ihn Fieber messen lassen und war zu Tode erschrocken, als das Thermometer fast 40 Grad anzeigte!« Unruhig strich sie sich über das Haar. »Na, dann wollen wir mal sehen, was du da ausbrütest, mein Sohn«, sagte Dr. Kemper und griff nach seiner Arzttasche. Er kannte Jochen Schulte seit Jahren und hatte schon seine Kinderkrankheiten behandelt, die dank seiner robusten Konstitution immer einen leichten Verlauf genommen hatten. »Mama macht sich immer gleich zuviel Sorgen«, keuchte der Junge mit den prallen roten Wangen unter seinem dicken Federbett hervor. »Morgen geht es mir bestimmt schon wieder besser.« »Das wollen wir hoffen, wo du doch so ein kräftiger Kerl bist, hm?« Dr. Kemper lächelte aufmunternd und schlug die Decke zurück, um den kleinen Patienten zu untersuchen. Schon bei der ersten Berührung stellte er fest, daß der Knabenkörper zwar warm war, was einen nicht wundern konnte, so wie die Mutter ihn in Kissen eingebettet hatte, aber fiebrig war er nicht. Auch der Puls war normal, im Hals keine Anzeichen von Rötung oder Schwellung, beim Abtasten des Leibes tat nichts weh.
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Mami Classic
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Buchvorschau
Mutterliebe auch für Birgit - Gisela Reutling
Mami Bestseller
– 71 –
Mutterliebe auch für Birgit
Sylvia schloss die kleine Waise in ihr Herz
Gisela Reutling
Für den Kinderarzt Dr. Kemper war es ein alltäglicher Anblick: Das in Fieberhitze glühende Gesicht eines Achtjährigen und neben dem Bett die Mutter, in deren Miene sich alle Besorgnis zeigte, die Dr. Kemper nur zu gut kannte.
»Ich kann das gar nicht verstehen, Herr Doktor«, klagte Frau Schulte, »gestern war er noch ganz munter, und heute früh, als ich ihn weckte, ging es ihm so schlecht. Er hustete fürchterlich und verlangte nach heißem Zitronenwasser, das habe ich ihm mit einem Teelöffel Honig gegeben. Dann habe ich ihn Fieber messen lassen und war zu Tode erschrocken, als das Thermometer fast 40 Grad anzeigte!« Unruhig strich sie sich über das Haar.
»Na, dann wollen wir mal sehen, was du da ausbrütest, mein Sohn«, sagte Dr. Kemper und griff nach seiner Arzttasche. Er kannte Jochen Schulte seit Jahren und hatte schon seine Kinderkrankheiten behandelt, die dank seiner robusten Konstitution immer einen leichten Verlauf genommen hatten.
»Mama macht sich immer gleich zuviel Sorgen«, keuchte der Junge mit den prallen roten Wangen unter seinem dicken Federbett hervor. »Morgen geht es mir bestimmt schon wieder besser.«
»Das wollen wir hoffen, wo du doch so ein kräftiger Kerl bist, hm?« Dr. Kemper lächelte aufmunternd und schlug die Decke zurück, um den kleinen Patienten zu untersuchen. Schon bei der ersten Berührung stellte er fest, daß der Knabenkörper zwar warm war, was einen nicht wundern konnte, so wie die Mutter ihn in Kissen eingebettet hatte, aber fiebrig war er nicht. Auch der Puls war normal, im Hals keine Anzeichen von Rötung oder Schwellung, beim Abtasten des Leibes tat nichts weh. Die Kinderaugen, die sein Tun aufmerksam beobachteten, waren klar und hellwach.
Plötzlich überkam Jochen einen Hustenanfall, der ihn stieß und krebsrot im Gesicht anlaufen ließ. Dr. Kemper runzelte die Stirn, er blickte den Knaben prüfend und durchdringend an, aber zur Vorsorge horchte er ihm die Lunge ab. Währenddessen eilte Frau Schulte zum Telefon, das in der Diele klingelte. Wortreich, in schrillem Ton, erzählte sie offenbar einer Freundin, was ihrem Sohn so plötzlich zugestoßen war.
Um so leiser sprach Dr. Kemper. »Die Klassenarbeit bei Fräulein Kalinka, was, um die kommst du jetzt fein herum. Meinst du wirklich, mir könntest du etwas vormachen, du Lausbub?«
Jochen riß die runden braunen Augen auf. »Wo – woher wissen Sie das von der Klassenarbeit?«
»Vielleicht kann ich hellsehen«, äußerte der Arzt ernsthaft und mußte doch ein Schmunzeln unterdrücken. Jochen brauchte nicht zu wissen, daß seine Nichte, die mit Jochen in die gleiche Klasse ging, ihm zufällig gestern von der gefürchteten Klassenarbeit bei der ungeliebten Lehrerin erzählt hatte. »Also«, fuhr er fort, während er seine Instrumente in die Arzttasche zurücklegte, »deine gekonnten Hustenanfälle kannst du dir sparen, nur eine besorgte Mama hört da nicht die falschen Töne heraus. Und das heiße Zitronenwasser hast du gebraucht, um das Fieberthermometer hineinzutauchen und hochschnellen zu lassen. Das ist ein alter Zopf, mein Lieber.«
Jochen kicherte, weil er durchschaut war. Übermütig hieb er mit den Händen auf die Bettdecke. »Sie sind echt Spitze, Onkel Kemper!« sagte er begeistert.
Der Arzt ließ die Tasche zuschnappen, dann packte er den Jungen fest bei seinem strubbeligen rotblonden Haar und beutelte ihn leicht. Diesmal war sein Ton streng. »Das war das erste und letzte Mal, daß du versucht hast, mich an der Nase herumzuführen! Ist das klar?«
»Ich wollte ja gar nicht, daß Mama sie holte«, tuschelte er. »Ich wollte doch nur…« Er verstummte, wechselte blitzschnell zu einer Leidensmiene über und ließ sich matt in die Kissen zurücksinken. Seine Mutter war wieder ins Zimmer gekommen.
»Nun, was haben Sie herausgefunden, Herr Doktor?« fragte sie bang.
»Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung, Frau Schulte«, versicherte Dr. Kemper unter dem beschwörenden Blick des Jungen. »Lassen Sie Jochen heute im Bett, und morgen wird er wieder topfit sein.«
Etwas verwirrt, aber doch unendlich erleichtert, nickte die Mutter. Wenn Dr. Kemper das sagte, würde es wohl stimmen. Sie und alle Mütter ihres Bekanntenkreises hatten großes Vertrauen zu dem jungen sympathischen Arzt. Sie sah, wie er Jochen ein Schächtelchen auf den Nachttisch legte. Es waren harmlose Kräuterbonbons, aber das wußte nur er.
»Davon läßt du alle zwei Stunden eine auf der Zunge zergehen«, verordnete er. »Und nun mach’s gut, Jochen.« Er gab ihm einen leichten Klaps auf die Wange. »Besser dich.«
»Mach ich. Mach’ ich alles. Danke, Onkel Kemper!«
Zu ihrem großen Erstaunen bemerkte Frau Schulte, daß ihr Sohn, der sich doch vorhin »ganz schrecklich schlecht« gefühlt hatte, schon wieder hell und vergnügt lächelte. »Sie vollbringen wahre Wunder, Herr Doktor!« sagte sie dankbar, als sie Ihn hinausgeleitete, und überschwenglich drückte sie ihm die Hand.
»Halb so wild«, wehrte Norbert Kemper leicht verlegen ab. Eigentlich hätte er ein schlechtes Gewissen haben müssen, weil er mit dem kleinen Schwindler sozusagen gemeinsame Sache gemacht hatte. Aber ihn verraten – nein, das hätte er nicht fertiggebracht. Er war auch kein Engelsknabe gewesen, davon wußte seine Mutter ein Lied zu singen. Mancher Streich war in der Schule auf seine Kosten gegangen. Mit seinen dreiunddreißig Jahren war er jung genug, um sich recht gut daran zu erinnern. Vielleicht liebten ihn die Kinder deshalb, weil er auch in dieser Beziehung viel Verständnis für sie hatte.
Ein Blick auf die Uhr belehrte ihn, daß es zehn vor neun war und damit höchste Zeit, in seine Praxis zu kommen. Drei Hausbesuche hatte er bereits hinter sich. Ein Kind mußte er wegen Verdachts auf Nephrose – einer Störung des Nierenstoffwechsels – ins Krankenhaus überweisen, ein anderes hatte sich am kochenden Wasserkessel verbrannt, und eine sofortige Wundbehandlung war notwendig gewesen.
Um den Weg abzukürzen, fuhr er nicht durch die verkehrsreiche Innenstadt, sondern die ruhige Straße am Stadtpark entlang. Es war ein schöner Tag im Mai, die Bäume trugen zartes Grün, auf dem kleinen See, der den Park begrenzte, zogen weiße Schwäne ihre Bahn, führte eine Entenmutter eine Schar Entenkinder hinter sich her. Ein Kind mit auffallend hellem Haar hockte am Ufer und lockte sie. Es mochte etwa sieben, acht Jahre alt sein, und offenbar war es allein. Jedenfalls war um diese Morgenstunde kein Mensch sonst zu sehen, wie Norbert mit einem raschen Blick im Vorüberfahren feststellte. Ob es vielleicht auch die Schule schwänzte?
Er vergaß es schnell, gab Gas und war wenige Minuten später in seiner Praxis, wo die Sprechstundenhilfe ihm schon die Karteikarte des ersten kleinen Patienten, der mit seiner Mutter nebenan wartete, auf den Schreibtisch gelegt hatte. Der Arzt schlüpfte in seinen weißen Kittel, und der Arbeitstag in den hellen, mit lustigen bunten Bildern auf die kindliche Psyche eingehenden Räumen begann.
*
Für Sylvia Hoberg begann dieser Tag wie so oft mit einem Spaziergang. Seit ihr Mann nach einer schweren Operation vor zwei Jahren gestorben war, warteten kaum noch Pflichten auf sie. Gewiß, das Haus mußte in Ordnung gehalten werden, aber wenn man allein darin wohnte, gab es da nicht sehr viel zu tun. Nur im Garten werkelte sie stundenlang, das Wachsen und Gedeihen der Blumen und Pflanzen zu beobachten war ihre einzige Freude.
Langsam, den Blick zu Boden gesenkt, schritt sie durch die stillen menschenleeren Wege des Stadtparks. Mit Wehmut erinnerte sie sich daran, daß es ein solcher Maientag war, an dem sie Albrecht geheiratet hatte. Sieben Jahre war das jetzt her, zweiundzwanzig war sie gewesen. Albrecht war Direktor der Bank, in welcher sie in der Devisenabteilung arbeitete. Zwanzig Jahre älter war er als sie, aber was machte der Altersunterschied schon aus! Sie hatte den reifen klugen Mann von ganzem Herzen geliebt. Nur zu kurz war das Glück gewesen. Seine Stimme, sein ruhiges Lächeln, seine sie in Wärme einhüllende Zärtlichkeit fehlten ihr unsagbar.
Ein helles Stimmchen weckte Sylvia aus ihren traurigen Gedanken. »Komm, na komm, du brauchst doch keine Angst vor mir zu haben!«
Sie entdeckte das blonde Kind, das im Gras am See saß. Im ausgestreckten Händchen hielt es einer Ente, die ans Ufer gewatschelt kam, Brotkrümel hin. Sylvia trat näher und beobachtete die Szene.
»Sie traut sich doch nicht, es dir aus der Hand zu picken«, sagte sie. Das Kind, es war ein Mädchen, schüttelte den Kopf und warf die Brotkrume von sich, da stürzte sich die Ente schnatternd darauf.
Dann blickte das Kind auf. Es zeigte keinerlei Anzeichen von Erschrecken, daß da plötzlich eine Fremde neben ihm stand. Die blauen, von einem Kranz dunkler Wimpern umgebenen Augen im zarten blassen Gesicht hatten einen ernsthaften, seltsam unkindlichen Ausdruck.
Sylvia zögerte, weiterzugehen. »Bist du ganz allein hier?« fragte sie.
Als die Kleine nur nickte, fuhr sie fort: »Paß auf, daß du dich nicht erkältest. Du hast nur ein kurzes Röckchen an, und das Gras ist noch feucht. Deine Mutti würde das sicher nicht gerne sehen.«
Das Kind schwieg, aber es betrachtete die hübsche dunkelhaarige Frau, die so freundlich zu ihm sprach, mit erwachendem Interesse. »Wollen Sie auch die Enten füttern?« fragte es