Die verlorene Tochter: Heimat-Heidi 47 – Heimatroman
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Die Bergerhof-Heidi kam in die Küche zu Luise, hielt ihr einen Briefbogen hin und sagte: »Schau mal.« Die Seniorchefin des Bergerhofs wischte sich die Hände ab, nahm den Briefbogen und fragte. »Was ist damit?« »Lies mal, wer sich angemeldet hat«, antwortete Heidi. Luise setzte sich hinter den großen Tisch, den der Vorderegger-Franz mal heraufgebracht hatte, kramte ein wenig umständlich ihre Lesebrille aus dem Etui und begann den Brief zu lesen. »Das gibt's doch gar net«, sagte sie nach einer Weile, »die Kramers aus Ulm.« Heidi nickte. »Und sie wollen gleich vier Wochen bleiben.« »Und die Ulla kommt mit Mann und Kind mit«, fügte Luise hinzu, dann setzte sie ihre Brille ab. »Wann waren die das letzte Mal da bei uns?« Heidi lachte. »Die Frage hab' ich mir auch gestellt und nachgeschaut.« »Und…?« »Vor elf Jahren genau«, antwortete Heidi. »Damals war die Ulla grad mal ein Teenager, der Peter lebte noch und umgebaut war auch noch net.« Vor annähernd zehn Jahren war Luises Sohn und Heidis Mann Peter bei Holzschlägerarbeiten tödlich verunglückt.
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Rezensionen für Die verlorene Tochter
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Buchvorschau
Die verlorene Tochter - Stefanie Valentin
Heimat-Heidi
– 47 –
Die verlorene Tochter
Aber mein Kind soll glücklich sein!
Stefanie Valentin
Die Bergerhof-Heidi kam in die Küche zu Luise, hielt ihr einen Briefbogen hin und sagte: »Schau mal.«
Die Seniorchefin des Bergerhofs wischte sich die Hände ab, nahm den Briefbogen und fragte. »Was ist damit?«
»Lies mal, wer sich angemeldet hat«, antwortete Heidi.
Luise setzte sich hinter den großen Tisch, den der Vorderegger-Franz mal heraufgebracht hatte, kramte ein wenig umständlich ihre Lesebrille aus dem Etui und begann den Brief zu lesen.
»Das gibt’s doch gar net«, sagte sie nach einer Weile, »die Kramers aus Ulm.«
Heidi nickte. »Und sie wollen gleich vier Wochen bleiben.«
»Und die Ulla kommt mit Mann und Kind mit«, fügte Luise hinzu, dann setzte sie ihre Brille ab. »Wann waren die das letzte Mal da bei uns?«
Heidi lachte. »Die Frage hab’ ich mir auch gestellt und nachgeschaut.«
»Und…?«
»Vor elf Jahren genau«, antwortete Heidi. »Damals war die Ulla grad mal ein Teenager, der Peter lebte noch und umgebaut war auch noch net.«
Vor annähernd zehn Jahren war Luises Sohn und Heidis Mann Peter bei Holzschlägerarbeiten tödlich verunglückt. Seitdem bewirtschafteten die beiden Frauen den Bergerhof gemeinsam, wobei Luise ohne jede Einschränkung akzeptierte, daß ihr Sohn, per Testament, die so beliebte Berggaststätte seiner Frau Heidi vererbt hatte. Zu Luise und Heidi gehörte deren Tochter Steffi, die seit einigen Wochen in München studierte.
»Die werden sich wundern«, sagte Luise, »seit damals hat sich schließlich einiges geändert.«
»Das wissen sie«, sagte Heidi, »die Magda schreibt, daß sie auf dem laufenden sind und andere Gäste ihnen berichtet haben, was damals passiert ist und wie’s heute hier ausschaut.«
Luise nickte. »Das hört man öfter. Außerdem hat…!«
Im gleichen Moment klopfte es an die Küchentür, ganz zaghaft klang es.
Heidi sah Luise fragend an, denn die mochte im Grund genommen nicht, wenn jemand in ihre Küche kam.
Deshalb rief sie auch nicht herein, sondern die Seniorchefin des Bergerhofs stand auf, ging zur Tür und öffnete sie. Draußen stand ein kleines Mädchen mit angstvoll aufgerissenen Augen und zeigte in Richtung Waldrand.
»Meine Mutti…«, murmelte es, dann begann es zu weinen.
Luise bückte sich, sie hatte nicht verstanden, was die Kleine geschluchzt hatte. »Ja, du kleines Tschaperl du, was ist denn mit dir?«
»Die Mutti«, wiederholte die Kleine, dann begann sie herzerweichend zu weinen.
»Da ist was mit ihrer Mutter«, sagte Heidi, stand auf, verließ eilig die Küche, lief hinaus auf den Bergerhof und sah sich suchend um, sah aber nichts. Dann sah sie intensiver in jene Richtung, die die Kleine gezeigt hatte.
»Mar’ und Josef«, murmelte Heidi, als sie wen im Gras liegen sah.
Sie rannte hin und vor ihr lag eine junge Frau, fast noch ein Mädchen. Sie hatte die Augen geschlossen, atmete flach und war ohnmächtig.
Heidi rannte zurück zum Bergerhof, nahm vom raschesten zu erreichenden Telefon den Hörer ab und wählte die Notrufnummer.
»Komm S’ rasch zum Bergerhof im Grottental«, sagte sie, »draußen liegt ein ohnmächtiges Madel, grad mal zwanzig wird’s sein. Nein, warum sie ohnmächtig ist, weiß ich net. Jetzt kommen S’ doch endlich.« Dann sagte sie erneut ihren Namen und ihre Adresse und legte den Hörer zurück auf die Gabel.
*
Traudl Fischer war an jenem Morgen sehr zeitig in Immenstadt aufgebrochen. Es war fast noch dunkel gewesen, als sie die Mizzi geweckt, hergerichtet, sie angekleidet und ein kleines Frühstück zubereitet hatte.
Sie hatte sich endlich entschlossen, nach Hinterjoch zu fahren, wo sie einmal zu Hause gewesen war und wo immer noch eine alte Tante lebte.
Die Traudl redete sich ein, daß sie die alte Josefa besuchen wollte, um mal nach ihr zu schauen. Dabei brauchte sie selbst dringend Hilfe, denn sie wußte nicht, wie sie die Mizzi und sich über den nächsten Tag bringen sollte.
Den ersten Teil der Strecke, von Immenstadt nach Sonthofen, waren sie mitgenommen worden. Der Fahrer, ein älterer Herr, war sehr freundlich gewesen und hatte der Mizzi zum Schluß sogar einen Keks geschenkt, den er im Handschuhfach aufbewahrt hatte.
Der nächste Streckenteil, von Sonthofen bis Fischen, verlief nicht so nett, denn ein unangenehmer Kerl, der sich zuerst freundlich gab, hatte versucht zudringlich zu werden. Doch Traudl gelang es schließlich, den Wagen mit Mizzi zu verlassen, ohne daß der Kerl sein Ziel erreicht hatte.
Den Rest der Strecke fuhr sie mit dem Bus, wobei jedoch ihr Geld nicht reichte, bis Hinterjoch zu fahren. Doch der Busfahrer hatte ein Einsehen, als sie angab, eine Station früher aussteigen zu wollen und machte ihr ein Zeichen, sitzen zu bleiben, als sie dies tun wollte.
Die letzten zweieinhalb Kilometer bis nach Hinterjoch ging sie dann zu Fuß. Bis Mizzi streikte und getragen werden wollte. Auch das tat die Traudl, die ihre Tochter über alles liebte.
Bis ihr in der Nähe des Bergerhofs schlecht wurde. Sie strauchelte, fing sich noch soeben und setzte dann die Mizzi ab.
»Ich kann nimmer«, hatte Traudl gemurmelt, dann war sie auf die Knie gerutscht.
Mizzi hatte vollkommen hilflos neben ihrer Mutter gestanden, bis die in Richtung Bergerhof gezeigt hatte. »Geh da rasch hin, wenn da noch die Heidi und die Luise zu Haus’ sind, dann wird uns geholfen.«
Während Mizzi in Richtung Bergerhof gerannt war, war die Traudl ohnmächtig geworden.
Als sie wieder zu sich kam, lag sie in einem der Zimmer des Bergerhofs und ein freundlich und verständnisvoll dreinschauender Mann mittleren Alters beugte sich über sie.
»Hallo, junge Frau«, sagte Dr. Demmel, wobei er die Traudl aufmerksam ansah, »da sind wir ja. Geht’s wieder? Ist Ihnen schlecht oder haben S’ Kopfweh?«
Traudl schloß die Augen, dann schüttelte sie den Kopf. »Mir ist einfach nur schlecht geworden.«
»Wann haben S’ denn das Letzte gegessen?« fragte Dr. Demmel.
Als Traudl nichts antwortete, war allen klar, was die Ursache für Traudls Ohnmacht gewesen war.
Heidi ging zu Luise in die Küche, wohin die mit Mizzi gegangen war.
»Deine Mutti ist wieder wach geworden«, sagte Heidi in Richtung des kleinen Mädchens, wobei sie lächelte.
Mizzi hielt ein Stück Streuselkuchen in den Händen, biß hinein und ging dann zurück zu ihrer Mutter.
»Sie hat Hunger gehabt«, sagte Luise.
»Wie die Traudl«, erwiderte Heidi. »Wie’s ausschaut, hat sie seit Tagen nix Gescheites gegessen.«
»Ja, Herrschaftseiten…!« Luise war schon unterwegs, um eine Hühnerbrühe herzurichten. »Wo gibt’s denn so was da bei uns, daß wer nix zu essen hat?«
»Das gibt’s wohl öfter als du denkst«, erwiderte Heidi.
»Das kann ich mir gar net vorstellen«, murmelte Luise.
»Ich mach mir viel mehr Gedanken darüber, woher die Traudl so plötzlich kommt«, sagte Heidi, wobei sie recht nachdenklich wirkte.
Luise nickte. »Das ist wohl wahr. Und dann in dem Zustand.«
»So ist