Sorgenkind Marisa: Sophienlust 258 – Familienroman
Von Marisa Frank
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
»Wer darf Sie heute ins Krankenhaus begleiten?«, fragte Schwester Regine. Mit einem Päckchen in der Hand kam sie eben in das büroähnliche Empfangszimmer.
Denise von Schoenecker sah hoch und lächelte der Kinder- und Krankenschwester zu. Sie verstand sich mit der jungen Frau, die schon lange im Kinderheim Sophienlust tätig war, sehr gut. Da sie bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes das Kinderheim Sophienlust verwaltete, war sie fast täglich hier.
»Es war ausgemacht, dass ich bei jedem Besuch drei der Kinder mitnehme«, sagte sie. »Heute sind Heidi, Vicky und Fabian an der Reihe. Ich glaube, sie sind schon im Park. Sie wollen der Huber-Mutter Vergissmeinnicht mitbringen.«
»Ich habe auch etwas für die Huber-Mutter. Können Sie das bitte noch mitnehmen?« Schwester Regine stellte das Päckchen vor Denise von Schoenecker hin. »Es ist von Magda. Sie ließ es sich nicht nehmen, für die Huber-Mutter einen Kuchen zu backen.«
Denise musste lächeln. Sie dachte an die Greisin, die sie im Maibacher Krankenhaus besuchen wollte. »Wie die Oberschwester erzählte, wollte die Huber-Mutter gleich, nachdem sie aus der Narkose erwacht war, aufstehen und das Krankenhaus verlassen.«
»Typisch Huber-Mutter.« Schwester Regine, die hübsche junge Frau, lachte herzlich. »Der Blinddarm ist auch das Einzige, wogegen sie machtlos ist. Wie sie immer erzählt, war sie in ihrem Leben nie in einem Krankenhaus, hatte nie etwas mit Ärzten zu tun.«
Denise nickte. Für die Huber-Mutter war diese Operation wirklich ein Schock gewesen. Sie verbrachte ihren Lebensabend in Sophienlust und war besonders bei den Kindern wegen ihrer seherischen Fähigkeiten sehr beliebt. Sie verstand es auch, wunderschöne Geschichten zu
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Buchvorschau
Sorgenkind Marisa - Marisa Frank
Sophienlust
– 258 –
Sorgenkind Marisa
Ich will einen lieben Vati!
Marisa Frank
»Wer darf Sie heute ins Krankenhaus begleiten?«, fragte Schwester Regine. Mit einem Päckchen in der Hand kam sie eben in das büroähnliche Empfangszimmer.
Denise von Schoenecker sah hoch und lächelte der Kinder- und Krankenschwester zu. Sie verstand sich mit der jungen Frau, die schon lange im Kinderheim Sophienlust tätig war, sehr gut. Da sie bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes das Kinderheim Sophienlust verwaltete, war sie fast täglich hier.
»Es war ausgemacht, dass ich bei jedem Besuch drei der Kinder mitnehme«, sagte sie. »Heute sind Heidi, Vicky und Fabian an der Reihe. Ich glaube, sie sind schon im Park. Sie wollen der Huber-Mutter Vergissmeinnicht mitbringen.«
»Ich habe auch etwas für die Huber-Mutter. Können Sie das bitte noch mitnehmen?« Schwester Regine stellte das Päckchen vor Denise von Schoenecker hin. »Es ist von Magda. Sie ließ es sich nicht nehmen, für die Huber-Mutter einen Kuchen zu backen.«
Denise musste lächeln. Sie dachte an die Greisin, die sie im Maibacher Krankenhaus besuchen wollte. »Wie die Oberschwester erzählte, wollte die Huber-Mutter gleich, nachdem sie aus der Narkose erwacht war, aufstehen und das Krankenhaus verlassen.«
»Typisch Huber-Mutter.« Schwester Regine, die hübsche junge Frau, lachte herzlich. »Der Blinddarm ist auch das Einzige, wogegen sie machtlos ist. Wie sie immer erzählt, war sie in ihrem Leben nie in einem Krankenhaus, hatte nie etwas mit Ärzten zu tun.«
Denise nickte. Für die Huber-Mutter war diese Operation wirklich ein Schock gewesen. Sie verbrachte ihren Lebensabend in Sophienlust und war besonders bei den Kindern wegen ihrer seherischen Fähigkeiten sehr beliebt. Sie verstand es auch, wunderschöne Geschichten zu erzählen, und sammelte alle möglichen Kräuter. Diese verkaufte sie oder bereitete Tränklein zum Gesundwerden daraus. Alle nannten die Greisin nur die Huber-Mutter und waren bemüht, ihr den Lebensabend schön zu machen.
»Bestellen Sie bitte von uns allen Grüße«, sagte Schwester Regine. »Soll ich nach den Kindern sehen?«
Das war nicht mehr nötig. Allen voran kam das jüngste Dauerkind von Sophienlust, Heidi Holsten, ins Zimmer gestürmt. »Sieh nur, Tante Isi, habe ich nicht viele blaue Blumen gefunden? Die Huber-Mutter wird sich freuen.« Eifrig streckte sie Denise von Schoenecker, die von allen Kindern nur Tante Isi genannt wurde, die Vergissmeinnicht entgegen.
Heidi hatte wirklich einen so großen Strauß in der Hand, dass sie ihn nur mühsam mit ihren Händen umklammern konnte. Einige der blauen Blumensterne sahen schon sehr zerdrückt aus und ließen die Köpfe hängen. Doch Heidi bemerkte das nicht. Triumphierend hielt sie Denise den Strauß noch dichter unter die Nase.
»Wisst ihr was?«, schlug Schwester Regine vor, »wir geben alle Blumen in einen Korb. Dann könnt ihr sie leichter tragen.«
»Aber dann weiß ja die Huber-Mutter nicht, welche ich gepflückt habe.« Enttäuscht blickte Heidi die Kinderschwester an. Ihre Augen waren fast so blau wie die Vergissmeinnichtblüten.
»Ist das nicht egal?« Denise fuhr der Fünfjährigen über das blonde Haar, das zu zwei Rattenschwänzen zusammengebunden war. »Hauptsache ist doch, dass die Huber-Mutter sich über die Blumen und unseren Besuch freut.«
Heidis Stirn runzelte sich. Sie dachte nach. Sie war ein lebhaftes, aber auch besonders anschmiegsames Kind. Schließlich nickte sie ernst. »Die Huber-Mutter soll sich freuen. Wir geben alle Blumen zusammen. Ich kann ihr ja sagen, dass ich sehr, sehr viele gepflückt ha-
be.«
»Na ja, wenn du willst«, meldete sich nun Vicky zu Wort. Eigentlich hieß sie Viktoria und war eines der Langenbach-Geschwister. Sie war älter und vernünftiger als Heidi. Fragend sah sie auf Fabian, den elfjährigen, etwas schmächtigen Jungen. Wie immer sagte dieser nicht viel. Er nickte Heidi nur gutmütig zu.
Die Kleine senkte plötzlich ihr Köpfchen. »Es stimmt nicht«, gestand sie. »Ich habe von Fabian Blumen abbekommen. Ich wollte nämlich die meisten haben.«
Denise unterdrückte ein Lächeln. »Die Huber-Mutter freut sich sicher«, meinte sie.
Heidis Köpfchen hob sich wieder. »Und ich freue mich auf die Huber-Mutter«, beteuerte die Kleine eifrig.
»Aber vergesst nicht, dass ihr leise sein müsst. Vor allem dürft ihr die Huber-Mutter nicht mit Fragen bedrängen.« Die Worte galten hauptsächlich Heidi, und diese nickte auch artig.
Wenig später verließ Denise das große Gebäude, in dem das Kinderheim Sophienlust untergebracht war. Es war früher ein herrschaftlicher Besitz gewesen, der Sophie von Wellentin gehört hatte. Sie hatte das damalige Gut ihrem Urenkel, Dominik von Wellentin-Schoenecker, mit der Auflage hinterlassen, aus dem alten Herrenhaus ein Heim für elternlose oder Geborgenheit suchende Kinder zu machen.
Denise wurde nicht nur von den Kindern, die nach Maibach mitfahren durften, bis zum Wagen begleitet, auch Angelina Dommin, genannt Pünktchen, und Irmela Groote folgten ihr. Die beiden Mädchen gehörten zu den älteren Kindern des Heims und gingen Frau Rennert, der Heimleiterin, sowie Schwester Regine und Denise von Schoenecker schon hilfreich zur Hand. Besonders Pünktchen kümmerte sich stets liebevoll um die kleineren und neuen Kinder. Sie genoss eine gewisse Vorzugsstellung und nannte Alexander von Schoenecker als einziges Heimkind Onkel.
Dicht trat Pünktchen an den Wagen heran und reichte Denise, die bereits hinter dem Steuer Platz genommen hatte, das Kuchenpaket für die Huber-Mutter.
Denise lächelte Pünktchen dankend zu. »Morgen darfst du mich zusammen mit Nick begleiten. Ich habe mir vorgenommen, jeden Tag nach der Huber-Mutter zu sehen. So wird ihr der Aufenthalt im Krankenhaus leichter fallen.«
Ein strahlendes Lächeln erschien auf Pünktchens Gesicht. Selbst ihre Sommersprossen, denen sie ihren Spitznamen zu verdanken hatte, begannen zu leuchten. Die Aussicht, am nächsten Tag mit Dominik, den alle nur Nick nannten, nach Maibach fahren zu dürfen, ließ ihr Herz höher schlagen. Nick, damals selbst noch ein Kind, war es gewesen, der sie vor vielen Jahren gefunden und nach Sophienlust gebracht hatte. Seither hing Pünktchen ganz besonders an ihm und träumte davon, einmal seine Frau zu werden. Denise, die davon wusste, hatte nichts gegen die Freundschaft ihres Sohnes mit diesem lebhaften, gescheiten Mädchen einzuwenden.
Heidi dauerte das Warten bereits zu lange. Sachte zupfte sie ihre Tante Isi von hinten. »Wann fahren wir denn? Die Huber-Mutter soll doch nicht so lange auf uns warten müssen.«
»Es geht schon los.« Denise hob nochmals grüßend die Hand, dann fuhr sie mit den drei Kindern auf dem Rücksitz die Auffahrt entlang, durch das große schmiedeeiserne Tor und hinaus auf die Landstraße.
Es war nicht allzu weit bis zur Kreisstadt Maibach, und da Heidis Plappermäulchen keine Sekunde stillstand, verging die Fahrt sehr schnell.
»Wir sind schon da?«, rief die Fünfjährige aufgeregt, als Denise auf dem Parkplatz des Krankenhauses hielt. Sie wollte die Tür öffnen, aber gerade noch rechtzeitig fiel ihr ein, dass Tante Isi das streng verboten hatte. Es fiel ihr schwer, aber sie wartete, ungeduldig zappelnd, bis Denise ausgestiegen und die Tür von außen geöffnet hatte.
Denise sah die Kleine an, und Heidi nickte. »Ich werde ganz brav sein. Ich weiß, die Leute sind krank und dürfen nicht gestört werden.« Sie streckte Denise ihre Hand hin und ging von nun an gesittet an Denises Seite. Die langen weiß gestrichenen Gänge beeindruckten sie so sehr, dass sie sogar den Mund hielt. Aber ihre Augen blickten sich lebhaft um. Sie sah einem Wagen nach, der von einem Mann in einem weißen Anzug geschoben wurde, um gleich darauf einigen jungen Lernschwestern nachzublicken. Fest presste sie dabei Denise von Schoeneckers Hand.
Denise, die sich im Maibacher Krankenhaus gut auskannte und wusste, wo die Huber-Mutter untergebracht war, führte die Kinder in den ersten Stock hinauf. Vor einer der weiß lackierten Türen hielt sie an und klopfte.
»Herein«, rief eine etwas heisere Stimme.
Heidi, die die Stimme der Huber-Mutter erkannt hatte, riss sich von Denises Hand los und stürmte ins Zimmer. »Huber-Mutter, Huber-Mutter, sieh nur, wer da kommt! Wir haben dir auch eine Menge mitgebracht. Alle, alle lassen dich grüßen.« Heidi versuchte alles auf einmal loszuwerden, wurde aber schließlich von Vicky beiseitegedrängt.
»Wir sind auch noch da!« Vicky ergriff Fabians Hand und zog ihn näher an das Bett der Kranken heran. »Wir wollen dich auch begrüßen. Hast du noch Schmerzen?«, erkundigte sie sich dann mitfühlend.
Die Huber-Mutter wollte sich aufsetzen, aber da war Denise schon heran und drückte sie ins Kissen zurück. »Sie müssen liegen bleiben, sonst gehen wir gleich wieder.« Scherzend hob sie den Zeigefinger.
Die unzähligen Falten im Gesicht der Greisin verzogen sich zu einem lautlosen Lachen. Man sah ihr die Freude, die ihr dieser Besuch bereitete, an. Ihr Gesicht, das zuerst noch sehr blass gewesen war, bekam Farbe.
»Ihr habt mich nicht vergessen«, murmelte sie. »Die Huber-Mutter lässt sich nicht unterkriegen, auch