Berühmt, aber nicht glücklich: Sophienlust Extra 75 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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Über dieses E-Book
In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
»Mutti, Mutti!« Mit einem Jubelschrei lief die kleine Gisela auf die hübsche junge Frau zu, die sie lachend in ihren Armen auffing und sie zärtlich an sich presste. »Schau nur, Mutti, was wir heute im Kindergarten gemacht haben! Ich habe ein Bild gemalt. Ist es nicht sehr schön geworden?« Aufgeregt und voller Stolz hielt das kleine Mädchen eine Bogen Zeichenpapier hoch. »Das hast du aber wirklich schön gemacht«, lobte Vicky Tormann. »Das sollen doch sicher dein Teddy und deine Puppe sein?« Gisela oder Gisi, wie sie liebevoll von Vicky Tormann gerufen wurde, nickte stolz. »Ja, das sind Bursche und die Schöne. Tante Hilde hat gesagt, wir sollen zeichnen und malen, was unser liebstes Spielzeug ist. Und der Teddy Bursche und meine Puppe, die Schöne, sind mein liebstes Spielzeug. Ich finde, die Schöne sieht genauso aus, wie ich sie gemalt habe.« »Das finde ich auch«, bestätigte Vicky. »Wir werden das Bild in deinem Zimmer an die Wand hängen.« Gisi strahlte und sah glücklich zu ihrer Mutti empor. »Fein, dann werden sich Bursche und die Schöne aber sicher freuen.« Das Kind hüpfte fröhlich neben der Mutti her.
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Buchvorschau
Berühmt, aber nicht glücklich - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 75 –
Berühmt, aber nicht glücklich
Gert Rothberg
»Mutti, Mutti!« Mit einem Jubelschrei lief die kleine Gisela auf die hübsche junge Frau zu, die sie lachend in ihren Armen auffing und sie zärtlich an sich presste.
»Schau nur, Mutti, was wir heute im Kindergarten gemacht haben! Ich habe ein Bild gemalt. Ist es nicht sehr schön geworden?« Aufgeregt und voller Stolz hielt das kleine Mädchen eine Bogen Zeichenpapier hoch.
»Das hast du aber wirklich schön gemacht«, lobte Vicky Tormann.
»Das sollen doch sicher dein Teddy und deine Puppe sein?«
Gisela oder Gisi, wie sie liebevoll von Vicky Tormann gerufen wurde, nickte stolz. »Ja, das sind Bursche und die Schöne. Tante Hilde hat gesagt, wir sollen zeichnen und malen, was unser liebstes Spielzeug ist. Und der Teddy Bursche und meine Puppe, die Schöne, sind mein liebstes Spielzeug. Ich finde, die Schöne sieht genauso aus, wie ich sie gemalt habe.«
»Das finde ich auch«, bestätigte Vicky. »Wir werden das Bild in deinem Zimmer an die Wand hängen.«
Gisi strahlte und sah glücklich zu ihrer Mutti empor. »Fein, dann werden sich Bursche und die Schöne aber sicher freuen.«
Das Kind hüpfte fröhlich neben der Mutti her. Das dunkle lockige Haar, das an jeder Seite mit einer bunten Zopfspange zusammengehalten wurde, hopste dabei lustig mit.
»Ich habe auch noch eine Überraschung für dich«, sagte Vicky, die mit beschwingten Schritten neben dem kleinen Mädchen ging. Man sah ihr an, dass sie am liebsten genauso wie das Kind gehüpft wäre. In den modischen Jeans und der bunten Bluse sah sie unwahrscheinlich jung und hübsch aus. Niemand hätte ihr angesehen, dass sie bereits sechsundzwanzig Jahre alt war. Das blonde Haar trug sie kurz geschnitten, was ihr etwas Bubenhaftes gab. Das Gesicht war leicht gebräunt, und darin leuchteten zwei tiefblaue Augen. Ein hübsches feines Gesicht, das man so leicht nicht vergaß, wenn man es einmal gesehen hatte. Die Figur der jungen Frau war tadellos. Vicky war schlank und grazil. Kein Wunder also, dass ihr so mancher bewundernder Blick zuflog.
Aber auch die kleine Gisi erregte Bewunderung bei den Passanten, denn Gisi war ein ungewöhnlich niedliches Kind. Gisi hatte dunkles lockiges Haar und dunkle Augen, die so fröhlich und zufrieden in die Welt blickten, dass jeder, der in das runde Kindergesicht sah, unwillkürlich von dieser Fröhlichkeit und Zufriedenheit angesteckt wurde. Es gab kaum einen Menschen, der Gisi nicht gernhatte. Das war so in dem alten großen Mietshaus, indem Vicky mit Gisi wohnte, das war in Vickys kleinem Bekanntenkreis so und das war auch in dem Kindergarten so, in den Vicky die Kleine jeden Morgen brachte und sie Punkt zwölf Uhr dort wieder abholte.
Nur die wenigsten Menschen wussten, dass Vicky nicht Gisis richtige Mutter war. Das Kind wusste es allerdings längst, denn Vicky hatte auf dem Standpunkt gestanden, dass es besser sei, dem Kind möglichst früh zu sagen, dass seine richtige Mutter im Himmel sei und sie jetzt die Mutti sei – eine Mutti, die ihr Kind sehr lieb hatte. Am allerliebsten auf der ganzen Welt. Gisi hatte daran nichts Besonderes gefunden. Es war für sie einfach eine Selbstverständlichkeit.
»Was ist es denn für eine Überraschung?«, fragte Gisi nun erwartungsvoll. »Eine tolle Überraschung?«
Vicky nickte und blieb vor dem Bäckerladen an der Ecke stehen. »Wir müssen Kuchen kaufen.« Ihr Blick ging prüfend über die Auslagen.
»Wir bekommen Besuch«, jubelte Gisi und machte einen Luftsprung. »Kommt Tante Isi?«
Vicky nickte lachend. »Sie hat heute bei mir angerufen. Sie hat in Stuttgart zu tun, und da besucht sie uns natürlich.«
»Kommt Heidi auch mit?«
»Ich glaube schon. Frau von Schoenecker will wahrscheinlich mit Heidi noch einmal zu einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt gehen. Du weißt doch, sie war so stark erkältet.«
»Arme Heidi«, sagte Gisi bedauernd. Eine Sekunde lang war ihr kleines rundes Gesicht ernst und traurig, aber gleich darauf lachte sie schon wieder fröhlich. »Da müssen wir für Heidi etwas Gutes aussuchen. Ich glaube, Mohrenköpfe mag sie sehr. Und dann vielleicht noch Apfelkuchen mit Schlagsahne. Und die gefüllten Hörnchen sehen auch lecker aus. Findest du nicht auch? Aber vielleicht sind sie zu teuer, Mutti?« Gisi sah nachdenklich zu ihrer Mutti auf. »Haben wir noch so viel Geld?«
Vicky lachte und zog dabei ihr hübsches Näschen ein wenig kraus. »Weißt du, Schatz, heute wollen wir einmal leichtsinnig sein.«
»Fein! Dann gibst du mir eben morgen nur einen Apfel in den Kindergarten mit und bringst mir in den nächsten Tagen keinen Lutscher vom Kaufmann mit.«
»Was bist du doch für ein Schätzchen«, sagte Vicky liebevoll und legte den Arm zärtlich um die Schultern der Kleinen.
Als Vicky und Gisi ein paar Minuten später die Bäckerei wieder verließen, balancierte Vicky vorsichtig ein großes Kuchenpaket auf der flachen Hand. Weit hatten sie es nicht mehr, denn zwei Häuser weiter befand sich bereits das alte Mietshaus, in dem sie oben im vierten Stock wohnte. Vicky war damals, als ihr Mann Bernd so ganz unerwartet an einem Herzversagen gestorben war, sehr froh und glücklich gewesen, dass sie die kleine, verhältnismäßig billige Wohnung bekommen hatte. Ebenso lag die Anwaltspraxis, in der Vicky seit dem Tod ihres Mannes am Vormittag arbeitete, ganz in der Nähe der Wohnung.
Aber auch sonst hatte die Wohnung große Vorzüge. Sie war sonnig und hell, und obwohl sie nur zwei Räume, ein kleines Bad und eine noch kleinere Küche umfasste, gab es viel Platz. Beide Zimmer waren groß. Vicky hatte das vordere Zimmer für sich als Wohn- und Schlafraum eingerichtet. Das hintere Zimmer, das einen schönen Ausblick auf einen alten Garten hatte, war Gisis Zimmer, in dem die Kleine schalten und walten konnte, wie sie wollte.
Gisi war sehr stolz auf ihr schönes großes Zimmer. Sie räumte es stets auf, ohne dass Vicky sie dazu ermahnen musste. Ihr ganzer Stolz war die Puppenecke, in der es Bettchen für die Puppen gab, einen Schrank mit herrlichen Puppenkleidern, die Vicky alle selbst genäht hatte, und einen kleinen runden Tisch, an dem die Puppenkinder in kleinen Stühlchen saßen. Musste Gisi ihre Lieben für ein paar Stunden allein lassen, dann konnte sie es kaum erwarten, wieder nach Hause zu kommen.
Auch jetzt, als sie neben ihrer Mutti die Treppe emporsprang, sprach sie von ihren Puppen und dem Teddy. »Hoffentlich waren sie artig«, sagte sie als besorgte kleine Puppenmutter. »Sie langweilen sich immer schrecklich, wenn ich nicht da bin. Das hat mir die Schöne erst heute früh erzählt. Wenn Heidi heute Nachmittag kommt, dann werde ich der Schönen das neue rosa Kleid anziehen. Das kennt Heidi noch gar nicht. Wir dürfen doch bei mir im Zimmer Kaffee trinken, Mutti? Ich decke den Tisch auch ganz allein, und nachher helfe ich dir auch, das Geschirr abzuwaschen.«
»Natürlich dürft ihr in deinem Zimmer Kaffee trinken. Du darfst auch das Kindergeschirr mit den Blümchen nehmen. Und wenn du mir dann später beim Abwasch helfen willst, wäre das wirklich lieb von dir. Dann bin ich schnell fertig, und wir haben danach noch ein bisschen Zeit. Wie wäre es heute mit einer kleinen Geschichte?«
Gisi sah ihre Mutti mit strahlenden Augen an. »Fein, Mutti, so wollen wir es machen!«
Sie waren jetzt im vierten Stock angekommen, und Vicky gab Gisi das Kuchenpaket. »Lass es nicht fallen, Schatz.« Sie kramte aus ihrer Umhängetasche die Wohnungsschlüssel hervor und schloss auf.
Heller Sonnenschein flutete den beiden entgegen. Wie immer, wenn Vicky ihre Wohnung betrat, überfiel sie ein Glücksgefühl. Ich habe es doch gut, dachte sie befriedigt. Gewiss, ich könnte ein bisschen mehr Geld haben, aber wir sind gesund, wir haben uns lieb, und diese kleine Wohnung ist für uns ein wirkliches Zuhause. Hier fühlen wir uns geborgen.
Gisi schien etwas Ähnliches zu empfinden. Ihr Gesicht drückte Zufriedenheit aus. Leise vor sich hinsummend, sprang sie durch die kleine Diele.
»Ich räume rasch noch ein bisschen auf«, sagte sie eifrig, »damit alles recht schön ist, wenn Heidi kommt. Und die Puppen muss ich noch alle umziehen.«
»Gut! Ich mache rasch etwas zu essen für uns.«
Damit verschwand Vicky in der Küche. Wie immer hatte sie bereits am Vortag das Essen vorbereitet, damit es schnell ging, wenn sie nach Hause kam. Oft wunderte sie sich selbst, wie gut alles klappte, dass alles wie am Schnürchen lief. Dabei hatte sie zuerst gedacht, dass sie ohne Bernd gar nicht zurechtkommen würde. Damals war Gisi noch keine zwei Jahre alt gewesen, und sie hatten das Kind erst ein halbes Jahr zuvor adoptiert.
Wie gut, dass sie das Kind gehabt hatte, gerade in der ersten Zeit nach dem Tod von Bernd! Jetzt konnte sie sich ein Leben ohne Gisi einfach nicht mehr vorstellen.
Gisi war ein Jahr alt gewesen, als Schwester Regine, die als Kinderschwester im Kinderheim Sophienlust arbeitete, bei Vicky angerufen hatte, um ihr mitzuteilen, dass seit ein paar Tagen ein Kind in Sophienlust sei, für das Adoptiveltern gesucht würden. Vicky, die nach einem Sportunfall keine Kinder bekommen konnte, war sofort interessiert gewesen. Bereits am nächsten Tag war sie mit ihrem Mann nach Sophienlust gefahren. So war Gisi zu ihnen gekommen, und noch jetzt war Vicky Schwester Regine, aber auch Denise von Schoenecker unsagbar dankbar, denn sie hatte sich immer ein Kind gewünscht. Nie hatte sie die Verbindung zu dem Kinderheim abreißen lassen.
An Sophienlust und die lieben Menschen, die dort lebten, musste Vicky denken, als sie das Essen wärmte und schon alles für den Kaffeebesuch vorbereitete. Sophienlust war auch für sie, die ohne Eltern aufgewachsen war, so etwas wie ein Stück Heimat geworden. Schon oft hatte sie in Wildmoos mit Gisi Urlaub gemacht. Sie hatten dann in dem gemütlichen Landgasthaus ›Zum grünen Krug‹ gewohnt und waren oft in dem Kinderheim gewesen, wo sich Gisi wie zu Hause fühlte. Nach dem plötzlichen Tod von Bernd hatte Denise von Schoenecker Vicky mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Sie war es auch gewesen, die Vicky die Halbtagsstelle in der Anwaltskanzlei verschafft hatte. Ja, Vicky war Denise, die sie