Marietta: Sophienlust Extra 13 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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Über dieses E-Book
In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
Alexander von Schoenecker sah seinen Sohn lachend an. »Sieh einer an, Sascha, wir glauben, dass du in Heidelberg bist und studierst, statt dessen fährst du in der Weltgeschichte herum.« »Aber Vati!« Der zwanzigjährige Sascha sah seinen Vater ein wenig vorwurfsvoll an. »Du scheinst jetzt auf einmal deine eigene Studienzeit vergessen zu haben. Ich erinnere mich aber sehr gut an das, was du mir einmal erzählt hast. Du hast recht oft vom Blaumachen gesprochen.« Denise von Schoenecker stieß ihren Mann an. »Siehst du, Alexander, man soll den Kindern nie viel erzählen. Bei Henrik werden wir vorsichtiger sein.« Alexander von Schoenecker hob die Schultern. »Das war ja auch kein ernst gemeinter Vorwurf. Ich habe mich nur gewundert, dass Sascha mehrere Tage in Seewiesen war.« »Ganz einfach, Vati«, erwiderte Sascha. »Ich habe einen Kommilitonen, der aus dem schönen Kurort Seewiesen stammt. Er hatte Michael Langenbach und mich über das Wochenende zu sich nach Hause eingeladen. Und jetzt haben wir eben noch den Abstecher zu euch gemacht. Eigentlich aus einem besonderen Grund.« Saschas schmales Gesicht wurde ernst.
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Buchvorschau
Marietta - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 13 –
Marietta
Wie sie ihrer großen Schwester half, wieder glücklich zu werden
Gert Rothberg
Alexander von Schoenecker sah seinen Sohn lachend an. »Sieh einer an, Sascha, wir glauben, dass du in Heidelberg bist und studierst, statt dessen fährst du in der Weltgeschichte herum.«
»Aber Vati!« Der zwanzigjährige Sascha sah seinen Vater ein wenig vorwurfsvoll an. »Du scheinst jetzt auf einmal deine eigene Studienzeit vergessen zu haben. Ich erinnere mich aber sehr gut an das, was du mir einmal erzählt hast. Du hast recht oft vom Blaumachen gesprochen.«
Denise von Schoenecker stieß ihren Mann an. »Siehst du, Alexander, man soll den Kindern nie viel erzählen. Bei Henrik werden wir vorsichtiger sein.«
Alexander von Schoenecker hob die Schultern. »Das war ja auch kein ernst gemeinter Vorwurf. Ich habe mich nur gewundert, dass Sascha mehrere Tage in Seewiesen war.«
»Ganz einfach, Vati«, erwiderte Sascha. »Ich habe einen Kommilitonen, der aus dem schönen Kurort Seewiesen stammt. Er hatte Michael Langenbach und mich über das Wochenende zu sich nach Hause eingeladen. Und jetzt haben wir eben noch den Abstecher zu euch gemacht. Eigentlich aus einem besonderen Grund.« Saschas schmales Gesicht wurde ernst. Er sah jetzt Denise an. »Mutti, ich glaube, ich habe einen Schützling für Sophienlust gefunden.«
Alexander von Schoenecker seufzte. »Als ob Mutti ihre Schützlinge erst suchen müsste. Ich glaube, in Sophienlust ist wieder einmal das letzte Bett belegt.«
Denise winkte ab. »So weit kommt es selten, Alexander. Für Notfälle haben wir immer noch einen Platz.«
Alexander von Schoenecker legte den Arm um seine Frau. »Ich weiß, Denise, du würdest auch unsere Betten noch zur Verfügung stellen, wenn es sein müsste. Ich habe ja auch nichts dagegen, dass du hilfst, sooft es möglich ist.«
»Dann lass Sascha jetzt erzählen, Alexander«, bat Denise.
Sascha sah die Mutter dankbar an. »Ja, ich muss es endlich loswerden. Wir waren in Seewiesen einige Male im Hotel ›Regina‹. Dort gab es nämlich eine besonders gute Band, die zum Tanz aufspielte. Mein Kommilitone Hans kennt die Inhaberin dieses Hotels. Sie ist so alt wie er: ganze zweiundzwanzig Jahre.«
»Donnerwetter!«, entfuhr es Alexander von Schoenecker. »Ein jugendliches Alter für eine Hotelbesitzerin.«
»Ja«, bestätigte Sascha, »aber so freiwillig ist Elisabeth Winkler – so heißt das Mädchen – nicht Hotelbesitzerin geworden. Ihre Eltern sind vor Kurzem tödlich verunglückt. Dadurch war Elisabeth gezwungen, das Hotel nun selbst weiterzuführen. Aber zunächst ist sie wohl vor allem damit beschäftigt, den Besitz zu erhalten. Er soll stark verschuldet sein. Elisabeth Winkler hat große Sorgen. Vor allem auch dadurch, dass sie noch eine sechsjährige Schwester hat. Ein ganz liebes blondes Mädchen. Wirklich, Mutti, allein der Anblick der kleinen Marietta erschüttert einen. Sie geht ganz verloren umher, spielt mit den anderen Kindern nicht mehr und scheint den Tod der Eltern nicht verwinden zu können. Ihre Schwester Elisabeth kann sich durch den Hotelbetrieb viel zu wenig um sie kümmern. Deshalb meine ich, Marietta täte es gut, für einige Wochen in Sophienlust sein zu können. Bei anderen Kindern.«
»Meinst du denn, dass sich Elisabeth Winkler von der kleinen Schwester trennen würde?«, fragte Denise.
»Zunächst sah das nicht so aus. Als ich ihr aber von Sophienlust erzählte, davon, wie unsere Kinder leben und wie gut sie betreut werden, leuchteten ihre Augen auf. Sie sagte: ›Ja, das würde ich Marietta wünschen. Vielleicht könnte sie dann leichter vergessen.‹ Weißt du, Mutti, ich bin der Meinung, du solltest einmal nach Seewiesen fahren und mit Elisabeth Winkler sprechen. Das ist etwas ganz anderes, als wenn ich das tue. Schau, ich bin jetzt eigens nach Hause gekommen, um dir von Marietta zu erzählen. Ich kümmere mich sonst nicht so sehr um Kinder, aber das kleine Mädchen ist mir aufgefallen. Übrigens hat Marietta ein Eichhörnchen. Es heißt Tuck und ist zahm wie ein Haustier. Elisabeth Winkler erzählte mir, dass ihr Vater das Eichhörnchen einst gefunden habe. Es war damals verletzt und noch ganz jung. Deshalb hat es sich wohl so gut eingelebt.«
»Ach so, und du meinst, mit dem Eichhörnchen bekäme deine Schwester Andrea wieder einmal Zuwachs für ihr Tierheim«, warf Alexander von Schoenecker ein.
»Nein, Vati, das glaube ich nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Marietta von ihrem Tuck trennt. Die beiden sind auf Schritt und Tritt beisammen. Ich habe Marietta nie ohne das Eichhörnchen gesehen. Ihm scheint all ihre Liebe zu gehören.«
»Warum sollte Marietta das Eichhörnchen nicht auch in Sophienlust behalten dürfen? Wenn es zahm ist und nicht zu viel anstellt, können wir es doch ertragen. Für unsere Kinder wäre das einmal etwas neues.« Denise lächelte. »Ein Eichhörnchen fehlt uns noch in unserer Sammlung.«
Alexander von Schoenecker sah seine Frau von der Seite her an. »Das heißt also, dass du nach Seewiesen fahren willst, Denise?«
»Das werde ich wohl tun müssen, Alexander, wenn Sascha die kleine Marietta so am Herzen liegt. Kommst du mit, Alexander? Ich meine, wir könnten uns auch wieder einmal zwei oder drei Tage Urlaub nehmen.
»Ja, der Meinung bin ich auch, Denise. Was unser Sohn sich leisten kann, steht auch uns zu.« Alexander von Schoenecker erhob sich und blinzelte Sascha vergnügt zu. »Ich muss jetzt aufs Gut hinüber. Ihr werdet euch sicher noch länger unterhalten wollen. Tut das ruhig mal. Viel Gelegenheit dazu bietet sich ja nicht, seitdem du in Heidelberg bist. Ich werde zusehen, dass ich bald zurückkommen kann.«
*
Das Hotel »Regina« in Seewiesen war ein alter, sehr repräsentativer Fachwerkbau. Doch es hatte modern eingerichtete Fremdenzimmer, gediegene Aufenthaltsräume und war bekannt für seine gute Küche. Zum Hotel gehörten eine Liegewiese, ein Schwimmbad und ein Fischweiher.
Dieses Schwimmbad war kurz vor dem Tod des Ehepaares Winkler der Anstoß dazu gewesen, dass eine alte Feindschaft sich von neuem entzündet hatte.
Das Nachbarhotel »Hohenstaufen« gehörte der Familie Balthoff. Oder besser – Herma Balthoff. Die zweiundfünfzigjährige Hoteliersfrau führte seit dem Tod ihres Mannes den Betrieb allein. Obwohl sie bereits einen sechsundzwanzigjährigen Sohn hatte, der überall als besonders tüchtig bekannt war, gab sie das Zepter nicht aus der Hand.
Zwischen den Balthoffs und den Winklers hatte es schon immer kleine Zwistigkeiten gegeben, die meistens auf Konkurrenzneid fußten. Doch seitdem Friedrich Winkler das Schwimmbad gebaut hatte, war Herma Balthoff besonders neidisch. Denn sie hatte inzwischen zu oft erleben müssen, dass Gäste es vorzogen, wegen des Schwimmbades im Hotel »Regina« zu wohnen.
Eigentlich hätte sich Herma Balthoff deshalb keine grauen Haare wachsen lassen müssen. Sie war sehr vermögend und stand ohne jegliche Schulden da. Auch ihr Geschäft florierte. Aber Herma Balthoff war eine herrschsüchtige Frau – in der Familie, ihren Angestellten gegenüber und auch, wenn es darum ging, das beste Hotel im Ort zu haben.
Friedrich Winkler hatte sich mit all den Neuerungen in seinem Hotel und durch den Bau des Schwimmbades in Schulden stürzen müssen. Aber ihm war trotzdem nicht bange gewesen, denn er hatte ja damit rechnen können, dass das Schwimmbad das Geschäft fördern und dass ihm die Rückzahlung der Hypotheken damit ein leichtes sein würde.
Aber der Tod hatte einen Strich durch diese Rechnung gemacht. Elisabeth Winkler hatte das Hotel mit zweiundzwanzig Jahren übernehmen müssen, da sie es nicht hatte verkaufen wollen. Das hätte ihr widerstrebt. Zum einen hatten ihre Eltern das Hotel aufgebaut, zum anderen war Elisabeth darin groß geworden. Sie hatte auch die Hotelfachschule besucht und konnte sich zutrauen, das elterliche Unternehmen weiterzuführen.
Doch das wurde ihr nicht nur durch die Belastungen schwergemacht, sondern vor allem durch die Intrigen Herma Balthoffs. Elisabeths Feindin hatte nach dem Tod des Ehepaares Winkler Morgenluft gewittert. Zu gern hätte sie das Hotel »Regina« mit ihrem Hotel »Hohenstaufen« vereinigt. Es wäre ihr auch nicht schwergefallen, das Geld für das Hotel »Regina« auf den Tisch zu legen. Aber Elisabeth Winkler hatte abgelehnt.
Seither war Herma Balthoff Elisabeths eingeschworene Feindin. Es gab genug Leute im Ort, die wussten, dass Herma Balthoff gesagt hatte, früher oder später würde sie doch noch in den Besitz des Hotels »Regina« kommen.
Elisabeth hätte diese Drohungen nicht so sehr gefürchtet, wenn Herma Balthoff nicht die Mutter des Mannes gewesen wäre, den sie liebte.
Seit Langem schon traf sich Elisabeth heimlich mit Jost Balthoff.
Auch heute standen die beiden am späten Abend hinter einem Gebüsch am Fischweiher. Jost hatte diesmal lange auf Elisabeth warten müssen, weil es ihr nicht möglich gewesen war, das Hotel früher zu verlassen.
Jetzt zog Jost das hübsche, braunhaarige Mädchen an sich. »So kann es doch zwischen uns nicht weitergehen, Elisabeth. Wir müssen endlich Farbe bekennen. Ich bin es leid, mich mit dir immer so verstohlen treffen zu müssen.«
Das Licht aus den Fenstern des Hotels fiel bis zum Fischweiher. Elisabeth konnte Josts Gesicht deutlich erkennen. Dieses dunkle, von der Sonne gebräunte Gesicht mit den grauen Augen und dem dunkelblonden vollen Haar.
Elisabeth lehnte sich an Jost. Sie war groß und schlank, aber er war noch einen Kopf größer als sie. Es tat ihr wohl, die Geborgenheit in seinen Armen zu spüren, und doch war sie unruhig. »Ich wünschte auch, dass wir uns zueinander bekennen könnten, Jost, aber wie sollen wir das machen? Deine Mutter wird nie erlauben, dass du mich zur Frau nimmst. Du tust immer so, als würdest du das vergessen. Aber du kennst doch deine Mutter am besten.«
»Ja, das ist wahr.« Josts Gesicht verfinsterte sich. »Ich verstehe meine Mutter einfach nicht. Sie könnte doch froh sein, dass sie eine so tüchtige Schwiegertochter wie dich kriegen soll. Aber nein, du darfst es nicht sein.«
»Ich weiß, woher ihre Abneigung gegen mich kommt, Jost. Meine Mutter hat es mir anvertraut. Deine Mutter hat meinen Vater sehr gern gehabt. Sie hat ihm nie verziehen, dass er sie nicht genommen