49. Ich Libe Sie My Lord
Von Barbara Cartland
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Über dieses E-Book
In einem Liebesroman aus der Zeit der Regentschaft voller Duelle und Täuschungsmanöver, spielt Lord Dorrington die Rolle des edlen Ritters und barmherzigen Samariters - und bringt sich und Alyna in groβe Gefahr.
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49. Ich Libe Sie My Lord - Barbara Cartland
Ich Liebe Sie, Mylord
Barbara Cartland
Barbara Cartland E-Books Ltd.
Vorliegende Ausgabe ©2016
Copyright Cartland Promotions 1985
Gestaltung M-Y Books
www.m-ybooks.co.uk
Ich Liebe Sie, Mylord
~
1799
„Was Sie da machen, ist lebensgefährlich", sagte jemand mit tiefer Stimme.
Das Mädchen, das auf der Balustrade der Brücke stand und sich an einer steinernen Säule festhielt, schrie leise auf. Unter der Brücke, auf einem Gartenweg, stand ein Gentleman. Selbst beim Licht der Sterne konnte sie sehen, daß er sehr elegant gekleidet war. Sein gerüschtes Hemd leuchtete hell vor dem dunklen Hintergrund der Büsche. Sie sah ihn nur einen Augenblick an und schaute dann wieder in das schwarze Wasser.
„Bitte gehen Sie fort, sagte sie, „und kümmern Sie sich nicht um mich.
„Wissen Sie, bemerkte der Gentleman sehr ruhig, „dieser neue Rock, den ich erst heute von meinem Schneider erhalten habe, verträgt kein Wasser, und die Themse hat hier eine starke Strömung.
„Ich weiß", sagte das Mädchen leise.
Als der Gentleman sich noch immer nicht entfernte, fuhr sie, mit leichtem Trotz in der Stimme, fort: „Was ich hier tue, geht Sie überhaupt nichts an!"
„Bedauerlicherweise bin ich der geborene Samariter. In derartigen Fällen kümmere ich mich immer um anderer Leute Angelegenheiten."
Schweigen.
Das Mädchen stand noch immer auf der Balustrade und schwankte leicht. Dann sagte sie, fast unhörbar: „Ich sehe keinen anderen Ausweg."
„Sind Sie sich dessen ganz sicher? fragte er, „oder sollten wir uns darüber nicht noch einmal unterhalten?
„Sie können mir nicht helfen."
„Darauf möchte ich gern eine kleine Wette eingehen", meinte er, und in seiner Stimme schien ein leichtes Lachen mitzuklingen.
„Gehen Sie doch weg, forderte sie ihn fast unhöflich auf, „gehen Sie zurück zum Ball. Sie brauchen sich Ihre schöne Jacke nicht naß zu machen!
„Das werde ich auch tun, aber erst, nachdem ich mich mit Ihnen unterhalten habe. Wenn Sie mich von der Richtigkeit Ihres Vorhabens überzeugen können, werde ich Sie höchstpersönlich wieder auf das Brückengeländer heben."
Während er sprach, streckte er ihr seine Hand entgegen. Instinktiv ergriff das Mädchen sie. Ihre Finger waren eiskalt. Mit ihrer Hand in der seinen sprang sie auf den Boden. Sie war nicht sehr groß. Ihr Haar war sanft gewellt, ihr Gesicht herzförmig. Die angstvoll in die Welt blickenden Augen schienen für das kleine Gesicht fast zu groß. Sie blickte zu ihm auf.
„Bitte - lassen Sie mich gehen", sagte sie.
Er hielt noch immer ihre Hand und sagte: „Erst wenn Sie mir erzählt haben, um was es sich handelt."
Der Gentleman war sehr groß, schlank und breitschultrig und strahlte Entschlossenheit aus. Sie wußte, daß es sinnlos gewesen wäre, zu versuchen, ihm jetzt noch zu entkommen. Jetzt, da er sie von dem abgehalten hatte, was sie zu tun beabsichtigte, fühlte sie sich seltsam schwach. Die Musik, die aus der Ferne herüberklang, hörte sich plötzlich lauter an. Sie blickte an ihm vorbei.
„Man wird mich vielleicht suchen."
„Dann gestatten Sie mir, daß ich Sie an einen Ort bringe, wo man Sie nicht finden wird."
Er gab ihre Hand frei und nahm sie beim Arm. Langsam führte er sie durch die Büsche und Sträucher zu einer kleinen, von Fliederbüschen umgebenen Gartenlaube am anderen Ende des Parks. Eine einzige Kerze in einem Lampion erhellte sie mit sanftem Licht. Auf den Sitzbänken lagen weiche Kissen. Sie setzte sich zögernd, und er nahm den Platz neben ihr ein. Der Kerzenschein fiel direkt auf sein Gesicht.
Fast unfreiwillig sagte sie: „Oh - Sie sind der berühmte Stutzer!"
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen sagte er: „Es ehrt mich, daß ich Ihnen unter diesem Namen bekannt bin."
„Vergeben Sie mir - ich hätte das nicht sagen sollen! Aber ich sah Sie kürzlich, als sie einen Wagen mit zwei herrlichen Braunen fuhren, und ich fragte, wer Sie seien."
Sie erinnerte sich an die verächtliche Antwort ihrer Mutter.
„Das ist Lord Dorrington. Ein fauler Tunichtgut, ein Stutzer! Ein eingefleischter Junggeselle, der an nichts als an seine Kleidung und seine Pferde denkt."
Sie konnte sehr wohl erkennen, daß er seine Pferde mit großem Geschick lenkte, und hätte zu gern gewußt, warum ihre Mutter ihm gegenüber so feindlich eingestellt war.
„Wie heißen Sie?" fragte er.
„Alyna, erwiderte sie, „meine Mutter ist Lady Maude Camberley.
„Ich kenne die Dame", sagte Lord Dorrington kurz.
Er erinnerte sich an eine Frau mit spitzer Stimme und stark geschminktem Gesicht, der er am Spieltisch eine erhebliche Summe abgewonnen hatte, und konnte sich diese Frau kaum als Mutter dieses hübschen Geschöpfs vorstellen.
Das Mädchen neben ihm war sehr jung. Ihre noch immer etwas bebenden Lippen waren weich und sinnlich. Um das zu versuchen, wovon er sie im letzten Augenblick hatte abhalten können, mußte sie sehr verzweifelt gewesen sein. Er konnte diese Verzweiflung noch in ihren tränenfeuchten Augen sehen.
Ihr teures, aber geschmackloses, weißes Ballkleid paßte gar nicht zu ihr. Sie sah vollkommen hilflos aus. Als Lord Dorrington wieder zu ihr sprach, lag in seiner Stimme, die sonst oft so spöttisch klang, große Wärme.
„Wie wäre es, wenn Sie mir jetzt ausführlich erzählen würden, warum Sie so unglücklich sind, daß Sie Ihr Leben wegwerfen wollten?"
„Wozu? Sie können mir doch nicht helfen. Wenn ich jetzt in den Ballsaal zurückgehe, wird meine Mutter meine Verlobung öffentlich bekanntgeben."
„Ich darf also annehmen, daß Sie den Herrn nicht heiraten wollen?"
„Lieber würde ich sterben. Nur Sie haben mich davon abgehalten!"
„Aber Sie haben doch gezögert..."
„Das Wasser sah so dunkel, so kalt aus."
„Um welchen Herrn handelt es sich, wenn ich fragen darf?"
„Um Prinz Ahmadi von Kahriz."
Ihre Stimme klang verächtlich.
„Prinz Ahmadi! rief Lord Dorrington aus. „Von dem habe ich gehört.
„Er ist in London sehr bekannt und überall gern gesehen. Die Leute meinen, er sei sehr charmant und sehr reich."
„Ist Ihnen Geld so wichtig?"
„Mir nicht - aber Mama."
Lord Dorrington erinnerte sich gehört zu haben, daß Lady Maude Camberley sich oft und gern größere Geldsummen auslieh.
„Mama wünscht, daß ich einen wohlhabenden Mann heirate. Das hat sie mir gesagt, bevor ich in das Internat zurückkehrte."
„In das Internat? Wie alt sind Sie dann?"
„Ich bin siebzehn, antwortete Alyna, „aber als Mama und ich während der letzten Ferien zu Bällen und Gartenfesten gingen, meinte Mama, ich sei noch nicht reif genug, und so durfte ich für ein weiteres Semester in das Internat für höhere Töchter zurückkehren. Dort kann ich wenigstens etwas lernen. Bälle und Partys langweilen mich. Schon als Papa noch lebte, gab es nichts Schöneres für mich, als mit ihm gemeinsam Bücher zu lesen, zu studieren. Und jetzt will Mama, daß ich den Prinzen heirate.
Bei diesen Worten füllten sich ihre Augen wieder mit Tränen.
Erregt fuhr sie fort: „Ich kann ihn einfach nicht heiraten! Er hat etwas - etwas Abstoßendes an sich. Sicher zieht er mich im Geist aus, wenn er mich ansieht. Sollte er versuchen, mich zu küssen, würde ich schreien."
„Weiß Ihre Mutter das?"
„Natürlich. Aber sie sagt, ich sollte froh sein, daß ein so reicher Mann wie der Prinz mich zur Frau nehmen will. Sie sagt, er wird mir kostbare Juwelen schenken."
„Die meisten Frauen wären dafür dankbar", sagte Lord Dorrington, aber sie sprach weiter, als habe er nichts gesagt.
„Außerdem - in seinem Lande würde man mich wahrscheinlich gar nicht als seine Frau betrachten. Papa hat mir das einmal erzählt. Kahriz grenzt an Persien und Afghanistan. Ein kleiner Staat, aber reich an Mineralien. Die Religion dieses Landes erlaubt jedem Mann, vier Frauen zu haben."
„Wird der Prinz seinen Vater beerben?" fragte Lord Dorrington.
„Er ist gar nicht legitimer Herkunft, sagte Alyna verächtlich, „wenn der Herrscher von Kahriz keinen direkten männlichen Erben hat, kann er den Sohn einer seiner Konkubinen zum Thronfolger bestimmen.
„Und die Tatsache, daß er nicht königlichen Bluts ist, stört Sie so sehr?"
„Nein, das ist es nicht. Ich kann ihn ganz einfach nicht ausstehen. Ich habe viel über die schrecklichen Sitten und Gebräuche in Kahriz gelesen. Wenn ein Mann eine Frau loswerden will, sagt er nur dreimal: Ich verstoße dich! Und schon ist die Ehe geschieden.
Aber als ich das Mama sagte, meinte sie, das sei alles Unsinn. Der Prinz werde mich nach unserem Gesetz heiraten, und wir würden die meiste Zeit in Europa verbringen. Aber das glaube ich einfach nicht."
„Wenn Sie einen derartigen Widerwillen gegen den Prinzen haben, dann müssen Sie sich einfach weigern, ihn zu heiraten. Man kann Sie nicht mit Gewalt zum Altar schleppen."
„Mama ist fest entschlossen. Ich glaube, er hat versprochen, ihr finanziell zu helfen."
Lord Dorrington hielt das für sehr wahrscheinlich, aber er sagte nur: „Sie selbst haben das letzte Wort, Alyna."
„Als ich heute mit Mama sprach und sie mir mitteilte, die Verlobung würde heute abend auf dem Ball bekanntgegeben werden, weigerte ich mich. Sie erklärte mir, daß sie mein gesetzlicher Vormund sei, und daß das Gesetz ihr das Recht gebe, eine Heirat für mich zu arrangieren."
Lord Dorrington wußte, daß Lady Maude das Gesetz wirklich auf ihrer Seite hatte.
„Wie spät ist es?" fragte Alyna.
„Fast Mitternacht, Alyna."
„Bald wird man mich suchen. Die Verlobung soll um Mitternacht verkündet werden. Bitte lassen Sie mich jetzt gehen. Und morgen wird man es in der Zeitung lesen: Die Leiche eines jungen Mädchens wurde am 3. Mai 1799 aus der Themse geborgen ..."
Lord Dorrington erhob sich.
„Sind Sie wirklich so kleinmütig, Alyna? Wenn ich mich nicht irre, war einer Ihrer Onkels ein General."
„Ja, er befehligte die Grenadiergarde. Im gleichen Regiment war ebenfalls mein Vater Offizier."
„Und seine Tochter läuft vor ihrer ersten Schlacht feige davon", sagte Lord Dorrington mit schneidender Stimme.
„Aber ich kann diesen Mann einfach nicht heiraten. Er kommt mir manchmal wie - wie eine Kobra vor!"
Lord Dorrington dachte kurz nach.
Dann sagte er ganz ruhig: „Ich werde Ihnen helfen, diesem Mann, dieser Heirat, zu entkommen. Ich werde Sie in meinem Wagen wegbringen. Sollte man uns sehen, wären Sie natürlich kompromittiert - aber dieses Risiko müssen wir auf uns nehmen."
„Er darf nicht sehen, daß ich fortgehe! rief Alyna. „Er hat großen Einfluß auf Mama.
„Das ist mir völlig klar. Ich schlage folgendes vor: Gehen Sie durch den Park, am Ufer der Themse entlang, bis Sie zur Hauptstraße kommen. Inzwischen kehre ich ins Haus zurück und verabschiede mich von der Gastgeberin, Lady Glossop. Ich werde mich für den netten Abend bedanken. Warten Sie im Schatten der Buchsbaumhecke auf mich - ich lasse dort den Wagen anhalten, dicht bei der Brücke. Bleiben Sie in Ihrem Versteck, bis Sie mich aus dem Wagen steigen sehen. Kann ich Ihnen vertrauen?"
„Ja, ich verspreche Ihnen, mutig zu sein. Sie sind sehr gütig, Lord Dorrington. Warum tun Sie das alles für mich?"
„Ich glaube, diese Frage werde ich mir selbst noch vor dem Morgengrauen stellen, sagte er mit einem leichten Lächeln. „Und jetzt tun Sie, was ich gesagt habe, Alyna.
Ohne weitere Worte entfernte sie sich und verschwand im Dunkel des Parks.
Lord Dorrington ging in die entgegengesetzte Richtung. Durch eine Glastür betrat er den Ballsaal, schritt langsam zwischen den juwelengeschmückten Damen und eleganten Herren hindurch. Hunderte von Kerzen in riesigen Kronleuchtern warfen ihr Licht über die vornehme Gesellschaft, die sich auf dem spiegelglatten Parkett im Tanz