Tödliche Blutsbande: Gaslicht - Neue Edition 21 – Mystikroman
Von Alice Walton
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Über dieses E-Book
In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert!
Eine lockende Stimme drang an Sandras Ohr: »Komm, ich hole dich hier heraus. Vertrau mir. Ich bin dein Freund.« Es war Robert, der so sanft zu ihr sprach. Dabei entblößte er seine langen Eckzähne mit einem widerlichen Grinsen. »Bitte, geh weg! Lass mich in Ruhe! Ich habe Angst.« Sein Grinsen wurde noch diabolischer. »Du kannst gehen. Aber erst will ich dein Blut. Du gehörst mir.« »Nein!«, schrie sie heftig. »Du Satan! Rühr mich nicht an. Vater, warum hilfst du mir nicht?« Graf Attila trat an ihr Bett. »Was ist denn, Liebling?«, fragte er sanft.
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Buchvorschau
Tödliche Blutsbande - Alice Walton
Gaslicht - Neue Edition
– 21 –
Tödliche Blutsbande
Nachts, wenn Graf Attila zum Teufel wird
Alice Walton
Eine lockende Stimme drang an Sandras Ohr: »Komm, ich hole dich hier heraus. Vertrau mir. Ich bin dein Freund.« Es war Robert, der so sanft zu ihr sprach. Dabei entblößte er seine langen Eckzähne mit einem widerlichen Grinsen. »Bitte, geh weg! Lass mich in Ruhe! Ich habe Angst.« Sein Grinsen wurde noch diabolischer. »Du kannst gehen. Aber erst will ich dein Blut. Du gehörst mir.« »Nein!«, schrie sie heftig. »Du Satan! Rühr mich nicht an. Vater, warum hilfst du mir nicht?« Graf Attila trat an ihr Bett. »Was ist denn, Liebling?«, fragte er sanft. Aber seine scharfen Züge straften seiner angenehmen Stimme Lügen. »Er braucht dein Blut, Sandra. Gib es ihm. Er ist doch dein Bruder. Für seine Familie tut man alles. Weißt du das denn nicht? Sei ganz ruhig. Er braucht dich.« Sie schlug wild um sich. Aber starke Arme griffen nach ihr und zwangen sie auf das Bett zurück. Sie wollte schreien, aber kein Laut entwich ihrer Kehle. Sie war wie gelähmt …
Sandra Golak hatte ihr Jura-Examen mit großem Erfolg bestanden. Aber bald kam die Ernüchterung. Trotz ihrer guten Zensuren fand sie keinen Arbeitsplatz. Ihrer Mutter konnte sie finanziell nicht zur Last fallen. Die lebte nämlich selbst in ärmlichen Verhältnissen.
Ein Brief brachte in dieser ausweglosen Situation die Wende. Er kam aus Ungarn vom Schloß Ezgomazy und enthielt eine Einladung des Grafen.
Grat Attila Ezgomazy schrieb: Deine Mutter und ich haben uns damals aus den Augen verloren. Während der Zeit der kommuni-stischen Diktatur war es nicht ratsam, Nachforschungen anzustellen. Immerhin hatte sie das Land illegal verlassen. Jetzt aber, wo wir uns wieder frei bewegen können, möchte ich Dich, meine Tochter, endlich wiedersehen. Ich bin alt, krank und einsam. Dein Besuch würde Freude in mein Leben bringen. Bitte komm bald.
»Merkwürdig«, grübelte Susanne Golak. »Er erwähnt Robert gar nicht. Wieso ist er einsam?«
»Wie alt war mein Bruder denn, als du den Grafen verließest, Mama?«
»Ein halbes Jahr.«
»Und so ein kleines Kind hast du einfach zurückgelassen?«
Susanne Golak zuckte verlegen die Achseln. »Es klingt unmenschlich, das gebe ich zu. Aber du mußt auch die damalige Situation bedenken. Ich mußte nachts illegal über die Grenze. Wie hätte ich das mit einem schreienden Baby machen sollen? Du warst groß genug, um keine Schwierigkeiten zu machen. Aber Robert…«
»Und du hast dich später nie darum gekümmert?«
»Wie sollte ich das? Glaubst du, jemand wäre bereit gewesen, mir irgendwelche Auskünfte zu geben? Und der Graf, – nun, du kannst dir denken, wie wütend er auf mich war.«
»Was ist er für ein Mensch, Mama?«
»Wie er jetzt ist, weiß ich natürlich nicht. Wahrscheinlich ist er völlig verbittert. Damals, nun ja, ich war gerade geschieden und brauchte jemanden, der mich trö-stete.«
»Und warum habt ihr nicht geheiratet? Noch nicht mal nach dem zweiten Kind?«
Susanne Golak seufzte. »Ich war leider nicht sehr glücklich mit ihm und fühlte mich außerdem nicht wohl in Ungarn. Wie konnte ich auf die Dauer ertragen, in Unfreiheit zu leben? Ich als Österreicherin? Ich hätte die ungarische Staatsbürgerschaft annehmen müssen und wäre nie wieder aus dem Land rausgekommen.«
»Das verstehe ich allerdings. Trotzdem…«
»Bitte quäle mich jetzt nicht mit Vorwürfen, Sandra. Ich habe lange genug darunter gelitten. Das kannst du mir wirklich glauben. Aber niemand, der nicht in meiner Lage war, kann wirklich beurteilen, ob mein Verhalten zu rechtfertigen war oder nicht.«
»Schon gut, Mama. Du hast wahrscheinlich recht. Was meinst du? Soll ich sein Angebot annehmen?«
»Was bleibt dir anderes übrig, Sandra? Du kannst ja nicht monatelang hier herumsitzen und auf einen Job warten.«
»Gut. Ich werde ihm schreiben. Die Einladung kommt im richtigen Moment. Außerdem bin ich auf meinen Vater neugierig. Vielleicht ist er netter, als du ihn in Erinnerung hast. Sehe ich ihm ähnlich?«
Susanne Golak lachte nervös. »Wie soll ich das wissen? Damals warst du noch ein Kind.«
»Ach ja, natürlich. Aber die Farbe der Augen zum Beispiel und die Haarfarbe…«
»Er hat blaue Augen wie du, aber sehr dunkles Haar.«
Sandra betrachtete ihre Mutter, die ihr Haar blond getönt hatte. Ursprünglich war sie mittelblond gewesen.
»Meine blonden Haare kommen also von dir.«
»Es liegt in meiner Familie«, erwiderte ihre Mutter schnell. »Meine Mutter hatte sogar rötliches Haar.«
Sandra war mit dieser Auskunft zufrieden. »Ich werde ihm ein Foto von mir schicken, damit er sich auf seine blonde Tochter einstellen kann.«
Susanne erhob sich. »Tu das, mein Kind.« Sie wirkte müde und schien das Gespräch unbedingt beenden zu wollen. Warum zeigte sie nur so wenig Interesse? War es nur das schlechte Gewissen und der Wunsch, mit der Sache nichts zu tun zu haben? Oder steckte mehr dahinter? Verbarg sie etwas vor ihrer Tochter?
Unsinn, schalt sich Sandra. Es ist völlig natürlich, daß sie das Thema lieber meiden möchte. Ich werde sie damit nicht länger behelligen. Warten wir ab, wie sich die ganze Sache entwickelt.
*
Sandra hatte sich Ungarn als ein äußerst armes Land vorgestellt. Die jahrzehntelange Zwangswirtschaft mußte jede Privatinitiative erdrückt haben. Aber sie war erstaunt, wie gepflegt die Landschaft hinter der österreichischen Grenze war. Weinberge und Felder waren in tadellosem Zustand. Überall grüßten schmucke neue Häus-chen, und an den Straßen wurde fleißig gebaut. Die Dörfer bekamen endlich eine Kanalisation und gepflasterte Fußwege. Wenn das hier ihre neue Heimat werden sollte, würde sie guten Grund haben, auf den allgemeinen Fortschritt und die Tüchtigkeit dieser Menschen, die so lange unter großen Entbehrungen hatten leiden müssen, stolz zu sein.
Aber je weiter sie der Zug in das Innere des Landes führte, um so rückständiger wirkten Städte, Dörfer und Landschaften. In Grenznähe hatte der Tourismus Wohlstand gebracht. Pensionen und Privatunterkünfte gab es in Hülle und Fülle. Gepflegte Restaurants säumten die Straße. Hier aber, in einem Gebiet, wo niemand seinen Urlaub zu verbringen wünschte, hatte der Fortschritt noch nicht seinen Einzug gehalten. Vor den Häusern verliefen die alten stinkenden Wassergräben, über die ein Steg zum Grundstück führte. Die Fassaden der Häuser benötigten dringend neuen Verputz und einen freundlichen Anstrich. Am trostlosesten aber wirkten die Städte, in denen die Menschen immer noch in Häusern hausten, die seit Jahrzehnten nicht renoviert worden waren.
Der größte Schock aber kam für Sandra, als sie in Fedykö aus dem Zug stieg und sich suchend umblickte. Das alte Bahnhofsgebäude war total verfallen. Durch die zerbrochenen Fensterscheiben pfiff der Wind. Der