BLUMEN FÜR EINE TOTE HEXE: Ein Grusel-Krimi
Von Carola Salisbury
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Über dieses E-Book
Polly Lestrange wird zum Sterbebett ihrer Tante gerufen. Doch als sie in dem großen düsteren Haus ankommt, darf sie ihre Tante nicht sehen. Sie sei zu schwach und brauche Ruhe, behauptet die Haushälterin.
Polly schleicht sich zum Zimmer der Sterbenden... doch die Tür ist verschlossen.
Da fällt ihr Blick auf ein Gemälde in der Eingangshalle: Es zeigt eine Frau, die im 16. Jahrhundert als Hexe verbrannt wurde - und diese Frau hat Pollys Gesicht!
Carola Salisbury (* 10. Januar 1964 in Nottingham) ist eine britische Kriminal-Schriftstellerin.
Der Grusel-Krimi Blumen für eine tote Hexe erscheint in der Reihe APEX CRIME.
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BLUMEN FÜR EINE TOTE HEXE - Carola Salisbury
Das Buch
Polly Lestrange wird zum Sterbebett ihrer Tante gerufen. Doch als sie in dem großen düsteren Haus ankommt, darf sie ihre Tante nicht sehen. Sie sei zu schwach und brauche Ruhe, behauptet die Haushälterin.
Polly schleicht sich zum Zimmer der Sterbenden... doch die Tür ist verschlossen.
Da fällt ihr Blick auf ein Gemälde in der Eingangshalle: Es zeigt eine Frau, die im 16. Jahrhundert als Hexe verbrannt wurde - und diese Frau hat Pollys Gesicht!
Carola Salisbury (* 10. Januar 1964 in Nottingham) ist eine britische Kriminal-Schriftstellerin.
Der Grusel-Krimi Blumen für eine tote Hexe erscheint in der Reihe APEX CRIME.
BLUMEN FÜR EINE TOTE HEXE
Prolog
Eine Zeitungsnotiz im Evening Courier vom 29. August 1969:
BLUMEN FÜR EINE HEXE
Von der Ostküste in Suffolk erreicht uns folgende merkwürdige Geschichte.
Der kleine Ort Denwich (250 Einwohner, zwei Lokale, eine Kirche) bewegt sich aufgrund von Küstenerosionen schon seit fünfhundert Jahren allmählich ins Meer. Die ursprüngliche Kirche aus dem 13. Jahrhundert verschwand 1893. Der Friedhof folgt ihr mit etwa dreißig Zentimetern pro Jahr.
Die prominenteste noch verbliebene Bewohnerin des Friedhofs (um diesen etwas paradoxen Begriff zu gebrauchen) ist Julien Granchester, die 1556 im Alter von vierundzwanzig Jahren als Hexe verbrannt wurde und deren sterbliche Überreste allen Protesten der Kirche zum Trotz in der Familiengruft ihre letzte Ruhe fanden. Dort hätten sie vermutlich unbeachtet weiter geruht (bis etwa zum Jahr 1990, dem Zeitpunkt, an dem nach Vorausberechnung das Mausoleum der Granchesters über die Klippen stürzen wird), wären nicht von unbekannter Hand seit dem Allerheiligenabend vergangenen Jahres zweimal pro Woche frische Blumen an der Tür des Mausoleums niedergelegt worden.
Die Verbindung mit Allerheiligen könnte an Hexerei denken lassen, und in der Tat sind in Ost-Suffolk Gerüchte in Umlauf, dass in der Gegend von Denwich böse Kräfte am Werk sind. Diesen Vermutungen wurde durch Predigten von Reverend Jonathon Ayers, dem Pastor von Denwich, neue Nahrung gegeben, der von der Kanzel herab vor seiner Gemeinde »unaussprechliche Sünden, die in unserer Mitte begangen werden«, angeprangert hat. Nichtsdestotrotz sind unseren Informationen zufolge die Bewohner von Denwich nicht bereit, diese Vorgänge mit Außenstehenden zu diskutieren. Es werden jedoch ständig mehr Neugierige angelockt. An jedem Wochenende dieses Sommers war die Dorfstraße von Autos verstopft, und oft genug warten lange Menschenschlangen darauf, vor dem blumengeschmückten Hexengrab fotografiert zu werden.
Die dreiundsiebzigjährige Miss Henrietta Granchester, Eigentümerin von Mondisfield Hall in Denwich, kann verständlicherweise über ihre berühmte Vorfahrin keine Angaben machen.
Beide Lokale des Ortes haben an den Wochenenden höchste Umsätze zu verzeichnen!
...ausgeschnitten und aus persönlichen Gründen aufbewahrt von Miss Polly Lestrange in Toronto, Kanada.
Erstes Kapitel
Irgendwie verpasste sie die richtige Abzweigung von der Küstenstraße, was neun überflüssige Kilometer bis zu einer fremden Ortschaft und neun Kilometer wieder zurück bedeutete. Sie war erschöpft und müde von der Anstrengung, durch die regenüberströmte Windschutzscheibe in die Dunkelheit zu starren. Allmählich überkam sie das hoffnungslose Gefühl, überhaupt nicht mehr an ihr Ziel zu gelangen. Bis sie endlich den windschiefen Wegweiser entdeckte, der eine schmale, baumbestandene Allee entlang zeigte.
Als sie einen knappen Kilometer auf der Allee zurückgelegt hatte, begann der Motor des kleinen roten Sportwagens zu stottern und blieb dann plötzlich ganz weg. Das Fahrzeug, das sie sich am Vormittag des Tages von einem beredten Gebrauchtwagenhändler in Cambridge hatte aufschwatzen lassen, rollte noch ein kleines Stück die leicht abschüssige Straße entlang, bis es dann in einer breiten Pfütze endgültig zum Stehen kam. Nur noch das Trommeln des Regens auf dem Wagendach war zu hören.
Sie versuchte erneut zu starten, aber es erfolgte nur ein schwaches metallisches Klicken - sonst nichts.
»Typisch für mich«, sagte sie laut vor sich hin, »dass ich mir so ein verdammtes Wrack habe andrehen lassen!« Sie sackte deprimiert gegen das Lenkrad. Ob sie hier für die ganze Nacht festsaß? Wahrscheinlich, sofern der dichte Regen nicht aufhörte. Im Augenblick hatte es nicht den Anschein, als würde er auch nur nachlassen. Vielleicht kam jemand vorbei, der sie mitnahm. Bloß wer war in einer so abgelegenen Gegend in der Nacht noch unterwegs?
Sie tastete im Handschuhfach nach ihren Zigaretten und ihrem Feuerzeug. Das Zigarettenpäckchen gab zwischen ihren Fingern nach und ließ sich zu einem feuchten Kloß zusammendrücken. Am Ende des Handschuhfachs stand zwei Zentimeter tief Wasser. Also war auch die Windschutzscheibe nicht dicht. Wenigstens flammte das Feuerzeug gleich beim ersten Versuch auf. Sie ließ es sekundenlang brennen, warm und merkwürdig beruhigend in der Dunkelheit, die sie umgab.
Ihr Gesicht spiegelte sich in der Windschutzscheibe, dramatisch von unten beleuchtet, so dass ihre Wangenknochen und die dunklen Augenhöhlen besonders betont wurden. Ein paar feuchte Strähnen ihrer schwarzen Haare waren unter dem Chiffonband, das sie um den Kopf trug, hervorgekommen und kringelten sich an beiden Seiten zu Korkenzieherlocken. Es war das Gesicht einer Fremden, völlig unvertraut. Für jemanden, der wie sie ohne konkreten Grund nie recht zufrieden mit ihrem Äußeren gewesen war, eine nicht unangenehme Konfrontation.
»Du siehst gar nicht so schlecht aus, meine Liebe«, stellte sie fest und schüttelte die ungewohnten Seitenlöckchen. Dann ließ sie das Feuerzeug wieder verlöschen. »Wie Lady Macbeth oder eine etwas aufgelöste, aber nicht reizlose Hexe.«
Diese Assoziation verursachte ihr prickelndes Unbehagen, weil ihr dabei eine Stelle aus dem Reiseführer ins Gedächtnis kam. Dieser Landstrich hier war die Sterbende Ecke von England genannt worden. Eine abbröckelnde Küste, die langsam dem hungrigen Meer zum Opfer fiel und dabei ein Jahrtausend Geschichte mitnahm.
Der Kies des Strandes, der irgendwo im Dunklen vor ihr lag, hatte oft unter den Kielen von Wikinger-Langschiffen geknirscht, die gekommen waren, um Feuer, Plünderung und wilde Nordmänner zu bringen. Römische Legionäre hatten sich eben diese Straße entlangbewegt, während ihre Karrenräder durch die Furchen geholpert waren. Briten gegen Römer, Angelsachsen gegen die Männer aus dem Norden - sicher gab es hier im Umkreis von Meilen kein Stückchen Erde, in dem keine alten Gebeine lagen. Die Gebeine erschlagener Männer und vergewaltigter Frauen.
Und die verkohlten Gebeine verbrannten Hexen. Die Zeitung war die ganze Woche lang voll gewesen davon: Den Hexenglauben in East Anglia hatte es bereits im frühen Mittelalter gegeben, und dem Vernehmen nach existierte er noch immer - genährt von Aberglauben und Isolation, von gedankenloser Inzucht und angeborenem Schwachsinn...
Ein Windstoß fuhr durch die überhängenden Äste und ließ eine neue Ladung dicker Tropfen herunterprasseln. Und im gleichen Augenblick wusste sie, dass sie es keinesfalls die ganze Nacht hier in dieser Einsamkeit würde aushalten können.
Sie war gerade aus dem Wagen gestiegen und dabei, ihren Koffer vom Rücksitz zu hieven, als sie das sonore Brummen einer hochtourigen Maschine vernahm und die Scheinwerfer eines näherkommenden Wagens bemerkte.
Es war ein weißer Jaguar E-type, der großäugig wie ein Hai aus der Dunkelheit tauchte, ohne das Tempo zu mindern. Sekundenlang befürchtete sie schon, er würde überhaupt nicht anhalten. Aber das war natürlich kaum möglich. In einer Nacht wie dieser würde bestimmt niemand an einem Mädchen vorbeifahren, das eine Panne hatte. Sie trat zur Straßenmitte und winkte heftig. Der Jaguar bremste mit leichtem Schleudern.
Sie ging zur Fahrerseite, während das Fenster heruntergekurbelt wurde.
»Was ist los? Haben Sie kein Benzin mehr?« Eine kultivierte Stimme, ein angenehmer Bariton, aber sie konnte das Gesicht nicht erkennen.
»Nein. Der Motor hat seinen Geist aufgegeben. Ich fürchte, der Schaden ist ziemlich erheblich. Ob Sie mich wohl mitnehmen könnten? Ich will nicht weit. Nur nach Mondisfield Hall.«
»Nach Mondisfield? Selbstverständlich. Steigen Sie ein.«
Er öffnete die Tür zum Beifahrersitz, und die Innenbeleuchtung zeigte ihr einen elegant gekleideten Mann von Mitte Dreißig mit blauen Augen, einem blassen Teint und semmelblonden, seitlich gescheitelten Haaren. Er trug einen schwarzen Schlips mit hellblauen Diagonalstreifen, in seinem Knopfloch steckte eine dunkelrote kleine Nelke.
Mit dem Zuklappen der Tür verlosch die Innenbeleuchtung wieder. Nur noch das grünliche Licht vom Armaturenbrett fiel auf sein Profil, als er sich vorbeugte und den Gang einlegte.
»Haben Sie die Absicht, hierzubleiben?«, erkundigte er sich. »In Mondisfield?«
»Zumindest für eine Weile.«
»Ich bin ein Nachbar«, erläuterte er. »Wir haben ein Wochenendhaus auf den Klippen oberhalb des Dorfes. Mein Name ist übrigens Hugo Fettes.«
»Ich heiße Polly Lestrange.«
»Ah! Die Dame aus Kanada. Wir haben schon von Ihnen gehört.« Als sie ihn überrascht anblickte, lächelte er. »Miss Granchesters kanadische Verwandte. Verwandtschaftliche Beziehungen bleiben in einem Ort wie Denwich nicht verborgen, wo jeder, selbst Wochenendler, über den anderen sozusagen Buch führt.«
»Dann kennen Sie also meine Großtante und Mondisfield?«
»Vor dem Haus nur, soviel man durch die Bäume erspähen kann«, erwiderte Fettes. »Ein herrlicher alter Kasten. Natürlich ist mir aber Miss Granchester vom Sehen bekannt. Wir nicken uns zu und grüßen uns. Wie es heißt, soll sie im Moment nicht auf dem Posten sein.«
»Sie ist sehr, sehr krank«, versetzte Polly Lestrange ruhig.
»Oh! Das tut mir aufrichtig leid«, sagte er. »Wir hatten zwar gehört, dass sie das Bett hüten muss, aber wir dachten, es sei nichts Ernstes. Ist es das Herz?«
»Ja. Und dazu kommt das Alter.«
»Meine Frau wird es auch bedauern, wenn ich es ihr erzähle«, meinte er. »Vielleicht hat sie es schon heute Nachmittag bei ihrer Ankunft erfahren. Ich konnte leider nicht früher weg. Bitte richten Sie Miss Granchester unsere besten Genesungswünsche aus.«
»Vielen Dank. Das werde ich gern tun.«
Die Straße beschrieb eine Kurve, und gleich darauf hielt der Jaguar vor einer offenstehenden hohen Eisenpforte an, deren Flügel an wuchtigen, von heraldischen Falkenköpfen gekrönten Steinpfosten hingen.
»Ich würde Sie ja gern bis direkt vors Haus bringen«, sagte Fettes entschuldigend. »Aber die Hinterachse dieses Wagens liegt so niedrig, dass ich die holperige Auffahrt nicht schaffe. Es tut mir leid, Sie werden scheußlich nass werden. Aber einen Augenblick...« Er fasste auf den Rücksitz, der mit Gepäckstücken beladen war, und zog einen Regenschirm hervor. »Wenigstens den kann ich Ihnen zur Verfügung stellen«, sagte er.
Sie stieg aus und schaffte es glücklicherweise auf Anhieb, den Schirm aufzuspannen. Dann beugte sie sich vor und reichte Fettes die Hand.
»Vielen, vielen Dank. Sie haben mir wirklich sehr geholfen. Den Schirm bringe ich Ihnen so bald wie möglich zurück.«
»Das hat keine Eile«, wehrte er ab. »Ich besitze einen Schirm für jeden Wochentag. Übrigens werde ich morgen früh als erstes bei der Ortswerkstatt vorbeifahren und Bescheid sagen, damit Ihr Wagen abgeschleppt und repariert werden kann.«
»Sehr freundlich von Ihnen«, bedankte sie sich. »Ohne Sie wäre ich vollkommen aufgeschmissen gewesen. Gute Nacht.«
»Gute Nacht.« Fettes rollte auf die Straße zurück, hupte einmal kurz und verschwand in Küstenrichtung.
Sie wartete, bis sie die Rücklichter des Wagens nicht mehr sehen konnte - dann setzte sie sich in Marsch, die lange holprige Auffahrt zu Mondisfield Hall entlang.
Ihre Schritte auf dem Kies klangen unnatürlich laut über das monotone Rauschen des Regens hinweg. Vereinzelt platschten dicke Tropfen aus den überhängenden Zweigen der mächtigen Ulmen zu ihrer Linken auf den Regenschirm. Rechts lag eine eingezäunte, verwilderte Koppel, hinter der sich die Umrisse eines kleinen Wäldchens abzeichneten. Aus dem Wäldchen klang der Ruf einer Eule herüber.
Ein Geruch stieg ihr in die Nase, den sie später immer mit Mondisfield in Verbindung brachte - der modrige Geruch abgestorbener Pflanzen, welker, verwesender Blätter und morschem Holz.
Sie sah das Haus. Die Auffahrt machte eine letzte Biegung, und dann ragte das spitze Dach in den Himmel, wie der umgestülpte Rumpf eines gestrandeten Segelschiffs. Alles war stockdunkel.
Das Gelände senkte sich zu einem breiten Graben hinab, in dem Wasser schimmerte. Über dem Wassergraben führte eine Steinbrücke mit von Brombeergestrüpp und Efeu überwuchertem Geländer. Etwa fünfzig Meter dahinter, am Ende eines gepflasterten Weges, der durch eine ungemähte Rasenfläche führte, stand Mondisfield Hall.
Ein elisabethanisches Monstrum von Gebäude, drei Stockwerke hoch, mit Giebeln und Schornsteinen an allen Ecken und Enden. Die Fassade war ein kompliziertes Gewirr von Fachwerkbalken, unterbrochen von zahlreichen Fenstern unterschiedlicher Größe und Form.
Sie schauderte zusammen - und überquerte