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EINE TASSE TEE: Der Krimi-Klassiker aus England!
EINE TASSE TEE: Der Krimi-Klassiker aus England!
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eBook226 Seiten2 Stunden

EINE TASSE TEE: Der Krimi-Klassiker aus England!

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Über dieses E-Book

Er war allein, als er nach kurzer Fahrt Lavender Cottage, ein reizendes kleines Häuschen, das über den weiten Golfplatz hinwegblickte, erreichte.

Der Name des Hauses ließ an feine alte Damen des vergangenen Jahrhunderts, an Reifröcke und Ringellöckchen denken, aber die Wirklichkeit war ganz anders. Auf sein Klingeln öffnete ein junges, frisches Hausmädchen und meldete ihn der Besitzerin. Beim Betreten des Wohnzimmers wusste er sofort, dass ihm noch nie im Leben eine solche Frau begegnet war. Künstler würden ihr Haar vielleicht anders beschrieben haben, ihn erinnerte es an den Glanz alten, hochpolierten Mahagonis. Ihre Augen zeigten ein klares Smaragdgrün, ihre Haut ließ an weiche, weiße Seide denken, ihre vollen roten Lippen wussten nichts von einem Lippenstift, und dies alles wurde von einem freundlichen, mutwillig erscheinenden Lächeln verklärt. Ein kurzer wollener Rock, Jackett und Weste im Herrenschnitt und eine kleine schwarze Krawatte. Sie saß am Schreibtisch und rauchte eine Zigarette in einer langen Spitze.

Herbert Adams (* 1874 in Dorset, South West England; † 1958) war ein englischer Schriftsteller. Adams veröffentlichte beinahe sechzig Kriminalromane; viele unter seinem eigenen Namen, einige unter dem Pseudonym Jonathan Gray. Seine Leser – wie auch die Literaturkritik – verglichen Adams oft mit seiner Kollegin Agatha Christie.

Der Roman Eine Tasse Tee erschien erstmals im Jahr 1951; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1957.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum19. Nov. 2020
ISBN9783748765042
EINE TASSE TEE: Der Krimi-Klassiker aus England!

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    Buchvorschau

    EINE TASSE TEE - Herbert Adams

    Das Buch

    Er war allein, als er nach kurzer Fahrt Lavender Cottage, ein reizendes kleines Häuschen, das über den weiten Golfplatz hinwegblickte, erreichte.

    Der Name des Hauses ließ an feine alte Damen des vergangenen Jahrhunderts, an Reifröcke und Ringellöckchen denken, aber die Wirklichkeit war ganz anders. Auf sein Klingeln öffnete ein junges, frisches Hausmädchen und meldete ihn der Besitzerin. Beim Betreten des Wohnzimmers wusste er sofort, dass ihm noch nie im Leben eine solche Frau begegnet war. Künstler würden ihr Haar vielleicht anders beschrieben haben, ihn erinnerte es an den Glanz alten, hochpolierten Mahagonis. Ihre Augen zeigten ein klares Smaragdgrün, ihre Haut ließ an weiche, weiße Seide denken, ihre vollen roten Lippen wussten nichts von einem Lippenstift, und dies alles wurde von einem freundlichen, mutwillig erscheinenden Lächeln verklärt. Ein kurzer wollener Rock, Jackett und Weste im Herrenschnitt und eine kleine schwarze Krawatte. Sie saß am Schreibtisch und rauchte eine Zigarette in einer langen Spitze.

    Herbert Adams (* 1874 in Dorset, South West England; † 1958) war ein englischer Schriftsteller.  Adams veröffentlichte beinahe sechzig Kriminalromane; viele unter seinem eigenen Namen, einige unter dem Pseudonym Jonathan Gray. Seine Leser – wie auch die Literaturkritik – verglichen Adams oft mit seiner Kollegin Agatha Christie.

    Der Roman Eine Tasse Tee erschien erstmals im Jahr 1951; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1957.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    EINE TASSE TEE

    ERSTER TEIL

      Erstes Kapitel

    »Ist das Ihre erste Seereise?«

    »Meine erste und jedenfalls auch die letzte.«

    »Gefällt es Ihnen nicht?«

    »Ich genieße jeden Augenblick, aber wenn ich nach Hause komme, erwartet mich eine Stellung – und da ist von Luxusdampfern keine Rede mehr.«

    »Doch! Aber mir geht es auch so...«

    »Dann sind wir ja Leidensgefährten«, lachte sie und blickte dann wieder schweigend nach der Küste.

    Es war Mitte Juli und der dritte Tag der Reise. Nach einer etwas stürmischen Überfahrt glitt die Atlanta Star sanft in den ersten Fjord, den die beiden je gesehen hatten.

    Dunkel und geheimnisvoll lag die bergige Küste vor ihnen, unzählige Sterne flimmerten in dem schwarzblauen Samt des Himmels, und der Mond zeichnete seinen silberglänzenden Weg auf das Wasser, dessen glatte Oberfläche nur durch die Wellen gekräuselt wurde, die das Riesenschiff verursachte. Das Wunder dieser prachtvollen Sommernacht ließ die beiden Menschen vergessen, wie fremd sie einander waren. Er, ein gutaussehender Mann in der Mitte der Zwanzig, sie, einige Jahre jünger, dunkeläugig, schlank und – nach seiner Meinung wenigstens – außergewöhnlich hübsch.

    »Nur drei Wochen«, murmelte sie und blickte über die Reling auf das schimmernde Wasser des Fjords.

    »Man behauptet, eine Seereise dürfte nie länger als drei Wochen dauern. In den ersten acht Tagen lernt man die Menschen an Bord kennen, in der zweiten Woche gewinnt man sie gern, und in der dritten fängt man an, sie unausstehlich zu finden...«

    »Dauern Ihre Freundschaften gewöhnlich so lange?«, fragte sie.

    »Ist doch merkwürdig, dass Frauen alles gleich persönlich auffassen müssen«, gab er zurück. »Drei Tage sind schon vorüber. Drei verlorene Tage, denn ich habe erst heute zum ersten Mal mit Ihnen sprechen können. Ich habe viel nachzuholen, Miss... übrigens, ich heiße Bruce Dickson.«

    »Schotte, wie ich annehme?«

    »Nein, ich nicht, aber mein Pate. Ihm verdanke ich meinen Vornamen und einen silbernen Patenbecher – das ist alles.«

    »Vielleicht haben Sie ihn enttäuscht.«

    »Möglich. Aber jetzt sind Sie an der Reihe. Also noch einmal: ich heiße Bruce Dickson.«

    »Freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Mr. Dickson«, lachte sie. »Ich heiße Ella Chilcott.«

    »Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, Miss Chilcott.« Er verbeugte sich tief. »Reisen Sie allein?«

    »Ja. Und Sie?«

    »Gleichfalls – bis jetzt wenigstens. Aber nun nicht mehr, wie ich hoffe.«

    Sie lachte leise auf, und beide blickten wieder zu den hohen Bergen der Küste hinüber.

    »Wollen Sie mir erzählen, was für eine Stellung auf Sie wartet?«, fragte er dann.

    »Sie fangen an! Männerarbeit ist immer interessanter als die von uns Mädels.«

    »Darüber lässt sich streiten. Ich bin Arzt und gehe jetzt als Assistent zu einem älteren Kollegen in Dorset, Wintley Harford heißt das Nest, mit der Aussicht, später die Praxis mal übernehmen zu können...«

    »Wintley Harford – doch nicht Dr. Endicott?«

    »Allerdings... kennen Sie ihn?«

    »Ja. Ein Onkel von mir lebt dort in der Nähe: Mr. Blount.«

    »Der alte Bartholomäus Blount? Gutsbesitzer und Friedensrichter? Er ist doch das große Tier da? Der Mann, um den sich alles dreht.«

    »Stimmt alles. Merkwürdig, dass Sie gerade Onkel Barty kennen...«

    »Bis jetzt noch nicht, aber bald – von seinem Kahlkopf bis hinunter zu den Hühneraugen, wie ich hoffe.«

    Sie lachte wieder.

    »Das bezweifle ich stark; erstens hat er wundervolles dichtes Haar und zweitens wahrscheinlich überhaupt keine Hühneraugen. Er ist verblüffend rüstig und kann Ärzte nicht ausstehen; er glaubt nicht an sie, behauptet, alle wären Wichtigtuer und Schwindler...«

    »So eine Niedertracht! Aber man kann nie wissen. Auch die kräftigsten Menschen können einmal zusammenbrechen, und wenn man mich dann kommen lässt, könnte ich ja, wenn Ihnen etwas daran liegt... wissen Sie, so ein paar Tropfen Arsenik in seine Medizin...«

    »Sie sollten sich schämen, so etwas zu sagen. Nutzen würde mir das übrigens nichts. Meine Chance habe ich verloren.«

    »Wieso?«

    »Das werden Sie schon erfahren, wenn Sie nach dort kommen. Onkel Blount ist Junggeselle und hat einen ganzen Haufen bedürftiger Neffen und Nichten. Manchmal zieht er den, dann wieder einen anderen vor. Und so sind sie natürlich alle sehr eifersüchtig aufeinander und tun, was sie nur irgend können, um einen guten Eindruck, bei ihm zu machen.«

    »Und warum sollte er nicht Sie begünstigen?«

    »Ich sagte Ihnen ja schon, dass ich meine Chance verloren habe. Vor drei Jahren, nach dem Tod meiner Mutter, lebte ich eine Zeitlang in seinem Haus.«

    »Er hätte Sie doch adoptieren können...«

    »Das wäre vielleicht auch geschehen, wenn ich mich gut betragen hätte.«

    »Das ist ja fürchterlich, was man da zu hören bekommt. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass man in einem Nest wie Wintley Harford auf Abwege geraten könnte...«

    »Vielleicht erleben Sie das selbst noch«, gab sie lachend zurück. »Ich war respektlos, und das genügte völlig. Wenn mich irgendjemand vielleicht gewarnt hätte... aber so musste ich jedenfalls gehen.«

    »Was haben Sie denn eigentlich verbrochen, wenn ich fragen darf?«

    »Eine seiner Nichten lebt in seinem Haus. Sie werden sie sicherlich kennenlernen – Miss Aird. Ich sage Tante Isabel, obgleich sie nicht meine Tante ist.«

    »Wohl so eine Art ältliche Cousine?«

    »Ja. Alle meine Vettern und Basen sind viel älter als ich, und ich musste sie Onkel und Tante nennen. Die erste Lektion, um Respekt zu lernen, nehme ich an...«

    »Und vollkommen richtig! Auch ich werde sehr bald ein paar graue Haare bekommen und bin sehr dafür, dass man respektvoll behandelt wird. Doch das nur so nebenbei. Bitte weiter, Miss Chilcott.«

    »Tante Isabel ist sanft und nachgiebig, lebt aber in ständiger Angst vor Onkel Barty und wird von ihm behandelt wie ein... ein Fußabtreter. Die anderen Verwandten besuchten ihn ab und zu und wurden auch nicht viel besser behandelt. Mit der Zeit werden Sie sie alle kennenlernen...«

    »Sind sie auch sanft und nachgiebig?«

    »Das können Sie selbst herausfinden. Wenn sie dort sind, zieht Onkel Barty sie ständig auf; sind sie weg, amüsiert er sich über ihre Unterwürfigkeit. Er erzählte mir immer wieder, dass ihre Zuneigung weiter nichts als Schwindel wäre, dass nicht einer von ihnen Rückgrat hätte, dass keiner auch nur ein Wort gegen ihn wagen würde, um nicht die Aussichten auf eine Erbschaft aufs Spiel zu setzen. Er freute sich, wenn der eine den anderen schlechtmachte, um sich selbst bei ihm in ein besseres Licht zu setzen.«

    »Reizender alter Herr! Und worüber stolperten Sie?«

    »Er war zu sehr daran gewöhnt, dass jeder vor ihm kroch. Und einmal sagte er etwas, das mich die Selbstbeherrschung verlieren ließ. Ich erzählte ihm, wie abstoßend er war, fragte ihn, wie er Zuneigung von Menschen erwarten könnte, die er gegeneinander aufhetzte, sagte ihm, dass es erbärmlich und niederträchtig von ihm sei, mit seinem Geld seine eigenen Verwandten so zu locken und aufzustacheln...«

    »Da haben Sie dem alten Herrn ja allerhand erzählt! Und was sagte er?«

    »Ich muss mich wirklich sehr deutlich ausgedrückt haben. Natürlich hatte ich kein Recht, so zu sprechen; ich war ja noch nicht einmal siebzehn Jahre alt. Aber ich sah Tante Isabel weinen, und da konnte ich mich nicht mehr halten. Es macht ihm direkt Vergnügen, seine Verwandten zu quälen und zu peinigen.«

    »Er war natürlich ärgerlich?«

    »Ärgerlich? Wütend war er! Ich musste meine Sachen packen und sofort das Haus verlassen. Die Schwester meines Vaters nahm mich auf. Diese Seereise war ihr letztes Geschenk für mich, bevor ich mit meiner Arbeit anfange. Haben Sie schon viele solcher Seereisen gemacht?«

    Der Ton dieser letzten Worte ließ erkennen, dass sie nicht weiter über sich selbst zu sprechen wünschte. Aber Bruce Dickson war nicht der gleichen Meinung.

    »Das ist meine dritte Reise; die beiden vorhergehenden brachten mich nach dem Mittelmeer. Und vom alten Barty haben Sie nie wieder etwas gehört?«

    »Kein Wort. Nicht einmal mein Name durfte dort mehr erwähnt werden, hat man mir erzählt. Aber ich glaube nicht, dass irgendjemand auch nur den Wunsch hatte, ihn zu erwähnen.«

    »Schon im eigenen Interesse? Ich kann mir nicht denken, dass ich eine sehr große Liebe für diese Herrschaften empfinden werde, aber der alte Herr interessiert mich. Wie kommt es eigentlich, dass er so vermögend ist, und die anderen keinen Pfennig besitzen?«

    »Männliche Ungerechtigkeit«, lächelte das junge Mädchen. »Sein Vater hatte einen Sohn und drei Töchter. Der Sohn bedeutete ihm alles, die Töchter aber nichts. Onkel Barty ist der einzige seiner Generation, der noch lebt. Seine Schwestern heirateten, sie und ihre Männer starben, und deren Kinder sind es, die er jetzt so peinigt. Aber so schlecht ist Onkel Barty eigentlich nicht. Er hat auch Augenblicke, wo er menschlich denkt und fühlt.«

    »Aber durch die ständige Kriecherei vor ihm zu sehr verwöhnt...«

    »Das mag sein. Eigentlich muss man seinen Vater, der sein Vermögen so verteilte, für alles verantwortlich machen.«

    »Und die anderen Neffen und Nichten? Sind sie ungefähr so alt wie Sie?«

    »Aber nein!«, rief sie. »Alle fünf sind alt genug, um meine Eltern sein zu können. Ein Vetter ist verheiratet und hat einen neunzehnjährigen Jungen...«

    »Wie kommt es dann, dass Sie so spät auf der Bildfläche erschienen?«

    »Meine Mutter war die jüngste und heiratete als letzte. Sie führte den Haushalt für Onkel Barty, und er hat es ihr eigentlich nie verziehen, dass sie ihn verließ. Jetzt aber wirklich genug von meiner Familie. Ich würde nie so viel davon gesprochen haben, wenn Sie nicht nach Wintley Harford gehen würden. Eigentlich ein merkwürdiges Zusammentreffen. Jetzt erzählen Sie mir aber etwas von sich, Mr. Dickson.«

    »Mein Vater ist Arzt, lebt noch. Ich bin der jüngste von sechs Geschwistern. Einer musste immer den anderen erziehen. Das zweifelhafte Resultat können Sie ja an mir bewundern. Aber Sie haben mir nicht erzählt, was für eine Stellung Sie jetzt antreten?«

    »Sekretärin, bei einem Mitglied des Parlaments.«

    »Große Möglichkeiten, um frühere Irrtümer gutmachen zu können!«

    Er blickte nach dem Salon, aus dem die gedämpften Klänge der Musik zu ihnen drangen.

    »Wollen wir nicht tanzen? Und darf ich Ella zu Ihnen sagen? Die Zeit verrinnt so schnell auf solch einer Reise...«

    »Und die dritte Woche, in der man anfängt, sich nicht ausstehen zu können, ist sehr bald da«, unterbrach sie ihn lachend.

    Zweites Kapitel

    »Wie geht es Ihnen, Mr. Blount? Ich musste Ihnen doch meine herzlichsten Glückwünsche bringen. Wie sagt der Psalmist: Euer Leben währet siebzig Jahre... Sollte ich je dieses Alter erreichen, kann ich mir nur wünschen, dann so gesund und kräftig zu sein, wie Sie es heute sind.«

    »Danke, Vikar. Sehr nett von Ihnen, Mrs. Hake. Meine Neffen kennen Sie wohl schon?«

    »Eine ganze Familienversammlung, um den Tag zu feiern«, strahlte Ehrwürden Nikodemus Hake. »Alle können sehr stolz auf Sie sein, Mr. Blount. Ja, ja, alles gute Bekannte. Wie geht es Ihnen, Miss Isabel? Nach Ihrem Onkel sind Sie der beste Mann in der Gemeinde. Habe ich das nicht immer gesagt, liebe Frau?«

    »Das schon«, entgegnete Mrs. Hake, »nur zweifle ich, ob man das wirklich als ein Kompliment auffassen darf.«

    »Vielleicht hast du recht, meine Liebe. Frauen müssen in erster Linie weiblich sein – und das ist Miss Isabel... immer bereit, Gutes zu tun.« Er wandte sich einem der Herren zu. »Und das hier ist – einen Augenblick, ich vergesse nie ein Gesicht – ach, jetzt hab ich’s: Sie sind Charles Aird. Wie geht es Ihnen, Charles?«

    »Ich fürchte, Sie haben sich geirrt, Sir. Charles ist nicht hier. Ich bin Aubrey Burrard.«

    »Ach, jetzt erinnere ich mich: Aubrey Burrard, der Architekt...«

    »Wieder falsch, Vikar«, lachte der alte Barty. »Aubrey ist Künstler – das sollen wir wenigstens glauben. Er malt modern, müssen Sie wissen, Bilder, die niemand versteht und kein Mensch ansieht, geschweige denn kauft. Gehört zu einer ganz neuen Richtung... nichts als Verschwendung von Zeit und Farbe.«

    Der freundliche Geistliche blickte bestürzt und verblüfft auf den Künstler, der aber nicht antwortete, sondern nur verdrossen vor sich hinsah.

    »Ja, ich verstehe ja die moderne Malerei auch nicht, bin aber überzeugt, dass sie für den Künstler selbst etwas... hm... Wundervolles sein muss«, sagte er begütigend.

    »Auch da sind Sie auf dem Holzweg, Vikar«, Blounts laute Stimme klang verächtlich. »Es soll ja gar nicht wundervoll sein; die Farbenkleckser verstehen es ja selbst nicht. Einmal hat ein Maler sechs Kollegen vor sein Bild gesetzt. Jeder sollte aufschreiben, was es darstellt. Nicht zwei Antworten stimmten überein, und der schlaueste von ihnen erklärte, dass er das Bild nicht beschreiben, sondern nur fühlen könnte. Kann ich mir denken. Der Mann muss viel ausgehalten haben!« Und er lachte schallend.

    Ein verlegenes Schweigen folgte. Bartholomäus Blount war ein Mann, dessen Persönlichkeit alles andere in den Schatten stellte und erdrückte. Fast zwei Meter groß, dichtes, schneeweißes Haar, blaue, scharfe Augen, ein faltenloses Gesicht, dessen gesunde Farbe nicht an siebzig Lebensjahre denken ließ. Breitbeinig stand er auf dem Teppich vor dem Kamin und blickte selbstbewusst und überlegen von einem zum anderen.

    Mrs. Hake begann, hastig mit Isabel über kirchliche Angelegenheiten zu sprechen. Isabel, die Haushälterin des alten Mannes, war klein und dunkel, ungefähr in der Mitte der Vierzig, die sie ganz und gar nicht zu verleugnen suchte. Möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen, schien ihr Hauptwunsch zu sein.

    »Hier haben wir den Architekten.« Onkel Barty wies auf einen anderen jungen Mann, der seinem Bruder, dem Künstler, auffallend ähnelte. »Rupert. Bis jetzt hat er noch kein einziges Haus gebaut, und ich bezweifle, dass er es je so weit bringen wird. Auch wieder die ganz modernen Ideen! Bruch mit allen alten Überlieferungen. Eisenbeton mag ja sehr praktisch sein, aber schön ist er nicht. Warum Privathäuser und öffentliche Gebäude auf einmal wie Fabriken oder Gefängnisse aussehen müssen, ist

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