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DIE VERRÄTERISCHE SPUR: Der Krimi-Klassiker!
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eBook249 Seiten3 Stunden

DIE VERRÄTERISCHE SPUR: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Auf einem Stuhl dicht am Tisch saß reglos der Kandidat. Er war vornüber gefallen, sodass der Kopf und eine der Schultern auf dem Tisch lagen. Das Gesicht war blutüberströmt. Die Arme hingen zu beiden Seiten des Stuhles herab und auf dem Fußboden, nicht weit entfernt von der rechten Hand, lag ein schwerer Revolver.

Herbert Adams (* 1874 in Dorset, South West England; † 1958) war ein englischer Schriftsteller. Adams veröffentlichte beinahe sechzig Kriminalromane; viele unter seinem eigenen Namen, einige unter dem Pseudonym Jonathan Gray. Seine Leser – wie auch die Literaturkritik – verglichen Adams oft mit seiner Kollegin Agatha Christie.

Der Roman Die verräterische Spur erschien erstmals im Jahr 1938; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1959.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum15. März 2021
ISBN9783748777250
DIE VERRÄTERISCHE SPUR: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    DIE VERRÄTERISCHE SPUR - Herbert Adams

    Das Buch

    Auf einem Stuhl dicht am Tisch saß reglos der Kandidat. Er war vornüber gefallen, sodass der Kopf und eine der Schultern auf dem Tisch lagen. Das Gesicht war blutüberströmt. Die Arme hingen zu beiden Seiten des Stuhles herab und auf dem Fußboden, nicht weit entfernt von der rechten Hand, lag ein schwerer Revolver.

    Herbert Adams (* 1874 in Dorset, South West England; † 1958) war ein englischer Schriftsteller.  Adams veröffentlichte beinahe sechzig Kriminalromane; viele unter seinem eigenen Namen, einige unter dem Pseudonym Jonathan Gray. Seine Leser – wie auch die Literaturkritik – verglichen Adams oft mit seiner Kollegin Agatha Christie.

    Der Roman Die verräterische Spur erschien erstmals im Jahr 1938; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1959.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    DIE VERRÄTERISCHE SPUR

    ERSTER TEIL

      Erstes Kapitel

    »Freust du dich, unser altes England wiederzusehen?«

    »Wie man’s nimmt.«

    »Ich bin immer sehr glücklich, nach Hause zu kommen, möchte mich aber schon nach ein oder zwei Monaten am liebsten wieder auf die Beine machen. Fünf Jahre bist du also weggewesen?«

    »Ungefähr.«

    »Dann siehst du nicht so vergnügt aus, wie du eigentlich sein müsstest. Beteiligst du dich nicht an Frobishers Abschiedsgesellschaft?«

    »Nein - ich bleibe lieber hier draußen.«

    Eine warme Nacht lag über der ruhigen See. Die Musik des Orchesters klang gedämpft an die Ohren der Passagiere, die sich auf dem Deck aufhielten. Viele lehnten gegen die Reling und blickten zu den auf tauchenden Lichtern des Festlandes hinüber. Die beiden Männer, die miteinander sprachen, hatten ein ruhiges Fleckchen auf dem Bootsdeck gefunden, wo sie kaum gestört wurden.

    »In Wirklichkeit habe ich nicht an England gedacht. Das Problem deines neuen Films beschäftigte mich.«

    Richard Eldridge war ein kräftig gebauter, im Allgemeinen schweigsamer Mann, der den Eindruck erweckte, sich oft und lange Zeit in einsamen Gegenden aufgehalten zu haben. Er mochte Ende der dreißig sein.

    »Das Problem meines Films? Möchte wissen, welches besondere Problem du meinst. Der Film wimmelt ja davon.«

    Eldridges Gefährte, Peter Karr, war ein untersetzter, rundlicher Mann, kaum über Mittelgröße, ständig zum Schwatzen aufgelegt und immer guter Laune. In seiner Schulzeit hatte man ihm den Beinamen Dickerchen gegeben, der ihm bei Freunden und Bekannten erhalten geblieben war. Aber diejenigen, die vielleicht annahmen, dass seine unwiderstehlich gute Laune ein Zeichen von Schwachheit oder Torheit war, täuschten sich sehr.

    »Du sagtest doch, dass du eine Liebesgeschichte brauchst?«

    »Da tust du mir unrecht, Richard! Ich sagte, dass die Filmgesellschaft die übliche Liebesgeschichte verlangt - und das ist eine ganz andere Sache. Ich habe nun ein Jahr in Asien verbracht. Mit deiner Hilfe habe ich Aufnahmen gemacht, die noch niemand in einem Film gesehen hat. - Verborgene Städte, merkwürdige Volksstämme, Salzsümpfe, heiße Quellen, deren kochendes Wasser gefriert, wenn es mit der Luft in Berührung kommt, hundert Jahre alte Bäume, die kaum fünfzig Zentimeter hoch sind, unheimliche Tiere - und man will mir erzählen, dass die britischen Kinobesucher das nicht eine Stunde lang unterhalten kann, falls nicht ein entzückendes Mädchen mit ellenlangen Wimpern in dem Film vorkommt?«

    »Könnte man nicht die Liebesgeschichte in einer Art Prolog und dann wieder am Ende des Films bringen?«, fragte Eldridge in seiner ruhigen Weise. »Dein Held könnte nach Asien gehen, weil ihm das Mädchen einen Korb gegeben hat. Dort macht er alle deine aufregenden Aufnahmen, kehrt zurück - und das Mädchen findet heraus, dass es ihn doch liebt.«

    »Nichts zu machen! Die Schönheit mit den sprechenden Augen muss überall dabei sein. Sie muss im Schneesturm beinahe erfrieren, in einen reißenden Fluss fallen und von Räubern gefangen werden. Und das alles muss sie erdulden, ohne dass ihr Kleid durch einen Fleck verschmutzt oder sie eine ihrer langen Wimpern verliert!«

    »Aber sie war doch nicht mit in Asien...«

    »Das macht doch nichts! Man wird ein paar Hintergründe aufbauen, die zu meinen Aufnahmen passen, und die Szenen vergnügt mit meinen Aufnahmen mischen.«

    Peter Karr steckte seine Pfeife an und lachte leise vor sich hin. Er war jünger als Eldridge, sah aber noch viel jugendlicher aus, als er in Wirklichkeit war.

    »Merkwürdige Sache, dass du gerade von einer solchen Liebesgeschichte sprichst. Bei mir war es nämlich so: Veronika hieß das Mädchen, und ich ging erst nach Zentralafrika, aber nicht, um Großwild zu schießen, sondern um interessante Aufnahmen zu machen.

    Ich kam dann wieder nach England zurück und fand auf einmal heraus, dass ich der Veronika eigentlich dankbar zu sein hätte. Von der großen Liebe war bei mir nicht mehr viel zu spüren.

    Na, und dann machte ich mich wieder auf die Reise - diesmal ging es nach Asien. - Später werde ich vielleicht nach Neuguinea oder nach Südamerika gehen. Würdest du mitkommen?«

    »Warum nicht, wenn es nicht schon heute oder morgen sein soll.«

    »Jetzt werde ich wohl eine Zeit lang zu Hause bleiben müssen. Meine alten Herrschaften sind schon ganz aufgeregt, dass ich den Mann mitbringe, der mir zweimal das Leben rettete. Sie haben sicher mehr Interesse für dich als für meine Aufnahmen.«

    »Mach nur nicht zu viel Aufhebens davon.«

    »Zu viel auf keinen Fall! Ich schrieb ihnen lediglich die reinen Tatsachen: Dass du mich aus einem Fluss gezogen hast, als die schwere Kamera mich am Schwimmen hinderte - und dass du gut getroffen hast, als ein hungriger Tiger mich zum Abendessen verspeisen wollte. Nur die reinen Tatsachen. In Kleinigkeiten übertreibe ich nie!«

    Eldridge antwortete nicht. Vielleicht lauschte er den leisen Klängen der Musik, vielleicht dachte er an die Heimat und was sie ihm bringen mochte.

    »Ich habe mal versucht, mich in die Gefühle eines Mannes hineinzudenken, der in den Urwald ging, weil das Mädchen Nein gesagt hat. War er so verzweifelt, dass sein Leben ihm nichts mehr galt? Fürchtete er das Lächeln der anderen Menschen, weil er abgewiesen worden war? War es vielleicht ihr Mitleid, das ihn verscheuchte? Fand er schließlich heraus, dass die Frau genauso war wie viele Millionen andere auch? War die Kur überhaupt erfolgreich?«

    »Ich glaube, ich gehe zu Bett«, entgegnete Eldridge kurz. »Wir landen zwar nicht vor acht, aber das Gepäck wird schon früher eingesammelt. Gute Nacht.«

    Karr blickte hinter ihm her. Hatte er da irgendeine wunde Stelle berührt? Eldridge war ruhig und sehr verschlossen und hatte in der ganzen Zeit - jetzt fiel ihm das auf - niemals von Frauen gesprochen.

    In Nepal hatten sie sich getroffen. Eldridge befand sich auf einer Jagdexpedition und ging auf den halb scherzhaft gemachten Vorschlag Karrs, ihn zu begleiten, ohne weitere Umschweife ein. Es war ein Glück für Karr gewesen, denn tatsächlich hatte ihn sein Gefährte in zwei lebensgefährlichen Situationen gerettet. Gemeinsam kehrten sie nach England zurück und Eldridge hatte zugesagt, einige Wochen im Hause der Eltern seines Freundes zu verbringen.

    Wenige Stunden später saßen die beiden in dem Zug, der Richtung Westen fuhr.

    »Es wird wohl uns wohl niemand von der Bahn abholen«, sagte Peter. »Das ist mir eigentlich recht. Ich lasse mich nicht gern an den Zug bringen und ebenso ungern abholen. Ich bekam einen Brief von meinen Eltern, in dem sie mir mitteilten, dass sie uns nicht bei der Landung in Empfang nehmen könnten, da das Haus voller Besuch sei. In der Grafschaft findet eine Wahl statt.«

    »Dann können sie mich jetzt doch nicht brauchen. Ich komme lieber etwas später, wenn es besser passt.«

    »Nichts zu machen, alter Junge! Sie warten darauf, dich kennenzulernen. Meine Mutter lässt dich herzlich grüßen. Wenn ich sage, das Haus ist voll, musst du das natürlich nicht wörtlich nehmen. Wenn auch unser kleines Haus nicht gerade dreihundert Fenster hat - das war doch eine Zeit lang der Ehrgeiz eines jeden Architekten -, so haben wir doch wenigstens ein Dutzend Schlafzimmer, die auf Gäste warten.«

    Eldridge hatte immer schon den Eindruck gehabt, dass die Karrs vermögende Leute seien und dass Peter mehr aus Begeisterung als aus wirtschaftlichen Gründen arbeitete. Dass der Haushalt so großzügig geführt wurde, überraschte ihn doch etwas.

    »Auch wenn Raum vorhanden ist, können Gäste bisweilen stören.«

    »Mein lieber Richard, meinen Eltern ist es nichts weniger als angenehm, dass gerade jetzt die vielen Menschen im Hause sind, da man zu unserem Empfang flaggen wollte.

    Ich kann dir die ganze Geschichte nicht genau erzählen, weil meine gute Mutter einen einzigen großen Fehler hat: Sie spart heftig Briefpapier. Sie beschreibt beide Seiten des dünnsten Papiers, das sie auftreiben kann, dann schreibt sie quer über die Zeilen hinweg und fügt noch in allen Ecken und freien Stellen Einzelheiten hinzu. Reichlich schwer, sich da durchzuarbeiten.

    Soweit ich verstanden habe, hat unser würdiges Parlamentsmitglied, ein guter Freund meines Vaters und nächster Nachbar, einen Schlaganfall erlitten und hat natürlich zurücktreten müssen. Sein Neffe ist jetzt an seiner Stelle Kandidat, aber eine ganze Menge Menschen scheinen mit ihm nicht einverstanden zu sein. Sie haben einen anderen Kandidaten aufgestellt. Nach Angabe meiner Mutter haben wir jetzt drei Kandidaten: einen Konservativen, einen unabhängigen Konservativen und einen von der Arbeiterpartei. Ob nun der Neffe unabhängig ist oder nicht, weiß ich nicht, aber mein Vater scheint auf ihn zu schwören und hat ihm sein Haus zur Verfügung gestellt, da der Kranke völlige Ruhe nötig hat. Der Neffe wohnt bei uns, ebenso seine Frau und verschiedene seiner männlichen und weiblichen Anhänger. Aber die Sache wird bald vorbei sein.«

    »Wäre es nicht besser, ich ginge für die Zeit in einen Gasthof?«

    »Lieber nicht. Meine Mutter wartet darauf, den Mann in die Arme zu schließen, der ihren kostbaren Jungen rettete. Und dann hat sie noch zwei andere Gäste - Pat O’Malley und Roger Bennion - ganz besonders für uns eingeladen. Da gibt es wenigstens vier vernünftige Menschen im Hause, die Golf, Tennis und Bridge spielen können, so verrückt auch die anderen sein mögen.«

    »Das ist wirklich sehr liebenswürdig von deiner Mutter. Sind die beiden anderen Herren gute Freunde von dir?«

    »Keine Herren - wenigstens Pat O’Malley ist keiner. In Wirklichkeit heißt sie Bridget, aber sie ist so entzückend irisch, dass jeder sie Pat nennt. Wenn du sie eine halbe Stunde kennst, sagst du sicher Pat zu ihr, und sie nennt dich Richard, falls ihr nicht etwas Besseres einfällt. Sie sagt die gewagtesten Dinge - ich weiß aber, dass sie sich nie etwas zuschulden kommen lässt. Wenn sie mit ihrer sanften Stimme Wie geht es? fragt und ihre blauen Augen dich dabei anlachen, freust du dich wirklich, so etwas Hübsches zu sehen.«

    »Du scheinst dich dabei am meisten zu freuen«, entgegnete Eldridge trocken.

    »Und ob! Meine Mutter hat sicher schon Pläne gemacht, um mich in England festzuhalten, das weiß ich sehr gut. Aber Pat und ich verstehen einander da ausgezeichnet. Vielleicht wirst du ihr zum Opfer fallen.«

    »Oder auch der andere Mann - Roger Bennion.«

    »Hast du nie von ihm gehört?«

    »Ich erinnere mich nicht.«

    »Er ist ein famoser Kerl. Ich war mit ihm in Cambridge. Er ist ein ganz ausgezeichneter menschlicher Spürhund geworden.«

    »Kein Beruf, der mir besonders anziehend erscheint.«

    »Es ist ja nicht sein Beruf«, erklärte Peter. »Sein Vater und er kaufen große Güter, teilen sie auf und verkaufen sie dann wieder. Eine sehr einträgliche Geschichte. Aber Roger ist verschiedene Male in rätselhafte Kriminalfälle verwickelt worden, die er lösen konnte, wo die besten Köpfe Scotland Yards versagten.«

    »Deine Mutter wird doch wohl kaum Verwendung für diese Fähigkeiten haben?«

    »Nein«, lachte Peter Karr. »Eigentlich tut es mir leid, dass ich dir überhaupt davon erzählt habe. Roger ist ein netter Mensch und wird dir sicher gefallen.«

    Zweites Kapitel

    Zwei junge Frauen standen in dem geräumigen Eingang von Waltham Court. Ein halbes Dutzend Autos parkten in der Nähe.

    »Ich kann meinen Mann fahren, falls er das nicht selbst will.«

    »Aber natürlich, liebste Dorothy. Nur möchte ich doch so gerne helfen. Ich kann so wenig tun, und Sie sind in anderen Dingen viel geschickter als ich.«

    »Lionel wird bestimmt schon eine Beschäftigung für Sie finden.«

    »Ja, liebste Dorothy, aber wenn Sie und Harold zusammen fahren, können Sie doch nur halb so viel erreichen, als wenn Sie getrennt arbeiten. Er darf, doch nicht selber fahren, er muss alle seine Gedanken auf seine wundervollen Reden konzentrieren.«

    »Glauben Sie, ihm bei dieser Konzentration behilflich sein zu können?«

    »Ich versuche es wenigstens.«

    Beide näherten sich den dreißig, waren aber sonst grundverschieden. Harolds Frau war hochgewachsene - eine schöne, überlegen blickende Frau. Ihre Begleiterin war klein und zierlich, hatte blaue, erstaunt blickende Augen, goldblonde Locken und sprach für gewöhnlich in affektierter, kindlicher Weise.

    »Da ist ja Lionel«, sagte Dorothy. »Fragen wir ihn.«

    Ein dunkler, kaum mittelgroßer Mann trat auf sie zu. Die andere Frau ergriff zuerst das Wort.

    »Oh, Mr. Grove, halten Sie es nicht auch für das Beste, wenn ich Harold fahre? Dorothy ist doch beinahe so wichtig wie der Kandidat selbst. So viele Menschen werden Dorothy ihre Stimme versprechen. Sie kann sich doch in der Zeit woanders betätigen.«

    Lionel Groves scharfe Augen blickten unter den buschigen Brauen von einer Frau zur anderen. Zweifellos erkannte er die zwischen den beiden bestehende Antipathie, aber für ihn gab es im Augenblick nur einen Gedanken: die bevorstehende Wahl!

    »Der Einfall ist nicht schlecht. Jetzt geben so viele Frauen ihre Stimme ab, dass ich manchmal glaube, die Frau des Kandidaten hat mehr Bedeutung als er selbst.«

    »Sehen Sie, Dorothy! Habe ich das nicht gesagt?«

    In diesem Augenblick kam ein anderer Mann aus dem Haus. Er war außergewöhnlich groß, blond und sah gut aus. Er blickte kaum auf seine Frau Dorothy.

    »Fertig, Phoebe?«

    Er öffnete den Schlag eines Wagens, der mit Rosetten und flatternden Bändern geschmückt war. Die kleine blonde Frau setzte sich schnell hinter das Steuer, und der Wagen fuhr ab. Ihm folgten verschiedene andere, in denen weitere Gäste des Hauses Platz genommen hatten.

    Dorothy blickte einige Augenblicke hinterher und ging dann hoch aufgerichtet in die Halle.

    Zwei weitere Gäste, die noch mit Kaffee und Zigaretten beschäftigt waren, hatten von dort aus die Szene beobachtet.

    »Ich hoffe, wir kommen durch diese ganze Wahlgeschichte hindurch, ohne dass ich irgendjemand ermorde«, sagte Pat O'Malley sanft. »Wenn ich so etwas sehe, schäume ich beinahe.«

    »Sie jagen mir aber Angst ein«, neckte Roger Bennion.

    »Gattenraub scheint Sie kühl zu lassen«, entgegnete das junge Mädchen.

    »Das nun gerade nicht, aber ich mische mich da nicht ein. Ihre Sympathie gilt natürlich Dorothy?«

    »Meine? Unser aller Sympathie! Harold ist so ein Narr! Ich kann Phoebe Willows nicht ausstehen. Diese kleinen, puppenhaften Frauen, die mit ihren Unschuldsaugen die Männer anhimmeln, finde ich scheußlich. Sie sitzt bewundernd zu seinen Füßen, während er über Dünger und Schweinezucht spricht, und sieht dabei so entzückt aus, als ob er Poesie deklamierte.«

    »Das ist mir auch schon aufgefallen. Wie kam sie eigentlich hierher? Ist sie denn nicht verheiratet? Derartige Frauen haben ja meistens irgendwo einen Mann sitzen.«

    »Es gibt einen Captain Willows, aber der versteht sie nicht! Sie hat es mir selbst gesagt. Sie kam hierher, um dem lieben Harold bei der Wahl zu helfen. Onkel Peter war zuerst entzückt, jetzt ist er verärgert.«

    Pat war ungefähr zwanzig Jahre alt, besaß eine angenehme, sympathische Stimme, und ihre Augen funkelten vor Lebenslust und Lebensfreude. Roger, der erst am vorhergehenden Abend eingetroffen war, unterhielt sich zweifellos gern mit ihr. Beide nannten sich schon bei den Vornamen - das machte die Unterhaltung bedeutend angenehmer und einfacher.

    »Ich wusste nicht, dass Mr. Karr Ihr Onkel ist«, sagte er.

    »Ist er auch nicht. Tante Muriel war die beste Freundin meiner Mutter. Sie und Mr. Karr sind netter zu mir als irgendeine meiner echten Tanten und Onkel. Sind Sie scharf auf Politik, Roger?«

    »Nicht besonders. Und Sie?«

    »Überhaupt nicht. Aber ich befürchte, dass ich bei der Wahl mithelfen muss - und noch mehr befürchte ich, dass wir auf das falsche Pferd gesetzt haben. Vielleicht kann Peter uns helfen.«

    »Was meinen Sie damit eigentlich?«

    »Sie wissen doch, dass Harold als Kandidat der Unabhängigen auftritt?«

    »Warum eigentlich?«

    »Sein Onkel, Sir Ernest Grove-Sutton, war Parlamentsmitglied seit der Zeit der Königin Anna oder noch früher und ist außerdem Onkel Peters bester Freund. Als Sir Ernest den Schlaganfall erlitt, kam Harold - er ist sein Erbe - hierher und sagte, er würde seinen Platz

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