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EIN MERKWÜRDIGES TESTAMENT: Der Krimi-Klassiker aus England!
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eBook271 Seiten3 Stunden

EIN MERKWÜRDIGES TESTAMENT: Der Krimi-Klassiker aus England!

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Über dieses E-Book

Massive Bücherschränke, mit gewichtigen Folianten gefüllt, Regale voll von Briefordnern und Akten, der breite Schreibtisch mit säuberlich auf geschichteten Papieren – all dies offenbarte den Charakter des Raums. Und die Bilder an den Wänden – Porträts ernster Richter in Robe und Perücke – wohnten als stumme Zeugen den Folgen menschlicher Torheit und der strengen Beobachtung des Gesetzes bei.

In solcher Umgebung würde es nicht schwerfallen, sich einen leichtsinnigen Erben vorzustellen, der zur Deckung seiner Spielschulden durch einen Federstrich den letzten Rest seines Grundbesitzes preisgibt...

Herbert Adams (* 1874 in Dorset, South West England; † 1958) war ein englischer Schriftsteller. Adams veröffentlichte beinahe sechzig Kriminalromane; viele unter seinem eigenen Namen, einige unter dem Pseudonym Jonathan Gray. Seine Leser – wie auch die Literaturkritik – verglichen Adams oft mit seiner Kollegin Agatha Christie.

Der Roman Ein merkwürdiges Testament erschien erstmals im Jahr 1933; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1951.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum20. Nov. 2020
ISBN9783748765141
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    Buchvorschau

    EIN MERKWÜRDIGES TESTAMENT - Herbert Adams

    Das Buch

    Massive Bücherschränke, mit gewichtigen Folianten gefüllt, Regale voll von Briefordnern und Akten, der breite Schreibtisch mit säuberlich auf geschichteten Papieren – all dies offenbarte den Charakter des Raums. Und die Bilder an den Wänden – Porträts ernster Richter in Robe und Perücke – wohnten als stumme Zeugen den Folgen menschlicher Torheit und der strengen Beobachtung des Gesetzes bei.

    In solcher Umgebung würde es nicht schwerfallen, sich einen leichtsinnigen Erben vorzustellen, der zur Deckung seiner Spielschulden durch einen Federstrich den letzten Rest seines Grundbesitzes preisgibt...

    Herbert Adams (* 1874 in Dorset, South West England; † 1958) war ein englischer Schriftsteller.  Adams veröffentlichte beinahe sechzig Kriminalromane; viele unter seinem eigenen Namen, einige unter dem Pseudonym Jonathan Gray. Seine Leser – wie auch die Literaturkritik – verglichen Adams oft mit seiner Kollegin Agatha Christie.

    Der Roman Ein merkwürdiges Testament erschien erstmals im Jahr 1933; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1951.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    EIN MERKWÜRDIGES TESTAMENT

    ERSTER TEIL

      Erstes Kapitel

    »So ist es wahr? Ich bin hinausgeworfen worden? Varnoll ist nicht länger mein Heim?«

    »Ich fürchte, dass es sich so verhält, meine liebe Susan. Dennoch schmerzt es mich, wenn Sie es derart krass ausdrücken.«

    »Meines Erachtens stimmt bei der Geschichte etwas nicht, Vater. Es mutet alles so merkwürdig an.«

    »Nutzlos, darüber Worte zu verlieren, mein Junge. Wir müssen uns mit den Tatsachen abfinden. Wenn ich auch nur den geringsten Zweifel hegte, würde ich meine Meinung nicht so bestimmt geäußert haben.«

    »Natürlich nicht«, murmelte der junge Mann. »Trotzdem.« Er brach ab und betrachtete grübelnd die blonde Besucherin. Mit seiner alten Täfelung, seiner hohen Decke, dem schönen Kamin und der Aussicht auf die blühenden Gartenanlagen von Lincoln’s Inn hätte es ein friedlicher Raum sein können; doch ein Zimmer, das seit sieben Generationen Anwaltsbüro gewesen ist, hat zu viele tragische Szenen erlebt, und vielleicht haftet seiner Atmosphäre immer irgendein Einfluss der Vergangenheit an.

    Massive Bücherschränke, mit gewichtigen Folianten gefüllt, Regale voll von Briefordnern und Akten, der breite Schreibtisch mit säuberlich auf geschichteten Papieren – all dies offenbarte den Charakter des Raums. Und die Bilder an den Wänden – Porträts ernster Richter in Robe und Perücke – wohnten als stumme Zeugen den Folgen menschlicher Torheit und der strengen Beobachtung des Gesetzes bei.

    In solcher Umgebung würde es nicht schwerfallen, sich einen leichtsinnigen Erben vorzustellen, der zur Deckung seiner Spielschulden durch einen Federstrich den letzten Rest seines Grundbesitzes preisgibt, oder einen verdrießlichen, der Fuchsjagd huldigenden Landedelmann, der seinen Bevollmächtigten beauftragt, gegen einen nicht sportsmännischen Nachbarn Klage zu erheben; oder sich auszumalen, wie unter verbindlichen Komplimenten und leisen Winken Fragen der Mitgift erörtert werden. Schwierig dürfte es hingegen sein, zu erraten, was die drei Personen, die sich an jenem strahlenden Maimorgen gegenübersaßen, zusammengeführt hatte.

    Die junge Dame zählte ungefähr zwanzig Jahre. Ihre braunen Augen konnten übermütig blitzen und Funken sprühen; doch gegenwärtig schimmerten sie feucht. Sie hatte einen reizenden Mund, eine gerade, feine Nase und gut gewölbte Brauen, und ihre Kleidung würde man als teuer bezeichnet haben.

    Der weißhaarige Herr ihr gegenüber war Martin Onslow, der einzige noch lebende Teilhaber der alten Rechtsanwaltsfirma Harrison, Mutcher & Onslow. Neben dem Schreibtisch saß sein Sohn Robert, der, sofern das Schicksal keinen Strich durch die Rechnung machte, eines Tages die Firma übernehmen und der achte des Namens sein sollte, um das gute und auch einträgliche Werk fortzuführen. Allerdings stand dem jungen Robert Onslow – außerhalb der Bürostunden Bob genannt – noch das letzte juristische Examen bevor, dessen Schrecken er gewöhnlich jedoch vergaß. Lustig blickten seine blauen Augen in die Welt. Er grämte sich nicht im mindesten über seine Nase, der ein Sportunfall jeden Anspruch auf Schönheit geraubt hatte, und verfügte über Schultern, die eigentlich besser für Sport als für gebückte Haltung über Urkunden oder trockenen Gesetzbüchern passten.

    »Ich kam gestern zurück«, sagte Susan, wobei sie sich bemühte, ihre Gefühle nicht zu verraten. »Und obwohl ich wusste, dass er tot ist, fuhr ich direkt nach Varnoll. Gerade als ich mit Mrs. Heath, der Haushälterin, sprach, kam Angela in die Halle. Ach, das ist wohl Susan Heriot?, fragte sie hochmütig und musterte mich von oben bis unten, als sei ich nicht wert, auch nur beachtet zu werden. Es wäre gut, Mrs. Heath, wenn Sie ihr eröffneten, dass sie hier nicht mehr die Herrin ist. Ja nicht einmal ein geladener Gast. Wenn Sie ihr den Sachverhalt erklärt haben, können Sie sie in mein Zimmer führen. Nun, Mrs. Heath erklärte mir den Sachverhalt. Sie ließ mich wissen, dass mein Vater – für mich ist er noch immer mein Vater, obschon mir jetzt kaum das Recht zusteht, ihn so zu nennen – ein anderes Testament gemacht und alles Gilbert Brand und seiner Tochter Angela vererbt habe. Ich besitze nichts; auch nicht den Namen, den ich, wie er sagte, immer tragen sollte.«

    Trotz ihrer Tapferkeit liefen ihr jetzt die Tränen die Wangen herab. Martin Onslow fühlte heißes Mitleid in seinem Herzen aufsteigen. Bob steckte herausfordernd die Hände in die Taschen.

    »Was für eine Gemeinheit!« Die Bemerkung bezog sich auf Angela.

    »Haben Sie Miss Brand gesprochen?«, forschte der alte Herr. »Nein. Ich war von der Bahn in einem Taxi gekommen, das noch draußen hielt. Nachdem mir Mrs. Heath alles mitgeteilt hatte, fuhr ich auf der Stelle wieder fort; sie... sie weinte selbst so verzweifelt, dass »ich es nicht länger ertragen konnte.«

    Der Anwalt räusperte sich, ehe er von neuem das Wort ergriff. »Was Sie in Varnoll erfahren haben, entspricht nicht ganz der Wahrheit, Kind, aber immerhin ungefähr. Während Ihrer Abwesenheit lud John Brand seinen Bruder Gilbert und Gilberts Tochter Angela ein, die bis zu seinem Tod bei ihm blieben. Inzwischen setzte er eine neue letztwillige Verfügung auf, der zufolge sein gesamter Besitz an Vater und Tochter und an Gilberts Sohn Maurice fiel – mit Ausnahme der Summe von tausend Pfund, die Sie erben, und ein paar hundert Pfund, mit denen er die Dienerschaft, den Gemeindepfarrer, den Doktor und die Krankenschwestern bedachte. Alles andere erhielten jene drei Verwandten.«

    »Verwandte, die bis dahin seine Schwelle nie überschreiten durften!«, knurrte Bob.

    Susan Heriot schien seine Bemerkung überhört zu haben. Sie schaute, den alten Herrn an. »Haben Sie das Testament aufgesetzt?«

    »Nein. Ich ahnte weder etwas von dem Testament noch von der Schwere seiner Krankheit. Sonst hätte ich ihn selbstverständlich besucht. Er war ja mein ältester Freund.«

    Er schwieg. John Brands Ableben bedeutete mehr für ihn als den Verlust eines Klienten.

    »Es ist ja nicht allein das Geld«, begann Susan mit zitternder Stimme. »Er hinterließ keine Botschaft, keinen Gruß für mich. Ich wurde völlig ausgeschaltet.«

    Onslow antwortete nicht sofort.

    »Mr. Garcher aus Newburton setzte das Testament auf«, erläuterte er dann sachlich. »Ein Provinzanwalt von makellosem Ruf. Er kannte John Brand flüchtig. Das Testament ist in Garchers Gegenwart unterzeichnet worden; er selbst und ein Chauffeur namens Sharpie fungierten als Zeugen. Ich hielt es für meine Pflicht, gewisse Nachforschungen anzustellen, und erfuhr von Mr. Garcher, dass alles in Ordnung sei. Damit nicht genug, wandte ich mich auch an die beiden Pflegerinnen, die man aus London hatte kommen lassen und die mir versicherten, dass Mr. Brand bis zur letzten Minute sich voller geistiger Klarheit erfreut habe. Des Weiteren sprach ich den Pfarrer und den behandelnden Arzt Doktor Graham, der, wie Sie wissen, ebenfalls sein Freund gewesen ist. Beide bestätigten die Aussagen der Pflegerinnen.«

    »Doktor Grahams Wort vertraue ich unbedingt«, murmelte das Mädchen. »Er ist stets gut zu uns gewesen. Er war es auch, der mich fortschickte. Vermutlich wissen Sie das, nicht wahr? Nach einer ziemlich schweren Grippe, an der ich im Winter erkrankte, riet Doktor Graham meinem Vater, mit mir eine Reise nach Westindien zu machen, damit ich auch die letzten Spuren der Krankheit überwände. Oh, wieviel Freude bereitete uns das Pläneschmieden! Dann hielten im letzten Augenblick wichtige Geschäfte meinen Vater zurück. Aber er bestand darauf, dass ich nicht wartete. Trotz meines Sträubens schickte er mich voraus und versprach fest, mir in spätestens vierzehn Tagen zu folgen. Von seiner Erkrankung erfuhr ich nichts; er sagte zu Mrs. Heath, dass meine Ferientage nicht verdorben werden dürften. Und so... so sah ich ihn niemals wieder.«

    Sie wischte mit ihrem kleinen Spitzentaschentuch die unbotmäßigen Tränen fort, während Bob grimmig knurrte: »Ich glaube nicht an jenes Testament. Er muss es im Zustand der Hypnose verfasst haben.«

    Keiner der beiden griff diese Mutmaßung auf. Nach einem Weilchen entnahm Susan ihrer Handtasche einen Umschlag.

    »Dies ist der letzte Brief, den ich von ihm erhielt«, flüsterte sie. »Ich möchte, dass Sie ihn lesen. Damit Sie sehen, dass ich mich nicht schlecht oder undankbar gegen ihn betragen habe. Nein, nichts hat unsere Liebe getrübt. Am selben Tag, an dem ich den Brief bekam, erreichte mich auch das Kabel, das mir meldete, er ringe mit dem Tode. Dann musste ich warten, bis ein Schiff ging...«

    Der Anwalt nahm den Brief, setzte umständlich seine goldgeränderte Brille auf die Nase und las still:

    Meine geliebte kleine Susan,

    nur rasch ein paar Zeilen, um Dir zu sagen, dass ich, wenngleich ich mich heute nicht recht wohl fühle, in Gedanken bei Dir bin. Ängstige Dich aber nur nicht um mich! Du sollst den Aufenthalt dort von ganzem Herzen genießen und so schnell wie möglich wieder kräftig werden. Mein Bruder Gilbert und seine Tochter Angela sind bei mir. Das wird Dich freuen. Deine guten Worte, mein Liebling, tragen Früchte. Gilbert und Angela geben sich alle Mühe, aufmerksam und freundlich gegen mich zu sein, aber wie sehr vermisse ich meine eigene kleine Tochter! Doch das schadet nichts. Du wirst genesen, und ich werde genesen, und bald werden wir uns wiedersehen. Alles Liebe und Gute!

    Dein vereinsamter Vater

    John Brand.

    PS. Bevor Du diesen Brief in Händen hast, wird Dir schon ein Kabel meine Abreise gemeldet haben. Sonst hätte ich Dir nicht so geschrieben. Ich möchte Dich nicht in Sorge versetzen oder den Gedanken in Dir erwecken, ich sei unglücklich. Aber Dir zu schreiben, ist das Beste, wenn ich nicht mit Dir plaudern kann. Und bald werde ich das letztere tun!

    Es verstrichen ein paar Sekunden, ehe der Anwalt irgendeine Bemerkung machte. Selten nur spiegelte sein Gesicht seine Gedanken und Gefühle wider, doch jetzt verriet es unverkennbar ein gewisses Befremden.

    »Auch ohne diesen Brief war ich überzeugt, dass Ihre beiderseitige Zuneigung keinen Wandel erfahren hatte, mein Kind«, erklärte er freundlich. »Ich habe Sie fast Ihr ganzes Leben lang gekannt und ihn seit den fernen Tagen, als wir als Knaben zusammen spielten. Aber über etwas stutze ich sehr. Dieser Brief wurde zur selben Zeit geschrieben, da John sein neues Testament abfasste. Oder um ganz genau zu sein: Das Datum zeigt den Tag vor der Testamentsunterzeichnung. Dessen ungeachtet deutet in dem Schreiben nichts darauf hin, dass er im Begriff stand, Sie in einer Art zu behandeln, die seiner bisherigen gänzlich zuwiderlief.« Onslow gab den Brief Susan zurück, die ihn wieder in die Tasche steckte. »Was bedeutet übrigens der Satz, dass Gilberts und Angelas Anwesenheit Sie freuen würde?«

    »Ich bat ihn immer, sich mit ihnen zu versöhnen«, entgegnete sie. »Er war solch ein prächtiger Mensch, so gut in jeder anderen Hinsicht. Da betrübte es mich, dass er mit seinen einzigen Blutsverwandten nichts zu schaffen haben wollte. Maurice sahen wir allerdings bisweilen bei uns, doch Mr. Gilbert nie; und Angela traf ich gestern zum ersten Mal. Weil ich wusste, dass es ihnen pekuniär nicht gut ging, wünschte ich, er möge ihnen ein bisschen helfen, auch wenn sie es nicht verdienten.«

    »Also um Ihnen einen Gefallen zu tun, lud er sie während Ihrer Erholungsreise ein«, sagte Martin Onslow.

    »Und so vergelten sie es Ihnen!«, fügte Bob hinzu.

    »Varnoll gehörte den Brands seit vielen Generationen«, fuhr der Rechtsanwalt fort. »Als ältester Sohn erbte es Gilbert, der dann sein Vermögen verprasste und den Besitz verkaufte, nachdem er zuvor die Frau, der John zugetan war, geheiratet hatte. Indes auch hierüber wäre es nicht zu einem derartigen Zerwürfnis gekommen, wenn Gilbert sie anständig behandelt hätte. Aber er behandelte sie schmachvoll. Ferner gab es Ärger wegen Geldschwierigkeiten. Ich will mich darüber nicht verbreiten; doch seien Sie versichert, dass Ihr Vater für seine Haltung triftige Gründe gehabt hat. Dann ging er nach dem Fernen Osten, wo ihm großer Erfolg beschieden war. Bei seiner Rückkehr stand Varnoll abermals zum Verkauf, und da er es liebte, erwarb er es und ließ sich mit Ihnen dort nieder. Er wollte, dass es Ihr Heim sei; das ging eindeutig aus seinem Testament hervor – einem anderen Testament. Er wollte, dass Sie den Namen Brand annähmen...«

    »Und jetzt bin ich Susan Heriot«, fiel das Mädchen fast zaghaft ein. »Alles, was ich von meinem Vater und meiner Mutter weiß, ist lieb und gut, denn ich weiß nur, was John Brand mir erzählte. Sie ertranken, als ich drei Monate alt war, bei einem Schiffsunglück, und er nahm sich meiner an. Er lehrte mich, mich Susan Brand zu nennen, sodass mir nunmehr zumute ist, als hätte ich meine Persönlichkeit verloren. Aber auch daran werde ich mich allmählich wohl gewöhnen.«

    »An Ihrem einundzwanzigsten Geburtstag, also nächstes Jahr, beabsichtigte John, Sie in aller Form zu Susan Brand zu machen. Sein Testament bestimmte außerdem, dass Ihr künftiger Gatte ebenfalls den Namen annehmen oder zum mindesten dem seinigen hinzufügen möge. Ihm lag daran, dass die Brands von Varnoll weiter existierten.«

    »Auch jetzt hat er dafür gesorgt«, meinte das junge Mädchen leise.

    »Ja. Und das würde die einzige Erklärung für sein Handeln sein, das mir trotz alledem rätselhaft erscheint.« Wieder schwieg Onslow einen Moment, als schwanke er, ob er sich mit Einzelheiten befassen solle oder nicht. Dann aber dünkte es ihn richtiger, Susan kurz die Umstände zu schildern.

    »In dem ersten Testament war ich Ihr Vormund und Treuhänder. Überdies gab es darin ein Legat für mich selbst, wohingegen ich in dem zweiten Testament gar nicht erwähnt werde. Abgesehen von dem Umschwung, der Sie betrifft, liebes Kind, stieß ich in der zweiten Verfügung auf eine andere materielle Änderung, die mit den früheren Wünschen meines alten Freundes ebenfalls im Widerspruch steht. Wie Ihnen bekannt sein wird, war John ein sehr wohltätiger Mann. Bevor wir nun das erste Testament aufsetzten, erörterte er mit mir gründlich die Verhältnisse. Dabei errechneten wir, dass sich sein Vermögen nach Abzug der Erbschaftssteuer auf reichlich zweihunderttausend Pfund belaufen würde. Die Hälfte – auf jeden Fall aber ein Minimum von einhunderttausend Pfund – bestimmte er für Sie. Gilbert Brand erhielt nichts, hingegen seine Kinder, Maurice und Angela, je fünftausend Pfund. Ein Brand soll nicht am Hungertuch nagen, Martin, sagte er zu mir. Der Restbetrag fiel mit Ausnahme gewisser anderer Legate an wohltätige Stiftungen, die er mit äußerster Sorgfalt auswählte. Nie war John Brand ein Freund von hastigen Maßnahmen, und so traf er auch seine letzten Verfügungen mit Bedacht. Da war beispielsweise eine Blindenanstalt, für die er sich sehr interessierte und in deren Vorstand er saß. Diese bekam den größten Betrag. In seinem neuen Testament sind hingegen für mildtätige Zwecke seltsamerweise überhaupt keine Summen eingesetzt. Vielmehr geht außer den schon erwähnten örtlichen Legaten die Hälfte des Vermögens an Gilbert Brand und je ein Viertel an Angela und Maurice.«

    »Die Brands von Varnoll«, warf Susan mit ihrer weichen Stimme ein.

    »Das scheint tatsächlich der Kernpunkt zu sein«, pflichtete Onslow ihr bei, obwohl der Ton sein Missvergnügen offenbarte. »Übrigens erwarte ich Gilbert Brand heute Vormittag. Er bat mich schriftlich um eine Kopie des ersten Testaments. Ohne sich irgendwie festzulegen, deutete er an, dass er vielleicht gewissen Wünschen seines verstorbenen Bruders Rechnung tragen wolle, wenngleich hierfür keinerlei Verpflichtung bestehe. Möglicherweise bezieht sich das auf Sie, Susan. Wünschen Sie, ihm zu begegnen?«

    »Nein. Die Art, wie Angela mich abfertigen ließ, zeigt, dass sie keine freundlichen Gefühle für mich hegen. Gleicht Mr. Gilbert meinem... seinem Bruder?«

    »Ja, er gleicht ihm«, entgegnete der Anwalt. »Natürlich ist er älter und sein Haar weißer. In Johns Gesichtsausdruck; lag allerdings etwas, das Gilbert fehlt.«

    Jetzt mischte sich Bob ein. 

    »Komische Sache! Ich habe das Gefühl, als sei ich Gilbert Brand bereits begegnet. Aber wo?«

    »Da ist er«, wandte sich der Anwalt an Susan, als die Klingel schrillte. »Gehen Sie doch mit meinem Sohn ins Nebenzimmer. Wenn ich es für wünschenswert erachte, lasse ich Sie holen, Kind. Das heißt, sofern Sie es mir gestatten.«

    »Selbstverständlich, Onkel Martin.« Der Anflug eines Lächelns huschte um ihren Mund, als sie ihn mit dem Namen nannte, der ihr aus verflossenen glücklichen Tagen geläufig war.

    Zweites Kapitel

    »Verdammte Geschichte! Was werden Sie tun?« So lauteten Bobs Worte, als sich die Tür geschlossen hatte und sein förmlicherer Vater sich außer Hörweite befand.

    »Was kann ich anderes tun, als den Rat meines Anwalts befolgen?«

    Wenn Susan sich auch nicht scheute, dem alten Mr. Onslow gegenüber etwas von ihren Gefühlen zu verraten, so beabsichtigte sie nicht, das gleiche Vertrauen seinem Sohn zu schenken, und ihr Blick deutete fraglos an, dass sie von Bob keine Ratschläge erwartete. Sie nahm auch nicht an dem Schreibtisch Platz, der im Zimmer stand, sondern schritt zum Fenster hinüber und blieb dort stehen.

    »Was mein Alter Herr sagt, hat ja Hand und Fuß«, erwiderte Bob. »Doch glauben Sie in Ihrem innersten Herzen wirklich, dass bei dem zweiten Testament alles einwandfrei zuging?«

    »Glauben...? Die Brands von Varnoll – damit ist alles erklärt. Irgendetwas bewog ihn, es ihnen zurückzugeben. Vielleicht ahnte er, dass ihm nicht mehr viel Zeit beschieden war...«

    »Aber warum es zurückgeben?«, ereiferte sich der künftige Anwalt. »Hat Gilbert nicht vor Jahren bewiesen, wie wenig er im Grunde an dem Besitz hing? Lassen Sie sich nur nicht von der ruhigen Art meines Vaters täuschen. Ich weiß, dass es ihn im geheimen bitter wurmt. Gewiss, er rät Ihnen, sich mit der neuen Lage abzufinden; aber nur, weil es keinen anderen Ausweg gibt. Trotzdem steckt irgendein schmutziges Manöver dahinter, das man leider nicht beweisen kann. Einem Gericht würde es als das Allernatürlichste erscheinen, dass John Brand seine Verwandten einlud, sich dann mit ihnen völlig aussöhnte und so weiter. Ich aber wittere Unrat. Er hätte Sie niemals so behandelt, wenn das Kleeblatt ihn nicht auf solch wirklich unanständige Weise überrumpelt haben würde.«

    Im Augenblick war seine Entrüstung größer als die ihrige.

    »Ich muss lernen, mich umzustellen«, erwiderte Susan. »Das ist alles. Es dreht sich ja nicht um das Geld. Dass ich darauf keinen Anspruch hatte, weiß ich sehr wohl. Aber ich liebe Varnoll,

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