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DER GEHEIMNISVOLLE DOLCH: Der Krimi-Klassiker!
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eBook260 Seiten3 Stunden

DER GEHEIMNISVOLLE DOLCH: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Wenn man Mark Braddon gefragt hätte, weshalb er sich von seinem Aufenthalt auf Fullock Park nicht allzu viel versprach, so wäre er wohl um eine Antwort verlegen gewesen. Das Haus war ihm schon von früheren Besuchen her bekannt, und er wusste, dass es alle Bequemlichkeiten zu bieten vermochte. Ohne Zweifel war er ein gern gesehener Gast, und höchstwahrscheinlich traf er dort allerlei lebenslustige junge Menschen. Auch das Wetter ließ während der letzten Woche eines sonnigen Mai nichts zu wünschen übrig, und überhaupt hatte Braddon eine ganz besondere Vorliebe für die landschaftlichen Reize dieser zur Grafschaft Surrey gehörenden Gegend.

Dennoch war er sich bewusst, dass seit seiner letzten Anwesenheit sehr wesentliche Veränderungen eingetreten waren, sodass er eine empfindliche Störung der altvertrauten, friedlichen und harmonischen Stimmung befürchtete. Das, was er dann wirklich erlebte, ging allerdings weit über seine schlimmsten Befürchtungen hinaus...

Herbert Adams (* 1874 in Dorset, South West England; † 1958) war ein englischer Schriftsteller. Adams veröffentlichte beinahe sechzig Kriminalromane; viele unter seinem eigenen Namen, einige unter dem Pseudonym Jonathan Gray. Seine Leser – wie auch die Literaturkritik – verglichen Adams oft mit seiner Kollegin Agatha Christie.

Der Roman Der geheimnisvolle Dolch erschien erstmals im Jahr 1934; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1951 (unter dem Titel Der Dolch).

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum15. Apr. 2021
ISBN9783748780397
DER GEHEIMNISVOLLE DOLCH: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    DER GEHEIMNISVOLLE DOLCH - Herbert Adams

    Das Buch

    Wenn man Mark Braddon gefragt hätte, weshalb er sich von seinem Aufenthalt auf Fullock Park nicht allzu viel versprach, so wäre er wohl um eine Antwort verlegen gewesen. Das Haus war ihm schon von früheren Besuchen her bekannt, und er wusste, dass es alle Bequemlichkeiten zu bieten vermochte. Ohne Zweifel war er ein gern gesehener Gast, und höchstwahrscheinlich traf er dort allerlei lebenslustige junge Menschen. Auch das Wetter ließ während der letzten Woche eines sonnigen Mai nichts zu wünschen übrig, und überhaupt hatte Braddon eine ganz besondere Vorliebe für die landschaftlichen Reize dieser zur Grafschaft Surrey gehörenden Gegend.

    Dennoch war er sich bewusst, dass seit seiner letzten Anwesenheit sehr wesentliche Veränderungen eingetreten waren, sodass er eine empfindliche Störung der altvertrauten, friedlichen und harmonischen Stimmung befürchtete. Das, was er dann wirklich erlebte, ging allerdings weit über seine schlimmsten Befürchtungen hinaus...

    Herbert Adams (* 1874 in Dorset, South West England; † 1958) war ein englischer Schriftsteller.  Adams veröffentlichte beinahe sechzig Kriminalromane; viele unter seinem eigenen Namen, einige unter dem Pseudonym Jonathan Gray. Seine Leser – wie auch die Literaturkritik – verglichen Adams oft mit seiner Kollegin Agatha Christie.

    Der Roman Der geheimnisvolle Dolch erschien erstmals im Jahr 1934; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1951 (unter dem Titel Der Dolch).

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    DER GEHEIMNISVOLLE DOLCH

    ERSTER TEIL

      Erstes Kapitel

    Wenn man Mark Braddon gefragt hätte, weshalb er sich von seinem Aufenthalt auf Fullock Park nicht allzu viel versprach, so wäre er wohl um eine Antwort verlegen gewesen. Das Haus war ihm schon von früheren Besuchen her bekannt, und er wusste, dass es alle Bequemlichkeiten zu bieten vermochte. Ohne Zweifel war er ein gern gesehener Gast, und höchstwahrscheinlich traf er dort allerlei lebenslustige junge Menschen. Auch das Wetter ließ während der letzten Woche eines sonnigen Mai nichts zu wünschen übrig, und überhaupt hatte Braddon eine ganz besondere Vorliebe für die landschaftlichen Reize dieser zur Grafschaft Surrey gehörenden Gegend.

    Dennoch war er sich bewusst, dass seit seiner letzten Anwesenheit sehr wesentliche Veränderungen eingetreten waren, sodass er eine empfindliche Störung der altvertrauten, friedlichen und harmonischen Stimmung befürchtete. Das, was er dann wirklich erlebte, ging allerdings weit über seine schlimmsten Befürchtungen hinaus.

    Wenn er nur das gehört hätte, was kurz vor seinem Eintritt drinnen im Herrenzimmer gesprochen wurde, wären seine Mutmaßungen sofort in eine bestimmte Richtung gelenkt worden. Obwohl selbst das noch nicht eine Vorbereitung auf die tatsächlichen Ereignisse ermöglicht haben würde.

    Drei Personen waren anwesend.

    Ein hochgewachsener, streng blickender Herr, der nicht mehr weit vom siebzigsten Lebensjahr entfernt sein konnte, sich sehr sorgsam kleidete und einen verhältnismäßig jugendlichen Eindruck erweckte.

    Ferner ein hübsches zweiundzwanzigjähriges Mädchen mit lebhaften blauen Augen.

    Schließlich ein junger, gut aussehender Mann, ein dunkler Typ, der etwa siebenundzwanzig Jahre alt sein mochte.

    Die drei standen beim Fenster in der Nähe des Schreibtisches. Ihre Gesichter verrieten, dass sie zornig waren.

    »Ich kann dich nicht an dieser Ehe hindern«, erklärte der Ältere dem Mädchen. »Du bist mündig, doch bitte ich dich, Folgendes zu bedenken. Da du gegen meinen Willen handelst, wenn du Roland Sinclair heiratest, so musst du dir darüber klar sein, dass du fortan von mir keinerlei Unterstützung zu erwarten hast. Keinen Pfennig bekommst du, weder jetzt noch später.«

    Wie zur Antwort ergriff das Mädchen den Arm des jungen Mannes.

    »Ich begreife nicht, weshalb du so ablehnend bist«, murmelte sie. »Wir lieben uns, und nichts vermag uns zu trennen.«

    »Und was haben sie dazu zu sagen?«, wandte sich der Vater mit verächtlichem Lächeln an Sinclair.

    »Janet hat recht«, entgegnete der junge Mann nachdrücklich. »Es ist möglich, dass ich ihr nicht all den Luxus zu bieten vermag, den sie unter ihrem Dach genießt, aber jeder Schlag meines Herzens gehört ihr. Sie glücklich zu machen, wird stets mein erstes und einziges Bestreben sein.«

    »Diese Rede haben sie wohl einem ihrer Theaterstücke entnommen? Muss übrigens nett sein, wenn man für jede Gelegenheit ein paar passende Worte auf Lager hat.«

    »Vater! Weshalb sprichst du so?«, rief das Mädchen erregt. »Bist du nur deshalb so gegen Roland eingenommen, weil er Schauspieler ist?«

    »Nein, mein Kind, aber ich will dein Glück und werde daher nichts tun und nichts unterstützen, was meiner festen Überzeugung nach Unglück über dich bringen muss.«

    »Mit welchem Recht sagen sie das?«, warf Sinclair hitzig ein. »Ich denke, dass Janet selbst am besten wissen wird, was dem Wunsch ihres Herzens entspricht. Wenn sie diesem Gebot folgt, so darf sich ihr niemand, der es gut mit ihr meint, entgegenstellen.«

    »Sagen sie mal, junger Mann, bei wie viel Frauen wiesen diese Herzensgebote bereits in ihre Richtung?«, fragte der Vater kühl.

    Der Schauspieler bekam einen roten Kopf. »Ihre Worte sind unschön. Janet weiß, worauf sie anspielen, und das dürfte genügen. Nochmals, wir lieben einander und werden heiraten, komme was mag.«

    »So ist es«, bestätigte Janet und sah ihrem Vater frei in die Augen.

    »Also schön. Dann ist ja alles klar. Meine Wünsche haben keine Bedeutung für dich, sodass mir nur übrig bleibt, das Gesagte nochmals zu wiederholen. Vom Augenblick deiner Trauung an, und solange du die Frau dieses Mannes bleibst, wirst du völlig von ihm abhängig sein, von ihm allein. Das dir zugedachte Geld wird eine anderweitige Verwendung finden. Dabei bleibt es. Also überlegt es euch nochmals genau, ihr jungen Leute.«

    In diesem Augenblick ging die Tür auf, und der Diener ließ Mark Braddon eintreten. Es bedurfte wahrhaftig keines großen Scharfsinnes, um die im Zimmer herrschende Stimmung zu erfassen. Sekundenlang herrschte Schweigen, dann streckte Janet die Hand aus.

    »Wie nett, dass sie gekommen sind, Mr. Braddon! Sie werden sicher ein wenig mit Papa plaudern wollen. Komm, Roland!«

    Gemeinsam mit Sinclair verließ sie das Zimmer.

    »Freut mich, sie zu sehen, Braddon. Meine Frau ist wohl noch nicht wieder zurückgekehrt?«

    »Ich glaube nicht. Ihr Butler wies mich hierher. Hoffentlich störe ich nicht.«

    »Aber nein - gewiss nicht.« Nach einer Pause fuhr der Hausherr fort: »Kennen sie den jungen Burschen, der mit Janet hinausging?«

    »Ich weiß nicht recht. Sein Gesicht kommt mir bekannt vor, doch kann ich mich im Augenblick nicht auf den Namen besinnen.«

    »Roland Sinclair. Schauspieler. Sind sie jetzt im Bilde?«

    »Kaum«, lächelte Braddon. »Wahrscheinlich habe ich ihn schon mal gesehen, ohne dass ich mich an Einzelheiten erinnern kann.«

    »Vielleicht können sie mir in dieser Angelegenheit behilflich sein, lieber Doktor. Es wäre ja nicht das erste Mal.«

    Wilfrid Hatton spielte hier darauf an, dass ihm der noch junge Mediziner vor Jahren das Leben rettete, als er infolge Überarbeitung plötzlich auf der Straße zusammengebrochen war. Aus der beruflichen Bekanntschaft war eine Freundschaft entstanden und als Braddon dem Älteren geraten hatte, sich zur Ruhe zu setzen, war dieser darauf eingegangen. Fortan legte er auf die Ansichten des Arztes hohen Wert.

    »Roland Sinclair trat unlängst in Die Frau eines anderen auf«, sagte er. »Und zwar als der andere. Jetzt will er Janet heiraten. Ich habe meine Zustimmung verweigert und mit Bestimmtheit erklärt, dass ich für diese Ehe keinen roten Heller übrig habe. Ich werde meine Tochter enterben. Klingt vielleicht etwas theatralisch, ist aber mein Ernst.«

    »Liebt sie ihn denn?«, fragte Braddon.

    »Allerdings. Wenigstens bildet sie es sich ein. Dabei würde sie auf die Dauer todunglücklich werden. Nein, ich habe keine Vorurteile gegen den Stand der Schauspieler im Allgemeinen, wenn ich auch finde, dass etwas gar zu viel Aufhebens von ihnen gemacht wird.

    Nein, ich denke dabei an Janet. Sie besitzt ein schlichtes und liebebedürftiges Herz. Kann sie an der Seite eines Menschen glücklich werden, dessen Beruf darin besteht, mit anderen Frauen Liebesszenen darzustellen?«

    Braddon antwortete nicht gleich. Bisher hatte der kaum Dreißigjährige wenig über das Problem der Ehe nachgedacht. Durch die häufigen Besuche bei Hatton war jedoch sein rein freundschaftliches Interesse für Janet geweckt worden. Der Gedanke, sie unglücklich zu sehen, war ihm peinlich. Sein männliches Gesicht bekam einen besorgten Ausdruck.

    »Die Frage ist nicht so ganz einfach«, meinte er schließlich. »Vermutlich ist es für Schauspieler das beste, sie heiraten unter sich. Andrerseits dürfte es unangebracht sein, wegen gespielter Liebesszenen Eifersucht zu empfinden. Häufig besteht zwischen den Auftretenden in Wirklichkeit Abneigung bis Feindschaft.«

    »Ein Mensch vom Schlag Sinclairs begnügt sich nicht mit einer einzigen Frau«, knurrte Hatton. »Alle Augenblicke hat er eine neue und bildhübsche Partnerin. Er war auch schon einmal in Scheidungsgeschichten verwickelt. Für Janet wäre ein solches Leben unerträglich. Ruth würde sich vermutlich eher damit abfinden können.«

    »Wenn sie ihn liebt, dann wird sie durch den Verlust ihres Geldes nicht beeinflusst werden. Glauben sie, dass er sich auf solche Weise von seinen Entschlüssen abbringen lässt.«

    »Ja. Mag sein, dass er im Augenblick wirklich verliebt ist, doch denke ich, dass er binnen Kurzem einsehen wird, dass er keine Frau ohne Vermögen heiraten kann.«

    »Und wenn es trotz allem zur Ehe kommen würde, gedenken sie ihm dann tatsächlich ihre Tochter zu überlassen, obwohl sie ihn selbst für unzuverlässig halten?«

    Hatton wich aus.

    »Nun, sie werden ihn ja im Lauf dieses Wochenendes genauer kennenlernen. Ich lege großes Gewicht auf ihre Meinung. Sagen sie es mir ehrlich, wenn sie denken, dass ich unrecht handle.«

    Der Arzt nickte. Er ahnte, dass die Voraussetzungen für ein vergnügliches Wochenende nicht mehr gegeben waren.

    Plötzlich wechselte der Hausherr lachend den Gesprächsstoff.

    »Sie werden wohl einigermaßen überrascht gewesen sein, als sie von meiner Heirat hörten?«

    Braddon lächelte.

    »Stimmt. Wohl riet ich ihnen zu dieser Reise nach Südfrankreich, hatte dabei aber keineswegs an solche Folgen gedacht. Meine herzlichsten Glückwünsche! Natürlich bin ich sehr gespannt darauf, ihre Gattin kennenzulernen.«

    »Dazu haben sie auch allen Grund, mein Lieber. Sie ist eine wundervolle Frau. Wenn sie sie sehen, werden sie den Grad meines Glückes ermessen können. Es freut mich, dass sie einer der Ersten sind, die ihr vorgestellt werden. Da ich beabsichtige, allwöchentlich Gesellschaften zu geben, wird sie sich bald einleben.«

    Er strahlte geradezu in seiner Rolle als junger Ehemann, aber Braddon bemerkte diese künstlich aufgetragene Jugend mit Missfallen. Seit einer ganzen Reihe von Jahren war der ehemalige Anwalt Witwer. Seine Schwester hatte ihm den Haushalt geführt und sich der heranwachsenden Töchter angenommen. Und nun hatte er sich fern im Süden Hals über Kopf trauen lassen.

    »Kommen Janet und Ruth gut mit ihrer neuen Mutter aus?«

    »Hm...« Hatton zögerte sichtlich, »das Wort Mutter ist wohl in diesem Fall nicht ganz angebracht. Sagen wir lieber Schwester. Sie ist fast gleichaltrig mit meinen Töchtern. Ich bin davon überzeugt, dass sie Corinne bald lieb haben werden. Wie sollte das auch anders möglich sein? Sie ist ein so natürliches, entzückendes Geschöpf. Über ihre Schönheit sollen sie selbst urteilen, obwohl sie vielleicht in diesen Dingen anders empfinden als ich. Aber auch ihre Stunde wird kommen, mein Junge. Auch sie werden sich verlieben!«

    Er lachte laut über seine eigenen Worte. Mark schwieg. Er hatte bisher den scharfsinnigen Juristen bewundert, er empfand eine gewisse Hochachtung für den strengen Vater, aber die jetzt zutage tretenden Charaktereigenschaften waren ihm neu. Möglicherweise bot die Heirat dem alternden Mann einen glücklichen Lebensabend, wahrscheinlicher jedoch deutete sie auf ein Nachlassen des Verstandes.

    »Sie kann jeden Augenblick zurück sein«, redete Hatton weiter. »Sie spielt Golf mit ihrem Vetter, mit Roger Malden und mit Ruth. Malden kennen sie doch schon, nicht wahr? Auch der alte Skinner, der Richter, ist hier. Außerdem hält sich meine Schwägerin, Mrs. Rawland, seit acht Tagen bei uns auf. Heute Abend soll ihr Sohn Joseph eintreffen. Nächsten Mittwoch wollen wir gemeinsam zum Rennen fahren. Sie sehen, alles in allem so etwas wie ein kleines Familienfest.«

    »Dass sie Sir Thomas Skinner so halb und halb adoptiert hatten, wusste ich bereits«, meinte Braddon. »Gehört Roger Malden auch zur Familie?«

    »Noch nicht, aber was nicht ist, kann noch werden. Ich glaube, sie kommen gerade. Das muss Corinne sein. Na, nun machen sie sich mal auf eine Überraschung gefasst, mein Lieber.«

    Während er sprach, lachte er wieder übertrieben laut und fröhlich, was Braddon gar nicht gefiel. Er führte seinen Gast zur Tür, riss sie auf und ließ ihm den Vortritt. Dabei fiel Marks Blick auf einen Spiegel. Er sah das Bild eines Mannes, der eine junge Frau küsste. Die Frau war schlank, dunkel und auffallend schön. Ihr Alter konnte nicht viel über zwanzig Jahre betragen. Auch der Mann, der einen schwarzen Schnurrbart trug, verriet romanische Herkunft. Nun, Braddon war tatsächlich von dem Anblick überrascht. Als die beiden die Tür aufgehen hörten, traten sie schnell auseinander. Der Mann zog sich zurück.

    »Liebste Corinne, da bist du ja!«, rief Hatton, der anscheinend nichts gemerkt hatte. »Wir warten bereits auf dich. Ich darf ich dir meinen Freund Mark Braddon vorstellen, der mir seinerzeit das Leben rettete?«

    Zweites Kapitel

    Braddon bewohnte ein Zimmer, das er bereits von früheren Gelegenheiten her kannte. Ehe er sich zum Essen umzog, trat er an das Mittelfenster, das als Tür auf den Balkon hinausführte. Das ungefähr dreißig Jahre alte Haus war im Schweizer Stil erbaut worden.

    Der ursprüngliche Besitzer, von dem es Hatton gekauft hatte, musste ein großer Freund des Sonnenlichts gewesen sein, denn der Balkon lief, mit Ausnahme der Nordfront, um alle Außenseiten wie eine Galerie. Fast alle Schlafzimmer hatten Zugang zum Balkon. Braddons Raum lag nach Westen.

    Gerade stellte er fest, dass er nicht der Einzige war, der sich der schönen Aussicht auf den Park und den bewaldeten Hintergrund erfreute.

    »Das kann doch nur die inzwischen erwachsene Ruth sein«, sagte er.

    Beim Klang seiner Stimme wandte das Mädchen den Kopf. Ruth war ein Jahr jünger als ihre Schwester Janet, nicht ganz so groß, und vielleicht würde mancher sie für weniger hübsch erklärt haben, obwohl sie die gleichen schönen blauen Augen besaß. Dafür verliehen ihr jedoch ihr lebhafter Gesichtsausdruck, die markante kleine Nase und die vorzüglichen Zähne einen ganz eigenartigen Reiz.

    »Sicherlich ist das kein anderer als Mark Braddon«, erwiderte sie. »Wohl gerade angekommen? Nun, und wie geht es so?«

    »Zunächst einmal freue ich mich, sie wiederzusehen«, lachte er und ergriff ihre Hand. Etwas ernster fuhr er fort.

    »Wir sind einander ja fast ganz fremd geworden, denn während meiner letzten Besuche zogen sie es vor, abwesend zu sein. Wie können sie sich rechtfertigen?«

    »Vielleicht ist es sogar ihnen bekannt, dass es so etwas wie Schulen gibt, und später - na, Tante Laura und ich fühlen uns nicht übermäßig stark zueinander hingezogen. Natürlich ahnte ich nicht, was mir dadurch entging, dass ich so wenig zu Hause war!«

    »Nun erzählen sie mir erst einmal, wie stellen sie sich zu ihrer neuen Mutter?«

    Sie verzog ein wenig das Gesicht.

    »Dass Papa ein so junges Mädchen als seine Frau mitbringen würde, hätte sich wohl niemand träumen lassen. Sie ist genauso alt wie ich. Sie gibt sich aber alle Mühe, ihrer gewiss nicht sehr leichten Stellung gerecht zu werden und das gefällt mir an ihr. Dass Tante Laura sie auf den ersten Blick hasste, versteht sich von selbst.«

    »Vielleicht bessert sich das mit der Zeit.«

    »Ausgeschlossen! Tante Laura hat bereits erklärt, dass ihr der Aufenthalt im Haus verleidet sei. Binnen weniger Tage wird sie also mit großem Krach ausziehen.«

    »Sie scheinen das nicht sehr zu bedauern.«

    »Das will ich nicht unbedingt behaupten«, lachte Ruth. »Im Grund genommen ist sie gar nicht so böse, aber ich habe das Pech, immer wieder bei ihr anzuecken. Das fing schon an, als ich noch nicht zehn Jahre alt war. Damals lebte Tante Alicia, ihre Schwester, noch. Die war ein viel schlimmerer Drache. Janet und ich, wir ärgerten uns jedes Mal gründlich, wenn sie zu Besuch kam. Dann erzählte uns Tante Laura eines schönen Tages tränenden Auges, dass Tante Alicia nunmehr bei den Engeln weile, worauf ich ganz harmlos fragte, ob das denn den Engeln recht sei. Sie hat mir nie verziehen!«

    Braddon lächelte, ging aber dann zu einem anderen Thema über.

    »Was für ein Mensch ist dieser Roland Sinclair?«

    »Ein ausgezeichneter Schauspieler. Haben sie ihn schon mal gesehen?«

    »Ich glaube. Wie aber beurteilen sie ihn als zukünftigen Schwager?«

    »Janet liebt ihn leidenschaftlich.« Der Klang ihrer Stimme deutete an, dass sie nicht mehr zu sagen wünschte. Mark Braddon vermied es taktvoll, das Thema weiterzuspinnen, zumal er noch etwas anderes auf dem Herzen hatte.

    »Sie spielten heute Nachmittag Golf, nicht wahr? War jener dunkelhäutige Mensch mit dem schwarzen Bärtchen dabei? Wer ist das?«

    »Corinnes Vetter. Er heißt Leon Gasquet. Netter Kerl. Er spielt auch ganz gut.«

    »Also das reinste internationale Turnier: England gegen Frankreich! - Pfeift da eigentlich jemand nach ihnen?«

    »Oh, das ist nur Theodor.«

    »Theodor?!«

    »Mein Kanarienhähnchen. Eigentlich mache ich mir nichts daraus, einen Vogel im Käfig zu halten. Er war ein Geschenk.«

    »Und warum nennen sie ihn ausgerechnet Theodor?«

    »Und warum nicht?«

    Beide lachten.

    »Richtig, jetzt entsinne ich mich«, meinte Braddon. »Ihr Vater sprach davon. Sie sprangen ins Wasser, um einen Jungen vor dem Ertrinken zu retten, und die Eltern schenkten ihnen als Dank den Vogel.«

    »Ja. Das war voriges Jahr in Cumberland. Die Leute wären gekränkt gewesen, wenn ich abgelehnt hätte. Übrigens war die Sache kaum der Rede wert.«

    »Kaum der Rede wert! Und dabei standen andere Menschen herum, die schön auf dem Trockenen blieben.«

    »Wahrscheinlich konnten sie nicht schwimmen. Nun, jedenfalls haben Theodor und ich einander recht gern. Er würde nicht mal davonfliegen, wenn ich ihn freiließe. Und da

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