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HEIßE NÄCHTE IN UNTERFILZBACH: Krimikomödie aus Niederbayern
HEIßE NÄCHTE IN UNTERFILZBACH: Krimikomödie aus Niederbayern
HEIßE NÄCHTE IN UNTERFILZBACH: Krimikomödie aus Niederbayern
eBook315 Seiten4 Stunden

HEIßE NÄCHTE IN UNTERFILZBACH: Krimikomödie aus Niederbayern

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Über dieses E-Book

Aufregung im niederbayerischen Dorf Unterfilzbach:
Der pensionierte Unterfilzbacher Briefträger und Gemeinderat Erwin Weiderer kommt bei einer so spektakulären wie tragischen Explosion ums Leben – und natürlich wittern die erprobten Bauhof-Spürnasen Hansi Scharnagl und Sepp Müller sofort mehr als nur einen unglücklichen Zufall.
Band Drei der erfolgreichen niederbayrischen Krimikomödie um "Hobby-Detektiv" Hansi Scharnagl und die ebenso schrulligen wie liebenswürdigen Bewohner des beschaulichen Dorfes Unterfilzbach – für Fans der Regionalkrimis von Rita Falk, Jörg Maurer und Volker Klüpfel.
Doch damit nicht genug: Die Neuwahl des Feuerwehrkommandanten steht an und die Dorfgemeinschaft fiebert bereits einem Show-Down zwischen Sepp und seinem Kontrahenten Fritz Kronschnabl entgegen. Ganz klar, dass da der aus München angereiste Filmregisseur Klaus-Maria Ranftl mit seinen Plänen und Starallüren den Dorfbewohnern einfach nur auf die Nerven geht. Welche Rolle aber die amourösen Abenteuer des Juniorchefs der Oberfilzbacher Feuerlöscher-Firma Karl Brandl, der Liebeskummer von Hansis Freund Sepp und ein manipulierter Feuerlöscher für die Lösung des dritten Kriminalfalls aus Unterfilzbach spielen, müssen Hansi und Sepp auf gewohnt unorthodoxe Weise allein herausfinden …
SpracheDeutsch
HerausgeberLuzifer-Verlag
Erscheinungsdatum17. März 2024
ISBN9783958354852

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    Buchvorschau

    HEIßE NÄCHTE IN UNTERFILZBACH - Eva Adam

    Kapitel 1

    Friedhofs-Tuning

    Ende Oktober fiel im kleinen niederbayerischen 3.000-Einwohner-Dörfchen Unterfilzbach im schönen Bayerischen Wald jährlich der Startschuss für einen wahren Brauchtumsmarathon. Am Jahresende häuften sich die Riten der Eingeborenen merkwürdigerweise, warum auch immer.

    Es war der 31. Oktober und auf der ganzen Welt hieß dieser Tag Halloween, vereinzelt sogar hier in Unterfilzbach. Im örtlichen Kindergarten Die Filzmäuse wurde inzwischen regelmäßig eine Halloween-Party mit kleinen Gespenstern und Vampiren veranstaltet und abends zogen auch schon mal ein paar Kinder von Haus zu Haus, um Süßes oder Saures zu verlangen. Aber das war’s dann auch schon mit dem neumodischen amerikanischen Glump, diesem Halloween-Zeug, wie die rüstige und ausgesprochen gesprächige, aber wenig feinfühlige Dorfratschn Berta Hinkhofer immer zu sagen pflegte.

    In Unterfilzbach hatte der 31. Oktober eine ganz andere Bedeutung. Etwas Großes lag in der Luft, etwas Bedeutendes. Geschäftiges Treiben herrschte im ganzen Ort, vor allem rund um die Gärtnerei und den Friedhof. Seit Tagen veranstalteten alle schon ein Mordsgewusel. Das große Gräber-Tuning stand an. Am 1. November war Allerheiligen, was im katholischen Bayern sogar ein Feiertag war. An diesem Tag wurde der Toten gedacht. Das war der Sinn dieses Tages, also eigentlich eine ruhige und besinnliche Angelegenheit – sollte man meinen. Allerdings war dieses Gedenken mit einem ganzen Haufen Aufwand verbunden, sofern man für die Grabpflege in Unterfilzbach verantwortlich war. Man könnte sogar so weit gehen und sagen, dass man hier förmlich unter gesellschaftlichen Erwartungsdruck gesetzt wurde, denn das geheime Motto lautete: schöner, aufwendiger, kreativer, üppiger! Schließlich reiste teilweise sogar die gesamte Verwandtschaft an und man wollte sich ja vor den anderen nicht blamieren, egal ob Mitbürger oder verwandte Tagestouristen. Denn: »Was sagen denn da d´Leut?«

    Hansi Scharnagl, angestellt im kommunalen Bauhof, wurde am 31. Oktober von seinem Chef Wiggerl zu einer sofortigen Notfallaktion abkommandiert. Er sollte am Friedhof die Wege ein wenig mit Kies auffüllen. Ein paar Damen, die gerade dabei waren, ihre zu pflegenden Gräber im Endspurt aufzumotzen, hatten sich nämlich beschwert. Der neurotische Bauhofkapo Ludwig Hackl, genannt Wiggerl, war leider nicht mit einem besonders starken Nervenkostüm ausgerüstet und geriet bei Beschwerden schon mal leicht an die Grenzen der Belastbarkeit.

    »Hansiii! Was machst du grad? Egal, was du tust, hör sofort auf damit!«, schallte es aufgeregt aus dem Bauhoffunk.

    »Ähm, Hundetoiletten leeren. Das hast du mir ja heut Morgen angeschafft, oder nicht?«, sagte Hansi, verwundert darüber, wie vergesslich sein Chef schon wieder war.

    »Lass sofort alles stehen und liegen, wir haben einen Notfall.«

    Auch Hansi neigte ab und zu ein wenig zur Hysterie und hatte sofort die schrecklichsten Bilder im Kopf. Ein Terroranschlag auf das Rathaus? Explosion in der örtlichen Biogasanlage? Geiselnahme im Bauhof?

    »Die Hinkhoferin hat mich gerade angerufen. Am Friedhof sind die Wege wohl unbegehbar und das wäre absolut lebensgefährlich, hat sie gesagt. Du musst da sofort hin und Kies auffüllen. Was sagen denn da d´Leut? Morgen ist schließlich das ganze Dorf am Friedhof und dann schimpfen sie wieder alle über den Bauhof, wenn wir nichts unternehmen.«

    Ein Lächeln huschte über Hansis Gesicht. Das ließ er sich nicht zweimal sagen, denn Hundetoiletten zu leeren, war nicht unbedingt eine direkte Herausforderung und ekelhaft noch dazu.

    Leider war rund um den Friedhof kein einziger freier Parkplatz zu bekommen; sie standen einfach ü-ber-all … egal, ob Halteverbot oder Feuerwehranfahrt.

    Man könnt´ ja meinen, es geht hier um Leben und Tod, dabei sind wir eh schon am Friedhof, dachte Hansi leicht genervt wegen dieser Panik.

    Mangels Alternativen musste Hansi dann halt kurz entschlossen mit seinem kommunalorangenen Unimog direkt in den Friedhof hineinfahren. Gut, dass der kleine Unimog wunderbar durch das Eingangstor passte, und zwar millimetergenau. Nur das Eisentor litt an den Scharnieren ein wenig, aber dann musste halt der Wiggerl wieder einmal einen Arbeitsauftrag für einen Neuanstrich erteilen. Alles war besser als Hundetoiletten – oder HT, wie es der Bauhofkapo immer auf den Einsatzplan schrieb. Wer HT-Dienst hatte, war an diesem Tag eher der Depp vom Dienst.

    Im Inneren des Friedhofs war das Durchkommen aber genauso schwierig, es wimmelte nur so von gestressten Grabgärtnern und -gärtnerinnen.

    Ja, was wäre denn da der Münchner Stachus, ging es Hansi durch den Kopf. Überall wurde geschrubbt, gepflanzt, gegossen oder gezupft. Alle Grabpfleger hatten allerdings eher ein heimliches Auge auf die Konkurrenzgräber anstatt auf Hansi in seinem Unimog, der sich etwas genervt seinen Weg zu bahnen versuchte. Nicht, dass man vielleicht einen Modetrend in Sachen Grabdesign verpasste. Das war offenbar ein wichtigeres Thema, als eventuell von einem Unimog überrollt zu werden. Hansi erinnerte sich noch allzu gut daran, wie seine liebe Ehefrau Bettina vor ein paar Jahren furchtbar verzweifelt war, weil sie den »Moostrend« nicht mitbekommen hatte. Damals hatte die Hinkhoferin sie an ihrem Arbeitsplatz, der Supermarktkasse, so saudumm angeredet.

    »Mei Bettina, hast aber dein Grab wieder langweilig hergerichtet heuer, hab ich so gehört. Hast du denn nicht gesehen, dass man jetzt Moos im Muster auslegt? Da muss man schon ein wenig im Trend bleiben. Ist ja nur gut gemeint, Bettinalein. Nur ein kleiner Tipp von mir. Mir wär’s ja wurscht, aber was sagen denn da die Leut´?«

    Die ganze Kundenschlange hinter Berta hatte Bettina daraufhin so komisch vorwurfsvoll angesehen, und die Supermarkt-Kassiererin war sogar noch heute ein bisschen traumatisiert.

    Seitdem war auch Frau Scharnagl jedes Jahr ein wenig gestresst, wenn sich das Allerheiligen-Tamtam wieder näherte. Mit Argusaugen beobachtete sie, wie auf den anderen Grabstellen dekoriert wurde, und trieb sich stundenlang im Floristik-Fachgeschäft herum. Hansi verdrehte innerlich die Augen, als er beim Anblick des aufgeregten Treibens hier am Unterfilzbacher Friedhof an seine Frau und ihre Allerheiligen-Panik erinnert wurde.

    Doch nun musste er den mit weißem Kies beladenen Unimog irgendwo abstellen. Direkt vor dem Leichenhaus war dann Gott sei Dank ein kleines Fleckchen frei. Das war ganz praktisch, denn von dort aus konnte er dann zentral den Kies mit dem Schubkarren ausfahren.

    Die Hinkhofer Berta erwartete ihn bereits, um ihm die gefährlichsten Stellen auf den Wegen zu zeigen. Mit verschränkten Armen und klopfendem Vorderfuß stand sie da und zeterte sofort drauflos, als er den Motor abstellte.

    »Na endlich! Das ist ja wieder einmal typisch Bauhof, für jeden Schmarrn habt ihr Zeit und euer Wiggerl sieht alles immer als Gefahr. Aber hier, wo man sich alle Haxen brechen könnte, da überlasst ihr uns arme Bürger unserem Schicksal. Direkte Löcher sind in den Kieswegen, da habt ihr schon ewig nix mehr gemacht, das sieht man gleich, direkt verwahrlost sind die Wege hier. Nicht zu verantworten ist das, das sag ich dir, Scharnagl.«

    Berta Hinkhofer und Hansi Scharnagl waren nicht unbedingt die besten Freunde. Immer wieder waren sie in der letzten Zeit aneinandergeraten. Dementsprechend angespannt war die Stimmung zwischen den beiden.

    »Berta! Jetzt schrei mich nicht so an, ich hab ja erst einmal den Kies auf den Unimog raufschaufeln müssen. Herrschaftszeiten! Aber davon hast du ja keine Ahnung. So wirklich hast du ja noch nie was gearbeitet in deinem Leben«, verteidigte sich der Bauhof-Angestellte.

    Vielleicht hätte er besser gar nichts gesagt, denn die Berta tat sich mit Kritik an ihrer eigenen Person etwas schwer. Sie war pensionierte Bürgermeister-Sekretärin und daher mit einem ziemlich soliden Selbstbewusstsein ausgerüstet.

    »Ja, genau, aber ihr vom Bauhof, ihr seid ja die Allerfleißigsten … ach, rutsch mir doch den Buckel runter, Scharnagl. Nimm deinen Schubkarren und geh weiter jetzt.«

    Schon stapfte sie voraus und blieb nur ab und zu an einer ihrer Meinung nach, lebensgefährlichen Stelle, stehen. Hansi teilte diese Auffassung von »Gefahr« in diesem Falle nicht, aber in Gottes Namen, dann verteilte er halt zwei Schaufeln Kies auf die Gefahrenstelle – damit Ruhe war. Außerdem wollte er nicht so schnell wieder zurück zu den Hundetoiletten. Langsam fand er es außerdem doch recht amüsant, das Treiben zu beobachten. Man konnte hier und da einen kleinen Ratsch halten und so verging die Zeit bis zum Feierabend recht zügig.

    Neben den zahlreichen aufgeregten Hausfrauen, die die möglichst tiefschwarze Erde auf ihren Gräbern sogar teilweise mit der Wasserwaage glätteten, waren auch ein paar alleinstehende Herren zugange, die sich allerdings ein wenig unbeholfen anstellten. Sie hatten nun mal keine Dame an der Hand, die sich um die Grabpflege kümmerte, und der ortsansässige Gärtner hätte garantiert einen saftigen Allerheiligen-Zuschlag auf die Rechnung gesetzt, also mussten sie wohl oder übel selbst ran.

    Hansis bester Freund Sepp war so ein Fall. Er war ein ganz besonderer Mensch und außerdem Hansis Lieblingskollege. Sepp Müller war äußerst intelligent und handwerklich ein Genie. Er hatte sogar ein paar Semester Chemie und Maschinenbau studiert, bis er wohl ein wenig aus der Bahn geworfen wurde. Natürlich war eine Frau daran schuld gewesen. Die heutige Metzgereibesitzerin Maria Aschenbrenner hatte ihm damals das Herz gebrochen. Weiber halt!

    Der Sepp kam irgendwann vor ein paar Jahren nach längerer Abwesenheit wieder zurück nach Unterfilzbach und arbeitete seitdem Seite an Seite mit Hansi am Bauhof. Er war schon ein armer Kerl, der Sepp, fand der Scharnagl. Seine Eltern waren schon lange verstorben und eine Frau hatte er seit der Sache mit Maria nicht mehr angeschaut. Geschwister hatte er auch keine, nur seinen Kater Willy. Hansi und die Scharnagls hatten ihn aber gern in den Schoß der Familie aufgenommen. Sepp war zwar allein, aber sehr beliebt im Dorf. Seine ruhige und besonnene Art kam überall gut an. Außerdem war er Erster Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Unterfilzbach und behielt immer einen kühlen Kopf, auch in Stresssituationen. Somit war er schon mal grundsätzlich einer von »den Guten«. In persönlichen Dingen war er allerdings eher zurückhaltend und verschlossen.

    »Öha, des schaut aber wirklich super aus, Sepp«, zollte Hansi ihm Respekt für sein wirklich schön bepflanztes Familiengrab. Sogar das kann er, dachte Hansi anerkennend.

    Hilfsbereit, wie der Müller nun einmal war, half er auch seinem Nachbarn, dem Weiderer Erwin, sein Grab ein wenig allerheiligentauglich zu machen. Auch der Erwin war ein alleinstehender Herr, der neben Sepp am Ortsrand ein kleines altes Häuschen bewohnte. Er war bereits in Rente, eigentlich noch topfit, aber als pensionierter Postbote nicht abgeneigt, wenn er Arbeiten delegieren konnte, am liebsten an den gutmütigen Sepp.

    Nach einer informativen Plaudereinheit des Herrentrios gingen Hansi, Sepp und Erwin wieder ans Werk. Sepp ordnete an, dass Erwin wenigstens die frisch angepflanzten Alpenveilchen gießen könnte, und drückte ihm eine Gießkanne in die Hand.

    Hansi beobachtete Sepp gerade dabei, wie dieser gekonnt und fachgerecht die Kletterrose am Weiderer-Grab zuschnitt, als ein lauter Schrei über den Friedhof schallte. Aus der Ferne konnten Sepp und Hansi sehen, wie sich vier Grabreihen weiter in Sekundenschnelle eine kleine Menschentraube bildete. Natürlich mussten sie da gleich einmal nachschauen, denn der Bauhof war ja irgendwie für alles zuständig. Also eilten die zwei Bauhof-Sheriffs in Richtung Menschenauflauf.

    Der Weiderer Erwin war mit seiner Gießkanne auf dem frisch aufgekiesten Friedhofsweg ausgerutscht und hielt sich jetzt seine Hüfte fest, während er lautstark jammerte. Vielleicht hatte es Hansi doch ein wenig zu gut gemeint mit dem Aufbessern des Wegebelags.

    »Ruft vielleicht jemand a mal einen Sanka!?«, übertönte jetzt Berta das aufgeregte Stimmengewirr.

    »So, das hast jetzt davon, Berta! Jetzt ist was passiert, weil zu viel Kies auf dem Weg war. Wegen dir ist der Erwin jetzt hingefallen«, rief Hansi leicht aufgeregt.

    Das musste jetzt sein, dachte sich Hansi, die Hinkhoferin, das alte G’scheidhaferl. Immer musste sie alles besser wissen. Das geschah ihr grad recht. Ein ganz ein schlechtes Gewissen soll sie plagen, die alte Bissgurken, ein ganz ein schlechtes, echauffierte sich Hansi gedanklich.

    Der Sanka kam mit einiger Verspätung, weil sich die Parkplatzsituation rund um den Friedhof inzwischen nicht verändert hatte. Zwei schimpfende und fluchende Sanitäter transportierten den immer noch herzerbärmlich jammernden Erwin ab ins Kreiskrankenhaus. Verdacht auf Oberschenkelhalsbruch.

    Die Sanitäter waren stockgrantig. Sie mussten Erwin auf der Trage fast bis zum KaufGut-Supermarkt schleppen, weil partout kein Parkplatz für den Sanka zu finden war. Kurzerhand hatten sie daraufhin die Polizeiinspektion angerufen und es hagelte nur so Strafzettel. Berta traf es dabei am schwersten, ihr feuerroter tiefergelegter Scirocco Sportflitzer wurde aus der Feuerwehranfahrt abgeschleppt. Da half auch Bertas wüstes Beschimpfen der Polizeibeamten nichts.

    Genüsslich lächelte Hansi seiner Lieblingsfeindin zu, als er mit dem Unimog an ihr vorbei zurück in Richtung Bauhof tuckerte.

    Am frühen Morgen des 1. Novembers war Bettina zwar nicht mehr im Grabdeko-Stress, dafür wirbelte sie jetzt aber hektisch durch die heimische Küche, denn im Anschluss an den Gottesdienst am Friedhof kamen jährlich traditionell die ganzen Verwandten der Scharnagls zum Kaffeetrinken vorbei, sozusagen zur After-Allerheiligen-Party. Deshalb war Frau Scharnagl bereits seit vier Uhr morgens auf den Beinen und schob einen Kuchen nach dem anderen in ihren Ofen. Ganze sechs Kuchen standen wohlduftend auf dem Küchentisch. Karottenkuchen, Marmorkuchen, Eierlikörtorte, Gewürzschnitten, Schmandkuchen und ein Rotweinkuchen waren bereit für die Invasion der »buckligen Verwandtschaft«. Das war sicherlich – genau wie jedes Jahr – viel zu viel an Gebäck, aber Bettina war gerne auf der sicheren Seite … nicht, dass jemand hungern musste. Was sagen denn da d´Leut?

    Hansi mochte die Allerheiligen-Nachmittage mit seinen Brüdern, Schwagern und Schwägerinnen, Neffen und Nichten. Die Scharnagls und auch die angeheirateten Schlessingers auf Bettinas Seite, waren eine recht zünftige Truppe und sie saßen immer recht lange zusammen, ratschten und lachten.

    Aber vorher musste Hansi erst noch den offiziellen Hauptprogrammpunkt des Tages hinter sich bringen, den Freiluft-Gottesdienst am herausgeputzten Friedhof. Von allen Seiten strömten die Unterfilzbacher und deren Besucher gegen frühen Nachmittag in Richtung Gottesacker. Dicht gedrängt drückten sich die Menschen durch das eiserne kleine – und nun nicht mehr ganz einwandfrei lackierte – Eingangstor und schoben sich über die frisch aufgekiesten Wege. Hansi kam dabei jedes Jahr der Gedanke, dass genau jetzt der absolut passende Zeitpunkt wäre, einen großen Raubzug durch den Ort zu starten, denn in dieser halben Stunde war wahrscheinlich keine »alte Sau« daheim, dachte Hansi, alle waren ja hier. Aber der ehrliche Unterfilzbacher war weit entfernt vom kriminellen Milieu. Das hätte er schon rein nervlich gar nicht ausgehalten, und so blieb es eines von vielen kreativen Gedankenspielen des Hansi Scharnagl.

    Der Friedhof platzte also aus allen Nähten und wurde somit einmal im Jahr zum »Place to be«. Sehen und gesehen werden quasi. Der Föhnwind blies von den Alpen herüber und brachte auch noch ein paar warme Sonnenstrahlen mit sich, für November zwar angenehm, aber viel zu warm. Wegen des »Place to be« und so weiter sahen sich einige Unterfilzbacher nämlich gezwungen, ihre neue – oder die alte, aber dafür sauteure – Wintergarderobe auszuführen, was recht lustig mitanzusehen war, denn wegen der vierzehn Grad plus liefen so manch einer aufgetakelten Pelzmantelträgerin vereinzelt die Schweißperlen über die frisch geschminkte Stirn.

    Aufgebrezelt standen die Unterfilzbacher Katholiken somit pünktlich und andächtig an den Gräbern ihrer Vorfahren. Die MUMUS – ausgesprochen hieß das Musikverein und Marschkapelle Unterfilzbach, aber da der Kapellenname für einen Niederbayern schier endlos lang war, wurde er im gängigen Sprachgebrauch meistens abgekürzt – spielten natürlich andächtige Blasmusik und Pfarrer Birnböck hielt einen ebenso andächtigen Wortgottesdienst ab, der über das neue kircheneigene Mega-Megafon live vom Leichenhausvorplatz an die Gräber übertragen wurde.

    Hansi ließ seinen Blick durch die Reihen schweifen und versuchte dabei so andächtig wie möglich zu wirken. Dabei musste er unweigerlich beim großen und wirklich prächtigen Brandl-Grab genau eine Reihe vor ihm innehalten. Die Familie Brandl stammte eigentlich aus Unterfilzbach, deswegen war hier auch das Familiengrab angesiedelt, aber Alfons Brandl, auch Fonsi genannt, hatte sich vor vielen Jahren mit seiner Firma für Feuerlöscher und Brandbekämpfungshilfsmittel aller Art in Oberfilzbach selbstständig gemacht. Ein paar Unterfilzbacher nahmen ihm das noch heute übel, denn die Feindschaft zwischen den beiden Nachbardörfern war legendär. Und die Oberfilzbacher hatten die Gewerbesteuer eines hart arbeitenden gebürtigen Unterfilzbachers nicht verdient – meinten die Bürger aus Unterfilzbach, aber zu dieser Zeit waren halt die wirtschaftlichen Bedingungen in Oberfilzbach besser und Alfons zog aus seiner heimischen Garage, in der er damals noch allein hantiert hatte, nach Oberfilzbach um. Ein Grundstück im Oberfilzbacher Gewerbegebiet wurde ihm von der Gemeinde fast geschenkt und als junge expandierende Firma war das logischerweise eine gute Gelegenheit für den Bau eines kleinen Firmengebäudes.

    Der Brandl Fonsi war ein gewiefter Tüftler und als alter Feuerwehrler war er von Kindesbeinen an schon in diese »Szene« involviert. Es war nun fast genau dreißig Jahre her, da hatte der heute Achtundsechzigjährige Alfons mit stolz geschwellter Brust ein Patent beim Patentamt München angemeldet. Er hatte lange herumexperimentiert und schlussendlich erfolgreich einen Löschschaum entwickelt, der um ein Vielfaches effizienter und umweltverträglicher war als alles, was damals auf dem Markt zu haben war. Als gelernter Klärwärter hatte er auch ein Basiswissen, das ihm bei seiner Löschschaum-Tüftelei ganz nützlich gewesen war. Die Brandl-Feuerlöscher schlugen ein wie eine Bombe und die Firma wuchs und wuchs. Alfons hatte seine Arbeitsstelle in der Unterfilzbacher Kläranlage natürlich gekündigt und gründete seine eigene Firma, die Brandl Brandbekämpfung GmbH & Co. KG – kurz die BBB.

    Inzwischen war die BBB dick im Geschäft und zu einer Firma mit fast dreihundert Mitarbeitern herangewachsen. Der alte Brandl hatte über die Jahre nicht aufgehört zu tüfteln und entwickelte seine Erfindung immer weiter oder erfand gar Neues hinzu. Er war ein fleißiger, sympathischer und angenehm ruhiger Mann, der aber seinen Wohlstand nicht zur Schau stellen musste, so wie manch andere es getan hätte. Hansi mochte ihn. Verheiratet war der Alfons mit Margarethe – genannt Gretl – Brandl. Soviel Hansi wusste, ging es der Gretl aber nicht sonderlich gut. Gerüchteweise war sie schwer krank und konnte seit Kurzem das Bett nicht mehr verlassen. Sie stand nicht mit am Grab, bemerkte Hansi, als er sich ein wenig neugierig streckte, um nachzuschauen. Neben dem Alfons stand lediglich der einzige Sohn des Paares, der Karl. Der Brandl-Sprössling war allerdings im Gegensatz zu seinem Vater nicht unbedingt bescheiden oder gar fleißig. Karl trug seinen Wohlstand nur zu gerne zur Schau. Er fuhr die größten und teuersten Autos, trug die angesagtesten – dafür aber geschmacklosesten – Designerklamotten und war neben seinem Pro-forma-Beruf in der BBB die meiste Zeit über als Playboy unterwegs. Der Mittvierziger war deswegen auch immer noch unverheiratet. Wie man so schön sagt, »ließ er die Sau raus« wo es nur ging.

    Als Hansi die Brandls so beobachtete, wurde ihm wieder einmal klar, dass Geld nicht glücklich machte, denn so sahen weder Karl noch Alfons aus. Sicher lag es aber hauptsächlich an der Sorge um die kranke Gretl, vermutete er.

    Nach weiteren Analysen der Personen an den umliegenden Gräbern stieg nun ein freudiges Gefühl in Hansi auf, denn er erblickte den Unterfilzbacher Pfarrer, der mit einer »vatikangroßen« Heerschar von Ministranten durch die Reihen zog und die Gräber segnete. Scharnagl freute sich nun nicht unbedingt so sehr, weil er Pfarrer Birnböck so gerne mochte, aber das »Gesegne« war sozusagen das Finale, der Endspurt und gleich war es vorbei. Hansi konnte sich dann endlich auf Bettinas Kuchen stürzen, denn ein Mittagessen gab es an Allerheiligen aus Stressgründen auch nicht im Hause Scharnagl und Hansi war regelmäßige Nahrungsaufnahme sehr wichtig. Nach kurzem Small Talk auf und um den Friedhof herum löste sich die katholische Freiluft-Versammlung auch recht zügig auf und alle zog es nach Hause zu frischem Kaffee und Kuchen.

    Eine illustre Runde aus Scharnagls und Schlessingers aller Altersgruppen traf nun nach und nach im Partykeller des Hauses in der Birkenstraße ein. Aus München, Passau oder auch nur aus dem Nachbardorf Fichtenberg kamen sie jetzt angereist. Hansi freute sich jedes Jahr wieder, dass er mit all seinen Verwandten gut auskam, auch wenn man sich das Jahr über nicht oft sah. Außerdem war diese Runde immer äußerst informativ, wenn es um soziale Neuigkeiten aus der Region ging. Die Hinkhofer Berta hätte ihre wahre Freude daran gehabt.

    Zuerst einmal wurden die neuen Freunde beziehungsweise Freundinnen der Teenager-Neffen und -nichten ausdiskutiert und deren familiäre Herkunft genau recherchiert.

    »Das ist doch der Bub von der Gschwendtner Erika ihrer Schwester ihrem zweiten Mann. Der mit der großen Nase, der erst mit der Loibl Hildegard zusammen war. Weißt schon, der, der dann beim Schwarzarbeiten vom Dankesreiter Paul anzeigt worden ist.«

    »Ach ja, genau der. Ich hab‘s mir eh fast schon gedacht, wegen der Mordstrumm Nasen.«

    Dann kam man auch schon wieder auf die internen Unterfilzbacher Dorfgeschichten zurück. Da wusste zum Beispiel Bettinas Cousine Emma, die als Krankenschwester im Kreiskrankenhaus arbeitete, zu berichten, dass beim Weiderer Erwin tatsächlich ein komplizierter Oberschenkelhalsbruch diagnostiziert worden war, den der »Friedhofswegerl-Unfall« verursacht hatte. Hansi empfand natürlich gleich männliches Mitgefühl für den armen Erwin, aber auch wiederum Schadenfreude wegen der Berta, der Bissgurken, der oberschlauen. Ein schlechtes Gewissen sollte sie plagen, die ganze Nacht lang. Da der Weiderer ja ohne familiären Anhang war, war es ein Glück, dass der pensionierte Postbotenbeamte einen fürsorglichen Nachbarn namens Sepp Müller hatte. Der würde sich schon um den Erwin kümmern, so wie er es halt immer tat, da waren sich alle Anwesenden einig.

    Außerdem wusste die redselige Emma – der die Schweigepflicht offenbar am Arsch vorbeiging – dass die arme Brandl Gretl schon austherapiert war. Was leider nicht bedeutete, dass sie geheilt war, sondern dass die Mediziner sie aufgegeben hatten und man ihr nur noch die letzte Zeit so angenehm wie möglich gestalten konnte. Sie hatte wohl Krebs im Endstadium und es war nur noch eine Frage von Tagen.

    »Mei, die arme Gretl. Ihr ganzes Leben lang haben sie und ihr Fonsi gearbeitet und jetzt, wo sie sich ein schönes Leben machen hätten können … wirklich tragisch«, war Bettina voller Empathie.

    »Ja schon, aber wer hätte sich dann um die Firma gekümmert, wenn der Fonsi und die Gretl das Leben genossen hätten? Der Berufssohn Karl vielleicht?«, sprach Onkel Hubert zynisch mit hochgezogener Augenbraue in die Lästerrunde.

    Der Onkel Hubert musste es ja wissen, dachte sich der Hansi, er hatte ja jahrelang bei der BBB als Betriebshausmeister gearbeitet, aber zur Sicherheit fragte Hansi doch noch mal nach. »Ja, ist er denn wirklich so stinkert faul, wie alle immer erzählen?«

    »Ha, der ist nicht nur stinkert faul, sondern auch ein aufgeblasenes, eingebildetes Arschloch. Wenn der Fonsi einmal nimmer ist, dann geht die Firma sowieso den Bach runter. Das sag ich euch«, empörte sich Onkel Hubert über seinen ehemaligen Juniorchef. Er war ganz offensichtlich kein Fan vom Brandl Karl.

    Tante Silvia interessierte sich hingegen eher für die zwischenmenschlichen Dinge des Lebens. »Du, Hansi, was ist denn jetzt eigentlich mit dem Sepp und der Aschenbrenner Maria?«

    »Pfffff«, antwortete Hansi ein wenig überfragt.

    Er wusste überhaupt nicht, was er anderes darauf hätte sagen sollen, so verfahren war die Sache inzwischen schon. Zum einen war vom Sepp zu diesem Thema nicht viel zu erfahren, zum anderen gab es wohl immer wieder einmal große Kommunikationsprobleme zwischen dem potenziellen Pärchen. Wenn der Beziehungsstatus »es ist kompliziert« irgendwo passte, dann sicher bei Sepp und Maria.

    Der Bauhofangestellte und Erste Feuerwehrkommandant hatte seit geraumer Zeit schon eine »Beziehung in der Anbahnung« mit seiner Jugendliebe am Laufen, der getrennt lebenden Metzgereibesitzerin Maria Aschenbrenner. Aber es ging irgendwie nicht vorwärts. »Do geht nix« – hätte der Bayer die Situation vielleicht kurz und treffend beschrieben. Seit Monaten schon war es ein ewiges Hin und Her und ein

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