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WEIBERHELDENTOD IN UNTERFILZBACH: Krimikomödie aus Niederbayern
WEIBERHELDENTOD IN UNTERFILZBACH: Krimikomödie aus Niederbayern
WEIBERHELDENTOD IN UNTERFILZBACH: Krimikomödie aus Niederbayern
eBook450 Seiten6 Stunden

WEIBERHELDENTOD IN UNTERFILZBACH: Krimikomödie aus Niederbayern

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Über dieses E-Book

Sodom und Gomorra im beschaulichen Unterfilzbach:
Hansi steckt in einer Lebenskrise. Schuld daran ist nur sein neuer, fauler, aber äußerst attraktiver Bauhofkollege Monaco, den alle Damen und Männer des Dorfes anhimmeln. Als Monaco plötzlich ums Leben kommt, fällt der Verdacht sofort auf Hansi und er muss in U-Haft. Mithilfe seines greisen, aber erfahrenen Rechtsbeistandes Poldi kommt er zum Glück bald frei und die beiden Herren ermitteln nun auf eigene Faust. Doch schnell verlieren sie die Übersicht über die Vielzahl der Affären des potenten Weiberhelden. Beinahe das ganze Dorf ist jetzt verdächtig, und es gibt noch weitere Geheimnisse, die gelüftet werden müssen. Was haben eigentlich die Bauhofmänner mit dem "Bürgermeister-Gate"-Skandal im Dorf zu tun? Wird es Hansi schaffen, sein Rasenmäher-Comeback zu feiern? Und findet die bissige Dorfratschen Berta Hinkhofer endlich einen Mann fürs Leben?
Band Sechs der erfolgreichen niederbayrischen Krimikomödie um "Hobby-Detektiv" Hansi Scharnagl und die ebenso schrulligen wie liebenswürdigen Bewohner des beschaulichen Dorfes Unterfilzbach – für Fans der Regionalkrimis von Rita Falk, Jörg Maurer und Volker Klüpfel.
SpracheDeutsch
HerausgeberLuzifer-Verlag
Erscheinungsdatum27. Okt. 2023
ISBN9783958358201

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    Buchvorschau

    WEIBERHELDENTOD IN UNTERFILZBACH - Eva Adam

    Kapitel 1

    Lebenskrise

    Die Knie schlotterten unter seiner Wohlfühl-Engelbert-Strauß-Hose, als Hansi Scharnagl vor dem Briefkasten am Dorfplatz stand. Er hatte für sein Vorhaben die Dunkelheit der Abend-Gassi-Runde abgewartet, als würde er selber nicht sehen wollen, was er im Begriff war zu tun. Seine kleine Hundedame Gerti blickte ihn mit wedelndem Schwänzchen und großen Augen verständnisvoll an. Bestimmt konnte sie seine inneren Konflikte mitfühlen. Wenigstens sie stand noch treu an seiner Seite, wenn schon alle anderen seine Verzweiflung nicht verstehen konnten. In seiner schweißnassen Hand hielt Hansi zwei braune DIN-A4-Briefumschläge und wusste nicht, ob er sie nun wirklich in den Schlitz werfen oder lieber einfach weiterhin alles ertragen sollte. Seine Gedanken drehten sich schneller als das Kettenkarussell am Filzer Goldgräberfest, der größten Dult in Hansis geliebtem 3000-Seelen-Heimatdorf Unterfilzbach.

    Und genau darin lag auch schon die ganze Tragik. Eigentlich hätte er gar nicht zufriedener sein können. Mit seiner Frau Bettina und seinen drei inzwischen so gut wie erwachsenen Kindern lebte er ein wunderbares Leben. Denn zu seinem Familienglück arbeitete er in seinem absoluten Traumjob. NOCH!

    Im örtlichen Bauhof von Unterfilzbach war er inzwischen sogar die Karriereleiter hinaufgeklettert und zum stellvertretenden Kapo befördert worden. Zwar bedeutete dies nun auch, dass er noch enger mit Wiggerl Hackl – seinem neurotischen, sich selbst überschätzenden und dauernervösen Chef – zusammenarbeiten musste, aber was nahm man für die Karriere nicht alles in Kauf.

    Johann Scharnagl

    stellvertretender Bauhofleiter

    Unterfilzbach /Niederbayern

    … stand auf seinen Visitenkarten.

    Ja tatsächlich, er hatte jetzt sogar eigene Visitenkarten.

    Zwar wusste Hansi nicht, wozu er diese überhaupt jemals brauchen könnte, schließlich kannte ihn sowieso jeder im Dorf und auch ihm waren alle Unterfilzbacher bestens vertraut. Aber als Wiggerl für sich selbst die ganz wichtigen und furchtbar dringend benötigten Visitenkarten beim Bürgermeister bestellt hatte, wollte Hansi ebenfalls welche haben. Da ging es einfach ums Prinzip.

    Ansonsten wäre der Bauhof sein ganz persönliches Paradies gewesen, rein arbeitstechnisch zumindest. An Wiggerl hatte er sich in den letzten 20 Jahren auch schon zu sehr gewöhnt, wahrscheinlich würde ihm seine penetrante Dauerhysterie sogar mächtig fehlen, wäre er nicht mehr sein Arbeitskollege. Hansi liebte es einfach, im Sommer den gemeindlichen Rasenflächen auf seinem Aufsitzrasenmäher »Gras Killer 4.0« einen perfekten englischen »Green Cottage Cut« zu verpassen, dass selbst die englische Queen – Gott selig – mit den Ohren (oder mit einem ihrer Krönchen) geschlackert hätte. Da machte ihm so schnell keiner etwas vor. Der Scharnagl war ein wahrer »Mäh-Mozart«, regelrecht virtuos auf dem Gebiet der Mulch- und Schnittkantentechnik. Sogar Bürgermeister Matthias Brunner prahlte einmal in der Kreistagssitzung mit den tipptopp gepflegten Grünanlagen in seiner Gemeinde, das hatte Hansi aus verschiedenen Quellen erfahren. Damals grinste er fast eine Woche durchgehend vor Stolz.

    Der Sommer im Bauhof war schon wunderbar, aber den Winter liebte er beinahe noch mehr. Wenn er in verschneiten, eiskalten Winternächten mit seinem geliebten Baby, dem großen Räum- und Streufahrzeug »Snow Magic Hero 1000«, durch die dunklen Straßen im Ort cruiste, verspürte er wahre Glücksgefühle. Dann war es, als wäre er der »König der Welt«. Erhaben, stark und unbesiegbar kämpfte er gegen Straßenglätte und die mächtigen Schneemassen des Bayerischen Waldes.

    Hansi hätte sich wirklich kein besseres Leben vorstellen können. Aber seitdem ER da war, machte Scharnagl sogar die schönste Arbeit keinen Spaß mehr und das zog sich inzwischen bis in sein Privatleben hinein. Wahrscheinlich hatte Hansi sogar schon eine kleine Depression. So konnte es auf keinen Fall weitergehen! Es musste etwas passieren!

    ER! Das war sein neuer junger Kollege Moritz Heidecker.

    Sechsundzwanzig Jahre, dunkelhaarig, durchtrainiert, breite Schultern, Wespentaille, nusserlbraun (wie man in Bayern zu einem sexy Teint zu sagen pflegt), stahlblaue Augen und ein Gesicht wie der junge Brad Pitt. Des Weiteren trug er stets ein seltsames Grinsen im Gesicht, als hätte er ungefähr 2,5 Promille Alkohol im Blut und wäre ansonsten geistig auch nicht unbedingt auf der Höhe der Zeit. Dieses »depperte Gschau«, wie Hansi es nannte, nahm die Unterfilzbacher Damenwelt offenbar völlig anders wahr. Man konnte regelrecht dabei zusehen, wie die Ladys dahinschmolzen, wenn der Heidecker nur kurz grinste und das jeweilige Objekt der Begierde anblinzelte. Furchtbar!

    Fast vier Monate war er nun schon sein Kollege.

    Wiggerl Hackl war schwer begeistert von diesem jungen Typen mit dem »depperten Gschau«. Dies hatte allerdings auch einen ganz besonderen Grund. Heidecker war nämlich Wiggerls Großneffe oder sonst irgendwie entfernt verwandt, und der Bauhofkapo bildete sich nun ein, diesen Schlag bei Frauen hätte er nur von ihm geerbt. Er sah ihn sozusagen als seinen direkten Charme-Nachfolger an. Ausgerechnet der 1,68m große Ludwig Hackl, der ein Mords-Wamperl mit sich herumtrug, kaum mehr Haare auf dem Kopf hatte, ein prächtiges Doppelkinn sein Eigen nannte und bei dem vermutlich keine einzige Frau jemals dahingeschmolzen war, außer vielleicht irgendwann einmal seine Hilde. Aber auch die schmolz inzwischen sicher nicht mehr, wenn Wiggerl sie mit seinem abgebrochenen Schneidezahn angrinste. Schließlich hatten die ganze Bauhoftruppe und alle sonstigen Unterfilzbacher schon sehr oft miterlebt, wie der Bauhofchef vor seiner Angetrauten kuschte. Turtelnd war der Umgangston zwischen den Hackls ganz sicher nicht mehr, man könnte die eheliche Kommunikation eher mit der Befehlserteilung einer Truppenübung im Bundeswehrjargon verwechseln, und es war hier mehr als klar, dass Hilde der Feldwebel war.

    Wiggerl hatte ausgerechnet Moritz als Hansis Partner auserkoren, denn die Bauhofmänner arbeiteten seit jeher traditionell meistens in Zweier-Teams zusammen. Seitdem Sepp Müller, Hansis allerbester Freund, vom örtlichen Bauhof zur Brandls-Brandbekämpfung GmbH gewechselt war, hatte er keinen festen Team-Partner mehr gehabt. Er war sozusagen Bauhof-Swinger, wie seine Kollegen ihn manchmal liebevoll frotzelnd titulierten. Er wäre auch ganz prima alleine klargekommen, als Bauhof-Single quasi, aber nun hatte er halt diesen Moritz an der Backe und das war für ihn gefühlt schlimmer als eine Zwangsehe.

    Dieser faule Taugenichts machte Hansis ehemals so geliebten Arbeitsalltag inzwischen schier unerträglich. Allein die Tatsache, dass er das ganze Tagwerk fast immer allein erledigen musste, brachte Hansi auf 180. Von wegen Teamwork!

    Dazu kam aber noch dieses unglaublich arrogante und provozierende Auftreten des eingebildeten Schönlings. Jedes Mal, wenn ihn Hansi als erfahrener Bauhofexperte in eine neue Tätigkeit einweisen wollte, erhielt er vom Jungspund Antworten wie: »Geh Scharnagl, das brauchst' mir doch nicht zu erklären. Diese Gullideckel kann doch der größte Depp in die Einfassung anpassen« oder »Rasenmähen kann doch wirklich jeder, was faselst denn da umeinander mit deiner Schnittkannte und dem ganzen Glump. Da fahren wir mit dem Mäher drüber und fertig!«

    Überhaupt keinen Respekt vor der erfahrenen Generation, diese Jugend! Immer wollen sie die Arbeit nur schnell und gschlampert erledigen, keine Qualität mehr abliefern. Aber Hochmut kommt hoffentlich vor dem Fall. Wo soll das denn irgendwann noch hinführen? Armes Unterfilzbach, armes Bayern, ärgerte sich Hansi täglich.

    Erschwerend hinzu kam nun auch noch, dass, egal, was sie gerade taten und wo auch immer sie gerade zugange waren, Moritz stets mit absolut jeder Frau, ganz gleich wie schiach (also wie greislig) sie war, auf Teufel komm raus flirtete. Da blieb für die Arbeit natürlich nicht mehr viel Zeit. Er säuselte und kicherte mit den Weibern, dass es Hansi jedes Mal direkt schlecht wurde, wenn er dabei zusah und gleichzeitig im Schweiße seines Angesichts ihre Team-Aufträge allein erledigen musste. Irgendwann hatte Hansi ihm sogar spontan und unüberlegt den Spitznamen Monaco verpasst, auch wenn dies im Nachhinein eigentlich viel zu nett gewesen war, schließlich zählte der kultige »Monaco Franze« zu Scharnagls absoluten Lieblingsserien. Insgeheim sah er nämlich sich selber als den Frauenschwarm und Charmeur, den Helmut Fischer darin verkörperte. Im Gegensatz zum »Fernseh-Monaco« war Hansi seinem »Spatzl«, beziehungsweise seinem Zuckerschoasal Bettina, aber absolut treu. Moritz, also Monaco 2.0 hingegen, hatte beim Thema Treue offenbar ganz andere Ansichten. Zwar war bisher keine feste Partnerin an Monacos Seite in Erscheinung getreten, aber den jüngsten Gerüchten zufolge war er in etlichen Unterfilzbacher Betten zu Gast. Ein vermeintlicher Single konnte natürlich tun und lassen, wozu er Lust hatte, aber unter seinen angeblich vielzähligen Gspusis aus dem ganzen Landkreis in jeder Alters- und Gesellschaftsschicht, waren gut und gerne 90 Prozent verheiratet oder in festen Händen.

    So wie es aussah, war der Monaco ein richtiger »Weiberer«, wie er im Buche steht. Ein Frauenheld, den es in diesem Kaliber wohl in Unterfilzbach noch nicht gegeben hatte, sollten alle Affären stimmen, die in der Gerüchteküche im Umlauf waren. Da konnte sogar der legendäre Las Vegas Charly – Gott selig – nicht mithalten.

    Was den armen Hansi aber wirklich rasend machte und langsam aber sicher eine Gefahr für seinen Blutdruck darstellte, war die Tatsache, dass anscheinend restlos alle außer ihm selber, diesen Aufreißer und gstinkert faulen Hund tatsächlich sympathisch, lustig, ja sogar charmant fanden. Die Gründe dafür waren vielfältig: Wiggerl aus bekannter selbstbeweihräuchernder Egomanie, seine Kollegen, weil der »lustige Moritz« während der Bauhofbrotzeiten immer (zugegebenermaßen sogar recht unterhaltsam) mit seinen schlüpfrigen Frauengeschichten prahlte und dadurch den alternden Männern in Kommunalorange wohl das Gefühl vermittelte, ebenfalls attraktiv, sexy und anziehend zu wirken. Der Bürgermeister fand den Neuen vom Bauhof sogar äußerst kompetent, wie er einmal am Stammtisch beim Dorfwirt erwähnt hatte. Hansi traute zuerst seinen Ohren kaum, als er dieses völlig unpassende Attribut aus dem Mund von Matthias Brunner hörte, fand aber bald darauf heraus, woher diese fragwürdige Begeisterung kam.

    Moritz hatte nämlich eines Nachts das vermutlich stark »überhopfte« Gemeindeoberhaupt am Straßenrand aufgelesen, als dieser nach einem politischen Außentermin wohl ein kleines Bäumchen übersehen hatte und mit seinem BMW frontal dagegen gefahren war. Matthias Brunner wollte dies aus bisher offiziell unbekannten – aber sicher zwielichtigen – Gründen nicht der Polizei melden. Wie es dann der Zufall wollte, kam ausgerechnet der Heidecker mitten in der Nacht am Unfallort vorbei, brachte den völlig verängstigten Bürgermeister nach Hause und dessen stark beschädigten BMW mit Hilfe seines neuen Spezls, dem Huberbauer Vinzenz und einem landwirtschaftlichen, zugkräftigen Gefährt gleich zum »Vergaser-Kubi« in dessen Kfz-Werkstatt.

    »Wenn er in der Arbeit auch a mal so fleißig wäre, dann müsste ich nicht immer allein schuften«, ärgerte sich Scharnagl sofort, als er diese Geschichte vom Huberbauern Senior erzählt bekommen hatte. Und ja, sogar sein zweitbester Freund, der Huber Michl verstand Hansis Antipathie gegen diesen »zünftigen jungen Burschen« überhaupt nicht.

    Inzwischen hatte sich sogar der nicht unbedingt lieb gemeinte Spitzname im Dorf eingebürgert und die meisten Unterfilzbacher fanden wohl, dass »Monaco« wie die Faust aufs Auge zu Moritz passte, allein schon wegen der Gspusi-Gerüchte. Was dann wiederum durchaus nett und wohlwollend von der Dorfbevölkerung gemeint war, aber ursprünglich keinesfalls von Hansi.

    »Mei Scharnagl, was hast denn gegen den Monaco? Der ist doch ganz lustig. Und dass der jetzt wirklich so faul sein soll, glaub ich dir sowieso nicht. Du tust ja grad so, als würdet ihr euch beim Bauhof alle jeden Tag einen Haxen ausreißen. Letzte Woche hat der Monaco mit meinem Vinzenz sogar unseren kaputten Fendt repariert. Der ist ein 1a-Schlosser und hat die Antriebswelle wirklich perfekt zusammengeschweißt. Erstklassige Arbeit, die er da abgeliefert hat. Bist am End' nur eifersüchtig?«, lachte ihn der Huberbauer aus.

    Für Hansi war diese ganze Situation schier unglaublich, aber so wie es aussah trotzdem wirklich wahr. Sein engstes Umfeld verschwor sich inzwischen schon gegen ihn. Scharnagls sensibles Herz blutete, er brauchte doch die Harmonie. Nicht einmal fünf Monate waren vergangen, seit dieser depperte Heidecker wie aus dem Nichts im KaufGut-Supermarkt aufgetaucht war und nach dem Marktleiter Horst Aulinger fragte. Bettina Scharnagl saß an diesem, wie an allen anderen ihrer Arbeitstage, an der Kasse und berichtete nach Feierabend ihrem Gatten vom aufsehenerregenden Erscheinen eines attraktiven jungen Mannes. Damals konnte Hansi noch nicht einmal ahnen, welch tiefgreifenden Folgen dieser Tag für ihn haben würde.

    Der Supermarkt-Chef dachte zuerst, der junge Mann wollte sich auf die ausgeschriebene Stelle an der Käsetheke bewerben, jedoch hatte er sich dabei gewaltig geirrt. Bei einem längeren Gespräch in Aulingers Büro, welches rein »zufällig« und völlig »unbeabsichtigt« von zwei Supermarktmitarbeiterinnen an der Tür zum Personalraum mit angehört wurde, platzte dann die Bombe.

    Horst Aulinger hatte einen außerehelichen Sohn gezeugt und dieser stand nun leibhaftig in Unterfilzbach. Der Supermarkt-Chef musste wohl vor etwas mehr als 26 Jahren im Raum Nürnberg bei einer Verkaufsschulung für »KaufGut«-Nachwuchsführungskräfte etwas über die Stränge geschlagen haben. Das Resultat dieser Firmenweiterbildung stand nun direkt vor ihm. Dermaßen intensiv hatte sich die Konzernführung die sogenannte »Netzwerkveranstaltung« für ausgewählte Mitarbeiter damals wahrscheinlich nicht vorgestellt.

    Die Gerüchteküche im Dorf kochte sich natürlich recht schnell bis zum Siedepunkt empor. Als dann Frau Aulinger zwischenzeitlich sogar in eines der drei Gästezimmer beim Dorfwirt gezogen und damit indirekt die bis dato reinen Vermutungen bestätigt hatte, war für die Teilnehmer der investigativen Aufklärungsgruppe »SOKO Horsts Gspusi« klar, dass an den ganzen Spekulationen wohl etwas Wahres dran sein musste.

    Berta Hinkhofer, ihres Zeichens »Queen of Dorftratsch« verbreitete den jeweils aktuellen Wissensstand der »Affäre« gewohnt engagiert an den üblichen Umschlagplätzen.

    Als sie schließlich nach einer feuchtfröhlichen Frauenbundausschusssitzung sogar aus erster Hand, nämlich von Margret Aulinger persönlich erfahren hatte, dass auch der Vaterschaftstest ein eindeutiges Ergebnis zutage gebracht hatte, verebbte das Thema langsam wieder – sehr zum Leidwesen der Hinkhoferin. Die Aulingers hatten sich wohl mit dieser pikanten Situation arrangiert, auch wenn es für die betrogene Ehefrau sicher nicht einfach gewesen war. Ab sofort war alles offiziell gewesen und darum musste man nun nicht mehr hinter vorgehaltener Hand mutmaßen und spekulieren, wie denn die Umstände des »Falles« genau wären.

    Eigentlich war das eine ganz geniale Strategie von Margret und Horst gewesen. Sie spielten einfach mit offenen Karten, bevor der Dorftratsch wieder die abstrusesten Theorien hervorbrachte.

    Den abrupten Rückgang des Interesses bedauerte Berta sehr, denn sie war gerade zur Hochform aufgelaufen. Außerdem nahm sie dafür sogar größere finanzielle Einbußen in Kauf. Die »fürsorgliche« Berta hatte nämlich dem »unehelichen Bangert« Moritz, wie man früher im konservativen Bayern solch eine derartige Familienherkunft bezeichnete, ihre kleine, frisch renovierte Einliegerwohnung in ihrem Haus zu einem sehr günstigen Mietzins angeboten. Natürlich nahm der Neu-Unterfilzbacher dieses überaus großzügige Angebot umgehend an und zog mit seinen Siebensachen im Hause Hinkhofer ein. Durch die unmittelbare Nähe zum top-aktuellen »Tratsch-Brennpunkt« erhoffte sich Berta logischerweise viele Interna in der pikanten Angelegenheit und wünschte sich, dass sie dadurch wieder einmal eine gefragte Person im Dorf werden würde.

    Fräulein Hinkhofer genoss es nämlich in vollen Zügen, wenn sie zu allen möglichen gesellschaftlichen Themen befragt wurde. Das gab ihr ein berauschendes Gefühl der Macht, denn sie konnte dann, je nach Sympathie für den wissbegierigen Fragenden, wohl dosiert Auskunft geben oder eben auch nicht. Aber leider blieb der erwartete große Wissensdurst der Dorfgemeinschaft nach der offiziellen Legitimation des heimgekehrten Sohnes fast gänzlich aus und Berta ärgerte sich schwarz über ihre Gutherzigkeit.

    Denn, wie fast überall im schönen Bayern, war die Nachfrage nach Wohnraum enorm, so auch in Unterfilzbach. Frau Hinkhofer hätte locker das doppelte an Miete kassieren können, wenn sie nicht so furchtbar selbstlos gewesen wäre. Aber sie ließ den armen Monaco quasi für »ein Budderbraoud« (was übersetzt »für ein Butterbrot« hieß und gleichbedeutend mit der hochdeutschen Redewendung »für n' Ap'l und n' Ei« war, diese aber ein Bayer aus Prinzip nicht verwenden würde) bei sich wohnen. Allerdings wandelte sich ihr Ärgernis über sich selber schlagartig wieder, als Moritz bald darauf zu Monaco wurde und sich die Gerüchte über seine mannigfaltigen Eroberungen häuften, die sogar über das Unterfilzbacher Gemeindegebiet hinausreichten.

    Damit war sie quasi wieder im Spiel und folglich abermals eine begehrte Gesprächspartnerin am Friedhof, Supermarkt, Recyclinghof oder wo man eben sonst noch über seine Mitbürger herzog.

    Außerdem war Berta halt auch nur eine Frau aus Fleisch und Blut, selbst wenn das der ein oder andere Unterfilzbacher manchmal anzweifelte. Jedenfalls erlag auch sie recht bald der Charmeoffensive des gutaussehenden Monacos. Inzwischen hatte er sie sogar so weit gebracht, dass sie seine Wäsche für ihn erledigte und das auch noch umsonst. Lediglich zwei Stücke Käsesahne, fünf Minuten Verführerlächeln und ein paar seiner abgestandenen Standard-Anmachsprüche hatte es ihn gekostet und Berta war Wachs in seinen Händen. Seitdem kümmerte sie sich rührend um seine dreckigen Unterhosen, erledigte ab und an seine Einkäufe, kochte gelegentlich für ihn und sprach nur in den höchsten Tönen von »ihrem Monaco«. Allein diese Tatsache war schon eine Sensation, wenn man Berta und ihre sonstigen zwischenmenschlichen Beziehungen kannte. Hansi konnte über den neuen Wesenszug seiner Lieblingsfeindin nur noch den Kopf schütteln.

    Bettina hatte die Hinkhoferin einmal gefragt, ob sie nun mit Monaco ihre bisher nicht entwickelten Muttergefühle ausleben konnte, was Berta absolut empörte. Schließlich wäre es nicht ungewöhnlich, wenn ein 44 Jahre jüngerer Mann seine Zeit gern mit einer attraktiven, unterhaltsamen fast 70-Jährigen verbringen würde. Und überhaupt waren sie schließlich »NUR Freunde« und Bettina sollte hier ja keine falschen Gerüchte in Umlauf bringen, sonst würde sie sie kennenlernen. Frau Scharnagl brach daraufhin in ungebremstes Gelächter aus, was sie jedoch umgehend bereute.

    Eine der berühmt-berüchtigten Schimpftiraden a la Hinkhofer folgte auf dem Fuß. Die Frage, ob Bettina bei »NUR Freunde« einen bedauernden Unterton gehört hatte, wollte sie ihr nicht mehr stellen. Eigentlich gönnte sie Dauersingle Berta wirklich einmal einen Mann. Allerdings sah sie Monaco nicht unbedingt als die Idealbesetzung für diesen Posten. Ein Mann an Bertas Seite müsste schon »hoglbuachan« sein, wie man in Niederbayern so schön sagt, also wirklich hartgesotten und keinesfalls zart besaitetet. Bettina verkniff sich seit diesem denkwürdigen Gespräch vor ein paar Wochen jeglichen Kommentar über den neuen Mitbewohner im Hause Hinkhofer, zumindest vor Berta selbst.

    Aber so wie es aussah, war der »Zuagroaste« Moritz Heidecker – alias Monaco – allseits beliebt, nur eben bei Hansi nicht.

    Der arme Scharnagl schleppte sich inzwischen täglich mit Bauchschmerzen zur Arbeit. So was hatte es in seiner 20-jährigen Karriere beim Bauhof vorher noch an keinem einzigen Tag gegeben. Er war ratlos, deprimiert und sah keinen anderen Ausweg mehr, als seine geliebte kommunalorange Latzhose wohl oder übel an den Nagel zu hängen. Ansonsten würde er sich sicher bald ein Magengeschwür einhandeln.

    Schon des Öfteren hatte er versucht mit seiner Frau und auch mit seinen besten Freunden Sepp Müller und dem Huberbauern über seinen tieftraurigen Seelenzustand zu reden, den der verhasste Monaco bei ihm ausgelöst hatte. Sepp fand, dass Hansi wieder einmal absolut überreagierte, und wollte dann nicht weiter darauf eingehen.

    Bettina fand sogar noch drastischere Worte: »Hansi! Du bist doch ein erwachsener Mann, was stellst dich denn an wie ein Kindergartenkind? Was tut er dir denn? Ha? Nur weil der Monaco Erfolg bei den Frauen hat und im Dorf beliebt ist? Hast Angst, dass er dir deinen Status als Everybodys Darling streitig macht? Reiß dich gefälligst zusammen!«

    Seit dieser brutalen Ansage vor einer Woche hatte Scharnagl kein Wort mehr über seine Sorgen in Gegenwart seiner Frau verloren. Es war wie eine kräftige Watschen, die ihm Bettina damit verpasste. Was war nur mit seinem Zuckerschoasal passiert? Sie stand doch seit über 25 Jahren treu an seiner Seite, zumindest bisher.

    Hansi war nicht einmal beleidigt, was er ansonsten üblicherweise nach ehelichen Diskrepanzen war. Dieses Thema ging viel tiefer. Zum ersten Mal musste er seine Sorgen und Probleme mit sich selber ausmachen, und das, obwohl er eigentlich immer über restlos alles reden musste. Hansi brauchte einfach das Zwiegespräch. Am liebsten natürlich mit Bettina oder Sepp, dann wurde einfach immer alles klarer für ihn. Nun aber fühlte er sich völlig allein gelassen und sah keinen anderen Ausweg mehr.

    Er musste weg von diesem neuen Kollegen, da half alles nichts. Ob es die richtige Entscheidung war, wusste er nicht, denn seine Ratgeber waren in seiner größten Krise verständnislos …

    Die Einzige, mit der er vorgestern dann doch über seine geheimen Pläne gesprochen hatte, war seine jüngste Tochter Indira. Vor drei Tagen war sie aus dem entfernten Chicago angereist, wo sie normalerweise ihrem Studium der Umwelttechnik nachging. Allerdings wollte die Gebildetste aller Scharnagls ihr Praktikumssemester lieber in der Heimat absolvieren und würde ab nächster Woche in der Kreisstadt bei einem innovativen Ingenieurbüro Erfahrungen sammeln.

    Niederbayern ist halt doch schöner als das depperte Amerika, dachte Papa Scharnagl insgeheim und freute sich über ihre Anreise. Hansi ging das Herz auf, als sie ihre Pläne vor ein paar Wochen angekündigt hatte und nun wieder in den Schoß der Familie zurückgekehrt war. Zwar nur für ein halbes Jahr, aber immerhin hatte Hansi sein Scheißerl für kurze Zeit wieder.

    Indira war immer schon sein letzter Rettungsanker gewesen, wenn er sich verzettelt hatte. Dies betraf meistens eher intellektuelle Themen. Wie beispielsweise damals, als sie seine erste Rede vor dem Gemeinderat für ihn geschrieben hatte, nachdem er dem Nervenzusammenbruch nahe war. Ohne Indira hätte er vor lauter Nervosität keine einzige Zeile zu Papier gebracht. Oder als er den Familiencomputer fast aus dem Fenster geworfen hatte, nach der mehrmaligen Eingabe eines falschen Passwortes. Immer war Indira diejenige gewesen, die ihn in letzter Sekunde gerettet hatte. Zwar war sie knallhart und ehrlich wie ihre Mutter, aber letztendlich hatte sie doch ein gutes Herz und half ihrem Vater jedes Mal aus der Patsche. Und auch diesmal unterstützte sie ihn.

    Die Sorgen trieben den armen Hansi so sehr umher, dass er seit kurzem nachts nicht mehr durchschlafen konnte. Auch Indira machte der Jetlag zu schaffen und so begab es sich, dass sich Vater und Tochter vorgestern Nacht auf der Hausbank trafen. Bei frühlingshaften Temperaturen und romantischem Mondlicht führten sie tiefgründige Gespräche über Hansis seelische Verfassung.

    »Das ist ja direkt Mobbing!«, sprach das Nesthäkchen sorgenvoll, nachdem ihr Vater ausführlich seine Qualen, die von diesem depperten Monaco verursacht wurden, berichtet hatte.

    »Gell! Das hab ich mir auch schon gedacht, der mobbt mich! Wenigstens ein Mensch, der mich versteht …«, seufzte Hansi tieftraurig. Schluchzend erzählte er frei von der Leber weg, wie sehr er den neuen Kollegen verabscheute und wie schlimm die Zusammenarbeit mit ihm sei. Dass es ihm außerdem zu schaffen machte, dass alle seine Freunde und eigentlich ganz Unterfilzbach von diesem Kerl schwärmten, verschwieg er lieber. Schließlich war er ein vorbildlicher Familienvater und vor seinen Kindern wollte er derartig niedrige Beweggründe wie Neid und Eifersucht dann doch nicht zugeben.

    »Ja, was ist denn das für ein Depp, Papa? Ha? Sag a mal. Hast du da schon mit deinem Chef gesprochen? Das geht ja nicht …«, entrüstete sich die Studentin.

    »Mit Wiggerl? Geh Indira, der ist ja sogar auch noch mit dem Hirschen verwandt. Kennst ja die Hackls, wie die immer zusammenhalten. Da zählen zwanzig arbeitsreiche, loyale und fachkundige Jahre nicht … Blut ist da dicker als Wasser.«

    »Na dann gibt's wirklich nur eine Möglichkeit, du musst dir eine andere Arbeit suchen, Papa.«

    Als dieser schreckliche, aber wohl einzige Ausweg nun von einer anderen Person ausgesprochen wurde und nicht nur in seinem Kopf umhergeisterte, war ihm erst richtig bewusst geworden, wie ernst die Lage wirklich war. Hansis Augen füllten sich mit Tränen und seine Hände fingen an zu zittern. Aber es half wohl alles nichts, er musste nun beruflich andere Wege einschlagen.

    »Wahrscheinlich hast du recht, Indira. Wenn mich im Bauhof keiner mehr zu schätzen weiß, dann wird's wohl Zeit zu gehen. Aber mit meinen Fähigkeiten nimmt mich eh jeder mit Kusshand. Die werden blöd schauen, wenn ich weg bin«, entgegnete er trotzig.

    »Was willst' denn machen? Hast du dich schon wo beworben?«, wollte das jüngste Scharnagl-Kind wissen.

    »Ähm, nein. Ich hab am Samstag kurz in der Zeitung geblättert, aber deine Mutter wollte unbedingt das Kreuzworträtsel auf der anderen Seite machen. Und weil sie mich sowieso nicht versteht, werde ich ihr ganz sicher nicht auf die Nase binden, dass ich mir jetzt eine andere Arbeit suche. Außerdem … du weißt ja …«, stotterte Hansi leicht beschämt.

    »Ja, Papa, ich weiß schon. Du brauchst eine Bewerbung. Das kriegen wir schon hin, ich bin ja jetzt da.«

    Hansis Herz setzte einen ganzen Steinbruch frei, denn nun war er nicht mehr allein mit seinem Problem. Außerdem hatte er jemanden, der eine Bewerbung schreiben konnte. Leider war Herr Scharnagl mit jeglicher Digitaltechnik sowie förmlicher Ausdrucksweise hoffnungslos überfordert.

    Indira zückte ihr Handy und wischte wild darauf herum.

    »Da! Schau, da suchen sie einen Gärtner. Beim Baron von Bieberstein drüben in Fichtenberg. Das wäre doch perfekt für dich. Das macht dir doch Spaß, und so schöne Grünanlagen wie in Unterfilzbach muss man lange suchen. Damit hast du ja dann quasi schon eine Referenz.«

    »Gärtner? Mei, ja, des wär wirklich was für mich. Und Fichtenberg ist ja jetzt auch nicht so weit, das sind nicht a mal zehn Kilometer …«

    Ein Licht am Ende des Tunnels tauchte in Hansis Gedanken auf. Vor seinem geistigen Auge sah er sich bereits auf dem prachtvollen Gutshof Bieberstein mit einem nigelnagelneuen Hightech-Aufsitzrasenmäher durch die herrschaftlichen Gartenanlagen düsen. Sicher war der Baron nur mit dem besten und teuersten Werkzeug ausgestattet, wenn er sich schon einen eigenen Gärtner leisten konnte.

    Hubertus Baron Freiherr von Bieberstein entstammte einer alten Glasmacher-Dynastie, von denen es früher einige im Bayerischen Wald gegeben hatte. Nach und nach verschwanden jedoch die Glashütten und mit ihnen wurden auch die angesiedelten noblen von und zu Herrschaftsfamilien weniger.

    Die »von Bieberstein Glasmanufaktur« war ein Familienunternehmen, das bis heute überlebt hatte. Seit dem 16. Jahrhundert wurde der Besitz vom Vater an den Sohn weitergegeben. Mit der Glasmanufaktur, zahlreichen Immobilien und üppigen Forst- und Landwirtschaften verdienten die Biebersteins sicher nicht wenig Geld. Eh klar, dass die da auch einen Gärtner brauchen, und bestimmt suchen sie einen, der einen richtigen »Green Cottage Cut« hinbekommt, so wie bei den englischen Königs halt auch, dachte Hansi stolz und fühlte sich direkt selbst gleich ein wenig adelig. Eigentlich bekam man in Unterfilzbach nicht viel von den Biebersteins mit, denn sie lebten recht zurückgezogen und halt weite zehn Kilometer entfernt im Nachbardorf. Hansi erinnerte sich dunkel daran, dass es vor ein paar Jahren einmal Mords-Getratsche gab, weil sich der Baron eine 20 Jahre jüngere Gemahlin genommen hatte, nachdem seine erste Frau an Krebs gestorben war.

    Ella von Bieberstein hieß damals noch Ella Stirzinger und war wohl ein recht heißer Feger gewesen. Der Freiherr hatte sie der Legende nach in einer noblen Disco in München aufgegabelt und recht schnell geehelicht. Außerdem wusste Hansi, dass der Baron als stiller Teilhaber in die Unterfilzbacher Brauerei Filzer-Bräu investiert hatte, nachdem diese kürzlich ein wenig in wirtschaftliche Bredouille gekommen war. Aber ansonsten war Hansi nichts Aufregendes von der adeligen Gesellschaft zu Ohren gekommen.

    »Da, schau. Da wird noch ein Kapo bei einer Baufirma gesucht, Papa. Da könnten wir auch eine Bewerbung hinschicken, das hast du doch gelernt. Und als Kapo bist du ja der Chef, da verdienst' sicher auch nicht schlecht …«, gab Indira eine weitere entdeckte Stellenanzeige euphorisch preis.

    Jedoch war Hansi gar nicht so erpicht darauf, in seinen erlernten Beruf als Maurer zurückzukehren. Nur ungern erinnerte er sich an die Schinderei auf den Baustellen. Schließlich war er auch nicht mehr der Jüngste und inzwischen den eher stressfreien Arbeitsalltag in einem kommunalen Bauhof gewohnt. Das wäre sicher eine viel zu große Umstellung für seinen Biorhythmus, war Hansi überzeugt. Aber anschauen könnte er sich die Gegebenheiten in der Baufirma dennoch einmal. Vielleicht könnten ihn der Baustellen-Fuhrpark und die Bezahlung doch überzeugen.

    PONG!

    Hansi erschauderte regelrecht, als er das Plumpsen im Inneren des Briefkastens hörte. Tatsächlich hatte er seine beiden Bewerbungen nun eingeworfen. War das wirklich die richtige Entscheidung? Am liebsten wäre er natürlich in seinem geliebten Bauhof geblieben, das fühlte er in seinem stechenden Herzen in diesem Moment mit aller Deutlichkeit. Aber was sollte er denn tun, um das Problem anderweitig zu lösen? Den depperten Monaco um die Ecke bringen?

    Er, der inzwischen legendäre Bauhofdetektiv, der schon einer ganzen Reihe von Mördern und Mörderinnen auf die Schliche gekommen war? Sogar Kommissar Bernhard Dietl musste ihm nach seinem letzten gelösten Fall öffentlich gratulieren, auch wenn sich die beiden ansonsten absolut nicht ausstehen konnten. Aber schließlich hatte Sherlock Scharnagl den kniffligen Fall um den ermordeten Las Vegas Charly und sein Gspusi Scarlett vor kurzem gelöst und eben nicht der zuständige Polizist. So weit war es nun also schon mit ihm gekommen, dass ihn sogar selber Mordgedanken umtrieben. Wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Im Grunde war er ein viel zu zart besaiteter Mensch, nicht mal einer Fliege könnte er etwas zuleide tun. Aber ein wenig erschrak sich Hansi dennoch über seinen kurz aufgeblitzten Gedanken an Monacos Ermordung.

    Es ist höchste Eisenbahn, dass ich was ändere, sonst passiert wirklich noch ein Unglück. Nicht, dass ich tatsächlich mal im Affekt zufällig über ihn drüberfahre, dachte der nervlich angeschlagene Scharnagl schockiert. Außerdem weiß man ja nicht, für was es gut ist. Am Ende ist eine neue Arbeit sogar noch besser, als die am Bauhof samt Snow Magic Hero!, versuchte er sich auf dem Heimweg von seiner Gassirunde selbst zu motivieren.

    Zudem gefiel ihm die Vorstellung vom royalen Gärtner-Hansi immer besser, sogar noch besser als seine ersten Überlegungen in Sachen berufliche Umorientierung.

    Bevor Indira diese beiden Stellenanzeigen zutage gebracht hatte, hatte er bereits eigenständig erste Grundüberlegungen angestellt, was ihm denn außer Schneeräumen und Rasenmähen sonst noch Spaß machen würde. Als Bademeister im örtlichen Freibad zu arbeiten, hätte er sich durchaus vorstellen können. Den ganzen Tag von knackigen Bikinis und braungebrannter Haut umringt zu sein, wäre nicht das Schlechteste gewesen. Sogar beim Bürgermeister hatte er deswegen seine berufliche Wunschvorstellung schon einmal vorsichtig geäußert und gefragt, wie es denn mit einer Stelle in der Unterfilzbacher Poollandschaft aussähe. Aber das Gemeindeoberhaupt brach darauf in belustigtes Gelächter aus und tätschelte vielsagend Hansis wohlgeformtes Wamperl.

    »Mei, Scharnagl, du bist einfach immer für einen Spaß zu haben. Der war wirklich gut …«, kicherte Matthias Brunner amüsiert und ließ ihn einfach stehen.

    Daraufhin verwarf Hansi seine Karrierebestrebungen als niederbayerischer David Hasselhoff wieder. Er beschimpfte Bürgermeister Brunner innerlich als gscherte Ruam und tröstete sich damit, nun doch keine enge Badehose anziehen zu müssen, keinen Hautkrebs wegen der ständigen Sonne zu bekommen und auch keine Ertrinkenden aus dem zumeist urinhaltigen Chlorwasser retten zu müssen.

    Eine andere Idee war, als Koch beim Dorfwirt anzuheuern, auch das gefiel ihm anfangs ziemlich gut. Denn für seinen Kartoffelsalat hätte er eigentlich einen Nobelpreis verdient, wenn dieser in der Kategorie »Kartoffelsalat« verliehen worden wäre. Das hatte Dorfwirt Herbert Wagner sogar selbst einmal beim Feuerwehrfest beteuert. Kochen war neben dem Rasenmähen und Schneeräumen definitiv seine viertliebste Beschäftigung, gleich nach dem Essen selbst.

    Aber auch diesen Gedanken verwarf er relativ schnell wieder, denn er betrachtete seine Kochkünste als äußerst besonders und nicht unbedingt geeignet für die Massenproduktion. Außerdem wusste er als erfahrener Dorfwirtsgast, dass die dortigen Köche ihre Töpfe und Pfannen selbst abspülen mussten, was Hansi schon daheim lieber vermied und seiner Frau überließ.

    Hundedame Gerti und Hansi betraten wieder das Casa Scharnagl, wo die restliche Familie in der Küche versammelt war und mit der heimgekehrten Tochter noch immer freudig auf ihre Ankunft anstieß.

    »Servus Papa. Und?«, begrüßte ihn sein Nesthäkchen mit einem verschwörerischen Zwinkern.

    »Servus miteinander, da geht’s ja lustig zu«, warf der Familienvater lächelnd in die Runde und freute sich, seinen gesamten Scharnagl-Clan wieder vollständig versammelt zu sehen.

    Allerdings machte sich der Stammhalter Hansi Junior bereits wieder zum Aufbruch bereit.

    »So schee wie's grad ist, es hilft nix. Ich muss mich jetzt fertig machen, ich fahr dann noch zum Moritz rüber.«

    Diese Bekanntgabe, die sein Sohn gerade so fröhlich hinausposaunt hatte, versetzte Hansi Senior sogleich einen innerlichen Stich.

    »Geh weiter! Was willst denn mit dem Deppen? Das kann doch jetzt nicht dein Ernst sein«, versuchte Hansi seinem einzigen Sohn ins Gewissen zu reden und subtil zu vermitteln, doch gefälligst an seine familiäre Herkunft zu denken. Blut ist schließlich dicker als Wasser …

    »Mei, nur weil du ihn nicht leiden kannst, kann ich trotzdem mit ihm befreundet sein. Du bist so kindisch, Papa, echt! Ich kann schon selber entscheiden, mit wem ich Zeit verbringe und mit wem nicht.«

    »Wer ist denn der Moritz?«, wollte Indira wissen.

    »Der Monaco, so sagt man zu dem eingebildeten Vogel im Dorf. Gell, du findest es auch nicht gut, wenn dein eigener Bruder mit einem Deppen befreundet ist, der seinen Vater mobbt, mein Scheißerl?«, sprach Hansi aufgebracht und erhoffte sich sofortige Schützenhilfe von seinem verbündeten Nesthäkchen.

    Allerdings widersprach ihm seine Gattin stöhnend, bevor Indira überhaupt reagieren konnte.

    »Hmmpph! Mei, Hansi, bitte nicht schon wieder! Der Monaco ist ein ganz charmanter junger Mann. Ich hab ihn bisher nur als höflichen und äußerst sympathischen Menschen erlebt.«

    »Na ja Mama. Das sagst du aber jetzt auch nur, weil er dir immer schöne Augen macht, wenn er bei dir im Supermarkt an der Kasse steht. Das hab ich letztes Mal selber mitbekommen, wie er um dich herumscharwenzelt. Mit den alten Weibern kann er es ja besonders gut …«, warf die Scharnagl-Erstgeborene Isabelle dazwischen.

    »ISA! Ja sag a mal. Wie redest du denn mit mir? Alte Weiber! Ich glaub, du spinnst a bisserl!«, rief Bettina voller Entsetzen.

    »Stimmt doch! Im Salon gibt es nur noch dieses eine Thema. Monaco hin und Monaco her. Und wie du weißt, sind die meisten meiner Kundinnen einfach alte Weiber, das ist halt Fakt. Letztens haben sie sogar erzählt, dass er des Öfteren im Altenheim zu Besuch ist. Und da sind doch definitiv nur alte Schachteln, ganz alte sogar. Was wird er da wohl machen? Das frag ich mich schon die ganze Zeit. Im Prinzip schleimt er einfach alle Frauen an. Bei mir hätte er es auch schon probiert, aber von so einem Möchtegern-Casanova lass ich mich nicht einlullen. Da kann er noch so einen geilen Körper haben und verführerisch lächeln.«

    Isa war eine heiß begehrte Dorfschönheit und von Berufs wegen als

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