Von der Kunst, ein Schriftsteller zu sein
Von Axel Klingenberg
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Buchvorschau
Von der Kunst, ein Schriftsteller zu sein - Axel Klingenberg
www.readbox.net
DEM UNBEKANNTEN VERFASSER GEWIDMET
Mein Dank geht an Clemens Naujoks, Frank Niemann, Ralf-Olaf Pfarr und Volker van der Heyden für ihre selbstlose Unterstützung meiner Arbeit.
»Eine seltsamere Ware als Bücher gibt es wohl schwerlich in der Welt. Von Leuten gedruckt, die sie nicht verstehen; von Leuten verkauft, die sie nicht verstehen; gebunden, rezensiert und gelesen von Leuten, die sie nicht verstehen; und nun gar geschrieben von Leuten, die sie nicht verstehen.«
Georg Christoph Lichtenberg
VORWORT: WARUM BERUFSVERBOTE DOCH NICHT VÖLLIG FALSCH SEIN MÜSSEN
»Keine Klasse von Menschen urteilt billiger von der anderen als die Denker von den Denkern und keine unbilliger als die Literaten von den Literaten.«
Georg Christoph Lichtenberg
Schriftsteller haben gegenüber anderen Berufsgruppen einen enormen Vorteil: Sie haben einen gewissen Einfluss auf die Darstellung ihrer Person in der Öffentlichkeit, indem sie ihre Biografien selbst schreiben können. Werden diese von anderen Menschen geschrieben, werden es meist Skandalbücher. Einige Schriftsteller machen es sich noch einfacher, indem sie von vornherein nur von sich selbst berichten.
Dieses Buch ist allerdings keine Autobiografie, wenngleich es einige memoirenartige Abschnitte hat. Da ich weiß, dass es neben mir noch einige andere Schriftsteller gibt, schreibe ich aber auch über die. Manchmal lasse ich sie sogar selbst zu Wort kommen.
Mit anderen Worten: Dieses Buch ist eine hybride Mischung aus ganz unterschiedlichen Elementen. Das Thema »Der Schriftsteller im Wandel der Zeiten (unter besonderer Berücksichtigung des Lebens und des Werks von Axel Klingenberg)« bedingt diese Herangehensweise.
Denn so wenig wie es die Bäckereifachverkäuferin oder den Versicherungskaufmann gibt, gibt es den Schriftsteller.
Es existieren nämlich gute und schlechte Autoren, so wie auch gute und schlechte Autoverkäufer. Ein guter Gebrauchtwagenhändler wird Ihnen in Ihrem Heimatort auch nach Abschluss des Kaufvertrages (»Der ist noch gut in Schuss, die paar hunderttausend Kilometer machen dem gar nichts aus. Als der gebaut worden ist, gab es noch deutsche Wertarbeit. Und wenn Sie ihn selbst durch den TÜV bringen, kriegen Sie ihn sogar billiger.«) nicht aus dem Wege zu gehen brauchen. Und ein guter Versicherungskaufmann kann Ihnen auch noch nach Jahren kraftvoll in die Augen blicken.
Machen jedoch Gebrauchtwagenhändler etwas falsch in ihrem Beruf, verhalten sich grob fahrlässig oder gar betrügerisch, kann es sein, dass diese aus dem Verkehr gezogen werden, genau so wie der von Ihnen kürzlich erworbene, leider jedoch grobe Sicherheitsmängel aufweisende Gebrauchtwagen. Mit Schriftstellern kann man das dagegen nicht so einfach machen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst schützen sie davor. Das ist eine gute Sache, die sich bewährt hat und ich bin wirklich der Letzte, der dagegen Einspruch erheben wird, auch wenn ich mir manchmal wünschte, es gäbe die Möglichkeit, Berufsverbote für schlechte Schriftsteller auszusprechen. Damit Sie und ich und die nette alte Dame im Haus nebenan von schlechten Büchern verschont blieben.
Auch einen Schriftsteller-TÜV halte ich für erwägenswert. Ich stelle mir das so vor, dass ein versierter Literaturtechniker den Jahrestextausstoß auf grobe Mängel und Fehler hin abklopft. Er schaut nach, ob Form und Inhalt Rost angesetzt haben, die Wortwahl den neuesten Vorgaben entspricht und der Stil passt, wackelt und Luft hat. Und entspricht die Rechtschreibung eigentlich den DIN-Normen? Bewegt sich die Zeichensetzung noch im Toleranzbereich? Erfüllt die Grammatik die Anforderungen der deutschen Sprache?
»Nee, Meister«, sagt der Prüfer dann, »mit diesem Kram kommen Sie aber nicht durch. Diese Kurzgeschichten müssen Sie noch mal dringend überarbeiten und die Gedichte können Sie gleich gegen neue austauschen, da ist nix mehr zu machen. So lange müssen wir Sie aus dem Verkehr ziehen. Kommen Sie in drei Monaten noch mal wieder, dann dürfen Sie vielleicht wieder was veröffentlichen.«
Doch so ist es leider nicht. Im Schriftstellergewerbe darf man tun und lassen, was man will. Passt es hinten und vorne nicht, bezeichnet man das so Zusammengeschusterte ganz einfach als ein Prosagedicht. Es wird sich schon jemand finden, der »Ahh, wie großartig!!« und »Oh, wie toll!!!« ruft. Wenn Sie niemanden kennen, wenden Sie sich bitte einfach an mich. Ich kann Ihnen Leute empfehlen, die alles gut finden, was irgendwer irgendwann mal geschrieben hat.
Die mangelnde Qualität des literarischen Ausstoßes erklärt vielleicht auch, warum manche Autoren unter Pseudonymen schreiben.
Doch dieses Buch beschäftigt sich auch noch mit anderen Fragen: Was ist ein Schriftsteller? Was macht ein Schriftsteller? Was macht ein Schriftsteller außerdem? Kann man das Schreiben lernen? Warum will man eigentlich unbedingt Schriftsteller werden, wenn es doch leichter ist, sein Geld als Versicherungsvertreter zu verdienen?
Fragen über Fragen.
Zeit für ehrliche Antworten.
NOCH EIN VORWORT: WIE SIE DER IDEALE LESER WERDEN
»Wer wird das Zeug lesen?«
Persius
»Is’ ganz gut«, sagte meine Nachbarin, »aber mehr Bukowski wär’ besser.« Ich bereute sofort, ihr mein Buch geliehen zu haben. Und wenn ich ›mein Buch‹ sage, dann meine ich auch ›mein Buch‹. Ich hatte es selbst geschrieben und nun war es endlich bei einem Braunschweiger Verlag erschienen, der sich auf ›Popliteratur‹ (im allerweitesten Sinne) spezialisiert hatte. Was mich störte, war weniger die nur mäßig euphorische Reaktion dieser Leserin, sondern vor allem die Aufforderung, ich solle anders schreiben. Mehr noch: Ich solle schreiben wie jemand anders.
Nicht dass ich hier falsch verstanden werde: Ich schätze Charles Bukowski durchaus. Ich habe seine Bücher einst verschlungen und mag auch diejenigen seiner Werke sehr, die aus dem Nachlass herausgegeben werden. Nur: Sie haben – literarisch – nichts mit mir selbst zu tun. Natürlich habe ich mich in den ersten Jahren, in denen ich mich schreiberisch versucht habe, durchaus von anderen Autoren beeinflussen lassen. (Um ehrlich zu sein: Das ist wohl heute immer noch so – wie sollte es auch anders sein, als dass man das verarbeitet, was man aufnimmt?) Aber in diesem Buch (mit dem, bezieht man ihn auf die Verkaufszahlen, wohl allzu programmatischen Titel »Gute Verlierer«) war von Bukowski meiner Meinung nach gar nichts zu spüren. Null. Niente. Nada. Nothing. Nix. Und so sollte es auch sein.
Aber das ist eine Sache, die jemand, der seine Texte (oder seine Musik, seine Gemälde, seine Fotos) veröffentlicht, als erstes lernen muss. Sobald er sie publiziert hat, verliert er die Kontrolle darüber: Der Leser darf nun damit machen was er will. Und das ist nicht immer schön. Denn er macht es fast immer falsch (auch auf die Gefahr hin, dass ich mir mit diesem Satz sehr viele Feinde mache). Der Autor arbeitet an seinem Werk, er leidet dafür, er quält sich durch einsame Stunden, durch Selbstzweifel, durch Enttäuschungen, durch Langeweile und widersteht – die größte Leistung – den Versuchungen des Sich-Ablenken-Lassens (gerade eben habe ich, als mir das richtige Wort nicht sofort einfiel, ein paar Zeitungen auf der Küchenbank neben mir zurechtgerüttelt, als ob es etwas ausmachen würde, wenn sie nebeneinander und nicht übereinander lägen).
Und dann – ich erhebe anklagend meine Stimme! – kommt so ein unwissender Leser daher und sagt: »Is’ ganz gut«. Um anschließend mitzuteilen, was er (in diesem Falle: sie) eigentlich lieber gelesen hätte.
Meine Damen und Herren: So geht das nicht!
Ist es denn zuviel verlangt, wenn ich ausschließlich – hier neige ich tatsächlich zu einer totalitaristischen Haltung – Begeisterung erwarte? »Phantastisch!«, »Genial!« und »Begnadet!« sind die einzigen angemessenen Reaktionen auf meine Werke.
Die Wirklichkeit sieht natürlich anders aus. Ganz anders.
Es gibt gute Besprechungen. Es gibt mäßige Besprechungen. Es gibt schlechte Besprechungen. Manchmal wird man sogar positiv überrascht und erhält von Rezensenten, die man gar nicht kennt, mit denen man also weder Tisch noch Bett geteilt hat, eine gute, eine sehr gute, eine brillante Besprechung. Vielleicht sogar eine, bei der man merkt, dass dieser Berufsleser das Buch verstanden hat bzw. so verstanden hat, wie es gemeint war. Liest man eine derartige Rezension, erlebt man einen großartigen Augenblick, der all die Mühen der letzten Monate (mitunter: Jahre) vergessen, der einen wieder spüren lässt, warum man eigentlich schreibt.
Weil man Verständnis sucht, weil man sich mitteilen will, weil man etwas zu sagen hat.
Die anderen großartigen Augenblicke sind die, in denen man auf den Kontoauszug blickt und dort ein »+« mit einer Zahl dahinter sieht. Dann verzeiht man auch unwürdigen Lesern und Kritikern und Lektoren und Verlegern und Herausgebern und Veranstaltern und Kollegen ihre Unwissenheit und ihre Unfähigkeit. Denn wenn der Betrag hoch genug ist, kann man sogar die Miete und die Krankenkasse und das Schulgeld und das Kindertagesstättenentgelt und die Versicherungen und die Lebensmittel und die Kleidung für sich und die Frau und die Kinder davon bezahlen. Wenn nicht gerade ein dummer und hässlicher