Jimi Hendrix - Portrait
Von Corinne Ullrich
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Über dieses E-Book
Die Biografie beleuchtet den Menschen hinter den extravaganten Schlagzeilen: Seine Kindheit, seine Zeit in der Armee, seine Entdeckung in London ...
Das Buch ist die E-Book-Version des Titels, der zuvor als Print-Buch bei dtv erschienen ist.
Über das Print-Original urteilten die Leser:
"Man erfährt über Jimi Hendrix' Leben einfach sehr ausführlich. Des Weiteren bekommt man noch Zusatzinformationen über andere Musiker, Städte, Musikfestivals...
Ein sehr informatives Buch!"
"... wer hinter die Fassade dieses Jahrtausendgitarristen blicken möchte ist mit diesem Buch gut beraten, denn es schildert insbesondere Jimi's Familienleben und die Zeit vor seinem phänomenalen Erfolgs sehr gut."
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Rezensionen für Jimi Hendrix - Portrait
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Buchvorschau
Jimi Hendrix - Portrait - Corinne Ullrich
JIMI HENDRIX
Eine Biografie
von
Corinne Ullrich
Phantom Verlag, Berlin
www.phantomverlag.de
JIMI HENDRIX – Eine Biografie
© Corinne Ullrich, 2000 (dtv), 2014
ISBN 978-3-927447-05-9
Phantom Verlag, Berlin
www.phantomverlag.de
veröffentlicht im Dezember 2014
E-Book Distribution: XinXii
www.xinxii.com
Inhaltsverzeichnis
KINDHEIT UND JUGEND
ARMEEDIENST
NASHVILLE UND PROVINZTOURNEEN
NEW YORK - Harlem
NEW YORK - Greenwich Village
ENGLAND
DER DURCHBRUCH
BACK IN THE USA
ON THE TOP
ELECTRIC LADYLAND
GYPSY OHNE HALT
ABSTURZ UND ENDE
ZEITTAFEL
QUELLEN
KINDHEIT UND JUGEND
Als Lucille Hendrix am 27. November 1942 in Seattle¹ , im amerikanischen Bundesstaat Washington, ihr erstes Kind zur Welt brachte, war sie selbst gerade 17 Jahre alt. Sie war eine hübsche, zierliche hellhäutige Schwarze, der es an Verehrern nicht mangelte. Einer war der sechs Jahre ältere Boxer und Tänzer Al Hendrix, den sie im letzten Jahr auf einer Tanzveranstaltung kennengelernt hatten. Schon wenig später, am 31. März 1942, heirateten die beiden, denn Lucille war schwanger.
Der bei der Hochzeit 22-jährige James Allen Hendrix, genannt Al, war der Sohn der Vaudeville-Tänzerin Nora Rose Moore, der Tochter eines Iren und einer Cherokee-Indianerin² , und dem Schwarzen Ross Hendrix. Als er 15 war, brach die Familie auseinander, kurz hintereinander starben der älteste Bruder und der Vater. Beide Eltern waren im Showgeschäft tätig. „Mein Vater arbeitete als Bühnenarbeiter und meine Mutter war Tänzerin. Sie zogen mit einer schwarzen Entertainment Gruppe von Stadt zu Stadt. Es war keine Minstrel-Show, sondern eine ganz gewöhnliche schwarze Unterhaltungsshow. Jimis hat sein musikalisches Talent wahrscheinlich von meiner Familie geerbt. Als ich aufwuchs, war ich immer von Musik umgeben", erzählte Al.
Die Hochzeit zwischen Al und Lucille jedoch stand von Anfang an unter keinem guten Stern: Nach dem Bombardement der Japaner auf Pearl Harbour waren die Amerikaner in den Zweiten Weltkrieg eingetreten, jetzt wurde mobil gemacht. Al hatte seine Einberufung in die Armee und seinen Marschbefehl erhalten. Kurz nach der Eheschließung wurde er eingezogen und nach seiner Grundausbildung in Oklahoma nach Georgia geschickt. Sein Antrag auf Heimaturlaub zur Geburt seines Sohnes wurde abgelehnt.
Und so war die 17-jährige Lucille völlig allein, als sie am 26. November 1942 nach einer langen, schmerzvollen Nacht um 10.15 Uhr morgens im King County Hospital von Seattle einen Sohn zur Welt brachte. Sie gab dem Jungen den Namen John Allen Hendrix.
Mit der Pflege und Verantwortung für den kleinen Johnny war das junge Mädchen hoffnungslos überfordert. Gerade hatte sie begonnen das Leben zu genießen, auszugehen, zu tanzen, Spaß zu haben, mit Männern zu flirten. Und auf einmal verlangte ein kleines schreiendes Bündel ihre ganze Aufmerksamkeit. Lucille reagierte mit Flucht, ließ den Kleinen bei ihrer Mutter Clarice und verschwand tage-und nächtelang. Der Junge wurde herumgereicht, fand liebevolle Aufnahme bei der Frau des Hauses, in dem die Mutter putzte, bei seiner Großmutter Nora in Vancouver sowie Lucilles Schwestern Dolores und Nancy. Ganz wollte Lucille auf ihr Kind dennoch nicht verzichten. Immer wieder holte sie den kleinen Johnny zu sich in die zugigen, heruntergekommenen Quartieren, in denen sie mit ihrem damaligen Freund hauste.
Denn Lucille war zunehmend in schlechte Gesellschaft geraten, zog mit ihrem neuen Freund, John Williams, einem üblen Trinker und Schläger herum, der auch nicht davor zurückschreckte, auf sie loszugehen. Lucille begann selbst zur Flasche zu greifen.
Am 11. November 1945 kehrte Al von der Front nach Seattle zurück. In einer schlagkräftigen Auseinandersetzung mit Lucilles neuem Freund stellte der ehemalige Boxer Al klar, wie der Hase in Zukunft laufen würde.
Als nächstes fuhr er nach Kalifornien und holte seinen Sohn, der dort bei Pflegeeltern, den Champs, lebte. „Ich war sehr nervös, als ich Jimi zum ersten Mal traf. Ich sagte zu mir selbst: Jetzt lerne ich endlich meinen Sohn kennen! Dieses Gefühl war mir völlig neu. Als ich ihn sah, trug er ein kleines T-Shirt, eine kurze Hose und Sandalen. Und ich dachte: Dieser kleine Junge hier, das ist mein Sohn! Er war mir gegenüber sehr schüchtern – Jimi war eigentlich immer schüchtern – ich breitete meine Arme aus und ging auf ihn zu, um ihn zu umarmen. Und Jimi umarmte mich."
Der kleine Junge allerdings erinnert sich, laut seiner späteren Freundin Kathy Etchingham, anders: „Eines Tages tauchte mein Vater bei den Champs auf, wie ein Fremder, und sagte, dass ich mit ihm zurückkommen musste. Ich hatte große Angst vor ihm. Er war wirklich hart zu mir. Sogar auf dem Weg zurück nach Seattle, als ich zu aufgeregt wurde und begann herumzurennen, schlug er mich. Ich wurde wütend, und schrie ihn an, dass ich das Celestine (der Tochter der Champs und Jimis beste Freundin) sagen würde, aber er lachte nur. So war er immer."
Hart, diszipliniert und befehlsgewohnt, Al war 26, kam gerade aus der Armee, und er war – nach drei Jahren Krieg – raue Sitten und eine harten Ton gewohnt. Und vor allem eindeutige Befehle und Gehorsam. Mit Kindern hatte er keine Erfahrung, auch fehlte ihm, vielleicht verständlich nach der Verrohung durch die Erfahrungen in der Armee und in seiner Jugend, jede Sensibilität. So erinnert sich eine Freundin der Familie: „Jimi lernte gerade, sich die Schuhe zuzubinden. Al beobachtete ihn, und Jimi versuchte, alles richtig zu machen. Aber er war so nervös, dass er es immer wieder falsch machte. Al schrie ihn an, und ich sagte, er ist doch noch ein Baby. (…) ‚Er ist nur dickköpfig‘, sagte Al. ‚Er ist wie seine Mutter.‘"
Und zu dieser hatte Al kein gutes Verhältnis, die Beziehung war eine wilde Achterbahnfahrt mit extremen Höhen und Tiefen. Al und Lucille zogen wieder zusammen, gemeinsam kam die junge Familie bei Lucilles Schwester Dolores unter, die mit ihren drei Töchtern in einem Haus in Seattle lebte. „Sie lebten wie in den Flitterwochen, denn sie waren ja zum ersten Mal wirklich zusammen. Jede Nacht gingen sie aus, amüsierten sich und wahrscheinlich war es die einzige gute Zeit, die Jimi erlebte. Er bekam Liebe und Aufmerksamkeit, und wir waren eine gute Familie", erzählte Dolores.
Für den Jungen begann allerdings ein völlig neues Leben: Herausgerissen aus seiner vertrauten Umgebung, lebte er nun mit seinem leiblichen Vater in einer neuen Stadt und einer neuen Familie. Und – er bekam auch einen neuen Namen. Mit Amtsstempel vom 11. September 1946 ließ Al den Namen seines Sohnes von John Allen Hendrix in den stattlicheren Namen James Marshall Hendrix umändern. James hieß er selbst mit ersten Namen, den Zweitnamen Marshall bekam der Junge in Erinnerung an Als ältesten, verstorbenen Bruder Leon Marshall.
1947 zog die junge Familie in eine eigene kleine Sozialwohnung, am 13. Januar 1948 wurde der zweite Sohn, Leon Morris, geboren. Dennoch währte das gemeinsame Familienleben nicht lange, wieder wurden die Kinder herumgereicht. Eine Zeitlang lebte Jimi in Vancouver, bei Als Schwester Patricia, ging dort auch zur Schule und hat engen Kontakt zu seiner Großmutter. „Die Kinder in der Schule lachten, wenn ich Tücher und Ponchos trug, die sie gemacht hatte. (…) Als ich klein war, bekam ich von ihr eine mexikanische Jacke mit Troddeln. Ich trug sie jeden Tag, auch in der Schule, egal, was die Leute dachten." Auch später verbrachte er noch viele Sommerferien bei ihr im Reservat in Vancouver.
Als die Armeerente aufgebraucht war, hielt Al seine Familie mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Lucille ließ nach wie vor keine Gelegenheit aus, die Nächte durchzutanzen, sich zu betrinken und Spaß zu haben. Sie war sehr hübsch, wenn sie sich zurecht machte, die Haare frisierte, eine Blume hineinsteckte, Schmuck anlegte und sich schminkte, war verständlich, dass sich so mancher Mann nach der sprühenden, lebenslustigen Frau umdrehte. Kein Wunder aber auch, dass Streits, Auseinandersetzungen und chronischer Geldmangel bei den Hendrixs an der Tagesordnung waren. Zumal weitere Kinder die Familie konstant vergrößerten: 1949 kam der dritte Sohn, Joseph Allen, zur Welt, ihm folgten zwei Töchter, Cathy Ira (27. September 1950) und Pamela Marguerite (27. Oktober 1951). Beide Töchter wurden zur Adoption freigegeben.
Am 5. September 1949 wurde Jimmy in die Dawson Annexe Elementary School eingeschult. Al bestand darauf, was damals allerdings üblich war, dass Jimmy, obwohl Linkshänder, alles mit der rechten Hand tat. Linkshänder wurden damals als unnormal betrachtet und man versuchte, ihnen diese Angewohnheit abzuerziehen. Mehr oder weniger erfolgreich, außer Gitarrespielen erledigte Jimi alles mit der rechten Hand.
Al war ein extrem strenger Vater. Ein Freund, der Jimi 1966 gut gekannt hatte, verriet: „Er war von seinem Vater sehr gut erzogen worden, ein sehr gehorsamer Sohn. Es lag in seiner Natur, die Dinge zu erledigen, in dem er gehorsam und willfährig war. Jimmy selbst erinnerte sich: „Er brachte mir bei, dass ich meine Eltern immer respektieren musste. Ich durfte nicht reden, bevor Ältere mich nicht zuerst ansprachen. Daher war ich immer sehr ruhig.
Dabei war Jimmy eigentlich überhaupt kein ruhiges, sondern ein lebendiges, waches, fröhliches Kind – oder wäre es gewesen.
Am 17. Dezember 1951 wurden Al und Lucille geschieden, Al erhielt das Sorgerechte für seine Söhne, gab den Jüngsten, Joseph, aber zu Pflegeeltern. Und immer mal wieder – meist mitten in der Nacht, meist betrunken und mit ihrer neuesten Eroberung im Arm – tauchte die Mutter auf, wirbelte ihre Kinder herum und herzte sie. Nur um anschließend wieder für Monate zu verschwinden.
Jimis Schulleben verlief so ungeordnet und wirr, wie alles, was er bisher erlebt hatte, ständig – mindestens einmal im Jahr – wurde er umgeschult. Jimmy war ein durchschnittlicher Schüler, aber ein hervorragender Sportler, der ab 1955 für zwei Jahre Mitglied des schulischen Football-Teams „The Fighting Irish" wurde. Darüberhinaus schloss er sich den Pfadfindern an.
Sein Lieblingsfach aber war Kunst. Hier konnte er sich in fantasievollen Malereien verlieren. Überhaupt war er ein fantasiebegabtes Kind. Sein Lieblingsfilm war „Flash Gordon, begeistert von dem Helden rannte er selbst in den folgenden Wochen mit Cape und Helm herum und rettete die Welt. Leon erinnerte sich: „Er glaubte wirklich, er könne fliegen. Jimi erzählte mir alles über die Sterne und Planeten. Er erfand Geschichten und machte Zeichnungen.
Am liebsten wollte Jimmy immer ganz weit weg sein: „Als Kind habe ich immer Szenen auf anderen Planeten gemalt, ‚Sommernachmittag auf der Venus‘ und so etwas. Ich wollte nie zum Mond, aber ich wollte immer zur Venus oder zum Saturn. Irgendwohin, wo ich so etwas wie diese Landschaft vorfinden würde."
Die Nachmittage verbrachte er mit seinem besten Freund James Williams, seinem geliebten Bruder Leon und ihrem Hund Prince. Unbeaufsichtigt stromerten die vier durch die Stadt, ließen sich von Obstpflückern mit Donuts verwöhnen, halfen selbst für einen Dollar die Stunde beim Bohnenpflücken, fuhren wie Vagabunden mit den Güterzügen durch die Stadt. „Wir waren wie Zigeuner, gingen von Tante zu Nachbar."
Seinen Vater sah er nicht oft, ab und zu „fühlte ich mich so elend, dass ich von Zuhause weglief. Wenn mein Vater das herausbekam, wurde er fuchsteufelswild vor Sorge. Er schlug mich ins Gesicht und ich rannte weg."
Als Alleinverdiener musste Al seine Söhne größtenteils sich selbst überlassen. „Ich konnte nur selten mit ihnen spielen, weil ich immer am Arbeiten war. Ich hatte damals zwei Jobs. Also sah ich Jimmy nur am Morgen, denn wenn ich abends nach Hause kam, schlief er schon. Sonntags hatten wir etwas Zeit zusammen, nachdem seine Großmutter mit ihm in der Sonntagsschule war. Dennoch beteuert er: „Ich habe so viele schöne Erinnerungen an Jimmy: Wie er als kleiner Junge im Dreck spielte, oder wie er mit den anderen Kindern Fahrrad fuhr.
Oft hing Al nachts noch in Spielhöllen herum und war froh, wenn sich jemand bereit erklärte, die Kinder zu versorgen. Eine Zeitlang kam seine Schwester Pat, oft waren die Söhne bei Als Bruder Frank und dessen Familie, aber auch bei den diversen Freunden und Verwandten.
Jimmys Kindheit war ein ständiger, chaotischer Wechsel der unterschiedlichsten Wohnungen und Menschen. Er lebte bei Freunden und Verwandten, dann wieder beim Vater. Mal war Leon mit ihm zusammen, dann wieder getrennt, wenn dieser bei anderen Pflegeeltern landete. Was immer er im Leben besessen hatte, an wen auch immer er sich gehalten hatte, wem er sich emotional verbunden und zugehörig gefühlt hatte, immer hatte er sich früher oder später wieder von dieser Person trennen müssen. Nichts in seinem Leben war beständig, nichts hielt an, weder Personen noch Orte noch Lebensumstände blieben jemals konstant. Die einzige Konstante in seinem jungen Leben war der Wechsel. Diese wechselnden Lebensumstände verstörten den empfindsamen Jungen, er zog sich in sich selbst zurück, wurde ein verschlossenes Kind und stotterte zeitweilig sogar.
Dabei war Jimmy in seinem tiefsten Inneren kein schüchternes Kind. Gezwungen, seine Emotionen zu unterdrücken, ließ er sie auf andere Art und Weise in geradezu extremer, schriller Weise heraus: „Er fuhr mit einem Fahrrad, das mit Fuchsschwänzen, Lichtern und Spiegeln geschmückt war. Er war völlig schwarz gekleidet", erinnert sich ein Freund seines Bruders Leon. Später suchte sich seine Lebendigkeit einen anderen Ausdruck: in seiner Musik.
Am 23. Dezember 1957 heiratete Lucille erneut. Immer wieder landete die anfällige Frau im Krankenhaus, sie hatte eine schwache Gesundheit, der sie mit ihrem extremen Lebensstil und der Trinkerei weiter Gewalt antat.
Dazu kam, dass auch ihre männliche Gesellschaft nicht gerade zimperlich mit ihr umging, mehrmals wurde sie von ihrem Mann verprügelt. Al versuchte den Kontakt zwischen Lucille und den Kindern so weit wie möglich zu unterbinden, so war es Tante Patricia, die die beiden Brüder ab und zu heimlich zu einem Besuch dorthin brachte.
Am 2. Februar 1958 starb Lucille, die Ursache: Leberzirrhose und Milzriss. Jimmy war fünfzehn. Weder Al noch die Kinder kamen zu ihrer drei Tage später stattfindenden Beerdigung, Al hatte es verboten.
Auch wenn der Kontakt zu seiner Mutter unregelmäßig und sporadisch war, traf ihr Tod ihn schwer. Trotz allem war sie die wichtigste weibliche Bezugsperson für ihn, später wurde sie für ihn zu einem Mythos, ihre Lebendigkeit und Leichtlebigkeit prägte sein Frauenbild.
Nach ihrem Tod zog Al mit seiner langjährigen Freundin Willene und deren Tochter Willette zusammen in ihre Wohnung in der 26th Straße. Jimmy aber entdeckte in dem Jahr, in dem seine Mutter starb, seine „Stimme: Die Gitarre! Bereits im Alter von vier Jahren hatte er sein erstes Instrument geschenkt bekommen: eine Mundharmonika. Kurz darauf versuchte er es mit einer abgewetzten Ukulele und später mit einer Violine. Jetzt bedrängte er seinen Vater, ihm für fünf Dollar seine erste Gitarre zu kaufen. „James, der Sohn unserer Vermieterin, saß öfter auf der Veranda unseres Hauses und spielte Bluessongs auf einer Gitarre
, erinnerte sich Al. „Jimmy hörte ihm zu und begann sich für Gitarren zu interessieren. Eines Tages sagte er zu mir: James will mir seine Gitarre für fünf Dollar verkaufen, und ich will sie haben."
Doch zuerst einmal hatte Jimmy enorme Schwierigkeiten mit dem Instrument: Er konnte zwar mit rechts schreiben, aber mit rechts spielen konnte er nicht; mit einer Gitarre, auf der die Saiten normal aufgezogen waren, kam er nicht zurecht. Es dauerte eine Weile, bis er darauf kam, die Saiten zu vertauschen, das Instrument wieder richtig zu stimmen und verkehrt herum zu spielen. Und das tat er geradezu mit Besessenheit! Er konnte keine Noten und brachte sich das Gitarrespielen zu den Schallplatten seines Vaters selbst bei. „Ich hatte B. B. King und Muddy Waters-Singles, die Jimi anhörte. Er spielte sie ständig ab und zupfte dazu auf der Gitarre herum."
Der Blues³ hatte Jimmy schon von Kindesbeinen an begleitet, feierten seine Eltern eine Party, hörte der kleine Jimmy in seinem Schlafzimmer die Musik: „Ich war oben, während die Erwachsenen ihre Parties hatten und Muddy Waters, Elmore James, Howlin' Wolf und Ray Charles hörten. Anschließend schlich ich runter, aß Kartoffelchips und rauchte die Kippen auf. Der Sound war wirklich echt – nicht böse – einfach nur ein wirklich fetter Sound. (…) Der erste Gitarrist, an den ich mich bewusst erinnere war Muddy Waters⁴ . Ich hörte eine seiner alten Platten, als ich ein kleiner Junge war, und sie erschreckte mich zu Tode. Wow, was geht denn hier ab?
Jimmy versuchte wie Muddy Waters und Chuck Berry zu spielen und schon bald war der Meinung, dass er unbedingt eine elektrische Gitarre⁵ brauchte. Al gab nach und erstand gleichzeitig für sich ein Saxophon: Eine Zeitlang musizierten Vater und Sohn gemeinsam, kamen sich durch die Musik näher. Diese bildete eine Brücke der Verständigung zwischen ihnen, sorgte für Kommunikation ohne Worte. Sogar der harte Vater erkannte den Stellenwert, den die Musik in Jimmys Leben einnahm. „Jimmy zeichnete und malte auch viel. Er hatte das nötige Talent und die schlanken Finger dazu. Er spielte mit dem Gedanken, ein kommerzieller Künstler zu werden, aber dann packte ihn die Musik. Ich war froh darüber, denn Musik war etwas, was er wirklich liebte".
Für Jimmy wurde die Musik mehr als eine Freizeitbeschäftigung, die Gitarre mehr als lediglich ein Instrument. Für ihn war sie ein Ausdrucksmittel, was er nicht in Worte fassen konnte und wollte, sagte seine Gitarre für ihn. „Meine Musik ist mein persönliches Tagebuch. Ein Ventil meine inneren Gefühle rauszulassen, meine Aggressionen,