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Dirigierpraxis: Der Weg zum persönlichen Dirigierstil
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eBook170 Seiten1 Stunde

Dirigierpraxis: Der Weg zum persönlichen Dirigierstil

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Über dieses E-Book

"Dirigierpraxis - Der Weg zum persönlichen Dirigierstil" ermöglicht dem Leser einen Einblick in die Welt der Musik und des Dirigierens. Erfahrene Dirigenten geben Hinweise, Tipps und Tricks. Diese Hilfestellungen sollen helfen, seinen eigenen Dirigierstil zu entwickeln.

Dieses praktische Buch befasst sich eingehend mit der Welt der Dirigenten - größtenteils mit deren eigenen Worten. Dieses Buch ermöglicht dem Leser ein klares Bild von den kreativen Prozessen des Dirigierens.

Ein guter Dirigent kann vor allem auf Erfahrung verweisen. Nicht von ungefähr sind die meisten Spitzendirigenten nicht mehr die Jüngsten. Oder anders ausgedrückt: Dirigenten werden mit zunehmendem Alter immer besser. Natürlich nur, wenn sie ihr Handwerkszeug beherrschen. Und dazu kann dieses Buch einen kleinen Beitrag leisten. Der Leser erfährt von Fritz Neukomm, ob und warum Dirigenten Berge versetzen können, Thomas Doss erläutert die Gratwanderung zwischen gesundem und übersteigertem Ego eines Dirigenten und H. Robert Reynolds gibt den Lesern "Leitsätze für Dirigenten" an die Hand. Außerdem stellt Ray Cramer im Interview seine Sicht der Dinge dar.

Die Reihe clarino.extra dient dem Leser als gleichermaßen praktisches wie unterhaltsames Nachschlagewerk und beinhaltet thematisch sortierte Fachartikel aus den verganenen 20 Jahren der Zeitschrift Clarino bzw. clarino.print.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum11. Juni 2011
ISBN9783943037098
Dirigierpraxis: Der Weg zum persönlichen Dirigierstil

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    Buchvorschau

    Dirigierpraxis - Thomas Doss

    clarino.print

    Der Pygmalion-Effekt (Teil 1) - Können Dirigenten Berge versetzen?

    Haben Sie in Ihrer Schulzeit auch Ovids »Metamorphosen« lesen müssen? Zur Auffrischung: Pygmalion, ein Bildhauer, modelliert eine weibliche Figur. Sie ist schließlich so schön, dass er sich unsterblich in sie verliebt. Er nennt sie Galatea und fleht in seiner Verzweiflung Aphrodite, die Göttin der Liebe, an, die von ihm geschaffene Statue zum Leben zu erwecken, was ihm schließlich erfüllt wird.

    Der tiefere Sinn dieser Fabel, der eine altgriechische Sage zugrunde liegt, ist wohl der folgende: Pygmalion hatte eine bestimmte Vorstellung von der »idealen Frau« – und genau nach dieser Vorstellung hat er sich ein Bild geschaffen, vorerst aus Marmor, das jedoch mit gütiger Hilfe, nicht zuletzt auch durch die Kraft seiner Zuversicht, lebendig wird.

    »Was wäre wohl aus Berlin geworden ohne unbeugsamen Willen und ohne den Glauben, der Berge zu versetzen vermag!«, hat Willy Brandt im Nachruf an Ernst Reuter anno 1953 festgehalten. Friedrich Nietzsche – weiß Gott kein bekennender Christ – hat sich zu diesem Thema ebenfalls seine Gedanken gemacht: »Zwar hat der Glaube bisher noch keine wirklichen Berge versetzen können, obschon dies, ich weiß nicht wer, behauptet hat. Aber er vermag Berge dorthin zu setzen, wo keine sind.«

    Kennen Sie das Musical »My fair Lady«? Dann wissen Sie auch, dass der Versuch, aus einem einfachen Blumenmädchen eine Dame der gehobenen Gesellschaft zu machen, durchaus gelingen kann, dann nämlich, wenn das Mädchen von jemandem zum Ziel geführt wird, der vom Gelingen im Innersten überzeugt ist. Der unerschütterliche Glaube von Professor Higgins vermochte buchstäblich Berge zu versetzen, auch wenn es anfänglich nicht danach aussah. George Bernard Shaw hat diesen Stoff bereits anno 1913, also 50 Jahre früher, in einem Schauspiel mit dem Titel »Pygmalion« verarbeitet. Ein Theaterbesuch würde sich auch für Dirigentinnen und Dirigenten lohnen.

    In der Psychologie sprechen wir vom »Pygmalion-Effekt«. Das bedeutet: Die Vorstellung, die ich von einem anderen habe, teilt sich diesem anderen mit – auch wenn ich sie nicht sprachlich artikuliere. Auf die tägliche Praxis übertragen heißt das: »Die Macht der Erwartungen, die wir an einen anderen Menschen stellen, ist so groß, dass durch sie alleine schon dessen Verhalten beeinflusst werden kann, im positiven wie im negativen Sinne.« Wir nennen dies ›eine sich selbst erfüllende Prophezeiung‹: »Was wir einem Menschen zutrauen, kann also auch über seinen Werdegang entscheiden. Der Glaube an ihn vermag in der Tat oft Berge zu versetzen.«

    Die Erwartung der Bezugsperson (Eltern, Musiklehrkraft, Dirigent, Trainer, Kollege etc.) überträgt sich auf verschiedenen Wegen:

    durch die Körpersprache

    durch die Stimme, also die gesprochene Sprache (inhaltlich und formal)

    durch parasprachliche Kanäle (Sprechtempo, Sprechrhythmus, Lautstärke, Sprechpausen etc.)

    durch die Methode, mit welcher die Erwartung deutlich gemacht wird.

    Der Pygmalion-Effekt gilt übrigens genauso für Kinder wie für Heranwachsende, auch für Erwachsene, und zwar auch dann, wenn es sich nicht um intellektuelle Lernziele handelt. Sogar bei Tieren wies Professor Rosenthal in New York 1966 diesen Effekt nach.

    Beim Verfassen dieses Artikels wurde zuerst an Musiklehrkräfte, nicht zuletzt aber auch an Dirigentinnen und Dirigenten von Musikvereinen gedacht. Heinrich Pestalozzi hat einmal gewarnt: »Alles Lernen ist nicht einen Heller wert, wenn Mut und Freude dabei verloren gingen.«

    Beschreiben Sie eine Methode, die von einer positiven Erwartungshaltung geprägt ist. Stellen Sie dieser Methode eine andere gegenüber, der eine negative Erwartungshaltung zugrunde liegt.

    Im Fernsehen habe ich den Ausschnitt einer Probe mit Claudio Abbado verfolgen können. Dabei wurde mir eindrücklich vor Augen geführt, was ein begnadeter Interpret erreichen kann, wenn er in seinem elitären Orchester ein gutes Klima schafft und den Mitgliedern genug Freiräume gewährt, die es ihnen gestatten, Wesentliches zum intensiven Musikerlebnis beizutragen. Da war kein Tyrann, kein Autokrat am Werk, vielmehr ein warmherziger Maestro, dessen positive Erwartungshaltung auf sein Orchester übersprang. Sein pädagogischer Hintergrund war im besten Sinne »pestalozzianisch«.

    Quintessenz meiner Gedanken: Dirigentinnen und Dirigenten mit einer positiven Erwartungshaltung

    erzeugen in ihrem Musikverein ein wärmeres sozial-emotionales Klima

    geben ihren Musikantinnen und Musikanten mehr Rückmeldungen (Feedback) über ihren Leistungsstand

    geben ihren Musikantinnen und Musikanten mehr Informationen (Input) und stellen zudem hohe Anforderungen

    räumen ihrem Musikverein mehr Gelegenheit zu Frage und Antwort (Output) ein, sind also dialogfähiger.

    Allein mit einer positiven Grundhaltung ist es also nicht getan. Qualitätsansprüche müssen jegliches pädagogisches Handeln begleiten. Beim Streben nach Zielen sollten sich alle Beteiligten strecken – das Gegenteil wäre: sich bücken – müssen. Das abgesteckte Ziel sollte jedoch erreichbar sein wenn man sich anstrengt, was zu einer optimalen Motivation führen kann und die Zuversicht aller Musikantinnen und Musikanten erhöht. Dabei spielt natürlich das didaktische Repertoire der Kapellmeister eine wesentliche Rolle. Das enorme Begabungsgefälle und die unterschiedliche Ausbildung dürfen nicht einfach übersehen werden. Individuelle Voraussetzungen der Orchestermitglieder sollten also erkannt werden; sie führen zu individuellen Aufgabenstellungen. In unseren Kapellen müssen gegebenenfalls für einige Bläser Stimmen verändert, unter Umständen erleichtert werden, eine nicht zu unterschätzende zusätzliche Arbeit, die sich aber lohnt.

    Gerade im Vorfeld eines Wettspiels oder eines Jahreskonzerts könnten Sie – Dirigentinnen, Dirigenten, Musikantinnen und Musikanten – ihre Grundhaltung wieder einmal überprüfen. Der Glaube des Optimisten vermag Berge zu versetzen; sei es in einer Dorfkapelle oder in einem elitären Blasorchester, davon bin ich überzeugt.

    Fritz Neukomm

    Erschienen in clarino.print 6/2006

    Der Pygmalion-Effekt (Teil 2) - Aufbauende Kritik ist unabdingbar

    In Teil 1 wurde auf die Wichtigkeit einer positiven Erwartungshaltung hingewiesen, die von pädagogischem Optimismus geprägt ist.

    Nachfolgend sind exemplarische Äußerungen von Dirigenten festgehalten, die sich als Verstärkungen ganz wesentlich voneinander unterscheiden.

    »Ja, das klappt ganz gut!«

    »Das war aber schlecht gespielt!«

    »Wie ihr gespielt habt, hat mir gefallen!«

    »Die Flöten stimmen schlecht.«

    »Toll! Toll! Super!«

    »Ihr spielt heute totalen Mist!«

    »Ich denke, das war mittelprächtig. Es war aber noch nicht Reed, eher Hindemith.«

    »Ich ärgere mich, weil ihr heute wieder die gleichen Fehler macht wie beim letzten Mal.«

    »Seid ihr bei der Feuerwehr?!«

    »Scheußlich, scheußlich!«

    »An dieser Stelle beschleunigen die Klarinetten das Tempo. Warum?«

    »Aber, aber, passt doch auf!«

    »Das habt ihr recht gut gespielt. Es wirkt aber auf mich noch zu gleichförmig.«

    »Probiert nochmals und achtet besonders auf die Dynamik.«

    »Ich sage euch nicht, was ihr seid, aber ihr bekommt heute Abend keine Kerne!«

    »Ich finde, dass es schade ist um den schönen Nachmittag.«

    »Dass wir heute so weit gekommen sind, ist zum großen Teil euer Verdienst.«

    »Achtet auf die Gliederung . . . das Atmen der Musik besser beachten . . . ja genau . . . das hat mir gefallen.«

    »Das war aber zäh! Hoffentlich geht es das nächste Mal besser.«

    »Ich würde das mit weniger Druck spielen.«

    »Ursula spielt den Abschnitt nochmals vor; achtet auf ihre Phrasierung.«

    »Welches Register übernimmt bei A die Führungsrolle? Was heißt das für die anderen Register?«

    »Wir spielen die beiden führenden Stimmen einmal vor . . . Und nun folgen ihnen die Begleitstimmen so, dass sie das Geschehen angemessen unterstützen, nicht aber zudecken.«

    »Warum gefällt euch die Musik von Alfred Reed besser als jene von XY?«

    »Heute seid ihr nicht so gut drauf. Hat dies etwas mit dem Pflichtstück zu tun?«

    »Man macht bei der Musik mit den Tönen dasselbe wie mit den Worten beim Sprechen. Die betonten Worte sind zuweilen etwas länger als die unbetonten. Man kann auch sagen, dass die wichtigen Töne oft etwas gedehnt gespielt werden. Versucht es bei A nochmals. Hm, ja, wir haben uns verstanden.«

    »Wollen wir eine Pause einschalten?«

    »Nun aber rascher spielen! (Orchester beschleunigt) . . . so gefällt es mir!«

    »Man merkt deutlich, dass ihr solide geübt habt.«

    »Peter sagt euch, wie er diese Stelle zu Hause üben wird.«

    »Mit welchem Stück wollen wir heute beginnen?«

    »Wenn ihr euch langweilt, seid ihr selber schuld!«

    »Diese Tonleiter habe ich auch schon besser spielen gehört . . .« – Antwort des schlagfertigen Klarinettisten: »Aber nicht von mir!«

    »Wer möchte probieren?«

    »As-Dur hat doch nicht nur 2 b!«

    »Wie fandet ihr das Vorbereitungskonzert?«

    »Für alle, die es noch nicht wissen: das Weiße ist das Papier, das Schwarze sind die Noten!«

    »Müsste ich dir deine Stimme wohl etwas vereinfachen?«

    »Lass doch einfach das letzte Sechzehntel weg, dann wird die Aufgabe wesentlich einfacher.«

    »Ich streiche dir diese knifflige Passage, du bringst sie sowieso nicht zustande.«

    »Ihr musiziert zu flach.«

    »Habt ihr Angst? Ihr müsst blasen – nicht saugen!«

    »Denkt an die Atemübungen, mit denen wir unsere Probe eingeleitet haben!«

    »Das Zwerchfell scheint bei euch zu verkümmern!«

    »Nochmals dieselbe Stelle, wir beginnen bei D. Warum wohl?«

    »Das e2 in den Trompeten ist zu tief; hört aufmerksamer mit oder sogar voraus!«

    »Brächte wohl ein Hilfsgriff eine präzisere Intonation?«

    »Bei langen Tönen ja nicht sinken!«

    »Ich singe euch die Stelle einmal so vor, wie ich diese Musik empfinde.«

    »Für mich war es eine schöne Probe, herzlichen Dank!«

    »Feierabend, wir treffen uns nach der Probe im Restaurant ›Löwen‹.«

    Achten Sie auf die unterschiedliche Lenkung und Wertschätzung. Mit welchen Äußerungen wollen/können/werden Sie Berge versetzen? Ordnen Sie wie folgt:

    1 = informative Verstärkungen

    2 = unspezifische, globale Verstärkungen

    3 = übertriebene Verstärkungen

    4 = angemessene Verstärkungen

    5 = sachliche Verstärkungen

    6 = emotionale Verstärkungen

    7 = wertende Verstärkungen

    8 = Ich-Botschaften

    9 = Du(Ihr)-Botschaften

    10 = begründete Verstärkungen

    A = große Wertschätzung

    B = Geringschätzung, Abneigung

    C = starke Lenkung

    D = minimale Lenkung

    Denken Sie auch an das Sprichwort: »C’est le ton qui fait la musique!« Tonfall, Lautstärke, Sprechtempo sind ebenso wichtige Bedeutungsträger. Mimik, Gestik – auch eine informative Dirigiertechnik erspart viele Worte –, Haltung, Abstand (räumliche Nähe/Distanz) sind nonverbale Signale mit ebenso großer Wirkung wie die Sprache.

    Wie gehen Sie mit Ironie um? Ich rate Ihnen, dieses Mittel nur dann einzusetzen, wenn Sie sicher sind, dass der Empfänger über eine adäquate Antenne verfügt.

    Schlussfolgerung: Aufbauende Kritik ist

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