Komponistenwerkstatt: Werke deutscher Blasorchesterkomponisten
Von Thorsten Wollmann und Katja Brunk
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Über dieses E-Book
Dieses sehr praktische Buch befasst sich eingehend mit der Welt der Komponisten - größtenteils mit deren eigenen Worten. Dieses Buch ermöglicht dem Leser ein besseres Verständnis der krativen Prozesse und kann durch dieses auch zu einer Stärkung der interpretierten Musik führen.
Der Leser erfährt unter anderem, wie ein Rolf-Rudin-Werk entsteht, welche Überlegungen dafür notwendig sind und wie die unterschiedlichsten Betrachtungsebenen in einem Ganzen zusammenwirken können. Thorsten Wollmann erklärt seine programmatische Suite "Along the Solk Road" und Hermann Regner stellt dar, warum er ein "Concerto für Klavier und Blasorchester" geschrieben hat, wo doch im Blasorchester Klarinetten, Trompeten, Hörner, Posaunen, Saxofone oder Tuben auch gern einmal ein Solokonzert spielen würden.
Die Reihe "clarino.extra" dient dem Leser als gleichermaßen praktisches wie unterhaltsames Nachschlagewerk und beinhaltet thematisch sortierte Fachartikel aus den vergangenen 20 Jahren der Zeitschrift Clarino bzw. clarino.print.
Inhalt:
* Jazz und afrikanische Gesänge – 'African Inspirations' von Markus Götz
* Suite mit programmatischem Inhalt – 'Along the Silk Road' von Thorsten Wollmann
* Für Marching Band und Blasorchester – 'Alte Welt – Neue Welt' von Matthias Dörsam
* Ohne übliche Instrumentationsverfahren – 'Cape Town Energy' von Fredrik Schwenk
* 'Herausforderung' im doppelten Sinn – 'Challenge' von Stephan Adam
* Eigenständig und persönlich – 'Concert for Band' von Jörg Nonnweiler
* Freier Lauf für die Graphomanie – 'Concertino für Blechbläserquintett und Orchester' von Gerhard Fischer-Münster
* Warum Klavier? – 'Concerto für Klavier und Blasorchester' von Dr. Hermann Regner
* Ein musikalisches Poem – 'Der Traum des Oenghus' von Rolf Rudin
* Die mythologische Welt der Antike – 'Dido und Aeneas' von Christian Wiedemann
* Groß angelegtes Orchesterwerk – 'Die Abenteuer eines alten Hutes' von Karl-Heinz Köper Zum Nachdenken anregend – 'Die Gedanken sind frei' von Albert Loritz
* Sinfonische Suite für großes Blasorchester – 'Don Quichotte' von Burkhard Meier
* Liebe – Tod – Erlösung – 'Drei Lieder' op. 15 für Sopran und Blasorchester von Alexander Geyer
* 'Der Ring' für Bläser – geht das? – 'Fantasie für sinfonisches Blasorchester' von Guido Rennert
* Es geht um die Botschaft – 'Franziskus' – das Musical von Kurt Gäble und Paul Nagler
* Höhepunkt einer Entwicklung – 'Fuevo' von Andreas Horwath
* Idealistisch-spirituelles Stück – 'God's Own Garden' von Fred Armbruester
* Innovation durch Lust am Kontrast – 'Konzertante Musik für großes Blasorchester, Pauken und Schlagwerk' von Joachim Gruner
* Klees enge Beziehung zur Musik – 'Konzert für sinfonisches Blasorchester – nach Bildern von Paul Klee' von Thorsten Wollmann
* Ein Meisterwerk – 'Konzertmusik für Blasorchester op. 41' von Paul Hindemith
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Buchvorschau
Komponistenwerkstatt - Thorsten Wollmann
clarino.print
Jazz und afrikanische Gesänge: »African Inspirations« von Markus Götz
Schon von weitem hört man die Trommeln, zuerst noch aus der Ferne, dann kommen sie immer näher. Afrikanische Musiker spielen faszinierende Rhythmen, und schon erklingen die dort heimischen Gesänge. Markus Götz greift dieses afrikanische Lebensgefühl in seiner Komposition auf und lässt sich von der fernen Kultur inspirieren. Er versucht aber nicht, die original-afrikanische Musik zu kopieren, sondern schafft eine eigenständige Neuschöpfung afrikanischer Musik für Blasorchester.
Nicht nur afrikanische, sondern auch jazzige Klänge erwarten den Musiker in diesem Werk. Jazz und Afrika sind nämlich gar nicht weit voneinander entfernt, wie der ein oder andere vielleicht denken mag. Viele Elemente des Jazz, Blues oder Swing stammen aus der afrikanischen Volksmusik, wie zum Beispiel komplexe synkopische Rhythmen, aber auch bestimmte Gesangstile. Der Komponist greift als weiteres prägendes Element die Pentatonik auf, also eine Tonleiter, die nur aus fünf Tönen besteht. Daraus bildet er viele seiner Melodien, die so einen ganz bestimmten – hier oft bluesigen – Charakter erhalten.
Mit dieser Pentatonik eröffnet er auch gleich sein Werk. Es erklingt eine Art Frage/Antwort-Spiel zwischen tiefen Blechbläsern und Saxofonen im forte und hohen Holzbläsern im piano, dessen Melodie aus fünf Tönen besteht. Schon hier spielen Synkopen eine große Rolle, die den Rhythmus des gesamten Werks prägen. In Takt 9 greifen die Hörner, Kornette, Baritone/Eufonien, Tuben und Kontrabass die Melodie auf. Der dominante Hörnerklang lässt die Weite des afrikanischen Landes vor dem inneren Auge entstehen: Grüne Wiesen, unendliche Wüsten und blaue Meere prägen das Bild. Hier beginnt ein Rhythmus in Djembe, Percussion und Drums, den Götz vom folgenden Allegro-Teil vorweg nimmt.
Rhythmus nimmt in der afrikanischen Musik eine wichtige Rolle ein und ist nicht nur als Begleitung gedacht, wie das oft in europäischer Musik der Fall ist. Er ist gleichberechtigter Partner zur Melodie und Harmonik. An dieser Stelle greifen die Percussioninstrumente die rhythmische Figur auf, die bereits der Melodielinie zugrunde liegt.
Nach dieser Eröffnung folgt ein schneller Allegro-Teil, in dem afrikanische Djemben und Drums die Musik rhythmisch vorantreiben. Vielleicht zieht gerade eine Horde Tiere durch die afrikanische Sahara, die eine Menge Sand aufwirbelt, während der Strom der Tiere gar nicht mehr abzureißen scheint. Zuerst noch ganz nah, rücken sie beim Erklingen der Melodie in den hohen Holzbläsern weiter in die Ferne, bleiben aber dennoch immer präsent. Die Melodie ist einfach gehalten und erzeugt einen schwebenden Charakter: In einem afrikanischen Tribe singen die Bewohner gemeinsam Lieder. Immer mehr Instrumente kommen hinzu, während die Rhythmusgruppe gleich bleibt. Der Mittelteil ab Takt 81 ist ruhig im Tempo. So entsteht insgesamt die beliebte Abfolge schnell – langsam – schnell. Bariton und Flöte beginnen hier mit der Melodie, deren erster Teil wieder aus fünf Tönen besteht. Sie beginnen kanonartig zwei Schläge versetzt, entwickeln sich dann aber unterschiedlich weiter und es entsteht eine bewegte melodiöse Linie in einer Art Komplementärrhythmus: Während ein Solist lange Noten in der Melodie spielt, füllt der zweite Spieler sie mit Bewegung. Die Harmonien sind blues-orientiert und auch die Synkopen aus dem vorherigen Teil kehren nach wenigen ruhigen Takten schon wieder zurück. Die Melodie erklingt hier nicht zum ersten Mal, sondern sie ist eine Variation der Melodie, die der Komponist schon im Allegro-Teil ab Takt 29 verwendet.
Wiederholungen bestimmter Rhythmen und Klänge sind ein wichtiger Bestandteil der afrikanischen Musik. So können Musiker und Zuhörer tief in die Musik eintauchen. Auch Götz macht sich dieses Phänomen zu eigen und bestimmte sogenannte »Patterns« – also die rhythmische Struktur – erklingen immer wieder.
Der Aufbau des Werks ist symmetrisch gestaltet: Der erste Teil kehrt ganz am Schluss wieder, der zweite Teil als vorletzter Abschnitt und der langsame Teil steht in der Mitte. Die Komposition dauert 7.24 Minuten und liegt im mittleren Schwierigkeitsbereich. Damit ist sie für viele Orchester spielbar, und auch Jugendorchester können die abenteuerliche Reise nach Afrika wagen.
Katja Brunk
Erschienen in clarino.print 9/2009
Markus Götz
wurde 1973 in Schopfheim geboren und hat Musikwissenschaft, Geschichte und Philosophie in Freiburg im Breisgau studiert. Gleichzeitig war er Schüler an der dortigen Jazz- und Rockschule, nahm Arrangierunterricht und nahm an vielen Kompositionskursen, unter anderem bei Jacob de Haan, Stephen Melillo und Philip Wilby, teil.
Er selbst komponierte bereits als Schüler für verschiedene Besetzungen, später zog es ihn dann immer mehr zur Blasorchesterkomposition. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit sind große Projekte, wie zum Beispiel eigene Musicals (»Piraten, Piraten« oder »Canterville«). Bei der Komponistenwerkstatt in Sachsen gewann er 2002 mit »African Inspirations« einen Sonderpreis, 2003 mit »Adebars Reise« einen ersten Preis sowie den Publikumspreis. Neben der Arbeit als Komponist ist er Geschichts- und Musiklehrer, unterrichtet Trompete und ist Bigband-Leiter.
Suite mit programmatischem Inhalt: »Along the Silk Road« von Thorsten Wollmann
Thorsten Wollmann schuf mit »Along the Silk Road« ein Werk für sinfonisches Blasorchester, das von Eindrücken Zentralasiens geprägt ist. Wollmann lebt in Thailand, wo er seit 1996 als Dozent für Komposition an der Payap University in Chiang Mai arbeitet. Viele seiner Werke haben asiatische Themen, etwa die »Northern Thai Suite« für Blasorchester und die auf CD erschienene Produktion »Colours of Siam« (In and Out Records) mit der WDR-Bigband Köln.
Along the Silk Road (Entlang der Seidenstraße)
Das Werk ist eine fünfteilige konzertante Suite mit programmatischem Inhalt, der die imaginäre Reise einer mittelalterlichen Karawane vom Mittleren Osten bis nach China zugrunde liegt. Karawanen mit Kamelen und zu Pferd waren vor der Entdeckung des Seeweges die einzige Möglichkeit, Güter über den asiatischen Kontinent zu transportieren. So entstand einer der berühmtesten Handelswege aller Zeiten zwischen West und Ost – die Seidenstraße, deren Namen schon eines der wichtigsten Handelsgüter beschreibt, das in dieser Zeit von China nach Europa gebracht wurde.
Die faszinierendsten Aspekte einer solchen langen, abenteuerlichen und wohl auch gefährlichen Reise wurden schon von dem Venezianer Marco Polo in seinen Tagebüchern beschrieben und waren die Inspiration zur Entstehung dieses Werks.
View of the snow-capped Pamir ranges in summer (Blick auf das schneebedeckte Pamirgebirge im Sommer)
Ausgangspunkt für die meisten Handelskarawanen der Seidenstraße vom Westen in den Osten waren Städte wie Samarkand oder Taschkent im heutigen Usbekistan. Die mächtigen Gebirgszüge der Pamirkette sind dominierendes Landschaftsmerkmal. Die Pässe der Berge, die von den Karawanen bewältigt werden mussten, tragen sogar im Sommer noch Schnee.
Musikalisch hat dieser erste Teil einleitenden Charakter, nutzt den vollen Tuttiklang des sinfonischen Blasorchesters in reizvoller Harmonik als auch subtilere Farben der Holzbläser in Verbindung mit den Malletinstrumenten und Klavier (optional).
In the Old Quarter of Kashgar (Im alten Viertel von Kaschgar)
Die multikulturelle Stadt Kaschgar bildete einen wichtigen Knotenpunkt der Karawanen als letzter Vorposten vor dem Durchqueren der Wüste in Richtung Osten. Die Altstadt ist heute noch Zentrum für einen lebendigen Handel mit ihrem Basar, in dem die vielen Sprachen Asiens zu hören sind. Grundlegend für diesen Abschnitt ist ein kombinierter pulsierender Rhythmus aus
5⁄8- und 7⁄8-Takten, dem ein Ostinato im Bass unterliegt. Darüber erklingt eine orientalisch anmutende Melodie in der Oboe, die einer harmonischen g-Moll-Tonleiter entstammt. Das für diese Skala typische Intervall einer übermäßigen Sekunde ist wichtiges Element in Musikstilen des Mittleren Ostens, und auch die Instrumentation mit Tambourin, verschiedenen Trommeln, Klarinetten und Oboe verstärkt diesen ethnischen Eindruck. Die Musik steigert sich zu purem Rhythmus vor dem Erreichen des kulminierenden Tuttis am Ende dieses Abschnitts (Takt 84) in Form eines Dialogs zwischen zwei Schlagzeugern und dem Orchester.
Through the Taklamakan Desert (Durch die Taklamakan-Wüste)
Die schier endlose Weite und Kargheit dieser zentralasiatischen Wüste war wohl eine der größten Herausforderungen der Reise einer Karawane auf der Seidenstraße. Nur mit Kamelen war es möglich, eine Gruppe von über 100 Menschen mit allen Handelswaren für mehrere Monate durch diese lebensfeindliche Gegend zu bringen. Orgelpunkte und Clusterakkorde sind Hauptelemente der getragenen musikalischen Landschaftsmalerei. Klangfarben sind gedämpftes Blech, Unisono-Holzbläser und vereinzelte Percussion-Tupfer. Die Weite der Landschaft wird durch den Tonumfang des Blasorchesters suggeriert: von den Tiefen der Tuben, Fagotte und Bassklarinette bis zu den Höhen der Flöten und Pikkolos – dazu Leere in der Mitte.
The Ambush (Der Hinterhalt)