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Komponistenlexikon für junge Leute: 153 Porträts von der Renaissance bis zur Gegenwart
Komponistenlexikon für junge Leute: 153 Porträts von der Renaissance bis zur Gegenwart
Komponistenlexikon für junge Leute: 153 Porträts von der Renaissance bis zur Gegenwart
eBook930 Seiten9 Stunden

Komponistenlexikon für junge Leute: 153 Porträts von der Renaissance bis zur Gegenwart

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Über dieses E-Book

Wie lebten Orlando di Lasso, Ludwig van Beethoven, Modest Mussorgskij oder György Ligeti - und wie entstanden ihre großen Werke? Das "Komponistenlexikon für junge Leute" möchte musikinteressierten Kindern und Jugendlichen (und auch ihren Eltern) bedeutende Musiker näher bringen - von der Renaissance bis zum 21. Jahrhundert.
Das Lexikon ist sowohl Nachschlagewerk als auch unterhaltsames Lesebuch und stellt 153 lebendige Komponistenporträts von A-Z vor: Im Mittelpunkt steht die anschauliche Biografie des jeweiligen Künstlers unter Nennung der wichtigsten Werke und der Bedeutung des Komponisten im musikgeschichtlichen Zusammenhang. Charakteristische Episoden aus dem musikalischen Alltag ermöglichen es, die Musikerpersönlichkeiten aus verschiedenen Blickwinkeln kennen zu lernen.
SpracheDeutsch
HerausgeberSchott Music
Erscheinungsdatum18. Juni 2015
ISBN9783795786557
Komponistenlexikon für junge Leute: 153 Porträts von der Renaissance bis zur Gegenwart

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    Buchvorschau

    Komponistenlexikon für junge Leute - Ulrich Rühle

    Rühle

    Isaac Albéniz

    Wichtige Werke

    Klavierwerke:

    Suite española Nr. 1 op. 47 (1886)

    Iberia, 12 Klavierstücke in 4 Bd. (1905–1908)

    Bedeutung

    Isaac Albéniz gilt als Begründer des spanischen Nationalstils und als bedeutender Vertreter der neueren spanischen Klaviermusik. Seine Stücke verbinden auf geniale Weise Virtuosität mit folkloristischen Elementen. Die Kompositionen des Katalanen beeinflussten nachhaltig das Klangbild der französischen Impressionisten. Albéniz’ farbige Stimmungsbilder eignen sich auch sehr gut für die Gitarre, weil dieses Instrument mit ihrem Klang am besten spanisches Flair vermittelt.

    Der spanische Komponist Isaac Albéniz tritt bereits mit vier Jahren als pianistisches Wunderkind in Barcelona das erste Mal öffentlich auf. Als Neunjähriger beginnt er, am Madrider Konservatorium Musik zu studieren. Doch schon ein Jahr später läuft er von dort weg und tourt auf eigene Faust als Pianist durch Kastilien. Mit zwölf Jahren flüchtet Isaac als blinder Passagier auf einem Schiff nach Amerika. Dort verdient der junge Albéniz seinen Lebensunterhalt als Konzertpianist.

    Nach seiner Rückkehr in seine Heimat findet er Mäzene, die ihm ein Musikstudium in Belgien und Deutschland ermöglichen. Dabei trifft er in Leipzig mit dem berühmten Pianisten und Komponisten Franz Liszt zusammen. Dieser ist von Albéniz’ brillantem pianistischen Können so beeindruckt, dass er dem Zwanzigjährigen Unterricht erteilt. Liszt, den Albéniz nun zwei Jahre lang auf dessen Reisen nach München und Rom begleitet, ermuntert ihn, echte spanische Musik zu komponieren, so wie es ihm selbst als Ungar mit den Ungarischen Rhapsodien gelungen ist.

    Zurück in Spanien studiert Albéniz bei Felipe Pedrell, dem Komponisten, Kritiker und wichtigsten spanischen Musiklehrer, der dafür eintritt, sich als Komponist auf die kraftvolle spanische Volksmusik zurückzubesinnen und einen eigenen nationalspanischen Stil zu entwickeln. Sein Schüler greift diesen Gedanken begeistert auf. Albéniz ist als Katalane zwar in Spaniens Norden geboren, liebt aber die südspanische Region Andalusien und besitzt auch das feurige Temperament der Südspanier. Deshalb bezeichnet sich der schwarzhaarige Komponist immer wieder als »Maure«, so nennt man die Araber in Südspanien. Die Begeisterung für Andalusien zeigt sich schon in seinen ersten Werken. Albéniz versteht es, den Flamenco, die heißblütige, leidenschaftliche Volksmusik Andalusiens mit ihrem unverwechselbaren Rhythmus in seinen Klavierkompositionen zu verarbeiten. Mit der Suite española op. 1 erlangt er 1886 seinen ersten großen Erfolg.

    Ab 1893 lebt Albéniz in Paris, um sich bei Paul Dukas, dem Komponisten des Zauberlehrlings, den letzten kompositorischen Schliff zu holen. In dieser Zeit findet er dann auch endgültig seinen eigenen Stil. Jetzt verbindet er in seinen Werken folkloristische Elemente mit großer pianistischer Virtuosität. Albéniz versteht es dabei meisterhaft, Farben und Stimmungen seiner Heimat einzufangen. Niemals, äußerte sich der französische Komponist Claude Debussy, hat die Musik so vielfältige, so farbige Impressionen [Eindrücke] erreicht; die Augen schließen sich wie vom Anschauen zu vieler Bilder geblendet.

    1903 zieht sich Albéniz schwer krank vom Konzertleben zurück. Er bezieht in Nizza an der französischen Riviera ein Haus. Hier entsteht zwischen 1905 und 1909 sein Meisterwerk für Klavier, die zwölfsätzige Suite Iberia, eine Folge von Stücken, in denen er den ganzen Zauber Andalusiens beschwört: die Fronleichnamsumzüge mit ihren schrägen Naturtrompeten, El Albaicin, ein malerischer Stadtteil Granadas, und das Zigeunerviertel von Sevilla, wo der canto flamenco, der Flamencogesang entstanden ist: Kompositionen von großer Ausdruckskraft und schillernder Farbigkeit.

    Viele seiner Werke wurden schon bald von namhaften Gitarristen für ihr Instrument umgeschrieben, denn Stimmung und Farbe spanischer Musik klingen dabei noch unmittelbarer als in der Klavierfassung. Albéniz’ Musik scheint der Gitarre mit ihrem speziellen Klang auf den »Leib geschneidert« zu sein. Am 18. Mai 1909 ist der »spanische Liszt« Isaac Albéniz mit 48 Jahren in Südfrankreich gestorben.

    Bedeutende spanische Musiker wie Sarasate, Granados, Tabayo und Albéniz trafen sich regelmäßig in einer angesehenen Buchhandlung San Sebastians, um miteinander zu reden und zu musizieren. Eines Tages kam ihnen die originelle Idee, ein Orchester zu gründen, in dem jeder der anwesenden Musiker ein Instrument spielen sollte, mit dem er nicht vertraut war. Die regelmäßigen Proben fanden im Hinterhof des Ladens statt. In altmodische Gebirgstouristentracht gekleidet, versuchte sich Granados, der Pianist, auf einem Kamm oder dirigierte, Tabayo, der Opernstar, kratzte auf einer Violine und Albéniz pustete mit aufgeblasenen Backen vehement in irgendein Blasinstrument. Das exzentrische Orchester wurde bald zum Stadtgespräch. Selbst der spanische König hörte von der verrückten Musiktruppe und erkundigte sich von Zeit zu Zeit nach ihren Fortschritten. Doch den Leuten, die rings um den Innenhof wohnten, gingen die lautstarken Proben mit der Zeit gehörig auf die Nerven. Eines Tages, die Chaosband quälte sich gerade durch eine klassische Sinfonie, öffneten sich auf ein Zeichen hin die Fenster und aus heiterem Himmel prasselten vertrocknete Früchte, gammeliges Gemüse und faule Eier auf die Musikanten. Aber das tapfere Orchester ließ sich nicht beirren und spielte trotz heftiger Verwünschungen und herabfallender Küchenutensilien unverdrossen weiter. Erst auf das Schlusszeichen des Dirigenten hin setzten die Musiker ihre Instrumente ab, verbeugten sich ernst und gemessen und grüßten dankend nach allen Seiten, völlig ungerührt darüber, dass ihre Kleider verdreckt waren.

    Eugène d’Albert

    Wichtige Werke

    Bühnenwerke:

    Tiefland, Oper (1903)

    Die toten Augen, Oper (1916)

    Orchesterwerke:

    Klavierkonzert Nr. 1 in h-Moll op. 2 (1884)

    Klavierkonzert Nr. 2 in E-Dur op. 12 (1893)

    Bedeutung

    Der große Pianist d’Albert hat erstaunlich wenig für sein Instrument, das Klavier, geschrieben. Der Schwerpunkt seines kompositorischen Schaffens liegt auf dem Musikdrama. Obwohl er mit seinen Opern zu seiner Zeit großen Erfolg hatte, sind seine Werke heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Von seinen 21 Bühnenwerken hat sich lediglich das dramatische Meisterwerk Tiefland auf den Spielplänen der Opernhäuser gehalten.

    Eugène d’Albert, der zu seiner Zeit bewunderte Klaviervirtuose und geschätzte Opernkomponist, wird 1864 im schottischen Glasgow geboren. Obwohl seine Mutter Engländerin ist und sein in Deutschland geborener Vater französisch-italienischer Abstammung, fühlt sich d’Albert zeitlebens nie als Engländer, sondern mehr als Deutscher. Er beherrscht die englische Sprache nur sehr schlecht und bevorzugt auch die deutsche Form seines Vornamens Eugen. Vater Charles, Komponist und selbst guter Pianist, gibt dem Sohn den ersten Klavierunterricht.

    Eugène, bei dem sich schon sehr früh eine große pianistische Begabung zeigt, erhält bereits mit zehn Jahren ein Stipendium an der königlichen Musikakademie in London. Clara Schumann und Anton Rubinstein hören den jungen Pianisten und sagen ihm eine große Karriere voraus. Der junge d’Albert geht nach Wien, um seine Musikstudien voranzutreiben. Hier lernt er Johannes Brahms und Franz Liszt kennen. Letzterer ist von den pianistischen Fähigkeiten d’Alberts tief beeindruckt. Als Liszt-Schüler vollendet er in Weimar sein Klavierspiel. Anschließend unternimmt der geniale Pianist fast zehn Jahre lang zahllose Konzertreisen, die ihn bis nach Amerika führen. Überall wird der brillante Klavierspieler frenetisch gefeiert. Seine Interpretationen der Werke Bachs und Beethovens sind unübertroffen. In Fachkreisen gilt d’Albert als bester Pianist seiner Zeit.

    Gern hätte d’Albert seine Konzerttätigkeit eingeschränkt und wäre sesshaft geworden, um sich auf das Komponieren zu konzentrieren, doch eine Stellung als Hofkapellmeister in Weimar wird durch Intrigen verhindert. So führt d’Albert ein rastloses Leben, das ihn in die verschiedensten Länder führt. Nirgends aber kann er heimisch werden. Erst nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges lässt sich d’Albert, der immer noch englischer Staatsbürger ist, in der Schweiz nieder. Nun widmet er sich mehr und mehr dem Komponieren. Als Komponist ist d’Albert Autodidakt. Anfangs bekommt er für seine Opern nicht die Anerkennung, die er sich erhofft, denn häufig leiden diese Werke, die stark vom Stil Richard Wagners beeinflusst sind, unter schwachen Libretti. Erst das Musikdrama Tiefland, eine Geschichte aus dem Bauernmilieu, bringt ihm weltweiten Erfolg ein. Diese Oper ist ein bedeutender Beitrag zum italienischen Verismus, in dem es nicht mehr um Stoffe längst vergangener Zeiten geht, sondern um die Wirklichkeit unserer Tage.

    Freilich ist der weltoffene und allem Neuen aufgeschlossene Vollblutmusiker, der mit namhaften Komponisten und Literaten wie Reger, Humperdinck, Pfitzner und Hesse befreundet ist, nicht nur wegen seiner musikalischen Fähigkeiten Gesprächsthema in allen Künstlerzirkeln, sondern auch wegen seines berüchtigten Privatlebens. D’Albert war sechsmal verheiratet, unter anderem mit der 11 Jahre älteren berühmten Pianistin Teresa Carreno aus Venezuela und mit der Sängerin Hermine Finck, für die er die meisten seiner zahlreichen Lieder komponierte. Leider ist es ihm nicht gelungen, mit einer künstlerisch ebenbürtigen Partnerin in dauerhafter Beziehung zu leben. Für die Scheidung von seiner letzten Frau reist d’Albert nach Riga, wo er 1932 an Herzversagen stirbt.

    D’Albert gab immer wieder Anlass zu Klatschgeschichten und großen Schlagzeilen, nicht nur wegen seiner großen Fähigkeiten als Komponist und Klaviervirtuose, sondern auch aufgrund seiner »skandalösen« Ehegeschichten. Kurz nach der Hochzeit mit Teresa Carreno konnte man in der Presse folgende Ankündigung lesen: »Eugen d’Alberts erstes Konzert wird am zweiten März von seiner dritten Frau gespielt.«

    Tommaso Albinoni

    Wichtige Werke

    Bühnenwerke:

    über 50 Opern, darunter:

    Vespetta e Pimpinone, Intermezzo (1708)

    I veri amici (1722)

    Instrumentalwerke:

    Streicherkonzerte op. 2 und op. 5 (1700/07)

    Balletti a tre op. 3 (1701)

    Sonate da chiesa, Kirchensonaten op. 4 (1708)

    Trattenimenti armonici per camera, Kammersonaten op. 6 (1712)

    Concerti a cinque für Streicher, Oboe und Basso op. 7 (1715)

    Balletti e sonate a tre op. 8 (1722)

    Concerti a cinque für Violine solo, Streicher, Oboen und Basso continuo op. 9 (1722)

    Bedeutung

    Der italienische Barockmeister Tommaso Albinoni gehört zu den bedeutendsten und erfolgreichsten Komponisten der venezianischen Oper. Noch wichtiger aber sind seine Instrumentalwerke. In seinen Konzerten verwendet Albinoni die dreisätzige Form schnell-langsam-schnell, die zur festen Konzertform für die nachfolgenden Generationen wurde.

    Der italienische Barockkomponist Tommaso Albinoni wächst in einer wohlhabenden venezianischen Familie auf. Sein Vater ist durch die Herstellung von Papier zu Wohlstand gelangt. Er besitzt ein herrschaftliches Landgut, mehrere Häuser und ein stattliches Barvermögen. Lange Zeit wird der junge Albinoni finanziell von seiner Familie unterstützt, sodass er auf keine feste Stellung angewiesen ist. Deshalb bezeichnet sich der Komponist anfangs auch als dilettanto veneto, als Amateur, und nicht als Berufsmusiker. Albinoni ist jemand, der zu seiner eigenen Freude komponiert, dabei aber das Maß der hervorragendsten Meister erfüllt, so ein zeitgenössischer Dichter.

    Hilfreiche Kontakte zu Adel und Klerus werden dem jungen Komponisten durch seinen Bruder vermittelt, einen Schriftsteller und Poeten. Dieser ist Ehrenpage der Ehefrau Antonio Ottobonis, des angesehenen Neffen von Papst Alexander VII. Seinem neuen Mäzen, dem musikliebenden Kardinal Pietro Ottoboni, widmet der 23-jährige Albinoni sein erstes größeres Werk, die Triosonaten op. 1. Im gleichen Jahr inszeniert Albinoni in der Karnevalszeit seine erste Oper Zenobia, regina di Palmireni. Schnell macht sich der Venezianer nun als Komponist einen Namen. Seine Bühnenwerke sind bald so gefragt, dass er mitunter fünf Opern pro Jahr komponieren muss. Er reist durch ganz Italien, um seine Bühnenwerke selbst zu inszenieren. Die berühmteste seiner über 50 Opern ist zweifellos Vespetta e Pimpinone, die es zwischen 1709 und 1740 zu 19 Premieren in verschiedenen Opernhäusern Italiens bringt.

    1705 heiratet der Komponist die Sängerin Margherita Raimondi und eröffnet mit ihr in Venedig eine Gesangsschule. Als nach dem Tod des Vaters die finanzielle Unterstützung der Familie ausbleibt, ist Albinoni gezwungen, musico di violino, also Violinist und somit Berufsmusiker zu werden. 1722 wird Albinonis erfolgreichstes Jahr. Neben den Balletti e sonate a tre op. 8 entstehen die Concerti op. 9, die er dem bayrischen Kurfürsten Maximilian Emanuel I. widmet. Daraufhin bekommt er vom bayrischen Hof den Auftrag, für ein Ritterturnier und die Hochzeitsfeierlichkeiten des Kurprinzen Karl Albert und Prinzessin Maria Amalia Festmusiken zu komponieren. Der deutsche Musikschriftsteller und Komponist Johann Mattheson, Gast der Hochzeitszeremonie, rühmt, dass die Aufführungen der Festopern I veri amici (Die wahren Freunde) und Il trionfo d’amore (Der Triumph der Liebe), bei denen Albinoni selbst als Violinist und Regisseur mitwirkt, ein unvergessliches Erlebnis gewesen seien. Dass Tommaso Albinoni von Zeitgenossen in einem Atemzug mit Arcangelo Corelli und Antonio Vivaldi genannt wird, verdankt der Komponist aber in erster Linie seinen Instrumentalkompositionen, den 10 Sammlungen von Kammersonaten, Kirchensonaten, Balletten und Streicher- und Oboenkonzerten. In diesen Konzerten verwendet Albinoni die dreisätzige Form schnell-langsam-schnell, eine Konzertform, die seine Zeitgenossen und die nachfolgenden Generationen übernehmen. Mit seinen Concerti op. 7 führt er außerdem in Italien die Oboe als Soloinstrument ein.

    1740 erscheint in Paris seine letzte Sammlung, die sechs Kammersonaten op. 10. Danach zieht sich der 70-Jährige aus dem Musikbetrieb zurück. Die letzten Jahre seines Lebens verbringt der venezianische Komponist in völliger Zurückgezogenheit ans Bett gefesselt. Tommaso Albinoni stirbt 1750, im gleichen Jahr wie sein großer deutscher Zeitgenosse Johann Sebastian Bach, der den Italiener außerordentlich schätzte und drei seiner Themen zu Fugen verarbeitete. Heute ist Albinoni den meisten durch sein berühmtes Adagio in g-Moll für Streicher und Orgel ein Begriff. In seiner heutigen Form ist diese Komposition jedoch die Bearbeitung eines seiner Triosonatenthemen durch den römischen Komponisten Remo Giazotto aus dem Jahr 1945. ■

    Carl Philipp Emanuel Bach

    Wichtige Werke

    Chorwerke:

    Die Israeliten in der Wüste, Oratorium (1769)

    Die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu, Oratorium (1778)

    Orchesterwerke:

    mehr als 50 Konzerte für Tasteninstrumente (1738–1765 und nach 1767)

    Sechs Sinfonien (Hamburger Sinfonien), 1773

    Cembalowerke:

    Sei Sonate per Cembalo (Preußische Sonaten) (1742)

    Sei Sonate per Cembalo (Württembergische Sonaten) (1744)

    Bedeutung

    Carl Philipp Emanuel Bach, nach seinen Wirkungsstätten auch »Berliner« oder »Hamburger Bach« genannt, gilt als einer der bedeutendsten Komponisten der Vorklassik. Zu seinen Lebzeiten war er berühmter als sein Vater, Johann Sebastian Bach, denn die neue Gesellschaft wandte sich vom strengen Stil des Barock ab. Sie bevorzugte den galanten Stil und den starken Gefühlsausdruck des Sturm und Drang. Bei der nachfolgenden Generation, der Wiener Klassik, stand Carl Philipp Emanuel Bach in hohem Ansehen. Sein kompositorisches Schaffen ist sehr umfangreich und vielfältig. Werke für Cembalo stehen dabei im Vordergrund. Er ist einer der ersten Komponisten, der neben dem Cembalo das Hammerklavier als Tasteninstrument einsetzt.

    Er ist der Vater, wir sind die Buben, soll Wolfgang Amadeus Mozart bewundernd über den Komponisten Carl Philipp Emanuel Bach geäußert haben. Dieser wird als zweiter Sohn Johann Sebastian Bachs und dessen Cousine und Frau Maria Barbara 1714 in Weimar geboren. Weil der Komponist Georg Philipp Telemann sein Taufpate ist, erhält Carl als zweiten Namen Philipp.

    1723 zieht die Familie Bach nach Leipzig. Dorthin hat man Johann Sebastian Bach als Thomaskantor berufen. Carl Philipp Emanuel wird mit 10 Jahren Schüler der Thomasschule, an der auch sein Vater unterrichtet. Wie alle seine zahlreichen Geschwister erhält der junge Bach Musikunterricht vom Vater. In der Komposition habe ich nie einen anderen Lehrmeister gehabt als ihn, schreibt er später in seiner Biografie. Höhepunkt des Musikunterrichts ist für Emanuel immer, wenn der Vater mit ihm und seinem Bruder Friedemann die eigens für sie komponierten Konzerte für drei Cembali spielt. Die musikalischen Hoffnungen des Vaters aber ruhen nicht auf Philipp Emanuel, sondern auf Wilhelm Friedemann und Johann Christian, die später beide auch Komponisten werden. Dass Philipp Emanuel der wichtigste Bach nach ihm werden könne, hielt der Thomaskantor nicht für möglich. Deshalb entscheidet sich Carl Philipp Emanuel für ein Jurastudium, erst in Leipzig, später in Frankfurt/Oder. Hier gründet er einen Gesangsverein und erwirbt sich als Dirigent und Musiklehrer einen guten Ruf. Als Cembalospieler ist er bereits einer der Besten seiner Zeit. Mit 24 Jahren macht Bach sein juristisches Staatsexamen. Seine außergewöhnlichen Fähigkeiten als Musiker haben sich inzwischen herumgesprochen.

    Gerade als er den Sohn des Grafen Keyserlingk als Hofmeister auf eine Studienreise ins Ausland begleiten soll, bekommt er einen Ruf als Cembalist an den Hof des preußischen Kronprinzen Friedrich von Preußen nach Rheinsberg. Als der Prinz 1740 als Friedrich II. von Preußen den Thron besteigt, wird Bach Kammercembalist des Königs. Zu seinen Pflichten gehört, zusammen mit Quantz und Benda bei den allabendlich stattfindenden Kammermusiken in Berlin und Potsdam mitzuwirken und den König, der ein leidenschaftlicher Flötist ist, am Cembalo zu begleiten. Seine Sonatensammlung Preußische Sonaten widmet er seinem musizierenden Arbeitgeber. Daneben muss Bach Unterricht erteilen, unter anderem dem jungen Herzog Carl Eugen von Württemberg, der sich am Berliner Hof aufhält und dem er später die sechs Sonaten für Cembalo, die Württembergischen Sonaten widmet. In der Berliner Zeit entstehen beinahe hundert Sonaten für sein Lieblingsinstrument, das Cembalo. Carl Philipp Emanuel Bach macht sich aber nicht nur als Cembalist und Komponist einen Namen, sondern auch als Musiktheoretiker. Mit seinem Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen verfasst er ein bedeutendes Lehrbuch.

    1747 arrangiert Carl Philipp Emanuel Bach ein Treffen seines Vaters mit dem König. Friedrich II., der Große, ist vom Spiel und der Improvisationskunst des alten Bach stark beeindruckt und gibt ihm ein Thema, das der Thomaskantor dann in Leipzig zu einem großartigen Werk, dem Musikalischen Opfer ausarbeitet. Als Johann Sebastian Bach 1750 stirbt, bewirbt sich Carl Philipp Emanuel erfolglos um die Nachfolge seines Vaters als Thomaskantor in Leipzig. 1767 bekommt Bach einen Ruf nach Hamburg, die Nachfolge seines Paten Philipp Telemann als Kantor am Gymnasium Johanneum und als Musikdirektor der fünf Hauptkirchen in Hamburg zu übernehmen. Er sagt gern zu, denn trotz seiner hohen Wertschätzung, die er inzwischen bei Hof und in den adligen und bürgerlichen Kreisen Berlins genießt, ist er im Dienst des Königs nicht mehr zufrieden. Während des Siebenjährigen Krieges ist das Musikinteresse des Preußenkönigs stark zurückgegangen. Außerdem steht er der neuen, leidenschaftlichen Musik seines Kammercembalisten kritisch gegenüber. Bach rächt sich, indem er in Friedrichs Sonaten bewusst Fehler einstreut, die die Mitspieler wohl bemerken und sich über Friedrichs Unkenntnis mokieren.

    Die letzten 21 Jahre bis zu seinem Tod verbringt Carl Philipp Emanuel Bach in Hamburg. Der schwarzhaarige, etwas gedrungen wirkende städtische Musikdirektor Bach, ein lebhafter, an allem interessierter und gebildeter Mensch, ist auch ein gern gesehener Gast in den bekannten literarischen Zirkeln der weltoffenen Hansestadt. Zu seinen Freunden gehören die Dichter Klopstock und Voss. In seiner Stellung als Musikdirektor der fünf Hamburger Hauptkirchen komponiert Bach natürlich jetzt auch verstärkt Kirchenmusik: Motetten, Oratorien, Passionen. Sein größtes Augenmerk gilt aber nach wie vor der Cembalomusik. Der Kompositionsstil, den Bach dabei entwickelt, ist als »Norddeutsche« oder »Hamburger Schule« bekannt geworden. Sie verbindet höchste Ausdruckskraft des »Sturm und Drang«-Zeitgeistes mit dem anmutigen, galanten Stil des Rokoko und dessen reich verzierter Melodik. Mein Hauptstudium, erklärt Bach in seiner Biografie, ist besonders dahingehend gerichtet gewesen, auf dem Klavier so viel als möglich sangbar zu spielen. Ich denke, die Musik muss in erster Linie das Herz rühren.

    Carl Philipp Emanuel Bach hat durch seine Kompositionen und seine Auftritte maßgeblichen Anteil an der allmählichen Ablösung des Cembalos durch das Hammerklavier. In seinem Doppelkonzert für Cembalo, Hammerklavier und Orchester (2 Flöten, 2 Hörner und Streicher) lässt er beide Instrumente miteinander wetteifern. In seinen Klavierkompositionen wird der Unterschied zu seinem Vater besonders deutlich: Die Barockmusik wird abgelöst durch eine Musik, die heiter wirkt und Gemütsbewegungen ausdrückt und die der Vater geringschätzig als Berliner Blau, das verwäscht abtut, die aber Ausdruck einer neuen Epoche ist: der Vorklassik.

    Auch ist es das Verdienst des Hamburger Bach, den ersten Satz der Sonate, den Sonatenhauptsatz, um ein zweites Thema bereichert zu haben, was später Haydn, Mozart und Beethoven aufgreifen. Bei den drei Hauptvertretern der Wiener Klassik steht Carl Philipp Emanuel Bach in hohem Ansehen. Mozart und Beethoven sprechen ehrfürchtig vom Originalgenie und Haydn äußerte: Wer mich gründlich kennt, der muss finden, dass ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke, dass ich ihn verstanden und fleißig studiert habe. Trotz vieler Altersbeschwerden strahlen auch seine letzten Werke noch Anmut und Heiterkeit aus. 1788 ist Carl Philipp Emanuel Bach mit 74 Jahren in Hamburg gestorben.

    Noch sind nicht alle Werke Carl Philipp Emanuel Bachs bekannt. Im Archiv der Berliner Singakademie, das erst im Jahre 2003 aus Kiew zurückgeführt wurde, befinden sich zahlreiche Kompositionen, die noch nicht herausgegeben und aufgeführt worden sind. ■

    Johann Christian Bach

    Wichtige Werke

    Orchesterwerke:

    6 Konzerte für Cembalo op. 1 (1763)

    6 Konzerte für Cembalo oder Hammerklavier op. 7 (1770)

    Konzerte für Cembalo oder Hammerklavier op. 13 (1770)

    Sechs Sinfonien op. 12 (vor 1775)

    Bedeutung

    Johann Christian Bach, jüngster Sohn Johann Sebastian Bachs, wird nach seinen bedeutenden Wirkungsstätten auch als »Mailänder« oder »Londoner Bach« bezeichnet. Mit seiner galanten, empfindsamen Musik gehört er zu den führenden Vertretern der Vorklassik.

    Johann Christian Bach wird als jüngster von elf Söhnen Johann Sebastian Bachs 1735 in Leipzig geboren. Mit neun Jahren erhält er ersten Cembalounterricht vom Vater. Als dieser 1750 stirbt, wird Johann Christian Schüler seines Bruders Carl Philipp Emanuel, Musiker in Diensten Friedrichs II. am Potsdamer Hof. Unter dessen Anleitung wird Johann Christian zu einem der besten Pianisten seiner Zeit. Mit 19 Jahren reist Bach nach Italien, um seine musikalischen Studien bei Padre Martini, einem zu jener Zeit bedeutenden italienischen Komponisten, fortzusetzen. Sechs Jahre später erhält er die Stelle als Domorganist in Mailand, muss dafür aber zum katholischen Glauben übertreten, was ihm seine Freunde in Deutschland sehr übel nehmen. In den zwei Jahren seiner Tätigkeit als Mailänder Domorganist entstehen zahlreiche kirchliche Werke, unter anderem ein Requiem, ein Te Deum und zwei Messen.

    Schnell macht sich Johann Christian Bach auch einen Namen als Opernkomponist. Nun wird der englische Königshof auf den begabten deutschen Musiker in Italien aufmerksam. Man holt ihn nach London und verschafft ihm eine führende Position am »King’s Theatre«. Hier führt er seine dramatischen Opern auf, die großen Beifall finden. Wenig später wird Johann Christian Bach zum Musikmeister der Königin ernannt. In dieser Funktion hat er unter anderem die Kinder der Königin zu unterrichten. Auch der achtjährige Wolfgang Amadeus Mozart erhält während seines Aufenthalts in London bei ihm Unterricht. Dabei macht der deutsche Musiker den jungen Freund aus Salzburg mit der anmutigen, gesanglichen Musik seines neuen galanten Stils bekannt.

    Johann Christian Bach, inzwischen zweifellos der beste Komponist Londons, ist einer der Ersten, die als Spieler und Komponist das Pianoforte dem Cembalo vorziehen. Auf diese Weise hat Bach wesentlich zur Verbreitung des Hammerklaviers beigetragen. Mit dem Komponisten Karl Friedrich Abel veranstaltet Bach am Hanover Square die sogenannten Bach-Abel-Konzerte. Sie gelten bald als bedeutendste öffentliche Abendveranstaltung in London.

    Lange Jahre ist Johann Christian Bach mit seinen gefälligen Werken der beliebteste Komponist in England. Doch seine Erfolge halten nicht bis zu seinem Tod an, denn mit der Klassik ist inzwischen eine neue Epoche der Musikgeschichte angebrochen. Die empfindsamen, galanten Kompositionen der Vorklassik sind nicht mehr gefragt. So stirbt Johann Christian Bach mit 46 Jahren in London ohne große Anteilnahme der Bevölkerung. Wolfgang Amadeus Mozart jedoch sprach immer mit größter Hochachtung von seinem einstigen Freund und Lehrer.

    Johann Christian Bach lernt Mozart bei einem Konzert am englischen Königshof kennen, als das achtjährige Wunderkind – obwohl es ihm nicht gut geht – schwierige Klavierwerke von Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel fehlerlos vom Blatt spielt. Sofort fühlt sich der junge Mozart zu dem dreißigjährigen Bach hingezogen. Sie beschließen, gemeinsam vor den hohen Herrschaften ein musikalisches Zauberkunststück vorzuführen, und zwar eine Sonate gemeinsam zu musizieren. Dabei darf jeder von beiden jeweils nur einen Takt spielen, immer abwechselnd. Bach nimmt den jungen Mozart zwischen die Knie und schon beginnen sie mit einer solchen Präzision zu spielen, dass jeder glaubt, es würde nur einer am Klavier sitzen. Solche originellen Einfälle bereiteten beiden Musikern ein ungemeines Vergnügen.

    Johann Sebastian Bach

    Wichtige Werke

    Chorwerke:

    Johannespassion BWV 245 für Soli, Chor und Orchester (1723)

    Messe h-Moll BWV 232 für Soli, Chor und Orchester (1724–1749)

    Matthäuspassion BWV 244 für Soli, zwei Chöre und Orchester (1727?)

    Weihnachtsoratorium BWV 248, 6 Kantaten für Soli, Chor und Orchester (1734/35)

    Orchesterwerke:

    6 Brandenburgische Konzerte BWV 1046–1051 (1723–19)

    Kammermusik:

    Musikalisches Opfer BWV 1079 (1747)

    Kunst der Fuge in d-Moll BWV 1080, ohne Vorschrift einer Besetzung (1749/50)

    Klavierwerke:

    Das wohltemperierte Klavier BWV 846–893 (Teil I 1722, Teil II 1742)

    Aria mit 30 Veränderungen (Goldberg-Variationen) BWV 988 (1741)

    Bedeutung

    Johann Sebastian Bach gehört zu den größten Persönlichkeiten der Musikgeschichte. Mit über 1.000 Kompositionen schuf er ein gigantisches Werk und führte die musikalischen Formen seiner Zeit in seinen Werken zum Höhepunkt. Auch als Cembalist, Organist und Improvisator war Bach unübertroffen. Nach seinem Tod hatte man ihn 100 Jahre vergessen, doch um 1830 wurde der große Barockkomponist wiederentdeckt.

    Johann Sebastian Bach wird als achtes Kind des Türmers und Stadtmusikus Johann Ambrosius Bach in Eisenach geboren. Alle Kinder spielen ein Instrument. Schon früh zeigt sich die musikalische Begabung Sebastians. Er gilt als hervorragender Sänger und bringt sich das Violin-, Bratschen- und Cembalospiel selbst bei. Sein Onkel, von Beruf Organist, macht den Wissbegierigen mit dem Orgelspiel bekannt. Als der Junge 9 Jahre alt ist, stirbt die Mutter, wenig später der Vater. Der ältere Bruder Johann Christoph, Organist in Ohrdruf, nimmt Johann Sebastian zu sich. Er erkennt die hohe Begabung seines Bruders und gibt ihm Cembalo-und Orgelunterricht.

    Als ihn Johann Christoph aus Geldmangel nicht mehr bei sich behalten kann, wandert Bach mit seinem Freund Georg Erdmann 250 km nach Lüneburg. Dort nämlich nimmt die Internatsschule des Michaelklosters begabte Kinder armer Eltern als Freischüler auf. Der 15-jährige Bach wird Internatsschüler und nimmt weiter Orgelunterricht. Wenig später geht er in das nahe gelegene Celle, um dort als eingeschmuggelter Orchestermusiker bei Hof die französische Musik kennenzulernen. Mit 17 Jahren macht sich Bach zu Fuß auf den Weg nach Hamburg, um dem berühmten Organisten Reincken vorzuspielen. Dieser ist von dem Spiel des jungen Organisten tief beeindruckt. Nun ist sich Bach ganz sicher: Er will Musiker werden.

    Der gerade 18-Jährige bewirbt sich als Organist an der St. Bonifatiuskirche in Arnstadt, wo bereits viele seiner Vorfahren als Kirchenmusiker tätig gewesen waren. Da diese Stelle aber wegen Renovierungsarbeiten an der Orgel noch nicht besetzt werden kann, nimmt Bach schnell entschlossen eine Stelle als Violinist und Bratschist in der herzoglichen Kapelle zu Weimar an. Herzog Ernst, ein gebildeter Fürst und leidenschaftlicher Liebhaber der Musik, sitzt im Orchester neben ihm an der Geige. Im gleichen Jahr noch erhält Bach die Aufforderung, die nunmehr fertiggestellte Orgel in Arnstadt zu überprüfen. Die geistlichen und weltlichen Würdenträger der Stadt sind beeindruckt vom Spiel des jungen Bach und übertragen ihm ohne Zögern die Organistenstelle. Sebastians lang gehegter Wunsch geht in Erfüllung: Er ist Organist.

    Im Oktober 1705 erbittet sich Bach vier Wochen Urlaub, um in Lübeck den berühmten Organisten und Komponisten Dietrich Buxtehude Orgel spielen zu hören. Von ihm hofft er, noch lernen zu können. Der junge Musiker ist so begeistert von Buxtehudes Spiel, dass er seine Rückreise um drei Monate verschiebt. Was er hier lernen kann, ist ihm im Augenblick wichtiger als seine Verpflichtungen in Arnstadt. Seine Arbeitgeber haben dafür kein Verständnis. Er muss sich vor dem Kirchenrat verantworten. Dabei wird ihm auch vorgeworfen, dass er beim Orgelspiel wunderliche Variationes mache, die die Gemeinde völlig verwirrt und vom Gebet ablenkt. Außerdem hätte er mit einer Jungfer in der Kirche musiziert und das war damals streng verboten. Frauen dürfen nicht in der Kirche singen. Bach ist nach diesem Vorfall verärgert und will Arnstadt verlassen. Als im Dezember 1706 der Organist an der St. Blasiuskirche in Mühlhausen stirbt, übernimmt er 1707 die frei gewordene Stelle.

    Kurze Zeit darauf heiratet der 22-Jährige seine Cousine Maria Barbara Bach, eben jene Jungfer, mit der er in der Arnstädter Kirche musiziert hatte. Zwei Wochen bevor Bach sein Amt in Mühlhausen antritt, legt jedoch ein Brand den schönsten Teil der Stadt in Schutt und Asche. Die Mühlhausener Bevölkerung ist in dieser Situation an Kirchenmusik völlig desinteressiert. Unter diesen Umständen befriedigt Bach das neue Organistenamt nicht. So nimmt er schon ein Jahr später die ihm angebotene Stelle als Hoforganist bei Herzog Wilhelm Ernst von Weimar an, in dessen Orchester er ja bereits gespielt hatte. Bald darauf ernennt ihn der Herzog auch zum Hofkonzertmeister. Einige Jahre später allerdings wird Bach bei der Neubesetzung der Kapellmeisterstelle übergangen. Der junge Komponist beschwert sich und fordert seine Entlassung. Der Herzog, der Widerspruch nicht duldet, lässt Bach vier Wochen in Haft setzen.

    Als Fürst Leopold von Anhalt in Köthen erfährt, dass Bach eine neue Stelle sucht, verpflichtet er ihn sofort. So verlässt Bach 1717 – nach einem knappen Jahrzehnt – Weimar. Dort waren viele seiner besten Orgelwerke, seine ersten Klavierstücke und einige Kantaten entstanden. In Köthen überträgt ihm der weit gereiste Musikliebhaber Fürst Leopold, selbst ein ausgezeichneter Violinspieler, die Stelle des Kapellmeisters. Als solcher ist Bach ausschließlich für die weltliche Musik bei Hof zuständig. Er muss Hofkonzerte leiten und mit seinem Orchester bei Hofbällen spielen. Es wird erwartet, dass er dazu auch die Musik komponiert. So entstehen in Köthen nur weltliche Werke wie Kammermusik und Orchesterwerke, aber auch die von dem Fürsten von Brandenburg in Auftrag gegebenen berühmten Brandenburgische Konzerte. Bach ist als Kapellmeister in Köthen angesehen. Er darf Fürst Leopold auf allen Reisen begleiten und bald verbindet die beiden eine herzliche Freundschaft.

    Als der 33-Jährige von einer der Reisen mit dem Herzog zurückkehrt, ist seine Frau zwischenzeitlich gestorben und bereits beerdigt worden. Sie hatte ihm sieben Kinder geboren. Drei der Söhne werden später auch Musiker wie der Vater. 1721 heiratet Bach die musikalische, sechzehn Jahre jüngere Anna Magdalena Wülcken, die Tochter eines Hof- und Feldtrompeters. Bachs zweite Frau hat eine schöne Stimme und spielt auch leidlich Klavier. Als nachträgliches Hochzeitsgeschenk komponiert Bach für sie das Klavierbüchlein der Anna Magdalena Bach. In seiner Frau findet Johann Sebastian eine tüchtige Stütze für seine Arbeit. Sie hilft ihm bei dem mühseligen Geschäft des Notenabschreibens. Und das muss abends bei Kerzenlicht getan werden, denn tagsüber ist die Mutter mit dem Haushalt und der Erziehung der zehn Kinder vollauf beschäftigt. (Von ihren eigenen Kindern blieben sechs am Leben, dazu kamen die vier aus Johann Sebastians erster Ehe.) Das Familienleben im Hause Bach ist vorbildlich. Da alle Kinder musikalisch sind, wird von früh bis spät musiziert.

    Bach fühlt sich in Köthen wohl, doch immer deutlicher spürt er, dass seine eigentliche Berufung die Kirchenmusik ist. Als 1723 der Kantor der Thomaskirche in Leipzig stirbt, bewirbt sich Bach sofort. Nach langem Zögern wird dem 38-Jährigen die Stelle übertragen. Bach verdient zwar in Leipzig mehr Geld, aber dafür hat er hier viel mehr Verpflichtungen. Als Director Musices muss er den Gottesdienst in der Thomas- und der Nikolaikirche betreuen und dafür Sonntag für Sonntag eine neu komponierte Kantate vortragen. Das hieß damals nicht nur, das Stück zu komponieren, sondern auch jede einzelne Stimme des Orchesters und Chores handschriftlich von der Partitur abzuschreiben und mit Instrumentalisten und Sängern einzustudieren. Darüber hinaus hatte er die 54 Internatsschüler seines Thomanerchores zu unterrichten und musikalisch zu betreuen. Zu seinen Aufgaben gehörte es auch, an der Thomasschule Latein zu unterrichten. Daneben leitete Bach ein Collegium musicum, das ausschließlich weltliche Musik spielte. Kaum vorstellbar, dass er da noch Zeit fand, abendfüllende Werke für große Kirchenfeste zu schreiben, wie beispielsweise die Markus-, Johannes- und Matthäuspassion und für Weihnachten das Weihnachtsoratorium. Daneben entstehen Messen und Motetten, etwa 250 Orgelwerke, viele Stücke für Klavier, darunter das berühmte Wohltemperierte Klavier (es enthält 48 Präludien und Fugen), verschiedene englische und französische Orchestersuiten, Instrumentalkonzerte und Kammermusik.

    Kurfürst Friedrich August II. von Sachsen erkennt Bachs Leistungen an und ernennt ihn zum Hofkompositeur. Die größte Ehre aber ist für Bach, als er – drei Jahre vor seinem Tod – eine Einladung des Preußenkönigs Friedrichs des Großen nach Potsdam erhält. Bachs Sohn Philipp Emanuel ist dort als Cembalist angestellt. Er hatte dem König, der ausgezeichnet Flöte spielt, von seinem Vater erzählt. Gleich nach seiner Ankunft im Schloss wird Vater Bach zur Audienz gerufen. Ohne Rücksicht auf die gerade überstandene Reise wünscht Friedrich, sofort eine Kostprobe seines Könnens zu hören. Der König

    geruhte unverweilt in eigener höchster Person dem Kapellmeister Bach ein Thema vorzuspielen, welches er in einer Fuge ausführen soll. Es geschah dieses von gemeldetem Kapellmeister so glücklich, dass es S. Majestät dero allergnädigstes Wohlgefallen zu bezeugen belieben, dass auch die sämtliche Anwesende in Verwunderung gesetzt wurden.

    Wieder zurück in Leipzig, komponiert Bach über das Thema des Königs ein großes Werk: das Musikalische Opfer. Sonst aber werden Bach die letzten Lebensjahre in seinem Amt schwer gemacht. Seine Arbeit und seine großartigen musikalischen Leistungen würdigen nur wenige. Seine Musik ist auf einmal nicht mehr gefragt, denn man bevorzugt inzwischen die galante und gefälligere Musik der neu angebrochenen Epoche der Vorklassik. So vereinsamt Bach immer mehr. Kurz vor seinem Tod erblindet er auch noch, wohl die Folge des Notenschreibens bei Kerzenlicht. Er konsultiert englische Ärzte, die ihn ohne Erfolg operieren. Sein letztes großes Werk entsteht: Die Kunst der Fuge, in dem er auch seinen Namen B-A-C-H musikalisch verarbeitet. Auf seinem Sterbebett diktiert er seinem Schwiegersohn den Choral: Vor deinen Thron tret ich hiermit. Am 28. Juli 1750 stirbt Johann Sebastian Bach, einer der berühmtesten Komponisten des Barockzeitalters, der seine Werke überschrieb:

    S. D. G. – Soli Deo Gloria

    Gott allein zur Ehre

    Hundert Jahre lang sprach kaum jemand von Johann Sebastian Bach. Erst als Felix Mendelssohn Bartholdy 1829, rund hundert Jahre nach ihrer Entstehung, die Matthäuspassion aufführt, beginnt man sich wieder für den großen Musiker zu interessieren. Heute gilt Johann Sebastian Bach als einer der größten Musiker aller Zeiten. Beethoven sagte einmal: Nicht Bach – Meer sollte er heißen wegen seines unendlichen, unerschöpflichen Reichtums an Tonkombinationen und Harmonien.

    1707 war der damals berühmteste Orgelspieler und Cembalist Frankreichs, Hoforganist Jean Louis Marchand, beim französischen König Ludwig XIV. in Ungnade gefallen. Er wandte sich deswegen an den Dresdner Fürstenhof des kunstsinnigen August des II., wo französische Lebensart hoch geschätzt war. Hier wurde Marchand mit seiner Musik von der höfischen Gesellschaft vergöttert und als größter lebender Orgelvirtuose gefeiert.

    Der Konzertmeister bei Hof, Baptist Volumier, selbst Franzose, ärgerte sich darüber maßlos. Er kannte nämlich einen deutschen Musiker, der mit seiner Kunst ohne Zweifel Marchand weit überlegen war: Johann Sebastian Bach. Was eignete sich besser, um auch die Hofgesellschaft davon zu überzeugen, als ein musikalischer Wettstreit zwischen dem Deutschen und dem Franzosen? Das Musikwettspiel sollte im Konzertsaal des Ministerpräsidenten Graf Flemming stattfinden.

    Am Abend vor dem großen Wettkampf schlich sich der neugierige Marchand in die Kirche, um seinen Gegner beim Üben zu belauschen. Er setzte sich in die hinterste Kirchenbank. Was er da an mächtigen Orgelklängen zu hören bekam, war überwältigend. Je länger er zuhörte, desto mehr erschrak er bei dem Gedanken, was er dem entgegenzusetzen hatte. – Am nächsten Tag zur festgesetzten Zeit füllt eine glanzvolle Gesellschaft den prunkvollen, mit Kerzen erleuchteten Saal. Genau mit dem Glockenschlag erscheint der Deutsche Johann Sebastian Bach, ein stattlicher Mann mit schlichten Beinkleidern. Nun fehlt nur noch der Franzose. Aber er kommt nicht. Die Gesellschaft wird unruhig. Schließlich schickt man einen Boten, um Marchand zu holen. Wenig später erfährt man: Monsieur Marchand hat in der Früh mit der Schnellpost Dresden verlassen, ohne den Grund für seine Abreise anzugeben. Wir wissen, warum. Beim Zuhören am Abend zuvor ist ihm klar geworden: Den besiegst du nie.

    Mili Balakirew

    Wichtige Werke

    Orchesterwerke:

    1. Klavierkonzert in fis-Moll (1856)

    1. Sinfonie in C-Dur (1864–1866)

    Tamara, Sinfonische Dichtung (1867–1882)

    Klaviermusik:

    Islamej, Orientalische Fantasie für Klavier (1869)

    Bedeutung

    Mili Balakirew gilt als Begründer und Leitfigur des »Mächtigen Häufleins«, einer Gruppe junger russischer Komponisten, die sich zum Ziel gesetzt hatten, eine eigene national-russische Musik zu schaffen. Die bemerkenswerten und oft originellen Werke Balakirews sind heute im Konzertsaal nur noch selten zu hören.

    Der russische Komponist Mili Balakirew wird am 2. Januar 1837 in Nischnij Nowgorod geboren. Sein Vater, ein Beamter des Salzsteueramtes, stammt aus verarmtem Adel. Die Mutter, eine kluge, energische und musikalische Frau, gibt ihrem Sohn, der sich durch absolutes Gehör und ein phänomenales musikalisches Gedächtnis auszeichnet, den ersten Klavierunterricht. Als Mili zehn Jahre alt ist, schicken ihn die Eltern zum Unterricht nach Moskau. Doch das Leben dort ist zu kostspielig, sodass der Unterricht nach zehn Stunden wieder abgebrochen werden muss. So macht die Armut das junge Talent von einflussreichen und wohlhabenden Mäzenen abhängig. Deren Zuwendung ist aber nur durch Begabung, Fleiß, Unterordnung und Erfolg zu rechtfertigen. Schon bald wird man in seiner Heimatstadt auf den begabten Balakirew aufmerksam. Der Dirigent des Theaters, Karl Eisrich, unterrichtet Balakirew kostenlos, erteilt ihm Klavierunterricht, studiert mit ihm Partituren und nimmt ihn zu Proben und Konzerten des Theaters mit.

    Der junge Balakirew lernt den reichen Musikschriftsteller und Gutsbesitzer Ulybyschew kennen. Dieser unterhält ein eigenes Hausorchester und veranstaltet auf seinem Landsitz Konzerte, in denen Balakirew als Pianist auftreten darf. Als Dirigent hat er bei diesen Veranstaltungen bereits als Fünfzehnjähriger erste Erfolge. Ein Jahr später verlässt der selbstbewusste und weltoffene Balakirew Nowgorod und studiert in Kasan Mathematik. Das Geld fürs Studium verdient er sich mit Klavierunterricht und pianistischen Auftritten in aristokratischen Kreisen.

    Ulybyschew schlägt dem jungen Balakirew vor, nach St. Petersburg zu gehen. Dort würden sich ihm, dem großartigen Musiker, die Häuser der einflussreichen, adligen Kunstliebhaber öffnen. Daraufhin geht Balakirew von der Universität ab und beschließt, Berufsmusiker zu werden. Das ist ein gewagter Schritt, denn der Status des Berufsmusikers war zu jener Zeit wenig gesichert, und man war von der Gnade adliger Mäzene abhängig. Doch bereits ein Jahr später kann er mit seinem von Chopin beeinflussten 1. Klavierkonzert in fis-Moll an der St. Petersburger Universität als Pianist und Dirigent glänzen. Nach diesem brillanten Konzert reißt sich der Petersburger Adel um ihn. Balakirew hätte mit seiner großen Begabung die Laufbahn eines Pianisten einschlagen können, doch er entscheidet sich dafür, in erster Linie zu komponieren.

    Als Pianist und begnadetes Improvisationstalent von seinen Zeitgenossen bewundert und gefeiert, wird Balakirew als Komponist zum Schöpfer der nationalrussischen Klaviermusik. Vier Reisen führen ihn ins Wolgagebiet und in den Kaukasus. Das Land, die Leute und ihre spezielle Musik faszinieren ihn. Er notiert die Volkslieder, gibt sie später in Sammelbänden heraus und verarbeitet sie in seinen Werken: einmal in seiner sinfonischen Dichtung Tamara, in der er kaukasische Sagenstoffe verwendet und musikalisch von der wilden Schönheit der kaukasischen Berglandschaft erzählt; vor allem aber in seiner orientalischen Klavierfantasie Islamej, die ihn international berühmt macht. Die Uraufführung wird ein phänomenaler Erfolg. 1862 gründet Balakirew die »Freie Musikschule«. Im Gegensatz zum ein Jahr zuvor eröffneten Petersburger Konservatorium können sich hier Interessierte aus allen Schichten der Bevölkerung kostenlos musikalisch weiterbilden. Diese Institution leitet Balakirew – mit einer 7-jährigen Unterbrechung – umsichtig und tatkräftig bis an sein Lebensende. Daneben überträgt man ihm die Leitung der Russischen Musikgesellschaft.

    Balakirew schart junge dilettierende Musiker um sich, die bald »Novatoren« (Erneuerer) und »Mächtiges Häuflein« genannt werden. Sie treffen sich regelmäßig, um über Politik, Kunst und Musik zu diskutieren. Als Komponisten haben sie ein Ziel: Das Erbe Glinkas anzutreten, den Balakirew kurz vor dessen Tod kennengelernt hat. Das bedeutet, sie wollen eine nationale russische Musik schaffen, die auf russischem Volksliedgut gegründet ist. Im Mittelpunkt ihrer Zusammenkünfte steht dabei immer Balakirew.

    Er übte einen Zauber aus wie kein anderer. Er war jung, hatte wunderbar lebhafte, feurige Augen, einen stattlichen Bart, sprach resolut, war ständig bereit zu herrlichen Improvisationen am Klavier, merkte sich jeden ihm bekannten Takt und behielt jede ihm vorgespielte Komposition augenblicklich im Kopf. Stets vermittelte er das Gefühl seiner eigenen Größe und Überlegenheit, und der andere empfand seine Überlegenheit sofort. Der Einfluss auf die Menschen seiner Umgebung war unvorstellbar groß und wirkte fast wie eine magnetische Kraft,

    erzählt Rimski-Korsakow, einer der Novatoren. Doch trotz seiner Selbstsicherheit und Überlegenheit verfällt der grüblerische, ganz auf die Musik konzentrierte Balakirew immer wieder in Depression und Selbstzweifel. Ende der 1860er-Jahre kommt Balakirew in eine hoffnungslose Lage. Die Aufführungen der »Freien Musikschule« werden immer weniger besucht, denn die gesellschaftliche Oberschicht interessiert sich kaum für nationalrussische Musik. Die finanzielle Situation Balakirews wird katastrophal, denn er hat nicht nur für sich selbst zu sorgen, sondern auch für drei jüngere Schwestern und einen lange Zeit stellungslosen Vater. Dazu kommt, dass er als Dirigent der Russischen Musikgesellschaft zurücktreten muss. Die ständige finanzielle Not, der Rücktritt von seinem Amt und die Missachtung seiner revolutionären Musik durch seine Heimatstadt Nischnij Nowgorod – er erzielt bei einem Konzert einen Reinerlös von 11 Rubel – stürzen Balakirew in eine tiefe seelische Krise. Er zieht sich von seinen Freunden zurück und legt alle Ämter nieder. Auch sein Interesse an Musik lässt nach. Balakirew geht ins freiwillige Exil in die Nähe Warschaus, wo er als Bahn- und Postangestellter arbeitet. Er wendet sich von der Welt ab und der Religion zu.

    Erst Ende der 1870er-Jahre lockt man den Abtrünnigen zurück, indem man ihn mit der Herausgabe von Glinkas Opernpartituren betraut. Jetzt lebt auch der intensive Gedankenaustausch mit Tschaikowsky wieder auf, der seinem Freund drei Werke widmet. Mit Balakirews Weggang aus Petersburg hatte sich das »Mächtige Häuflein« aufgelöst. Jetzt, nach seiner Rückkehr, findet Balakirew Aufnahme in einem neuen, anders gearteten Freundes- und Musikerkreis. Unter der Bezeichnung »Weimarer Begegnung« treffen sich Kunstinteressierte, Musiker und Musikliebhaber zum Gedankenaustausch. Hier kann Balakirew seine neuen Werke vorstellen und als Pianist besonders mit Chopin-Interpretationen glänzen. Grundlegend ändert sich die finanzielle Lage Balakirews erst, als er zum Direktor der Hofsängerkapelle berufen wird. Er reformiert das Schulsystem und kümmert sich um die Ausbildung der begabten, meist aus mittellosen Familien stammenden Kinder.

    Als 57-Jähriger tritt Balakirew in Warschau zu Ehren Frédéric Chopins das letzte Mal als Pianist öffentlich auf. Dem polnischen Komponisten gilt in den letzten Lebensjahren die ganz große Liebe des Pianisten. Eine Reihe von Balakirews Klavierkompositionen ist stark von Chopin beeinflusst, wie seine Nocturnes, Mazurken, Walzer und Scherzi. Vier Jahre später gibt Balakirew sein letztes Konzert in der »Freien Musikschule« und bringt dabei seine nach fast 30 Jahren endlich vollendete 1. Sinfonie in C-Dur zur Uraufführung. Am 29. Mai 1910 stirbt Mili Balakirew mit 73 Jahren in St. Petersburg. Eine große Menschenmenge begleitet seinen Sarg zum Tichwiner Friedhof am Alexander-Newski-Kloster, wo schon Borodin und Mussorgski vor ihm ihre letzte Ruhe fanden.

    Mili Balakirew hatte ein großes Herz, auch für Tiere. »Wenn er seinen großen Hofhund, den er ›Freundchen‹ nannte, spazierenführte«, erinnert sich sein Schüler, der Komponist Rimski-Korsakow, »hatte er nur immerzu aufzupassen, dass sein ›Freundchen‹ sich ordentlich benahm und nicht etwa schönen Hündinnen nachstellte, und es kam mitunter sogar vor, dass er den Koloss auf den Armen nach Hause trug. Dann waren die Hausmeister zu belehren, wenn sie es gewagt hatten, den überall herumschnüffelnden Hund wegzujagen. Seine Tierliebe ging so weit, dass er selbst jedes hässliche Insekt, etwa eine Wanze, die sich in sein Zimmer verirrt hatte, behutsam durch die Luftklappe entließ mit den Worten: ›Da, geh mit Gott, mein Kleines!‹«

    Samuel Barber

    Wichtige Werke

    Bühnenwerke:

    Vanessa, Oper (1958)

    Antony and Cleopatra, Oper (1966)

    Orchesterwerke:

    Adagio for strings in B-Dur, Orchesterfassung des 2. Satzes aus dem 1. Streichquartett op. 11 (1937/38)

    Cellokonzert op. 22 (1945)

    Klavierkonzert op. 38 (1962)

    Bedeutung

    Barber gilt als einer der talentiertesten und angesehensten modernen Komponisten Amerikas. Er bevorzugt in seinen Werken traditionelle Harmonien und Formen und vermeidet Experimente. Seine Musik ist zunächst melodiös und emotional. In seinen späten Werken wird Barber jedoch zunehmend komplexer und dissonanter. Sein bekanntestes Werk ist das Adagio for strings, die Orchesterfassung des zweiten Satzes seines Streichquartetts in B-Dur op. 11.

    Samuel Barber ist schon als Kind auf Musik versessen. Bereits im Alter von sieben Jahren beginnt er zu komponieren. Zwei Jahre später entscheidet sich Samuel, Musiker zu werden.

    Mit 14 Jahren beginnt der junge Barber am Curtis Institute of Music in Philadelphia zu studieren: Komposition, Dirigieren und Gesang. Er trägt sich zunächst mit dem Gedanken, Sänger zu werden, aber schnell stellen sich erste Erfolge als Komponist ein. Musikpreise ermöglichen ihm 1935 und 1936 Studienaufenthalte in Italien. In Rom entsteht Barbers Streichquartett B-Dur op. 11, dessen zweiter Satz, später für Orchester arrangiert, als Adagio for strings große Popularität erreicht. Der berühmte Dirigent Toscanini, den Barber in Rom kennenlernt, führt 1939 dieses Stück in New York mit ungeheurem Erfolg auf und macht Samuel Barber damit schlagartig berühmt.

    Während des Zweiten Weltkriegs wird Barber als Flieger zur US Air Force eingezogen. Auch hier komponiert er in jeder freien Minute weiter. Es entstehen vorwiegend Märsche für Blaskapelle, unter anderem der Commando March. Nach dem Krieg ermöglicht ihm ein Guggenheim-Stipendium, nach Europa zurückzukehren. Hier wirkt er auch als Konsul der American Academy in Rom. Zusammen mit seinem Lebensgefährten, dem italienischen Opernkomponisten Gian Carlo Menotti, kauft sich Barber ein Haus in Mount Kisco, New York. Hier entstehen die meisten seiner Werke, darunter so wichtige Kompositionen wie das Cellokonzert, das 1947 den Preis der New Yorker Kritik gewinnt, und die Oper Vanessa nach einem Libretto Menottis, die mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet wird. Diese Auszeichnung ist der wichtigste Kulturpreis Amerikas, vergleichbar dem Nobelpreis für Wissenschaftler oder dem Oscar für Filmschaffende. Mit Barbers Antony und Cleopatra eröffnet 1966 die Metropolitan Opera, das größte Opernhaus der Welt, ihr neues Haus im New Yorker Lincoln Center.

    Am 23. Januar 1981 ist Samuel Barber mit 70 Jahren in New York gestorben. Von der Kritik wurde Barber zunächst als »verspäteter Romantiker« bezeichnet, weil er sich in Form und Harmonik an der Musik des 19. Jahrhunderts orientierte. Barber bekannte, dass er gar nicht anders könne, als aus dem Gefühl heraus zu komponieren. Später fand er zu seiner eigenen Tonsprache. ■

    Béla Bartók

    Wichtige Werke

    Bühnenwerke:

    Herzog Blaubarts Burg op. 11, Oper (1911)

    Der holzgeschnitzte Prinz op. 13, Tanzspiel (1914–1917)

    Der wunderbare Mandarin, Pantomime (1918–1919)

    Orchesterwerke:

    Tanz-Suite für Orchester (1923)

    2. Klavierkonzert (1930–1931)

    Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta (1936)

    [sog. 2.] Violinkonzert (1937–1938)

    Divertimento für Streichorchester (1939)

    Concerto für Orchester (1943)

    3. Klavierkonzert (1945)

    Bedeutung

    Der ungarische Komponist Béla Bartók gehört zu den führenden Komponisten des Expressionismus, einer Stilrichtung des 20. Jahrhunderts. Neben seiner Tätigkeit als Pianist und Komponist beschäftigte sich Bartók mit dem Sammeln und Erforschen der ursprünglichen Volksmusik Ungarns, der Balkanländer, der Türkei und der Araber. Die rund 20.000 gesammelten Volkslieder werden auch eine Quelle für seine eigenen Werke. Sein Mikrokosmos, eine sechsbändige Klavierschule mit 153 Stücken unterschiedlicher Schwierigkeitsstufen, ist zu einem wichtigen Arbeitsbuch für den Klavierunterricht geworden.

    Béla Bartók, später selbst ein herausragender Pianist, erhält schon früh von seiner Mutter den ersten Klavierunterricht. Der zarte Junge ist musikalisch hoch begabt. Er besitzt das absolute Gehör und beginnt – wie Mozart – schon in ganz jungen Jahren zu komponieren. Als Béla sieben Jahre alt ist, stirbt der Vater, ein Musiker. Die Mutter muss nun ihre Kinder allein aufziehen und ihre Tätigkeit als Lehrerin wieder aufnehmen. Die Familie zieht nach Pressburg (heute: Bratislava), wo der junge Bartók das Gymnasium besucht. Er erinnert sich, dass diese Stadt

    zu jener Zeit unter den Provinzstädtchen Ungarns das regste Musikleben hatte, sodass mir möglich wurde, […] Unterricht in Klavier und Harmonielehre zu genießen, andererseits manchen Orchesterkonzerten und Opernvorstellungen beizuwohnen. So lernte ich bis zu meinem achtzehnten Jahr die Musikliteratur von Bach bis Brahms verhältnismäßig gut kennen. Inzwischen komponierte ich fleißig unter dem Einfluss von Brahms.

    Nach dem Abitur beginnt Bartók, an der Musikakademie der ungarischen Hauptstadt Budapest Klavier und Komposition zu studieren. Mit 21 Jahren entsteht sein erstes bemerkenswertes Werk, die sinfonische Dichtung Kossuth, dem Helden der ungarischen Revolution von 1848 gewidmet. In diesem Stück, das ihn in seiner Heimat bekannt macht, ist der Einfluss Franz Liszts zu spüren, der in seinen Werken wie den Ungarischen Rhapsodien in einem Stil komponierte, der zu jener Zeit für echt ungarisch gehalten wurde, aber in Wirklichkeit nicht authentisch war. Das Thema seiner Programmmusik Kossuth zeigt, dass auch Bartók, wie viele seiner Zeitgenossen, die österreichische Fremdherrschaft ablehnt und ein gesteigertes Nationalbewusstsein entwickelt. In einem Brief klagt er über die Modeerscheinung der vornehmen Kreise, sich ausschließlich der deutschen Sprache und Kultur zuzuwenden.

    Bartók ist auf der Suche nach einer eigenen nationalungarischen Identität. Als er ein Dienstmädchen ein Volkslied singen hört, ist er so berührt von dieser schlichten Musik der einfachen Leute, dass er beschließt, die authentischen Volkslieder seiner Heimat zu erforschen und zu sammeln, bevor sie für alle Zeiten verloren gehen würden. Bartók lernt seinen Mitstudenten Zoltán Kodály kennen, der ähnliche Ideen und Ziele verfolgt wie er. Sie besorgen sich einen Phonographen, um die Volkslieder aufzeichnen zu

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