Mami 1803 – Familienroman: Eine schwierige Liebe
Von Christine Weyden
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Dröhnende Durchsage durch die hohe weite Halle, hartes Zuschlagen von Waggontüren, letzte Zurufe zu offenen Abteilfenstern - ein gellender Pfiff, rollende Räder, Winken von erhobenen änden… Jetzt war der Zug fort mit Peter und mit ihm auch das kleine Stückchen Freude und Sonne, das ihr in den letzten Jahren geschenkt worden war. Sie hatte Peter nicht geliebt, nein. Aber sie hatte ihn gern gehabt. Er war ein Stück seelische Heimat gewesen, er war immer für sie dagewesen, wenn sie ihn gebraucht hatte. Er hatte in seinem Leben eine große Enttäuschung erlitten, wie sie in ihrem Leben, und diese Gleichheit ihrer Erlebnisse hatte wahrscheinlich auch dazu beigetragen, sie als gute Freunde aneinanderzubinden.
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Rezensionen für Mami 1803 – Familienroman
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Mami 1803 – Familienroman - Christine Weyden
Mami –1803–
Eine schwierige Liebe
Roman von Christine Weyden
Dröhnende Durchsage durch die hohe weite Halle, hartes Zuschlagen von Waggontüren, letzte Zurufe zu offenen Abteilfenstern – ein gellender Pfiff, rollende Räder, Winken von erhobenen Händen…
Jetzt war der Zug fort mit Peter und mit ihm auch das kleine Stückchen Freude und Sonne, das ihr in den letzten Jahren geschenkt worden war.
Sie hatte Peter nicht geliebt, nein. Aber sie hatte ihn gern gehabt. Er war ein Stück seelische Heimat gewesen, er war immer für sie dagewesen, wenn sie ihn gebraucht hatte.
Er hatte in seinem Leben eine große Enttäuschung erlitten, wie sie in ihrem Leben, und diese Gleichheit ihrer Erlebnisse hatte wahrscheinlich auch dazu beigetragen, sie als gute Freunde aneinanderzubinden.
Sie hatten selten von den beiden Menschen gesprochen, die ihnen weh getan hatten: Ihr Alexander, der Gefährte von Kindheit an, ihm Susanne, eine Studienkollegin an der Hochschule. Aber sie hatten einander auch stillschweigend verstanden. Und wieviel das bedeutet hatte, das fühlte Julia erst jetzt voll und ganz, da sie allein zurückgeblieben war… in der weiten Halle, die sich langsam von den Menschen leerte, die, so wie sie, Abreisende begleitet hatten.
Allein zurückbleiben müssen: Ein bitteres Gefühl. Aber hätte sie den Freund zurückhalten dürfen? Hätte sie so egoistisch sein und an sich denken dürfen, wenn er sich in seinem Beruf bedeutend verbessern konnte?
Er war zu ihr gekommen. Er hatte sie gefragt:
»Julia, glaubst du, daß ich mich um diesen Posten bewerben soll?« Und er hatte ihr dabei eine Zeitung gezeigt, in der eine große auffällige Anzeige gestanden war: Ein Chemie-Werk in Übersee hatte einen Chemiker gesucht. Nur junge, sehr begabte Ingenieure hatten eine Chance gehabt, diesen Posten zu erhalten. Die Bedingungen waren hervorragend gewesen, die Leistungen würden dementsprechend sein müssen.
Aber das hatte Peter nicht erschrecken können. Er hatte viel Tatendrang in sich gespürt. Er hatte ja einmal die ganze Welt erobern wollen – in erster Linie für Susanne. Sie hatte bloß nicht gewartet, bis er so weit mit seiner Eroberung gewesen war, sondern einen anderen vorgezogen, der schon mehr gewesen war und ihr mehr zu bieten hatte.
Bei Alexander war es anders gewesen. Er hatte Julias Freundin Erika aus großer Liebe geheiratet, obwohl sie ein ganz armes Mädchen war. Er hatte dabei nicht geahnt, daß ihn auch Ju-
lia geliebt hatte, sogar aufrichtiger als Erika, die, eine ähnliche Natur wie Susanne, nur verheiratet und versorgt hatte sein wollen. Nach einer großen Liebe hatte sie nicht gefragt. Julia hatte es gewußt – nur Alexander hatte es nie erfahren. Bis heute nicht. Er war glücklich mit Erika und mit dem Kind, das sie ihm geschenkt hatte: Ein kleines Mäd-chen, das jetzt seine fünf Jahre zählte.
Julia verließ langsam den Bahnhof.
Ob die Sonne noch schien? Sie schaute zum Himmel hinauf, aber schnell wieder weg, denn die Sonne brannte in ihren Augen und blendete sie. Und trotzdem war ihr, als ob tiefes Dunkel um sie wäre. Die Welt hatte kein Helle mehr für sie, so war ihr zumute.
Lieber, guter Peter, ich wünsche dir aufrichtig alles Gute für deine Zukunft.
Aber daß ich jetzt so ganz allein bin…
Am Sonntag werde ich allein ins Diana-Bad schwimmen gehen… Natürlich werde ich gehen. Ich will mich doch fit erhalten. Am Abend werde ich allein nach der Arbeit irgendwo in einem Park sitzen, soweit es die Jahreszeit und das Wetter erlauben werden. Und über die ganze Theatersaison wird auf dem Abonnementsitz neben mir ein Fremder oder eine Fremde sitzen, und das schönste Stück wird nur mehr halb so schön sein, weil niemand da sein wird, mit dem ich darüber werde streiten können, wie wir es nach der Vorstellung immer so gerne getan haben.
Aber ich habe dir versprochen, daß ich dir oft schreiben werde. Das wird meinen einsamen Abenden einen Inhalt geben, denn ich werde dir erzählen, was ich den ganzen Tag gemacht habe. Und dann werden deine Briefe kommen – falls du Zeit hast, mir Briefe zu schreiben. Und dann… Ja, dann werden sie eines Tages ausbleiben. Ich werde noch einige Zeit auch weiterhin schreiben – Frauen sind im allgemeinen treuer und anhänglicher. Und du wirst ja auch wahrscheinlich weniger Zeit haben als ich und… vor allem neue Interessen. Und eines Tages wird vielleicht eine Anzeige kommen – womöglich sogar ein Bild, ein Bild von einem schönen Mädchen, und du wirst eine neue Heimat, ein neues Zuhause gefunden haben, einen Menschen, der zu dir gehört. Alles Glück dazu, Peter! Von ganzem Herzen!
Ob du jemals wieder in die alte Heimat zurückkommen wirst? Vorerst hast du dich für fünf Jahre verpflichtet. Aber ich glaube, aus den fünf werden zehn werden und dann zwanzig – und dann wird dich das Leben drüben schon so umklammert haben, daß du die alte Heimat vergessen haben wirst.
Und was werde ich in diesen zwanzig Jahren tun und dann sein? Achtundvierzig werde ich dann sein und viele Falten haben, und kein Mann wird mich mehr ansehen. Vielleicht werde ich verbittert sein und noch immer böse auf Erika und um Alexander trauern, den sie mir genommen hat. Und um dich auch, Peter, obwohl, ich dich nicht liebte, sondern nur sehr gerne hatte.
Ein jäher Zusammenprall riß sie aus ihrem Sinnen.
»Verzeihung!« sagte ein Herr, und sie fühlte sich im nächsten Augenblick von zwei Armen gehalten, weil sie sonst gestürzt wäre. »Es war wirklich nicht meine Schuld. Ich…
»Julia!« fuhr die Männerstimme in hörbar erstauntem Ton fort. »Daß ich dich hier treffe!«
»Entschuldigung!« sagte Julia. »Verzeihen Sie bitte, ich bin wie blind gelaufen. Ich habe nicht achtgegeben.«
Sie stand und schaute wie verwundert zu den großen Mann auf, der sie weit überragte. War Alexander in den letzten Jahren, da sie ihn nicht gesehen hatte, noch größer geworden? Oder sie kleiner?
»Julia, ich freue mich aufrichtig über diesen Zufall«, sagte der Mann und griff nach ihrer Hand, um sie herzlich zu drücken. »Wenn du nicht in mich hineingelaufen wärest, hätte ich dich wahrscheinlich gar nicht gesehen. Ich gehe auch meistens,
wie du vorhin, blind durchs Leben.«
Julia ließ ihn sprechen und sah ihn nur still an. Er sah gar nicht gut aus. Sein Gesicht war sehr schmal geworden, und um den Mund und unter den Augen hatte es tiefe Falten. Und die Schläfen…
War das möglich? Alexander mußte doch jetzt erst fünfunddreißig Jahre alt sein – da mußte ein Mann doch noch nicht weiße Schläfen haben! Sie standen ihm zwar ausgezeichnet und machten ihn noch interessanter. Aber es sah aus, als ob er ein großes Leid trüge, als ob diese weißen Schläfen eine traurige Ursache hätten. War er nicht glücklich? Sie hatte doch gedacht, daß er es sei.
Sie standen noch immer einander gegenüber, ohne zu sprechen. Passanten gingen an ihnen vorbei, ein Mann blieb stehen, weil er an sie angestoßen war, und murrte, statt sich zu entschuldigen. Wahrscheinlich war für ihn das Paar auf dem schmalen Gehsteig in seiner Eile ein Hindernis gewesen.
»Hast du es eilig, Julia?« fragte Alexander Broth da und zog sie ein wenig zur Seite. »Wollen wir