Mami 1736 – Familienroman: Zwei starke Typen
Von Susanne Svanberg
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Antonia Berg war eine gute Skiläuferin. Als junges Mädchen hatte sie so manchen Wettbewerb gewonnen, lange war das noch gar nicht her. Inzwischen war sie verheiratet und Mutter der Zwillinge Maximilian und Mathias. Die Leidenschaft für den Wintersport war geblieben und wurde von ihrem Mann Markus geteilt. Deshalb fuhr die junge Familie an den Wochenenden gern ins Gebirge, besonders, wenn es so herrlichen Pulverschnee gab wie heute. Ein kalter Wind fegte über die Abfahrtshänge, doch an geschützten Stellen war es sonnig und warm. Antonia verließ den Lift, drehte bei und schloß für einen Moment geblendet die Augen. Die glitzernden Schneekristalle warfen das Sonnenlicht vielfach zurück, die steile Piste funkelte verwirrend. Ganz unten, neben der Einfahrt zum Lift, standen, nur als kleine Punkte zu erkennen, die Zwillinge. Die Eltern wechselten sich gewöhnlich in ihrer Betreuung ab. Jetzt war der Papa an der Reihe. Fröhlich winkte ihnen Antonia zu, wußte aber nicht, ob sie gesehen worden war. Ein kurzer Blick über die Abfahrtsstrecke, dann stieß sie sich ab. Antonia kannte den Hang gut, wußte um seine Tücken, um die gefährlichen Unebenheiten im ersten Drittel, die selbst der meterhohe Tiefschnee nicht auszugleichen vermochte. Wenn nicht zu viel Betrieb war, umfuhr sie diese Stelle mit elegantem Schwung. Man mußte allerdings darauf achten, nicht zu weit nach links zu kommen, denn dort gab es einige schroffe Felsbrocken, die oft nur knapp mit Schnee bedeckt waren und schon so manchem Sportler zum Verhängnis geworden waren. Etwas unterhalb kreuzte ein Weg, der von Langläufern benutzt wurde.
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Mami 1736 – Familienroman - Susanne Svanberg
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Roman von Susanne Svanberg
Antonia Berg war eine gute Skiläuferin. Als junges Mädchen hatte sie so manchen Wettbewerb gewonnen, lange war das noch gar nicht her. Inzwischen war sie verheiratet und Mutter der Zwillinge Maximilian und Mathias. Die Leidenschaft für den Wintersport war geblieben und wurde von ihrem Mann Markus geteilt. Deshalb fuhr die junge Familie an den Wochenenden gern ins Gebirge, besonders, wenn es so herrlichen Pulverschnee gab wie heute. Ein kalter Wind fegte über die Abfahrtshänge, doch an geschützten Stellen war es sonnig und warm.
Antonia verließ den Lift, drehte bei und schloß für einen Moment geblendet die Augen. Die glitzernden Schneekristalle warfen das Sonnenlicht vielfach zurück, die steile Piste funkelte verwirrend. Ganz unten, neben der Einfahrt zum Lift, standen, nur als kleine Punkte zu erkennen, die Zwillinge. Die Eltern wechselten sich gewöhnlich in ihrer Betreuung ab. Jetzt war der Papa an der Reihe.
Fröhlich winkte ihnen Antonia zu, wußte aber nicht, ob sie gesehen worden war. Ein kurzer Blick über die Abfahrtsstrecke, dann stieß sie sich ab. Antonia kannte den Hang gut, wußte um seine Tücken, um die gefährlichen Unebenheiten im ersten Drittel, die selbst der meterhohe Tiefschnee nicht auszugleichen vermochte. Wenn nicht zu viel Betrieb war, umfuhr sie diese Stelle mit elegantem Schwung. Man mußte allerdings darauf achten, nicht zu weit nach links zu kommen, denn dort gab es einige schroffe Felsbrocken, die oft nur knapp mit Schnee bedeckt waren und schon so manchem Sportler zum Verhängnis geworden waren. Etwas unterhalb kreuzte ein Weg, der von Langläufern benutzt wurde. Die Unbekümmerten unter ihnen blieben häufig stehen, um sich den Betrieb am Abfahrtshang anzusehen, ohne zu bedenken, in welche Gefahr sie sich und andere begaben.
Der Frost der Nacht hatte die Bahn schnell gemacht. Auch Antonia gewann sofort ein beachtliches Tempo. Rechts und links von ihr pfiffen die Abfahrtsläufer den Hang hinunter, knirschte der Schnee, wurde die dünne Neuschneeschicht bei den Drehungen zur Seite geschleudert. Darunter war an vielen Stellen das pure Eis. In der vergangenen Woche hatte Tauwetter eingesetzt, die weiße Pracht war matschig geworden und nachts wieder gefroren. Jeder Skifahrer wußte, wie gefährlich das war.
Antonia bremste das Tempo durch gekonnte Schwünge ab. Leicht und spielerisch sah das aus, obwohl Kraft dahintersteckte. Kraft, die man dem zierlichen Persönchen gar nicht zugetraut hätte.
Geschickt wich sie einigen ungeübten Anfängern aus, die durch ihre Unsicherheit sofort auffielen. Jetzt kam das steilste Stück der Abfahrt. Hier gab es die meisten Stürze. Doch daran dachte Antonia nicht. Sie fühlte sich völlig sicher.
Mit einem plötzlich auftauchenden Hindernis konnte sie allerdings nicht rechnen. Es kam ja auch normalerweise nicht vor, daß ein Ski sich selbständig machte, denn sie waren so gesichert, daß sie auch bei einem Sturz nicht verloren wurden. Doch diesmal gab es vermutlich einen Leitsinnigen unter den Neulingen. Sein Ski löste sich, sauste herrenlos den Steilhang hinab.
Wie ein Pfeil schoß er Antonia von hinten zwischen die Beine. Sie konnte die Gefahr weder hören noch sehen, vermochte auch nicht auszuweichen. Ehe sie wußte, was sie behinderte, wurde sie etwas unsicher. Sie hätte es verstanden, sich wieder abzufangen, hätte sich der fremde Ski nicht zwischen ihren beiden Brettern gedreht und verkantet.
So hatte sie keine Chance. Sie stürzte kopfüber den Hang hinunter. Ihre Beine flogen hoch, wurden dann mit aller Wucht auf das hartgefrorene Eis geschleudert. Alles, was Antonia als Abfahrtsläuferin über Sturztechnik gelernt und geübt hatte, war in diesem Fall unbrauchbar. Sie hörte das Krachen, spürte den Schmerz in ihrem Oberschenkel und wußte sofort, daß sie diesmal nicht aufstehen und weiterfahren würde.
Stöhnend richtete sie den Oberkörper auf und faßte mit beiden Händen an die Stelle, die so höllisch schmerzte. Seltsam verdreht wirkte das rechte Bein zwischen den Skiern, die sich beim Fall gelöst hatten und zum Teil in einer Schneewehe steckten. Sie befand sich nur zwanzig Zentimeter weiter unten und hätte Antonias Sturz mit Sicherheit abgebremst. Ihr Pech war es, daß sie auf blankes Eis gefallen war.
Am Skihang war Antonias Sturz nicht unbemerkt geblieben. Ein junger Mann hielt neben ihr an, reichte ihr die Hand, um ihr beim Aufstehen behilflich zu sein.
»Ich kann nicht«, ächzte Antonia mit schmerzverzerrtem Gesicht. Sie versuchte, ihr rechtes Bein aus der unglücklichen Lage zu bringen, doch auch das gelang nicht. Die geringste Bewegung verursachte wahnsinnige Schmerzen.
»Echt?« staunte der Helfer. »Soll ich… soll ich die Bergwacht verständigen? Die haben einen Transportschlitten.« Der junge Mann war richtig aufgeregt.
Antonia nickte kläglich.
Weitere Skifahrer blieben im Halbkreis um sie stehen. »Der Knochen ist ab, das sehe ich sofort«, meinte ein älterer Sportler mitleidig.
Einige schimpften nun auf den Unglücksskifahrer, der den Ski verloren und durch seinen Leichtsinn Schaden angerichtet hatte. Andere bedauerten Antonia und rieten ihr, sich ruhig zu verhalten.
Das tat sie ohnehin, wagte nur flach zu atmen. Sie spürte nicht die Kälte, die vom Untergrund ausstrahlte, sah nicht die Gesichter, die sich ihr neugierig zuneigten. Erst als Markus den Hang heraufgekeucht kam, liebevoll den Arm um sie legte und besorgt über ihre Wangen strich, lächelte sie schmerzlich.
»Ich hab’s von unten gesehen«, prustete er, vom raschen Klettern außer Atem. »Du konntest nicht ausweichen, der blöde Ski hat dich voll erwischt. Das war ausgesprochenes Pech. Tut dein Bein sehr weh?«
»Hm. Läßt sich nicht bewegen. Ich glaube, es ist gebrochen.« Antonia war unglücklich über diese Feststellung, denn es war zu vermuten, daß sie in den nächsten Wochen nicht auftreten und deshalb auch ihre Kinder nicht würde versorgen können.
»Die Sanitäter sind gleich da.« Markus wies zum Lift, wo eben der Transportschlitten hochgezogen wurde. Der Zahntechniker Dr. Markus Berg war ein großer, kräftiger Mann mit einem frischen, markanten Gesicht, in dem fröhliche braune Augen blitzten. Im Moment waren sie dunkel vor Angst, die Wangen waren so bleich wie der cremefarbene Skianzug, den er trug. Die über der hohen Stirn bereits etwas lichten braunen Haare klebten feucht am Kopf. Markus war 33 Jahre alt und hatte sich gerade selbständig gemacht. Er brauchte all seine Kraft, um im Konkurrenzkampf zu bestehen. Dentallabors gab es viele, und ein Neuling hatte es schwer, sich zu behaupten. Jedenfalls mußte er täglich vollen Einsatz bringen. Doch daran dachte er im Moment nicht. Die Sorge um Antonia stand im Vordergrund. Seit sechs Jahren waren sie verheiratet, und ihre Liebe war noch so lebendig wie am ersten Tag, eigentlich sogar viel intensiver. »Hab keine Angst, Wuschel, es kommt alles wieder in Ordnung«, versuchte er, seiner Frau Mut zu machen. »Wuschel« war der Kosename, der etwas mit Antonias dichtem blondem Haar zu tun hatte. Es war weich und lockig. Auch kurz geschnitten reizte es Markus immer wieder, hineinzufassen, um es zu verwuscheln.
»Wo sind die Zwillinge?« erkundigte sich Antonia ängstlich.
»Im Bereitschaftsraum der Bergwacht. Sie werden dort mit Bonbons und Schokolade verwöhnt. Es geht ihnen also bestens.« Markus richtete sich auf, denn die Sanitäter der Bergwacht schoben die auf den Schlitten montierte Trage heran.
»Sieht nicht gut aus«, meinte einer von ihnen und deutete mit einer Kopfdrehung auf Antonias abgewinkeltes Bein.
Markus kam ihnen zuvor und hob seine Frau auf die im Schnee ausgebreitete Decke. Sie legte dabei die Arme um seinen Hals, fühlte für Sekunden sein kaltes, feuchtes Gesicht an ihrer Wange. »Es tut mir so leid. Jetzt habe ich euch den ganzen Tag verdorben«, seufzte sie.
»Mach dir keine Gedanken, Wuschel. Unten wartet schon der Krankenwagen. Er wird dich zur Untersuchung ins nächste Krankenhaus bringen. Ich fahre mit den Zwillingen hinterher. Wir sind also in deiner Nähe.«
Antonia sah ängstlich hoch. »Wenn ich bleiben muß, würde ich lieber in die Klinik bei uns zu Hause…« Die junge Frau brach den Satz unvollendet ab, um fest