Mami 1748 – Familienroman: Das Opfer war Jonathan
Von Susanne Svanberg
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Ein Papierflieger sauste durch den hohen Raum. Er schwirrte an der stuckverzierten Decke entlang, stürzte urplötzlich ab und landete in Monika Scharfenbergs kunstvoll aufgesteckten blonden Haaren. Sie schrie erschrocken auf, obwohl das leichte Flugobjekt keinerlei Schaden angerichtet hatte. Von der Tür des Ankleidezimmers her war helles Kinderlachen zu hören. Dort stand Jonathan, der achtjährige Sohn der Familie, und beobachtete mit lausbubenhaft blitzenden Augen, wie seine Mama die Löckchen der unbeschädigten Frisur zurechtzupfte. "Was soll der Unsinn?" fragte sie streng. Monika war eine schöne Frau, blond und hellhäutig mit der Figur eines Starmannequins. Das war sie auch gewesen, bevor sie vor neun Jahren den Sohn des reichen Unternehmers Scharfenberg geheiratet hatte. Sie behauptete von sich, daß sie sich in diesen Jahren nicht verändert habe, wohl aber Hans-Jörg, ihr Mann. Sein Vater war überraschend gestorben, die Verantwortung für das große Werk war auf den einzigen Sohn übergegangen. Es war eine Zeit des Umbruchs und der schwerwiegenden Entscheidungen. Die bisherige Produktion mußte umgestellt, die Fabrikationsanlagen modernisiert werden. Hans-Jörg Scharfenberg war den richtigen Weg gegangen, leitete heute ein modernes krisensicheres Unternehmen. Das erforderte täglich neuen Einsatz und seine ganze Kraft. Für die Familie blieb nicht viel Zeit. Das war es, was Monika ihrem Mann täglich vorwarf, was sie unzufrieden machte. Sie war dreißig Jahre alt, wollte ihr Leben genießen. Darunter verstand sie den Besuch vieler Veranstaltungen und Parties. Da Hans-Jörg sie nur selten begleiten konnte, ging sie eben allein.
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Rezensionen für Mami 1748 – Familienroman
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Mami 1748 – Familienroman - Susanne Svanberg
Mami -1748-
Das Opfer war Jonathan
Roman von Susanne Svanberg
Ein Papierflieger sauste durch den hohen Raum. Er schwirrte an der stuckverzierten Decke entlang, stürzte urplötzlich ab und landete in Monika Scharfenbergs kunstvoll aufgesteckten blonden Haaren.
Sie schrie erschrocken auf, obwohl das leichte Flugobjekt keinerlei Schaden angerichtet hatte.
Von der Tür des Ankleidezimmers her war helles Kinderlachen zu hören. Dort stand Jonathan, der achtjährige Sohn der Familie, und beobachtete mit lausbubenhaft blitzenden Augen, wie seine Mama die Löckchen der unbeschädigten Frisur zurechtzupfte.
»Was soll der Unsinn?« fragte sie streng. Monika war eine schöne Frau, blond und hellhäutig mit der Figur eines Starmannequins. Das war sie auch gewesen, bevor sie vor neun Jahren den Sohn des reichen Unternehmers Scharfenberg geheiratet hatte.
Sie behauptete von sich, daß sie sich in diesen Jahren nicht verändert habe, wohl aber Hans-Jörg, ihr Mann. Sein Vater war überraschend gestorben, die Verantwortung für das große Werk war auf den einzigen Sohn übergegangen. Es war eine Zeit des Umbruchs und der schwerwiegenden Entscheidungen. Die bisherige Produktion mußte umgestellt, die Fabrikationsanlagen modernisiert werden. Hans-Jörg Scharfenberg war den richtigen Weg gegangen, leitete heute ein modernes krisensicheres Unternehmen. Das erforderte täglich neuen Einsatz und seine ganze Kraft. Für die Familie blieb nicht viel Zeit.
Das war es, was Monika ihrem Mann täglich vorwarf, was sie unzufrieden machte. Sie war dreißig Jahre alt, wollte ihr Leben genießen. Darunter verstand sie den Besuch vieler Veranstaltungen und Parties. Da Hans-Jörg sie nur selten begleiten konnte, ging sie eben allein.
»Schau mal, Mami, der fliegt super.« Jonathan kam angelaufen, hob das heruntergefallene Spielzeug auf und warf es erneut in die Luft. »Man braucht nur ein Stück Papier richtig falten und schon schwebt es wie ein richtiges Flugzeug. Elke hat mir das gezeigt.«
Elke war eine junge Lehrerin, die Jonathan seit drei Jahren unterrichtete und auch nach den Schulstunden betreute. Der Junge mochte sie sehr, schwärmte oft regelrecht von ihr, was in Monika stets eine leise Eifersucht weckte.
»Elke sollte dir lieber Mathematik und Orthographie beibringen, damit es keine Schwierigkeiten gibt, wenn du in zwei Jahren ins Internat kommst.« Monika betrachtete sich kritisch im großen Ankleidespiegel. Es gab nichts auszusetzen, ihr Aussehen war von Kopf bis Fuß perfekt. Kleidung, Schmuck und Make-up waren harmonisch aufeinander abgestimmt. Sie war eine begehrenswerte junge Frau, elegant, aber nicht unnahbar.
Bei der Erwähnung des Wortes »Internat« wurde Jonathans Gesichtchen ernst. Er wußte nicht genau, was da auf ihn zukam, aber er ahnte, daß er sich von Elke trennen mußte, und das war sein heimlicher Kummer. Zum Glück waren es noch zwei Jahre bis zu diesem Ereignis, für einen Achtjährigen eine unendlich lange Zeit.
»Mami, soll ich dir zeigen, wie das geht?« Jonathan hielt den Papierflieger so, daß ihn Monika nicht übersehen konnte.
»Vielleicht morgen. Jetzt habe ich keine Zeit.« Monika schenkte dem gefalteten Papier keine Beachtung. Sie zog über den Ohren je ein Strähnchen aus der Frisur, begutachtete die Wirkung. Die modische Lässigkeit wurde dezent unterstrichen. Genau das wollte sie erreichen.
»Gehst du weg?« Jonathan fand seine Mutti wunderschön, aber er hätte sich gewünscht, daß sie weniger Wert auf ihr Äußeres legte, dafür manchmal fröhlich mit ihm spielte und herumtobte, wie es Elke Reynard tat.
»Deine Mutti feiert heute mit ihren Kameraden den bestandenen Flugschein«, erklärte Hans-Jörg, der aus dem angrenzenden Raum herüberkam. Er trug einen dunkelblauen Anzug, in dem er sehr korrekt und elegant wirkte.
»Gehst du auch mit?« fragte das Kind verblüfft. Daß seine schöne Mama abends wegging, war für Jonathan eine ganz normale Sache. Doch gewöhnlich war dann sein Vater da. Er hielt sich im Arbeitszimmer auf und wollte nicht gestört werden, aber wenigstens hatte Jonathan die Gewißheit, ihn notfalls erreichen zu können. »Kann ich auch… auch mitkommen?« piepste er und wußte sofort, daß seine Bitte abgelehnt werden würde.
»Natürlich nicht«, antwortete Monika kopfschüttelnd. »Kleine Kinder haben keinen Zutritt.«
›Bin doch schon groß‹, wollte Jonathan dazwischenrufen, kam aber nicht zu Wort.
Seine Mami redete ohne Pause weiter. »Dein lieber Vater«, meinte sie zynisch, »zieht es vor, den Abend mit irgendwelchen Geschäftsfreunden zu verbringen. Na, ja!«
Hans-Jörg Scharfenberg hatte Monika aus Liebe geheiratet, und er liebte sie noch immer. Nur stolz konnte er nicht mehr auf sie sein, denn er wußte seit einiger Zeit, daß sie ihn betrog. Er konnte ihr nicht einmal einen Vorwurf daraus machen, denn er war an dieser Situation nicht schuldlos, hatte er doch viel zu wenig Zeit für sie. Deshalb behielt er sein Wissen auch für sich, blieb Monika gegenüber höflich und zuvorkommend.
»Es sind nicht irgendwelche Geschäftsfreunde, sondern sehr wichtige Handelspartner aus Korea. Wir werden in den nächsten Jahren ausgezeichnete Geschäfte mit ihnen machen, weshalb ich sie nicht warten lassen darf. Es tut mir leid.«Hans-Jörg sah seine Frau an. In seinem Blick war eine Mischung aus Bewunderung und Eifersucht.
Jonathan sah traurig auf das gefaltete Blatt Papier in seiner Hand. Er fühlte sich als Außenseiter. Nie durfte er teilhaben an dem, was seine Eltern taten. Stets hieß es, er sei zu klein. Warum dauerte es nur so lange, bis er erwachsen war und teilhaben durfte? Der Junge ließ den Kopf mit den kurzgeschnittenen braunen Haaren hängen. So lebhaft und fröhlich er sein konnte, so nachdenklich und bekümmert wurde er oft von einem Moment zum anderen. »Muß ich ganz allein bleiben?« fragte er ängstlich.
Hans-Jörg liebte seinen Sohn, konnte es ihm aber ebensowenigzeigen wie seiner Frau. »Davon kann keine Rede sein«, widersprach er ungeduldig. »Frau Heise, die Haushälterin, hat ihr Appartement im Seitenflügel und Herr Schulz, der Gärtner und Hausmeister, auch. Beide kannst du jederzeit erreichen.«
Für Jonathan war dies ein schwacher Trost, denn die Tatsache, daß er in der zwanzig Zimmer umfassenden Villa, die früher einem russischen Fürsten gehört hatte, allein war, blieb bestehen. In einem weitläufigen Park am Merkur gelegen, gehörte das Haus zu den schönsten Privatgebäuden der Stadt. Man hatte von hier oben einen wundervollen Blick, sah bei klarem Wetter bis in die Rheinebene und hinüber ins Elsaß, doch für Jonathan war dieses Haus ein goldener Käfig. In weitem Umkreis gab es keine Kinder, und seine Eltern hielten es für richtig, daß er keine öffentliche Schule besuchte, sondern privat unterrichtet wurde.
Jonathan wußte, daß jeder Widerspruch sinnlos war. Sein Vater, daran gewöhnt, daß seine Anordnungen prompt erfüllt wurden, ließ sich nicht umstimmen. Noch weiter ließ der Junge den Kopf hängen. Seine dunklen Augen füllten sich mit Tränen.
»Du wirst doch keine Angst haben«, forschte der Unternehmer amüsiert. »Ein großer Junge wie du ist mutig und unerschrocken. In deinem Alter mußte ich bei Dunkelheit Kontrollgänge durch die Fabrik machen. Allein, nur begleitet von einem Hund. Das hat mein Vater von mir verlangt. Er hat gewußt warum. Ein ganzer Kerl sollte ich werden.«So widerwillig Hans-Jörg das damals getan hatte, heute war er stolz darauf.
»Wenn ich einen Hund hätte, würde ich auch…«, murmelte Jonathan.
Monika wandte sich nach ihm um. »Nicht schon wieder!« warnte sie. »Du weißt genau, daß ich mich vor Hunden fürchte. Sie sind unhygienisch und gefährlich.« Die blonde Frau griff nach der eleganten Unterarmtasche. »Ich muß gehen.«
»Viel Spaß«, wünschte Hans-Jörg, trat neben seine Frau, nahm sie zärtlich in den Arm und küßte sie sanft auf die dezent geschminkten Lippen. Er hielt es für richtig, den Schein einer glücklichen Ehe zu wahren. Vielleicht würden sie eines Tages tatsächlich wieder glücklich sein, so wie damals, als sie sich kennenlernten. Wehmut erfüllte Scharfenberg, wenn er an jene unbeschwerte Zeit dachte.
»Schade, daß du nicht dabei sein kannst, wenn mir feierlich der Flugschein überreicht wird. Ich hoffe aber, du findest Zeit, dich demnächst von meinen Fähigkeiten zu überzeugen. Ich fliege dich, wohin du willst. Den Piloten kannst du einsparen.« Es war typisch für Monika,