Im Sonnenwinkel 46 – Familienroman: Nur Liebe trocknet Kindertränen
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Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen.
Hannes Auerbach saß ächzend und stöhnend über einem Hausaufsatz. Schon vor einer Stunde hatte er sich mit mürrischer Miene in sein Zimmer zurückgezogen und seiner Familie erklärt, dass man ihn nicht stören solle.
Jetzt lagen annähernd zehn Blätter zusammengeknüllt im Papierkorb, und er hatte noch nichts zustande gebracht. Aufsätze waren Hannes ein Gräuel. Viel lieber machte er einen Bericht oder eine Bildbeschreibung. An Phantasie mangelte es ihm einfach. Die hatte seine kleine Schwester Bambi dafür umso mehr.
So war er gar nicht böse, als sie sich nun doch durch die Tür schob. Fürsorglich auf sein Wohl bedacht, wollte sie ihm wenigstens ein Stück frisch gebackenen Zwetschgenkuchen bringen.
»Was stöhnste denn so, Hannes?«, fragte sie.
»Ich komme nicht weiter«, äußerte er brummig und labte sich an dem Kuchen. »Bist wirklich ein Schatz, Bambilein.«
Sie hatte es sehr gern, wenn er so zärtlich mit ihr redete. Liebevoll tätschelte sie ihm die Wange.
»Warum kommst du nicht weiter, Hannes?«, fragte sie. »Was musst du denn schreiben?«
»Über ein Übel unserer Zeit. Über Kontaktarmut«, erwiderte er. »Das verstehst du ja noch gar nicht.«
Hannes war gut doppelt so alt wie Bambi und bereits Schüler der zehnten Klasse, während Bambi gerade das erste Jahr zur Schule ging. Aber so ganz selbstverständlich nahm sie es doch nicht hin, dass sie etwas nicht verstehen sollte.
»Wenn du mir erklärst, was Kontaktarmut ist, verstehe ich es auch«, sagte sie. »Was ist es denn?«
»Wenn die Leute aneinander vorbeilaufen, wenn sie nicht miteinander reden können und gleichgültig gegen ihre Umwelt sind.«
»Und warum schreibst du das nicht?«, fragte sie naiv.
»Man
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Im Sonnenwinkel 46 – Familienroman - Patricia Vandenberg
Im Sonnenwinkel
– 46 –
Nur Liebe trocknet Kindertränen
Patricia Vandenberg
Hannes Auerbach saß ächzend und stöhnend über einem Hausaufsatz. Schon vor einer Stunde hatte er sich mit mürrischer Miene in sein Zimmer zurückgezogen und seiner Familie erklärt, dass man ihn nicht stören solle.
Jetzt lagen annähernd zehn Blätter zusammengeknüllt im Papierkorb, und er hatte noch nichts zustande gebracht. Aufsätze waren Hannes ein Gräuel. Viel lieber machte er einen Bericht oder eine Bildbeschreibung. An Phantasie mangelte es ihm einfach. Die hatte seine kleine Schwester Bambi dafür umso mehr.
So war er gar nicht böse, als sie sich nun doch durch die Tür schob. Fürsorglich auf sein Wohl bedacht, wollte sie ihm wenigstens ein Stück frisch gebackenen Zwetschgenkuchen bringen.
»Was stöhnste denn so, Hannes?«, fragte sie.
»Ich komme nicht weiter«, äußerte er brummig und labte sich an dem Kuchen. »Bist wirklich ein Schatz, Bambilein.«
Sie hatte es sehr gern, wenn er so zärtlich mit ihr redete. Liebevoll tätschelte sie ihm die Wange.
»Warum kommst du nicht weiter, Hannes?«, fragte sie. »Was musst du denn schreiben?«
»Über ein Übel unserer Zeit. Über Kontaktarmut«, erwiderte er. »Das verstehst du ja noch gar nicht.«
Hannes war gut doppelt so alt wie Bambi und bereits Schüler der zehnten Klasse, während Bambi gerade das erste Jahr zur Schule ging. Aber so ganz selbstverständlich nahm sie es doch nicht hin, dass sie etwas nicht verstehen sollte.
»Wenn du mir erklärst, was Kontaktarmut ist, verstehe ich es auch«, sagte sie. »Was ist es denn?«
»Wenn die Leute aneinander vorbeilaufen, wenn sie nicht miteinander reden können und gleichgültig gegen ihre Umwelt sind.«
»Und warum schreibst du das nicht?«, fragte sie naiv.
»Man muss doch Beispiele anführen. Aufzählen kann ich das nicht bloß, dann wäre ich längst fertig.«
»Dann zählst du auf, und ich überlege«, meinte Bambi. »Bei uns gibt es so was wie Kontaktarmut wohl nicht, uns ist keiner gleichgültig, und aneinander vorbeilaufen tun wir auch nicht. Gibt es das überhaupt?«
»In den großen Städten schon. Ich kann es mir eben auch nicht vorstellen. Deswegen ist es ja so schwer, darüber zu schreiben.«
»Na, dann schreib doch, dass es dir schwerfällt, so was zu glauben.«
»Wir müssen ja auch über die Ursachen schreiben«, erklärte er ihr.
»Und was sind Ursachen?«, fragte Bambi.
»Die Menschen in den Städten wohnen meistens in großen Wohnblöcken. Früh gehen sie aus dem Haus zur Arbeit, und abends kommen sie müde nach Hause. Ihre Nachbarn treffen sie meistens gar nicht, dann sitzen sie vor dem Fernsehapparat, und es ist ihnen wurscht, ob nebenan einer krank ist oder stirbt.«
Bambi riss entsetzt die Augen auf.
»Das ist sehr schlimm«, behauptete sie, »aber du weißt sehr viel, Hannes. Warum schreibst du denn nicht alles so, wie du es mir erzählst. Das kann man sich doch sehr gut vorstellen.«
Hannes war verblüfft. Er schlug sich an die Stirn.
»Es ist schon komisch, Bambi«, bemerkte er staunend. »Mit dir kann ich reden, und da fällt mir auch was ein. Du inspirierst mich.«
Bambi fand es hochinteressant, wenn Hannes solche Fremdwörter gebrauchte. Da konnte sie wieder etwas lernen. Nun musste er ihr erklären, was Inspiration ist.
»Eingebung, Anregung«, sagte er.
Sie fühlte sich sehr geschmeichelt und sehr glücklich. Sie stellte sich neben ihn und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
»Du inspirierst mich auch, Hannes«, flüsterte sie. »Ich weiß jetzt endlich, was ich Mami zum Geburtstag schenken kann.«
»Was denn?«, fragte er.
Sie lächelte geheimnisvoll und sah dabei ganz besonders lieb aus.
»Das verrate ich nicht. Das wird eine große Überraschung.«
*
Wenn Inge Auerbachs Geburtstag nahte, bereitete es jedem Familienmitglied Kopfzerbrechen, was man ihr schenken könnte. Es sollte ja stets etwas Besonderes sein, womit man ihr die Liebe und Anhänglichkeit bewies, die alle für sie empfanden.
Auch ihr Sohn Jörg und ihre Schwiegertocher Stella im fernen London zerbrachen sich seit Tagen den Kopf. Leider konnten sie nicht persönlich gratulieren, was ihnen sehr leid tat.
»Ich würde Mami ja das zauberhafte Teeservice kaufen«, sagte Stella, »aber es ist ein zu großes Risiko, es mit der Post zu schicken.«
»Es müsste schon etwas Unzerbrechliches sein«, meinte Jörg. »Aber was?«, fügte er seufzend hinzu.
»Du, ich habe eine Idee!«, rief Stella nach langem Nachdenken aus. »Angelika fährt doch Anfang der Woche heim. Wenn ich sie darum bitte, würde sie das Service bestimmt mitnehmen. Wir hatten doch schon mal besprochen, dass sie unsere Lieben besucht.«
Stella, Jörgs junge Frau, hatte Angelika von Volkmann auf dem Spracheninstitut kennengelernt, das sie besuchte, um ihre englischen Sprachkenntnisse zu vervollkommnen. Angelika war zu dem gleichen Zweck nach London gekommen, und da sie nach ein paar Tagen festgestellt hatten, dass sie aus der gleichen Gegend stammten, hatten sie sich schnell angefreundet.
»Du, Jörg, dann werden wir gleich mal losfahren und das Service kaufen«, sagte Stella.
»Ohne Angelika zu fragen, ob sie es mitnehmen will?«
»Ach, das mache ich schon. Es ist ja nicht schwer. Mami wird sich darüber bestimmt freuen. Echtes chinesisches Porzellan kriegt man in Hohenborn nicht.«
Sie konnten es sich jetzt leisten, kostbare Geschenke zu machen. Jörg hatte eine blendende Anstellung.
Sie besaßen eine bildschön eingerichtete Vierzimmerwohnung und hatten alles, was sich ein junges Paar wünschen konnte. Und sie waren glücklich, was für Stella die Hauptsache war, denn im Anfang ihrer Ehe hatte es doch manche Schwierigkeiten gegeben, da Jörg sehr eigenwillig gewesen war.
Davon war jetzt nicht mehr die Rede. Er war ein richtiger Mann geworden, verantwortungsbewusst und frei von der Ambition, ab und zu auch mal mit einem hübschen Mädchen zu flirten, was der eifersüchtigen Stella anfangs großen Kummer bereitet hatte.
Aber auch sie war selbstbewusster geworden, eine richtige kleine Lady mit Charme und Schick. Und da sie sich nun auch wieder auf ein Baby freuen konnten, nachdem Stella sehr unter einer Fehlgeburt gelitten hatte, war ihr Glück vollkommen.
»Weißt du, Jörg, wenn wir uns beeilen, könnten wir das Geschenk jetzt noch besorgen und es Angelika direkt heute Abend geben, wenn sie zu uns kommt.«
»Ja, gut«, stimmte Jörg seiner Frau zu. »Dann müssen wir aber sofort losfahren, sonst schließen die Geschäfte.«
*
Währenddessen nahm Angelika von Volkmann Abschied von ihrer Tante, bei der sie während ihres Englandaufenthaltes gewohnt hatte.
Lady Hopkins lächelte verstohlen.
»Das habe ich wohl mehr deiner Freundin Stella zu verdanken. Aber ich will sehr hoffen, dass du mich nicht zu lange auf deinen nächsten Besuch warten lässt, wenn der Herr Papa nicht schon einen Ehemann für dich bereithält.«
Das war nicht nur in die Luft gesagt. Sie wusste, dass Arnold von Volkmann solche Pläne hatte und deswegen Angelika auch vorzeitig heimbeorderte. Aber sie wollte diesem bezaubernden jungen Mädchen die Freude an den letzten Tagen mit ihren Freunden, die Lady Hopkins sehr sympathisch waren, nicht verderben.
»Ich lasse mich nicht verheiraten«, sagte Angelika. »Ich habe Papa wirklich sehr lieb, aber in dieser Beziehung lasse ich mir keine Vorschriften machen.«
Und worauf wird es hinauslaufen, dachte Lady Hopkins, die selbst ähnliches erlebt hatte. Man gibt eines Tages doch nach, und wenn man Glück hat, gestaltet sich die Ehe doch noch harmonisch. So war es bei ihr der Fall gewesen.
Aber Angelika war ein romantisches junges Mädchen, voller Träume und Illusionen, aber auch mit einer ganz beträchtlichen Dickköpfigkeit ausgestattet. Wie ihr Vater, dachte Lady Hopkins.
Vor der Tür des Landsitzes wartete der Rolls Royce mitsamt Chauffeur, der Angelika zu den jungen Auerbachs bringen sollte. Das große Gepäck war schon auf dem Heimweg. Angelika hatte nur noch einen kleinen Koffer.
»Ihr werdet ja sicher fröhlich Abschied feiern«, meinte Lady Hopkins mit einem Augenzwinkern.
Angelika errötete. »Nur in kleinem Kreis.«
»Viel Spaß, Kleines, aber versäum dein Flugzeug nicht. Dein Papa wird dich schon ungeduldig erwarten. Selbstverständlich setzt er voraus, dass ich dich pflichtbewusst und pünktlich in die Maschine setze.«
»Ich werde dir keinen Ärger bereiten, Tante Maryann«, sagte Angelika, »aber wie ein kleines Mädchen brauchte Papa mich auch nicht zu behandeln.«
»Das haben Väter, die nur eine Tochter besitzen, eben nun mal an sich.«
Lady Hopkins küsste Angelika nochmals auf beide Wangen. Dann stieg das junge Mädchen in den Wagen und winkte noch einmal.
Angelika dachte an ihren Vater. Sie musste ihm endlich begreiflich machen, dass sie erwachsen war und nicht ständig bevormundet werden wollte.
Seit sie Stella kennengelernt hatte, fühlte sie sich zum ersten Mal freier. Stella und Jörg waren frei erzogen, unbeschwert von Konventionen aufgewachsen, obgleich sie doch beide aus Familien stammten, in denen gewisse Traditionen aufrechterhalten wurden. Aber diese wurden ihnen nicht zur Last. Harmonie und innige Zuneigung innerhalb der Familien waren ihnen eine nicht wegzudenkende