Luisa schafft sich ein Elternhaus: Mami Bestseller 28 – Familienroman
Von Isabell Rohde
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Über dieses E-Book
Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt!
Blaß und verschüchtert saß Anja im Fond der schweren Limousine. Mit weit aufgerissenen blauen Augen starrte sie in die feindliche Welt hinein. Sie zitterte. »Nun sei nicht traurig, kleine Maus«, versuchte Johann sie zu trösten. Johann war Fahrer auf Gut Espenburg, das Anjas Großmutter gehörte. Er war Diener, Hausmeister und Chauffeur in einer Person. Niemand aus der Familie wußte noch, wie sein Familienname lautete. Er hieß Johann, das genügte. Doch die Fünfjährige ließ sich nicht beruhigen. Sie antwortete dem gutmütigen Mann nicht; man konnte glauben, sie hätte seine Worte überhaupt nicht wahrgenommen. »Wir fahren zu deiner Großmutter«, erklärte Johann weiter. »Da brauchst du keine Angst zu haben.« Himmel, war das schwer, solch einem armen Wesen etwas Zuversicht zu geben! Dabei wußte er nur allzu gut, daß die »Gnädige«, wie sie vom Personal genannt wurde, kaum den landläufigen Vorstellungen von einer liebevollen Großmutter entsprach. »Ich habe keine Großmutter«, sagte Anja verzagt. »Ich will zu meiner Mutti und zu meinem Vati.
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Buchvorschau
Luisa schafft sich ein Elternhaus - Isabell Rohde
Mami Bestseller
– 28–
Luisa schafft sich ein Elternhaus
Turbulente Zeiten für ein kleines Mädchen
Isabell Rohde
Blaß und verschüchtert saß Anja im Fond der schweren Limousine. Mit weit aufgerissenen blauen Augen starrte sie in die feindliche Welt hinein. Sie zitterte.
»Nun sei nicht traurig, kleine Maus«, versuchte Johann sie zu trösten.
Johann war Fahrer auf Gut Espenburg, das Anjas Großmutter gehörte. Er war Diener, Hausmeister und Chauffeur in einer Person. Niemand aus der Familie wußte noch, wie sein Familienname lautete. Er hieß Johann, das genügte. Doch die Fünfjährige ließ sich nicht beruhigen. Sie antwortete dem gutmütigen Mann nicht; man konnte glauben, sie hätte seine Worte überhaupt nicht wahrgenommen.
»Wir fahren zu deiner Großmutter«, erklärte Johann weiter. »Da brauchst du keine Angst zu haben.«
Himmel, war das schwer, solch einem armen Wesen etwas Zuversicht zu geben! Dabei wußte er nur allzu gut, daß die »Gnädige«, wie sie vom Personal genannt wurde, kaum den landläufigen Vorstellungen von einer liebevollen Großmutter entsprach.
»Ich habe keine Großmutter«, sagte Anja verzagt. »Ich will zu meiner Mutti und zu meinem Vati. Bitte, bitte, fahr mich zu ihnen!«
»Die beiden kommen bestimmt bald wieder, mein Kleines. Sie hatten einen Unfall mit ihrem Auto und mußten ins Krankenhaus gebracht werden. Im Augenblick sind sie noch sehr krank. Da wird sich die Großmutter um dich kümmern, bis deine Eltern wieder gesund sind. Paß auf, es wird dir schon gefallen auf Gut Espenburg. Sogar ein Pony steht im Stall. Ich könnte dich in den Sattel heben und das Pferdchen am Zügel führen, bis du allein reiten kannst.«
Für einen Augenblick leuchteten Anjas Augen auf. Ein Pony? Das war ja wunderbar. Kein Kind aus ihrer Nachbarschaft hatte je auf einem Pony gesessen.
»Aber es hat keinen Zweck«, lehnte sie trotzdem ab. »Vati und Mutti holen mich bestimmt bald wieder ab. Vielleicht kommen sie schon morgen oder übermorgen. Da habe ich nicht genug Zeit, reiten zu lernen.«
»Wir haben auch einen Teich im Garten, Kleines«, fuhr Johann unbeirrt fort.
»Ich bin nicht klein. Ich bin schon fünf Jahre alt«, erklärte das Mädchen selbstbewußt. »Und außerdem heiße ich Anja.«
»Nun gut, Anja«, sagte Johann schmunzelnd. »Ein Kahn ist auch da. Wenn ich Zeit habe, könnte ich dich auf die kleine Insel in der Mitte rudern. Sogar Schwäne wohnen drauf. Meinst du nicht auch, das würde dir Spaß machen?«
»Wenn Vati und Mutti dabei wären, bestimmt.«
»Im Augenblick muß es ohne deine Eltern gehen. Später, wenn sie dich holen, zeigst du ihnen alles.«
Welch ein reizendes Kind! dachte der Alte gerührt. Wie gut, daß sie die ganze schreckliche Wahrheit noch nicht ahnte: Ihr Vater hatte den Tod gefunden bei dem schweren Unfall, und ihre Mutter, die an seiner Seite gesessen hatte, war lebensgefährlich verletzt worden und war zur Zeit noch ohne Bewußtsein. Das Kind, die kleine Anja, war diesem Schicksal entgangen, weil die Eltern sie bei einer Nachbarin zurückgelassen hatten, wo sie mit den Kindern gespielt hatte. Später war die Polizei gekommen und hatte nach Verwandten geforscht. So hatte es nahegelegen, das Kind vorerst zur Mutter ihres Vaters zu bringen.
»Wie kommt es, daß ich meine Großmutter gar nicht kenne?« fragte Anja in Johanns Überlegungen hinein. »Andere Kinder haben auch Großmütter. Aber die kommen zu Besuch und bringen Geschenke mit, und manchmal betreuen sie die Kinder, wenn die Eltern verreisen. Ich dachte, sie wäre im Himmel. Hat sie nicht gewußt, daß es mich gibt?«
»Danach mußt du sie selbst fragen«, meinte Johann vorsichtig. Er wollte sich nicht den Mund verbrennen, wußte er doch, daß der einzige Sohn und Erbe der Reimunds vor Jahren im Unfrieden sein Elternhaus verlassen hatte. Aber wie sollte man das einem Kind klarmachen? Und wie hätte man das vor der Polizei angeben können?
»Ihr wohntet doch in der Stadt«, versuchte er dennoch eine Erklärung. »Nach Espenburg ist es ziemlich weit. Wie hätte die Großmutter zu euch kommen können?«
»Och«, sagte Anja. »Das ist doch nicht weit. Christines Oma ist sogar aus Amerika gekommen. Und du holst mich doch jetzt auch mit deinem Auto. Genausogut hätte die Großmutter uns mit diesem Wagen besuchen können. Oder ist sie krank?«
»Gleich sind wir da«, lenkte Johann ab und fuhr auch schon in den Gutshof ein.
»Das ist aber ein großes Haus«, wunderte sich Anja. »Wohnt meine Großmutter ganz allein darin?«
Johann antwortete nicht mehr. Als er seine Wagentür öffnete, wurde er von einem prachtvollen Setter stürmisch begrüßt. Ängstlich drückte sich Anja in das Polster des Wagens. Johann ergriff den Hund beim Halsband und führte ihn vorsichtig zu dem kleinen Mädchen.
»Schau, Anja, das ist Rayo. Und das ist deine Freundin Anja, mein Guter. Du wirst gut auf sie acht haben und sie vor allen Gefahren beschützen. Gib ihr die Pfote!«
Gehorsam legte Rayo seine Pfote in die kleine Kinderhand und wedelte freundlich mit dem Schwanz.
»Siehst du, er mag dich gern«, sagte Johann. »Rayo liebt alle Kinder. Nun hast du schon einen Freund auf Espenburg und bist nicht länger fremd und allein.«
»Nein, zwei Freunde«, korrigierte Anja den Alten. »Du und Rayo. Oder bist du nicht mein Freund?« Mit großen fragenden Augen blickte sie zu Johann auf.
»Na klar«, versicherte er ihr schnell. »Bestimmt bin ich dein Freund. Das war für mich ganz selbstverständlich, deshalb habe ich es nicht mehr extra erwähnt. Du bist noch keine fünf Minuten auf Espenburg und hast schon zwei Freunde gewonnen. Bald wirst du dich hier wie zu Hause fühlen und keine Sehnsucht nach der Stadt haben.«
Damit nahm er das kleine Mädchen bei der Hand und führte es in das Gutshaus. Anjas Herz klopfte, sie klammerte sich an Johanns Hand. Er war so gut zu ihr. Sie wünschte, sie könnte einfach bei ihm bleiben, ohne Vatis Mutter aufzusuchen. Sie fürchtete sich insgeheim vor dieser fremden Frau.
Die Begrüßung durch die Großmutter, Frau Herta Reimund, verlief kühl. Anja hatte bestimmte Vorstellungen von einer Großmutter. Oft genug hatte sie erlebt, wenn ihre Spielkameradinnen Besuch der Großeltern hatten. Die Omis waren allesamt ein wenig rundlich und hatten die unangenehme Angewohnheit, ihre Großkinder mit Begeisterung zu umarmen und abzuküssen. Außerdem fanden sie die eigenen Enkel ganz unvergleichlich. In jedem Fall waren sie schöner und klüger als alle sonstigen Kinder.
Hatte Anja Ähnliches von ihrer Großmutter erwartet, dann waren ihre Befürchtungen allesamt grundlos gewesen. Die Mutter ihres Vaters war eine kühle, gepflegte Dame, sehr schlank, sehr gut gekleidet. Sie dachte nicht daran, die Kleine in ihre Arme zu schließen oder ihr gar einen Kuß zu geben. Auch hatte sie keineswegs die Überzeugung, Anja sei unvergleichlich. Im Gegenteil, sie hatte offensichtlich viel an ihr auszusetzen.
»Ja, wäschst du dich denn gar nicht?« sagte sie mit strenger Stimme. »Sorgt deine Mutter nicht dafür, daß du sauber umherläufst?«
»Doch. Ich wasche mich jeden Abend und morgens natürlich auch. Aber dafür braucht niemand zu sorgen. Ich kann das ganz allein.«
»Das sieht man«, entgegnete Herta Reimund naserümpfend. »Es wäre besser, die Erwachsenen kümmerten sich um dich.«
»Tun sie ja auch«, bockte Anja. »Sogar mein Vati guckt manchmal nach, ob ich saubere Fingernägel habe.«
»So ähnlich habe ich mir das gedacht. Hausmann und Kinderpfleger! Das hat diese Person aus meinem Sohn gemacht.«
Anja verstand nicht alles, was ihre Großmutter da sagte, doch sie hörte den verletzenden Ton und versuchte, die geliebten Eltern zu verteidigen.
»Mein Vati wird Doktor und später Kinderdoktor. Es dauert nicht mehr lange, dann macht er alle Kinder gesund. Wenn er nicht mehr Student ist, dann ziehen wir in eine große Wohnung und ich kriege ein eigenes Zimmer. Ein Kinderzimmer ganz für mich.«
»Schön ausgedacht. Aber ich sage immer, der Mensch denkt und Gott lenkt. Dein Vater ist tot. Er wird niemals Kinderarzt werden und wird sich auch nicht mehr um dich kümmern können.«
Tot? Wie oft hatte Anja davon sprechen hören. Die alten Frauen hatte immer geweint, wenn jemand aus ihrer Familie gestorben war und hatten traurige schwarze Kleider getragen. Aber diese fremde Frau vor ihr, die ihre Großmutter sein sollte und die solch ein strenges Gesicht machte, weinte nicht. Sie jammerte nicht um den Toten und trug auch kein schwarzes Kleid. Es konnte also gar nicht stimmen… Anja erinnerte sich an Vati. Erst heute mittag war er mit Mutti zusammen im Auto fortgefahren. Sie wollten sich ein Haus auf dem Lande ansehen, das sie mieten konnten. Er hatte Anja zum Abschied geküßt und sie fröhlich durch die Luft geschwenkt. Ausgeschlossen… Vati war nicht tot. Und hatte nicht Johann gesagt, daß er im Krankenhaus läge? Er lebte also noch. Anja fand Johann viel vertrauenswürdiger als diese Großmutter, die sie noch nie, nie, nie in ihrem Leben gesehen hatte und die sich über ihre Fingernägel und die schmutzigen Hände aufregte. Verstohlen betrachtete Anja ihre Hände. Es stimmte ja, sie hatte mit ihrer Freundin im Sandkasten gespielt, sie hatten Wasser aus der Gießkanne geholt und einen herrlichem Pampel aus Wasser und Sand gemacht. Man konnte so schön Kuchen damit backen. Dummerweise hatten sie dann angefangen, sich den Pampel ins Gesicht zu werfen und die Haare damit zu verkleben. Sie hatten das schon oft gemacht. Mutti hatte manchmal ein bißchen geseufzt, aber richtig böse war sie nie gewesen. Vati hatte bloß immer gelacht.
»Und natürlich hast du auch keinerlei Garderobe mitgebracht!« tadelte die Großmutter den Neuankömmling. Anja machte ein verschlossenes Gesicht. Natürlich hatte sie nichts dergleichen mitgebracht. Vati und Mutti hatten ja schon in einer Stunde zurückkommen wollen. Da stellt man keine gepackten Koffer neben den Sandkasten. Man gibt auch keinen