Im Sonnenwinkel 61 – Familienroman: Abschied vom Sonnenwinkel
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Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen.
»Mami!«, rief Bambi beschwörend.
Inge Auerbach war regelrecht erschrocken, denn Bambi kündigte ihre Heimkehr aus der Schule meistens durch anhaltendes Klingeln an.
»Was ist denn, mein Schätzchen?«, fragte sie besorgt, doch mit einem Blick überzeugte sie sich, dass ihre reizende Jüngste unversehrt vor ihr stand und nicht etwa irgendeine Verletzung aufwies.
»Ich möchte dich gern was fragen, Mami. Darf Kai heute bei uns essen? Seine Mami ist nämlich nicht zu Hause.«
»Deswegen brauchst du doch nicht zu flüstern«, sagte Inge. »Natürlich kann er bei uns essen.«
»Ich wollte nur, dass du ihn einlädst«, sagte Bambi, »sonst traut er sich nicht herein.«
Inge Auerbach lächelte erleichtert. Seit Bambi beim Turnen mal ganz bös auf den Rücken gefallen war, schwebte sie in ständiger Angst, dass wieder etwas dergleichen passieren könnte. Ein Kind mehr am Tisch machte ihr gewiss nichts aus. Außerdem war Kai Arnheim ein ausgesprochen netter Junge.
Er verbeugte sich wohlerzogen vor Inge Auerbach, als sie in die Diele trat.
»Bambi hat gesagt, dass ich noch eine Weile hierbleiben darf, bis meine Mami wieder daheim ist«, sagte er.
Inge Auerbach dachte nur flüchtig daran, dass sie am Vormittag Ellen Arnheim mit einem Koffer in der Hand aus dem Autobus hatte steigen sehen, als sie selbst in Hohenborn Einkäufe machte.
»Du kannst gern mit uns essen, Kai«, sagte sie herzlich. »Ihr werdet nach der langen Schulzeit Hunger haben.«
Bambi und Kai waren in der vierten Klasse, und da hatten sie dreimal in der Woche bis dreizehn Uhr Unterricht. Inge Auerbach hatte sich daran auch erst gewöhnen müssen, aber sie konnte sich schlecht vorstellen,
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Im Sonnenwinkel – Neue Edition
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Im Sonnenwinkel 61 – Familienroman - Patricia Vandenberg
Im Sonnenwinkel
– 61 –
Abschied vom Sonnenwinkel
Patricia Vandenberg
»Mami!«, rief Bambi beschwörend.
Inge Auerbach war regelrecht erschrocken, denn Bambi kündigte ihre Heimkehr aus der Schule meistens durch anhaltendes Klingeln an.
»Was ist denn, mein Schätzchen?«, fragte sie besorgt, doch mit einem Blick überzeugte sie sich, dass ihre reizende Jüngste unversehrt vor ihr stand und nicht etwa irgendeine Verletzung aufwies.
»Ich möchte dich gern was fragen, Mami. Darf Kai heute bei uns essen? Seine Mami ist nämlich nicht zu Hause.«
»Deswegen brauchst du doch nicht zu flüstern«, sagte Inge. »Natürlich kann er bei uns essen.«
»Ich wollte nur, dass du ihn einlädst«, sagte Bambi, »sonst traut er sich nicht herein.«
Inge Auerbach lächelte erleichtert. Seit Bambi beim Turnen mal ganz bös auf den Rücken gefallen war, schwebte sie in ständiger Angst, dass wieder etwas dergleichen passieren könnte. Ein Kind mehr am Tisch machte ihr gewiss nichts aus. Außerdem war Kai Arnheim ein ausgesprochen netter Junge.
Er verbeugte sich wohlerzogen vor Inge Auerbach, als sie in die Diele trat.
»Bambi hat gesagt, dass ich noch eine Weile hierbleiben darf, bis meine Mami wieder daheim ist«, sagte er.
Inge Auerbach dachte nur flüchtig daran, dass sie am Vormittag Ellen Arnheim mit einem Koffer in der Hand aus dem Autobus hatte steigen sehen, als sie selbst in Hohenborn Einkäufe machte.
»Du kannst gern mit uns essen, Kai«, sagte sie herzlich. »Ihr werdet nach der langen Schulzeit Hunger haben.«
Bambi und Kai waren in der vierten Klasse, und da hatten sie dreimal in der Woche bis dreizehn Uhr Unterricht. Inge Auerbach hatte sich daran auch erst gewöhnen müssen, aber sie konnte sich schlecht vorstellen, dass eine so fürsorgliche Mutter wie Ellen Arnheim vergaß, dass ihr Sohn spätestens zehn Minuten nach dreizehn Uhr daheim sein würde.
Während sie den Schweinebraten aufschnitt, erinnerte sie sich an die flüchtige Begegnung mit Ellen Arnheim. Sie war aus dem Bus, der von Erlenried kam, ausgestiegen, als Inge mit Taschen beladen zu ihrem Wagen ging. Sie hatten sich gegrüßt, wie es unter Nachbarn üblich war, aber Ellen Arnheim war nicht stehen geblieben, wie man es eigentlich gewohnt war. Erlenried und der Sonnenwinkel gehörten zusammen. Jeder kannte jeden, und die nachbarschaftlichen Beziehungen wurden gepflegt.
Die Arnheims wohnten seit einem Jahr in Erlenried. Frank Arnheim war Konstrukteur in den Münster-Werken, und sie hatten nur den einen Sohn Kai. Er war schon öfter bei den Auerbachs gewesen, ein stiller, intelligenter Junge, der zu keiner Zeit unangenehm auffiel. Gesellig waren die Arnheims nicht, aber sehr sympathisch.
Kais Benehmen bei Tisch war vorbildlich, aber man konnte seine Unruhe spüren.
»Mami hat nicht gesagt, dass sie wegfährt«, sagte er leise, als die Mittagsmahlzeit beendet war, die sie heute nur zu dritt eingenommen hatten, da Professor Auerbach nach München gefahren war und Hannes, der nun Sechzehnjährige, in Hohenborn geblieben war, wo er aufs Gymnasium ging.
Mittwochs hatten sie nachmittags immer Turnunterricht, und da lohnte es sich nicht, dass er den Weg zweimal machte.
»Mein Papi ist nämlich auch in Stuttgart und kommt erst heute Abend zurück«, erklärte Kai. »Ich möchte jetzt lieber heimgehen und schauen, ob Mami zurück ist, sonst macht sie sich Sorge, wo ich stecke.«
Bambi pfiff nach ihrem Collie Jonny, und sie begleiteten Kai. Doch Ellen Arnheim war noch immer nicht daheim.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Kai beklommen. »Mami wird doch nichts passiert sein?«
Solche Gedanken hatten für Bambi etwas Erschreckendes. Sie stellte sich sofort vor, was sie für Angst haben würde, wenn sie ihre Mami mal nicht daheim anträfe.
»Vielleicht ist sie nach Hohenborn gefahren und hat den Mittagsbus verpasst«, sagte sie. »Komm wieder mit zu uns, Kai. Von unserm Haus aus können wir sehen, wenn der nächste Bus kommt.«
Kai schlich mit gesenktem Kopf neben ihr her. »Vielleicht ist Omi wieder krank«, sagte er bekümmert, »aber Mami hätte doch in der Schule Bescheid gesagt, wenn sie zu ihr gefahren wäre.«
Bambi kam das auch sehr merkwürdig vor, denn sie hatte Ellen Arnheim als besorgte und liebevolle Mutter kennengelernt, die immer nach ihrem Sohn Ausschau hielt, wenn die Kinder mal später aus der Schule kamen, weil sie sich noch verratscht hatten. Sie fand jetzt keine aufmunternden Worte.
Auch Inge Auerbach machte sich ihre Gedanken, als sie beide Kinder wiederkommen sah. Jonny trottete neben ihnen her, als spüre er, dass etwas nicht stimmte.
Ellen Arnheim war schnell an ihr vorbeigegangen, und verlegen war sie auch gewesen, das kam Inge jetzt in den Sinn. Urd was mochte der Koffer bedeutet haben?
»Hat deine Mami nicht gesagt, dass sie etwas erledigen muss, Kai?«, fragte sie. »Erinner dich mal. Manchmal vergisst man so was.«
»Mami hat nichts gesagt«, erwiderte er beklommen. »Aber sie war heute Morgen so anders als sonst. Sie hat mir drei Brote mitgegeben und gesagt, dass ich richtig essen soll. Ich verstehe bloß nicht, warum sie nicht gesagt hat, dass sie über Mittag wegbleibt.«
Das verstand Inge Auerbach auch nicht, aber Ellen Arnheim blieb nicht nur diesen Tag weg, wie sie bald
erfahren sollte. Wie es schien, hatte
sie ihren Mann und ihr Kind verlassen.
*
Fröhlich war der Nachmittag nicht, den Bambi und Kai verbrachten, obgleich ihre Spielgefährten auch noch gekommen waren. Sie standen die meiste Zeit am Fenster und hielten nach dem Bus Ausschau, da es zu regnen begonnen hatte.
Der Bus kam und hielt, aber Ellen Arnheim stieg nicht aus. Gegen sechs Uhr sahen sie dann den blauen Wagen von Frank Arnheim die Straße entlangkommen. Sie flitzten gleich hinaus, obgleich es nun in Strömen regnete, aber sie kamen zu spät, um ihn aufzuhalten. Er war schon in die Nebenstraße eingebogen, wo das Haus stand, in dem die Arnheims wohnten.
»Ich laufe gleich heim, Bambi«, sagte Kai. »Sag deiner Mami vielen Dank.«
»Ist schon gut«, sagte Bambi. »Kannst immer zu uns kommen, Kai.«
Dann ging sie schnell ins Haus. »Mir ist ganz komisch, Mami«, sagte sie beklommen. »Wenn Kais Mami bloß nichts passiert ist.«
*
Kai fand seinen Papi sehr aufgeregt vor. »Himmel, wo steckt ihr denn?«, rief Frank Arnheim aus, als der Junge angerannt kam.
»Ich bin es, Papi«, erwiderte Kai keuchend, »aber Mami ist mittags auch schon nicht hier gewesen. Ich war die ganze Zeit bei Auerbachs.«
Frank Arnheim sah seinen Sohn bestürzt an. »Mittags war Mami auch nicht daheim?«, fragte er tonlos. Dann zog er den Jungen ins Haus und lief wie ein verstörter Hund durch alle Räume. Zuletzt in sein Arbeitszimmer. Dort sah er auf dem Schreibtisch einen Umschlag liegen.
Für Frank von Ellen, las er, und im nächsten Augenblick hatte er ihn aufgerissen.
Mit kreidebleichem Gesicht lehnte Kai an der Tür und beobachtete seinen Vater. Der hielt sich an der Sessellehne fest, nachdem er gelesen hatte, und war genauso bleich wie Kai.
»Sag doch was, Papi«, flüsterte Kai. »Was ist denn?«
»Mami kommt nicht mehr zurück. Sie hat uns verlassen«, stieß Frank Arnheim heiser hervor.
»Warum?«, schrie der Junge gequält.
»Ich weiß es nicht, mein Junge. Ich weiß es nicht und werde es nie verstehen«, murmelte der Mann tonlos.
Ich kann nicht bei Euch bleiben, Frank. Ich kann es Dir auch nicht erklären, warum ich gehe. Verzeihe mir. Ich habe immer nur Euch geliebt!, stand auf dem weißen Bogen.
»Mami kann doch nicht einfach von uns fortgehen«, schluchzte Kai. »Habt ihr euch gestritten, Papi? Sag mir doch die Wahrheit, manchmal streiten sich Eltern.«
»Wir haben uns nicht gestritten, Kai. Ich verstehe es nicht, mein Junge. Ich werde Omi anrufen, ob ich dich zu ihr bringen kann.«
»Nein, ich will hierbleiben. Vielleicht kann Omi kommen, aber ich finde mich schon zurecht, und ich kann immer zu Auerbachs gehen. Sie sind sehr, sehr nett, Papi. Mami kommt bestimmt wieder. Vielleicht holt sie uns nur noch ein Baby.«
»Babys kann man nicht einfach holen, Kai«, sagte Frank Arnheim tonlos. »Das weißt du doch.«
»Aber wenn man selbst keine mehr kriegen kann, kann man eins aus einem Heim holen. Vielleicht hat Dr. Riedel Mami gesagt, dass sie kein Kind mehr bekommen kann, und wir haben uns doch noch ein Schwesterchen gewünscht. Mami auch. Sie war immer traurig, wenn sie Babys gesehen hat. Und erst recht war sie traurig, als sie von Dr. Riedel kam gestern.«
»Gestern?«, fragte Frank.
»Gestern Nachmittag. Da hat sie mir aber auch nicht gesagt, dass sie zum Arzt geht. Wir hatten Spielstunde, und da habe ich gesehen, wie sie von Dr. Riedel gekommen ist. Weil sie nichts gesagt hat, habe ich auch nichts gesagt.«
Ellen war beim Arzt, dachte Frank, und auch daran musste er denken, dass sie abends manchmal völlig geistesabwesend gewesen war, wenn er sich mit ihr über Urlaubspläne unterhalten wollte.
»Hier ist es doch so schön«, hatte sie gesagt. »Was müssen wir wegfahren? Es ist doch immer nur eine Hetze.«
Was hatte Ellen bewegt, von ihnen fortzugehen? Er musste mit Dr. Riedel sprechen. Vielleicht konnte er ihm einen Hinweis geben.
Kai hatte sich in den Schlaf geweint. Vorher hatte ihm Frank gesagt, dass er zu Dr. Riedel gehen würde, damit der Junge nicht möglicherweise durch das leere Haus irren und ihn suchen würde.
»Wenn Mami gern ein Baby holen will, hätte sie es uns doch sagen können«, hatte Kai gesagt. Doch sein Vater wusste, dass nicht dies Ellen zu diesem Entschluss getrieben haben konnte. Darüber hätte sie mit ihm gesprochen, wie schon so oft, wenn sie überlegten, ob sie nicht noch ein Kind adoptieren sollten. Es musste etwas anderes sein, was sie fortgetrieben hatte.
Bevor Frank das Haus verließ, telefonierte er noch mit seiner Mutter. Sie versprach zu kommen. Er brauchte jemanden, der für Kai sorgte. Er hatte niemanden als seine Mutter. Zum Glück hatte sie ihre gesundheitliche Krise überwunden, die ihnen auch große Sorgen bereitet hatte. Sie war an Brustkrebs operiert worden, aber nach neun Monaten konnte der Arzt bestätigen, dass die Operation erfolgreich gewesen war.
Frank ging zu Fuß in den Sonnenwinkel hinunter. Die frische Nachtluft