Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Ohne MitLeid
Ohne MitLeid
Ohne MitLeid
eBook205 Seiten3 Stunden

Ohne MitLeid

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Idyllisch lag das kleine Dorf inmitten des Schwarzwalds.Auch das Leben in diesem Dorf und die Gemeinschaft schienen harmonisch und von gutem Miteinander.Doch Marie, ungewollt und ungeliebt, erlebte dort den Alptraum ihrer Kindheit.Für den strengen Vater trug sie die Schuld seines verkorksten Lebens - und dafür musste sie büßen.In der Mutter findet das Kind keinen Halt und keine Hilfe.Selbstverliebt und gefühlskalt übersieht sie die Qual in Maries Augen.In ihrer krankhaften Eitelkeit ist ihr Leben mehr Schein als Sein und so tut sie alles, die vermeintliche Familienidylle zu wahren.Und so gibt es keine Möglichkeit für das kleine Mädchen, der körperlichen Gewalt und den psychischen Grausamkeiten ihres Vaters zu entkommen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Mai 2019
ISBN9783965448858
Ohne MitLeid

Ähnlich wie Ohne MitLeid

Ähnliche E-Books

Biografie & Memoiren für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Ohne MitLeid

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Ohne MitLeid - Gudrun Lechmann

    Impressum

    Erscheinungsjahr: 2019

    Covergestaltung: Fiverr – Graphics & Design

    Digitalvertrieb – Feiyr GmbH Traunstein, Deutschland

    Gudrun Lenhard

    Hermann-Schütz-Straße 20, 71263 Weil der Stadt

    Personen und Handlung sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Buchbeschreibung

    Idyllisch lag das kleine Dorf inmitten des Schwarzwalds.

    Auch das Leben dort und die Gemeinschaft schienen harmonisch und von freundlichem, hilfsbereitem Miteinander.

    Doch Marie, ungewollt und ungeliebt, erlebte dort den Alptraum ihrer Kindheit.

    Für den strengen Vater trug sie die Schuld seines verkorksten Lebens und dafür musste sie büßen.

    In der Mutter findet das Kind keinen Halt und keine Hilfe.

    Selbstverliebt und gefühlskalt übersieht sie die Qual in Maries Augen.

    In ihrer krankhaften Eitelkeit und übersteigerter Selbstwahrnehmung ist ihr Leben mehr Schein als Sein, doch sie setzt alles daran, nach außen die glückliche Familie zu präsentieren.

    So ist das kleine Mädchen der körperlichen Gewalt und den psychischen Grausamkeiten ihres Vaters hilflos ausgesetzt.

    Ihre Scham ist auch zu groß, als dass sie sich anderen Menschen anvertrauen kann.

    Hat Marie eine Chance diesem Martyrium zu entkommen?

    Prolog

    Verbissen kämpfte sie gegen den eisigen Wind an, der an ihrer Kleidung zerrte und ihr Tränen in die Augen trieb.

    Und dennoch, wäre es nicht so auffallend gewesen, hätte sie am liebsten vor sich hingesungen. Aber sie war auf der Hut. Diese kleinkarierte Dorfgemeinschaft, allesamt waren sie Bauern und in ihren Augen hochnäsig und eingebildet.

    Nein, sie würde ihnen keinen Grund liefern, sich die Mäuler zu zerreißen.

    Noch früh genug würden sie es erfahren. Diese ehrbaren Bürger, die nichts mit ihrer Familie zu tun haben wollten. Sie passten wohl nicht in deren Vorstellung, was Moral und Sitte anging. Sie gab ja zu, es war schon manchmal peinlich, dass die Liebhaber ihrer Mutter oft nicht sehr viel älter waren als sie selbst.

    Sie waren laut und unangenehm im Umgang und so war es nicht verwunderlich, dass man sie mied.

    Ohne  fundierte Schulbildung war sie, ebenso wie ihre Geschwister, gezwungen, sich als Magd oder Fabrikarbeiterin ihr Geld zu verdienen.

    Oh, wie sie diese anderen Mädchen hasste, die so wohlbehütet und fröhlich waren.

    Und so wurde sie getrieben, von einem einzigen Gedanken, der sie ausfüllte und sie innerlich zu zerfressen begann.

    Eines Tages gehöre ich zu euch, werde ich eine von euch sein.

    Dann könnt ihr mich nicht länger ignorieren. Man wird mich freundlich grüßen, vielleicht noch ein kleines Schwätzchen auf der Straße halten und mich zum Sonntagskaffee einladen.

    Und so folgte dann jener Samstag, das halbe Dorf vergnügte sich beim Maientanz.

    Mit großer Sorgfalt machte sie sich zurecht. Sie war ausgesprochen hübsch und das wusste sie genau. Und er war auch da, der Schüchterne, der Auserwählte.

    Ihre heißen Blicke versprachen den Himmel auf Erden.

    Sie warf ihr Netz aus und er verfing sich darin.

    Jetzt hatte auch noch Schneeregen eingesetzt und sie war froh, gleich am Ziel zu sein. Ein spöttisches Lächeln umspielte ihre Lippen. Wenn sie Glück hatte, würde er auch schon von der Arbeit zurück sein. Nur ungern hätte sie sich allein seinen Eltern gegenüber gesehen.

    Sein Vater schien ein recht umgänglicher Mensch zu sein. Nur vor seiner Mutter hatte sie regelrecht Furcht. Sie würde es nicht einfach so hinnehmen und sie mit offenen Armen empfangen. Sie besaßen Haus und Hof, selbstverständlich hatte man seine Vorstellungen von der Zukunft des Sohnes.

    Erstaunen stand in ihren Gesichtern als sie ihr die Türe öffneten. Gott sei Dank war auch Karl da. Eine dunkle Röte zog sich über sein Gesicht.

    »Ich muss mit dir reden, es ist sehr dringend!«

    » Nichts kann so wichtig sein, dass es nicht auch für unsere Ohren bestimmt ist«, antwortete seine Mutter, bevor er etwas sagen konnte.

    »Ich bekomme ein Kind«. Unheilschwer hing diese Aussage im Raum.

    Karl wurde blass und stotterte Unverständliches vor sich hin. Seine Mutter schlug die Hände vor das Gesicht: »Jesus Maria, das ist nicht wahr. Sag dass es nicht stimmt, du Flittchen.

    Lass unseren Sohn in Ruhe und scher dich aus dem Haus.«

    Ihr Mann nahm sie vorsichtig an den Schultern und führte sie zu einem Stuhl. Die folgende Stunde wurde damit verbracht, den Sohn anzuklagen und die Geschwängerte zu beschimpfen.

    Jedoch war es nun einmal geschehen und schon so weit gediehen, dass nur noch sechs Monate bis zur Geburt vergehen sollten. Ohne Inge in das Gespräch mit einzubeziehen, besprachen sie weitere Schritte für die Zukunft. Zusammengesunken, fast demütig saß sie da, eine Schauspielerin, perfekt in ihrer Rolle.

    Sie sah sich schon im spitzenbesetzten Kleid in die Kirche schreiten und den Menschen zuwinken, die alle gekommen waren, um das hübsche Brautpaar zu bejubeln. Das Rücken von Stühlen brachte sie in die Gegenwart zurück.

    »Du hörst von uns«, sagte Karls Mutter und übersah die ausgestreckte Hand, die ihr zum Abschied geboten wurde.

    Inge blickte zu Karl, »begleitest du mich noch ein Stück?«

    »Er hat zu tun, und jetzt geh endlich.« Die Alte zeigte zur Tür und Karl sah auf den Boden, er kam nicht gegen seine Mutter an. Dieses elende Weib, dachte sie, als sie das Haus verließ.

    Mittlerweile war es stockdunkel und hatte zu schneien begonnen.

    Drei oder vier Schritte, mehr waren es nicht, die sie gegangen war.

    Heimtückisch hatte sich eine leichte Schneedecke über gefrorene Nässe gelegt.

    Es zog ihr die Beine weg und hart schlug sie rücklings auf. Im ersten Moment war sie wie gelähmt, dann schrie sie vor Schmerz. Karl und sein Vater eilten herbei, um nach ihr zu sehen. Seine Mutter schaute aus dem Fenster, legte eine Hand auf ihre Brust und flüsterte:

    »Vielleicht wird ja doch noch alles gut!«

    Doch der hinzugezogene Arzt nahm ihr diese Illusion.

    Und so begann das Martyrium von Marie.

                          Jahre später

    »Omi, der Mond scheint!«

    »Mein Gott Kind, schlaf. Es ist mitten in der Nacht.«

    »Aber ich will zu meiner Mama! Warum darf ich nicht heim?«

    »Du weißt doch dass sie arbeitet und sie dich am Wochenende wieder abholen. Jetzt sei ein liebes Kind und schlaf weiter.

    Morgen spielen wir mit deinen Schiffchen am Bach.«

    Aus einer Baumrinde mit einem kleinen Stöckchen und Papiersegel, konnte sich die kleine Marie stundenlang verweilen.

    Sie besaß nicht viel an Spielsachen, aber sie konnte sich an den einfachsten Dingen erfreuen, die sich ihr boten.

    Kurz nach ihrer Geburt wurde entschieden, dass sie eine Zeit lang bei Inges Mutter verbringen sollte. Zuviel forderte dieser Säugling an Aufmerksamkeit und Pflege. Davon wollte Inge nichts wissen. Sie arbeitete den ganzen Tag und wollte abends ihre Ruhe. In der Dorfwirtschaft wurde abends auch manchmal zum Tanz aufgespielt und das traf eher ihre Vorstellungen vom Leben.

    Karl war kein begnadeter Tänzer und es kam oft vor, dass sie in Streit gerieten. Sie ließ sich gerne von anderen jungen Männern auffordern und er reagierte mit Eifersucht.

    Überhaupt war schon nach kurzer Zeit ihrer Ehe die Problematik der unterschiedlichen Charaktere erkennbar.

    Inge mäkelte ständig an ihm herum; er war in ihren Augen zu ruhig und bodenständig. Sie wollte einen Partner der lustig und ausgelassen sein konnte. So litt sein Selbstbewusstsein unter ihrer Bevormundung und Aggressivität. Er schaffte es nicht, sich ihr entgegenzusetzen und fraß diese Ohnmacht und Wut in sich hinein.

    Dort, tief im Inneren, begann es zu gären. Langsam, jedoch unaufhaltsam breitete sich das Gift aus und fraß sich durch die Eingeweide wie ein Wurm.

    Marie liebte ihre Großmutter von ganzem Herzen, hatte jedoch auch manchmal Heimweh. Da waren Mama und Papa und dort war doch eigentlich der richtige Platz.

    Marie riss sich von der Hand ihrer Mutter los.

    »Hallo Papa, ich bin wieder da.«

    Sie breitete die Arme aus und rannte auf ihn zu.

    Wortlos wandte er sich ab, als habe er sie gar nicht wahrgenommen. » Mama, was hat der Papa denn?«

    »Ach, gar nichts, er muss nur viel arbeiten.«

    »Er hat mich aber lieb, oder?«

    »Natürlich. Jetzt geh in dein Zimmer und spiel.«

    Wie meistens verbrachte Marie das Wochenende mit ihrer Puppe, der sie die spannendsten Geschichten erzählte.

    Da war von einer kleinen Prinzessin die Rede, die morgens immer im Bett mit ihren Eltern kuscheln durfte und viel geherzt und geküsst wurde. Manchmal spielten sie auch miteinander, oder liefen am See spazieren und sahen den Enten zu, die aufmerksam und laut schnatternd auf ihre Küken achteten.

    Marie drückte ihre Puppe fest an sich.

    »Weißt du, alle haben sich ganz doll lieb und wenn die Prinzessin abends in Bett geht, decken Papa und Mama sie zu und geben ihr einen Gute-Nacht-Kuss.«

    Spätabends klopfte es heftig an der Tür.

    Inges Mutter stand mit bleichem Gesicht und leicht gekrümmt draußen.

    »Ich kann Marie morgen nicht zu mir nehmen, mir ist speiübel und ich habe Bauchkrämpfe. Vielleicht ist es in den nächsten Tagen besser, ich sag euch Bescheid.«

    »Na prima, dann darf ich meine geliebte Schwiegermutter mal wieder bitten.«

    »Tut mir wirklich leid, am meisten für die Kleine. Sag ihr, dass ich bestimmt bald wieder gesund bin und sie dann zu mir kommen kann.« Schnell wandte sie sich ab und Inge schloss zornig die Tür.

    »Karl, du kannst noch einen Spaziergang zu deiner Mutter machen. Sie wird zwar nicht erfreut sein, wenn sie hört dass sie mal wieder Kindermädchen spielen soll, aber ich kann nicht von der Arbeit fernbleiben. Sag ihr einen Gruß und du bringst sie in der Früh.«

    »Marie, steh endlich auf. Papa fährt dich mit dem Moped zu Oma Else. Trödel nicht herum, er muss sich beeilen um nicht zu spät zur Arbeit zu kommen.«

    »Nein, nein bitte nicht zu Oma Else. Ich mag nicht zu ihr gehen, sie ist nicht lieb.« Tränen rannen über Maries Gesicht und Verzweiflung trat in ihre Augen.

    »Nun schrei doch nicht so, ich komme doch mit.«

    Ungläubig schaute Marie ihre Mutter an.

    »Ist das ganz ehrlich, Mama?«

    »Ja, ich setze mich hinter dich auf das Moped und wir fahren zusammen. Aber jetzt ziehen wir dich rasch an und du isst noch ein Brot.«

    Kurz darauf saß Marie am Tisch und ließ ihre Puppe vom Tee probieren. »Du musst aufpassen, er ist noch etwas heiß. Ich nehme dich mit zu Oma Else. Aber dass du mir ja artig bist, du weißt doch dass sie schnell schimpft. Und dann müssen wir wieder ins Bett. Am besten sind wir ganz still und tun alles was sie sagt, damit sie sich nicht aufregen muss.«

    Hart packte Karl seine Tochter am Arm.

    »Was redest du da für einen Unsinn. Komm jetzt endlich und halte deinen Mund.«

    Er packte ihre Hand und drückte kräftig zu.

    Marie schrie auf und wollte sich aus dem Griff lösen.

    Doch wie ein Schraubstock hielt er sie umklammert.

    »Was ist denn jetzt schon wieder los?«

    Inge kam frisiert aus dem Schlafzimmer und sah genervt von einem zum anderen.

    »Nichts ist«, antwortete Karl. »Sie ist halt bockig.«

    Marie schaute auf den Boden und weinte still.

    »Lasst uns endlich gehen.« Inge lief die Treppen hinunter und Karl versetzte seiner kleinen Tochter einen Stoß. Die Puppe fiel auf den Boden und gab ein langgezogenes M a m a von sich.

    »Halte dich gut an Papa fest, ich setze mich hinter dich.«

    »Du fährst wirklich mit Mama? Sitzt du schon drauf? Bleibst du bei mir?« Marie wollte sich nach ihr umdrehen, doch da fuhr das Moped schon an und sie klammerte sich an die Jacke ihres Vaters. Nach kurzer Fahrt bogen sie in den Hof seines Elternhauses ein.

    »Mama, wir sind da, Mama? Karl hob seine Tochter herunter und kniff sie in den Arm. »Mach jetzt keinen Ärger, verstanden?«

    Seine Mutter kam ihnen, mit vor der Brust gekreuzten Armen, entgegen. Marie wimmerte.

    »Ich muss gleich weiter Mutter. Danke dass du dir die Zeit nimmst. Könntest du sie nicht ausnahmsweise auch über Nacht bei dir lassen? Inge kommt abends spät von der Arbeit und hat danach noch viel im Garten zu tun.«

    »Kommt überhaupt nicht in Frage. Hoffentlich überarbeitet sich deine Frau nicht eines Tages. Setzt ein Kind in die Welt und will dann nichts damit zu tun haben. Dass du dir das alles gefallen lässt. Die Leute reden. Sie bemitleiden und belächeln dich gleichermaßen. Ich schäme mich so.«

    Karl presste die Lippen aufeinander. Heiß stieg es in ihm hoch und wortlos wandte er sich zum Gehen.

    »Na dann komm ins Haus und hör endlich auf zu plärren.

    Was ist eigentlich los mit dir?« Streng schaute Else auf das Kind nieder.

    Marie blieb stumm. Das blieb sie auch noch die nächsten zwei Stunden, die sie mit einem Buch auf dem Sofa verbrachte. Sie kannte es schon in-und auswendig; es gab nur dieses Eine.

    »Wenn ich nur meine Delia dabei hätte, dann könnte ich ihr etwas vorlese«, dachte sie und seufzte auf. Bestimmt ist sie traurig so alleine. Sie legte das Buch zur Seite und trat an das Fenster. Die Sonne strahlte von einem wolkenlosen, blauen Himmel. Die Hühner rannten gackernd über den Hof oder nahmen ein Bad im warmen, sandigen Boden des Gartens.

    »Ach, wenn nur meine liebe Omi bald wieder gesund wird«, dachte Marie bei sich. Bestimmt wären wir jetzt draußen am Bach.

    Plötzlich huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. In Gedanken sah sie sich auf der Wiese sitzen, inmitten einem Meer aus Tausenden von Blumen, die sich schillernd und leuchtend dem Himmel entgegenstreckten. Sie würde einen bunten Strauß pflücken, für ihre liebe Omi.

    »Marie, was träumst du, komm endlich zu Tisch. Wie oft soll ich dich noch rufen?« Sie war so in sich versunken, dass sie verschreckt aufsah, als sie die zornige Stimme ihrer Oma hörte. Schuldbewusst setzte sie sich und sah auf ihren Teller.

    »Jetzt iss und lass dir ja nicht einfallen, mir wieder zu sagen, dass du keinen Hunger hast.« Unter dem durchdringenden Blick von Else nahm sie langsam ihren Löffel. Eine grüne Pampe von Rosenkohl mit fettem Schweinefleisch ließ sie würgen. »Was ist los? Schmeckt es bei deiner anderen Oma besser? Du undankbares Ding, du wirst jetzt sofort essen.«

    Marie war blass geworden, versuchte verzweifelt an etwas anderes zu denken und dann zu schlucken.

    »Oma, kann ich bitte etwas zu trinken haben?«

    »Wenn du gegessen hast.« Damit stand sie auf und ließ das Kind alleine sitzen. Nach einer Stunde hatte sie die Hälfte geschafft. Else stellte den Rest beiseite.

    »Das wärme ich dir heute Abend auf, bevor du abgeholt wirst.

    Du sollst ja nicht hungrig nach Hause gehen. Sonst kommt man womöglich noch auf den Gedanken, du würdest bei mir nicht satt werden.«

    Peterle, die Katze, kam in die Küche und strich um Maries Beine. Sie kniete sich zu ihr hinunter und strich ihm zärtlich über das Fell. Grob wurde sie wieder hochgerissen.

    »Du gehst jetzt auf den Topf, nicht dass noch ein Malheur passiert.« Else schubste sie vor sich her.

    »Aber Oma, ich kann doch schon aufs richtige Klo gehen.

    »Widersprich mir nicht ständig. Du setzt dich jetzt da drauf und bleibst solange sitzen, bis ich wiederkomme. Ich muss nur schnell zu meiner Nachbarin, bin gleich wieder da.«

    Damit rauschte sie hinaus und ließ Marie alleine.

    Nach einer Stunde hatten die getrockneten Tränen Spuren in ihr Gesicht gemeißelt und der festsitzende Topf hinterließ einen runden, dunkelroten Striemen am Po.

    »Marie, du bist ein böses Kind. Oma Else tut alles für dich und du bist so schrecklich ungezogen. Du willst nicht essen und heulst nur herum. Was ist denn nur los mit dir?«

    Inge war gereizt und sah nicht den gequälten Blick ihrer Tochter. »Mama, ich..« Sei bloß ruhig, ich habe keine Lust, mir irgendwelche Geschichten anzuhören. Papa und ich gehen noch ein bisschen weg. Du wirst in dein Bett gehen und keinen Unsinn machen. Wir bleiben nicht lange.«

    Das entfernte Grollen eines herannahenden Gewitters ließ Marie zusammenzucken. »Bitte, geht nicht. Ich hab so schreckliche Angst wenn es blitzt und donnert.«

    Inge sah auf die Uhr. »Das ist weit weg und überhaupt nicht schlimm. Willst du mich schon wieder ärgern? Wenn es näher kommt, sind wir schnell wieder daheim.«

    Sie trank ihr Glas Wein leer und schnauzte Karl an, er möge sich gefälligst beeilen. Sie musste raus hier, tanzen und lachen, diesen Mief der Langeweile und Eintönigkeit wenigstens für ein paar Stunden hinter sich lassen. Beschwingt vom Wein eilte sie die Treppen hinunter.

    Karl fasste Marie hart am Arm. »Aua Papa, du tust mir weh!«

    Er drückte heftig zu und flüsterte: »sei sofort still und ich will auch nie mehr hören, dass du nicht gerne zu Oma Else gehst. Hast du mich verstanden?« Maries Augen waren vor Schmerz und Angst weit aufgerissen. Sie brachte keinen Ton heraus. Da kniff er mit einer Erbarmungslosigkeit zu, dass dem Kind die Luft wegblieb. Er eilte seiner Frau hinterher.

    Marie setzte sich auf den Boden und wimmerte.

    Die Dunkelheit war schon längst hereingebrochen, als sie in ihr Bett schlüpfte. Grelle Blitze zuckten am Himmel und der nachfolgende Donner ließ die Fensterscheiben erzittern. Marie zog sich ihr Deckbett über den Kopf und tröstete ihre Puppe.

    »Komm kleine Delia, du musst dich nicht fürchten, ich bin doch bei dir und nehme dich

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1