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Die Gedankenmusik: Eine philosophische Reise zum Ursprung aller Töne.
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eBook302 Seiten3 Stunden

Die Gedankenmusik: Eine philosophische Reise zum Ursprung aller Töne.

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Über dieses E-Book

Vor Maja liegen traurige Sommerferien: Ihre Eltern streiten sich ständig, immer öfter steht das Wort "Trennung" im Raum. Auch der Aufenthalt im kunterbunten Feriendorf ihrer Tante kann Maja nicht aufheitern. Doch dann entdeckt sie die Musik und findet nicht nur Freunde, sondern eine unerwartete Chance, die Liebe ihrer Eltern zu retten. Dafür muss sie eine so abenteuerliche wie philosophische
Reise antreten – an den Ort, an dem alle Töne ihren Ursprung haben und an den vor ihr noch kein Menschenkind gelangt ist … Ein Märchen für Große und Kleine über Freundschaft, Mut und den unverwechselbaren Klang der Liebe.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum28. Juli 2016
ISBN9783942509794
Die Gedankenmusik: Eine philosophische Reise zum Ursprung aller Töne.

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    Buchvorschau

    Die Gedankenmusik - Matthias Brandl

    1. KAPITEL

    ANKUNFT

    Der Zug hielt mit einem lauten Quietschen.

    „Maja, wir müssen hier aussteigen."

    Maja rührte sich nicht. Tief in Gedanken versunken starrte sie durch die Fensterscheibe des Zugabteils auf den kleinen Bahnhof. Ihre Mutter strich ihr sanft über den Kopf.

    „Na komm, mein Kleines. Das wird bestimmt ganz lustig hier. Hm?"

    Maja zuckte mit den Schultern und schnallte sich ihren Rucksack auf den Rücken.

    „Na also", seufzte ihre Mutter. Gemeinsam kämpften sie sich ins Freie vor.

    Auf dem Bahnsteig angekommen blieben sie stehen. Majas Mutter reckte den Kopf und sah sich um.

    „Wo ist sie denn? Ich habe ihr doch gesagt, dass wir ... Ah, da!"

    Sie ließ alles Gepäck auf den Boden fallen und begann, wie wild zu winken.

    „Huhu! Christel!", rief sie.

    Maja sah in die Richtung, in die ihre Mutter winkte, und grinste. Tante Christel sah genauso aus wie in ihrer Erinnerung: Ein langes, bunt gemustertes Gewand wehte um ihren zaundürren Körper. Unmengen an Ketten und Bändern schienen das feine Tuch vor dem Davonfliegen zu bewahren. Ihre langen braunen Haare, die hin und wieder von einer grauen Strähne durchsetzt waren, wirbelten, ein lustiges Blitzen lag in ihren von Lachfältchen umgebenen Augen.

    Tante Christel war die Schwester ihrer Mutter. „Die verrückte Schwester, wie Majas Vater zu sagen pflegte. Außerdem war sie die Chefin des kleinen Feriendorfs, in das Maja mit ihrer Mutter unterwegs war. Lieber benutzte Christel aber die Bezeichnung „Häuptlingin. Maja hatte dieses Wort schon immer lustig gefunden und Tante Christel einmal gefragt, warum sie sich denn nicht einfach „Häuptling, anstelle von „Häuptlingin, nannte.

    „Weil ich eine Frau bin, Maja, hatte sie gesagt. „Und das muss betont werden.

    „Aber kann es denn keinen weiblichen Häuptling geben?"

    Maja konnte sich noch genau erinnern, dass Tante Christel bei dieser Frage erbost die Augenbrauen in die Höhe gezogen hatte. „Einen weiblichen Häuptling? Mein gutes Kind! Hast Du schon jemals etwas von einem weiblichen König gehört? ‚König Elisabeth’ vielleicht? Nein, nein, das geht nicht. Nicht wahr? Und warum geht es nicht? Na? Ganz klar. Weil es Königin Elisabeth heißt. Also heißt es auch nicht ‚Häuptling Christel’, sondern ‚Häuptlingin Christel’. Punktum!"

    „Hach, da seid ihr ja endlich! jubelte sie. Heftig umarmte sie ihre Schwester und beugte sich dann zu Maja hinunter. „Groß geworden bist du, Maja. Wie lange ist es her? Drei Jahre? Vier? Na egal. Auf jeden Fall müsstest Du jetzt, na überlegen wir mal kurz, zehn Jahre alt sein. Richtig? Sie sah Maja schelmisch an.

    Maja nickte. Sie war zehn Jahre alt. Und sie war so groß wie man mit zehn Jahren groß zu sein hatte, zumindest behauptete ihre Mutter das immer. Maja hatte lange kastanienbraune Haare, auf die sie sehr stolz war, denn sie waren genau so lang und genau so weich wie die Haare ihrer Mutter. Immer wenn Maja nachts von Albträumen geplagt aufwachte und in das Bett ihrer Eltern kroch, steckte sie als erstes ihre Nase in das dichte Meer der Haare ihrer Mutter – und der Duft und die Weichheit trugen all die Dämonen und bösen Dinge fort. Maja hatte oft Albträume. Sie wusste nie, woher sie kamen und was sie von ihr wollten. Und obwohl sie sich sehr bemühte, keine Angst vor ihnen zu haben, kamen sie immer wieder. Wenn ihre Mutter sie danach fragte, was sie Schreckliches geträumt hatte, konnte Maja es ihr nie erklären. Sie wusste selbst nicht genau, was es war, das ihr noch vor kurzem Angst gemacht hatte. Sie wusste nur, dass sie sich davor fürchtete, wieder zurück in ihr kleines Zimmer zu gehen. Manchmal dachte sie, dass es vielleicht das Haus selbst war, das nachts seine langen kalten Finger nach ihr ausstreckte und sie nicht schlafen ließ, aber sie war sich nicht sicher. Wenn sie sich einer Sache nicht sicher war, dann wollte sie sie ihren Eltern auch nicht sagen. Schon gar nicht ihrem Vater, für den sie sowieso eine Tagträumerin war. „Geh raus und spiel mit den anderen Kindern, sagte er oft. „Beim Spielen kommst du schon auf andere Gedanken. Wer den ganzen Tag nur in der Stube hockt, dem kann ja nichts Vernünftiges einfallen.

    Tante Christel verstaute Maja und ihre Mutter im Nu mitsamt Gepäck in ihrem knallbunt angemalten VW-Bus – ihrem „Supergefährt", wie Christel den Bus liebevoll getauft hatte. Unter lautem Getöse des altersschwachen Motors fuhren sie los. Ihre Mutter und Tante Christel unterhielten sich über so langweilige Dinge wie das Wetter der vergangenen Woche und das Gebaren der Gäste im Feriendorf. Maja zog ihren mp3-Player aus dem Rucksack und setzte sich die Kopfhörer auf. Zur Musik ihrer Lieblingsband ließ sie ihre Gedanken treiben und sah nach draußen. Nichts von dem, was sie erblickte, schien ihr besonders aufregend. Da gewahrte sie aus den Augenwinkeln heraus einen prüfenden und zugleich etwas besorgten Blick ihrer Mutter. Als diese sich wieder abwandte, mit den Schultern zuckte und die Unterhaltung mit Tante Christel wieder aufnahm, wusste Maja, was der Blick bedeutet hatte: Ihre Mutter wollte sichergehen, dass sie nicht zuhörte. Maja ahnte, worüber die beiden Frauen nun sprachen – und obwohl sie das eigentlich gar nicht hören wollte, konnte sie nichts dagegen machen, dass ihr Zeigefinger vorsichtig auf die Stopptaste drückte.

    „Ich weiß nicht, ob wir noch eine Chance haben", sagte Majas Mutter gerade.

    Majas Herz durchfuhr ein Stich, doch sie ließ sich nichts anmerken. Bemüht teilnahmslos blickte sie weiter aus dem Fenster, ohne irgendetwas zu sehen. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem, was an ihre Ohren drang.

    „Und was meint er zu allem?", fragte Tante Christel.

    Majas Mutter seufzte. „Ich weiß es nicht. Langsam habe ich das Gefühl, dass es ihm egal ist. Alles. Ich bin ihm egal, Maja, unsere ganze Familie."

    „Männer!"

    „Hör auf, Christel. Es ist alles viel komplizierter. Majas Mutter drehte den Kopf zum Beifahrerfenster. „Zu kompliziert.

    Eine Weile herrschte Stille. Schließlich ergriff Tante Christel wieder das Wort.

    „Und wie lange soll diese Trennungsphase dauern?"

    „Ich weiß es nicht. Lange genug, hoffe ich. Majas Mutter strich sich die Haare aus der Stirn. „Er hat gesagt, dass er uns besuchen kommt.

    „Und wann?"

    „Hat er nicht gesagt."

    „Und wenn er nicht kommt?"

    In Panik tastete Maja nach der Playtaste. Sie wollte die Antwort ihrer Mutter nicht hören. Auf gar keinen Fall. Doch dieses Mal war ihr Zeigefinger nicht schnell genug. „Dann kommt er überhaupt nicht mehr."

    Hastig stützte sie beide Ellbogen auf die Armlehne, so dass sie ihr Gesicht in den Händen verbergen konnte. Heimlich wischte sie sich die Tränen ab, die sie jetzt nicht mehr zurückhalten konnte. Alles verschwamm vor ihren Augen. Als sie im Feriendorf ankamen, sah Maja nichts als ein seltsam trauriges Meer bunter Farben. In diesem Augenblick wäre sie am liebsten darin ertrunken.

    2. KAPITEL

    DIE MUSIKANTEN

    Die Tage im Feriendorf verstrichen langsam und eintönig. So sehr sich ihre Mutter Mühe gab es zu verbergen, so sehr spürte Maja, dass sie hier, inmitten der bonbonfarbenen Häuser, nichts anderes taten als zu warten. Auf Papa. Fünf lange Tage waren sie nun schon hier und jeden Tag durfte Maja sich dasselbe anhören:

    „Willst Du nicht schauen, was die anderen Kinder machen? Gib Dir doch einen Ruck, na komm!"

    Aber Maja wollte nicht. Sie blieb meist in ihrem Zimmerchen, las oder malte und beobachtete heimlich ihre Mutter, wie sie still und betrübt einfach nur dasaß. So wie auch an diesem Morgen.

    Vom Wohnzimmer aus konnte sie das Gesicht ihrer Mutter gut sehen, die in einem der weiten, weich gepolsterten Korbstühle auf der Veranda saß. Sie konnte auch sehen, dass ihre Mutter traurig war, sehr traurig sogar. Gern hätte Maja diese Traurigkeit einfach weg gewischt. Aber sie wusste, dass sie sich noch so lange in die Arme ihrer Mutter legen konnte – es würde nichts helfen. Nur ihr Vater konnte helfen. Wenn er nur da wäre. Doch er kam nicht. Und wenn Maja an die belauschte Unterhaltung zwischen ihrer Mutter und Tante Christel dachte, bekam sie Angst, dass ihr Vater überhaupt nicht mehr kommen könnte. Wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen. Warum konnte es denn nicht so sein wie in anderen Familien, wo die Eltern sich gut verstanden und glücklich waren? Maja fühlte, wie sich heiße Wut in ihre Traurigkeit mischte. Immer weiter stieg dieses Gefühl in ihr nach oben, bis ihr Kopf beinahe zerspringen wollte. Eilig schnappte sie ihre Jacke und rannte nach draußen. Ihre Mutter hörte, wie sie die Tür hinter sich zuschlug und rief ihr noch etwas nach, doch Maja verstand weder die Worte, noch wollte sie irgendeine Antwort geben. Sie rannte einfach kreuz und quer durch die Straßen, bis der Druck in ihrem Kopf endlich nachließ. Dann verlangsamte sie ihren Schritt und blieb schließlich stehen. Schwer atmend sah sie sich um. Vor drei oder vier Jahren war sie schon einmal mit ihren Eltern hier gewesen. Damals war die Welt noch in Ordnung, zumindest hatte sie das damals gedacht. Maja hatte das fröhliche Lachen ihrer Eltern noch im Ohr, das ihre gemeinsamen Spaziergänge durch das Feriendorf begleitet hatte.

    Sie ging langsam weiter, einfach dorthin, wohin ihre Füße sie trugen, und die gingen mal nach rechts, mal nach links, manchmal geradeaus und manchmal machten sie kehrt und gingen einfach denselben Weg wieder zurück. Maja sah Häuser in den verschiedensten Farben und Formen: alte Häuser in kräftigem Zinnoberrot, moderne Häuser in grellem Kadmiumgelb, ehemalige Bürobauten in tiefem Kobaltblau. Ein Gebäude, das wie ein kleines Schloss aussah und ganz in Smaragdgrün angestrichen war. Und natürlich die „Residenz" der Häuptlingin Tante Christel: ein prächtiges altes weißes Haus mit kleinen rosafarbenen Türmchen. Maja erkannte alles wieder, auch wenn es ihr erst dann wieder einfiel, wenn sie direkt davor stand.

    Auf der Uhr der kleinen Dorfkirche sah sie, dass es inzwischen fast halb zwölf geworden war. Um zwölf würde ihre Mutter mit dem Essen auf sie warten. Maja befahl ihren Füßen, wieder nach Hause zu laufen, doch sie kam nicht weit. Aus einer Gasse heraus vernahm sie lautes Klatschen und Lachen und blieb neugierig stehen. Dann verstummte der Jubel, und an seine Stelle trat Musik. Erst war es eine Gitarre, dann kamen immer mehr Instrumente hinzu. Maja verstand nicht allzu viel von Musikinstrumenten, aber sie glaubte, eine Flöte, ein Akkordeon und eine Geige herauszuhören. Miteinander spielten sie ein Lied, das Maja unglaublich schön fand. Sie mochte Musik sehr, vor allem die Lieder, die ihr ihre Mutter früher immer vorgesungen hatte. Früher. Jetzt schienen sich die Lieder ihrer Mutter zusammen mit ihrer Fröhlichkeit in Luft aufgelöst zu haben. Ohne lange zu überlegen, schlich sie leise in die Gasse hinein.

    Nach ungefähr fünfzig Metern beschrieb die Gasse eine Kurve und weitete sich zu einem kleinen Hof, der voller Menschen war. Maja konnte zuerst nichts sehen, da vor ihr lauter Leute standen, die größer waren als sie. Aber die Musik war jetzt so laut, dass die Musikanten nur noch wenige Schritte entfernt sein konnten. Angestrengt sah Maja sich nach einer Lücke in der Menschenmenge vor ihr um, aber sie fand nur kleine Zwischenräume, durch die sie ab und zu einen schnellen Blick auf die Spielenden erhaschen konnte.

    Doch dann entdeckte sie zu ihrer Freude ein altes Holzfass, das am Eingang des kleinen Hofes stand. Was auch immer es dort zu suchen hatte, für Maja war es ideal. In Nullkommanichts war sie hinaufgestiegen und hatte nun einen ausgezeichneten Blick auf die Gruppe der Musikanten. Sie bestand aus fünf lustig gekleideten Menschen, zwei Frauen und drei Männern. Ihre Gewänder waren genauso bunt wie die Farben, die Maja immer zum Malen verwendete. Rote Schnüre banden blaue Kaftane zusammen, große und kleine Hüte in komischen Formen bedeckten ihre Köpfe. Tatsächlich gab es einen Mann mit einer Gitarre, eine Frau mit einer Geige, eine Frau mit einer Querflöte, die silbrig im Sonnenlicht glitzerte, während sie sich zum Rhythmus der Musik bewegte, einen Mann mit einem Akkordeon und einen Mann, der gar kein Instrument spielte. Dieser letzte Mann, der sehr groß und dünn war, sah mit der gemalten Träne auf seiner Wange genau so aus, wie sich Maja einen Clown vorstellte. Er wiegte seinen Körper hin und her, hielt die Augen geschlossen und summte die Melodie ganz leise mit. Dann öffnete er seine Augen und trat einen Schritt näher an die Zuhörer heran. Mit voller Stimme begann er zu singen: Kommt mit in ein Land,

    das uns einst verband,

    wo man Musik machte,

    sang, tanzte und lachte.

    Dort gibt´s keine Mauern,

    keinen Grund, um zu trauern,

    und das einzige Wort

    ist Musik immerfort.

    Nach dem letzten gesungenen Wort dieser Strophe schwoll die Musik in seinem Rücken an, und er vollführte einen kleinen, tollpatschigen Luftsprung. Jetzt erst sah Maja, dass noch andere Kinder unter den Zuhörern waren. Die Augen der Kinder strahlten, als sie von ihren Plätzen aufstanden und sich neben dem Clown in einer Reihe aufstellten. Offensichtlich kannten die Kinder das Lied bereits, denn als nun der Refrain erklang, sangen sie alle eifrig und laut mit und vollführten zusammen mit dem Clown eine lustige Abfolge von Tanzbewegungen:

    Drum Leute und Kinder

    vergesst eure Sorgen

    uns stört´s auch nicht minder

    verschiebt sie auf morgen.

    Maja musste lachen. Es war schon lange her, dass sie eine solche Freude erlebt und etwas so Schönes und Lustiges gesehen hatte. Begeistert klatschte sie zusammen mit den anderen Menschen, die auf dem Hof standen, in die Hände und summte die Melodie des Refrains mit, den die Instrumente noch einmal wiederholten. Dann rannten die Kinder wieder zurück auf ihre Plätze und der Clown sang die nächste Strophe:

    Das Land, das ist gross,

    so riesig famos,

    hat Platz für euch alle,

    für Hund, Katz’ und Qualle.

    Doch eilt euch geschwind,

    seid schnell wie der Wind,

    so gross es auch ist,

    so schnell man´s vergisst.

    Und wieder rannten die Kinder zu dem Clown, und der Tanz begann von neuem. Maja lachte, und da der Text und die Melodie so einfach waren, sang sie dieses Mal auch mit:

    Drum Leute und Kinder

    vergesst eure Sorgen

    uns stört´s auch nicht minder

    verschiebt sie auf morgen.

    Ihr habt´s nun gehört,

    vielleicht hat´s gestört,

    die Kunde vom Lande

    der Musikerbande.

    Nun müssen wir gehen,

    wie Blätter verwehen,

    neue Lieder wir bringen,

    um weiter zu singen.

    Drum Leute und Kinder

    vergesst eure Sorgen

    uns stört´s auch nicht minder

    verschiebt sie auf morgen.

    Dann endeten die Musikanten in einem lauten Schlussakkord und die Menge applaudierte.

    „Bravo! Zugabe!"

    Auch Maja stimmte in die Beifallsrufe mit ein. Der Clown verbeugte sich und die anderen Mitglieder der Gruppe taten es ihm nach. Er lächelte.

    „Tut mir leid, Kinder. sagte er. „Mein Magen knurrt und wenn ich nicht aufpasse, dann verdirbt er mir damit meinen ganzen Gesang.

    Die Kinder und die Erwachsenen lachten.

    „Wir sehen uns wieder. sagte der Clown. „Wenn ihr wollt, dann schon heute Nachmittag.

    „Ja!" entfuhr es Maja, aber es fiel nicht weiter auf, da beinahe alle Kinder das gleiche geschrien hatten. Auf jeden Fall würde sie heute Nachmittag wiederkommen. Sie sah auf die Uhr und erschrak. Es war bereits nach zwölf. Jetzt musste sie sich aber beeilen! Sie wollte die bedrückte Laune ihrer Mutter nicht noch verschlimmern. Maja sprang von ihrem Fass herunter und mischte sich unter die Leute, die nun alle aus dem kleinen Hof hinausströmten. Geschwind schlängelte sie sich durch die Reihen, und ihre Füße schlugen sofort den Weg nach Hause ein.

    3. KAPITEL

    WUNDERSAME MELODIEN UND EINE GESCHICHTE

    „Was hast du denn den ganzen Vormittag gemacht?", fragte Majas Mutter beim Essen.

    „Bin rumgelaufen", antwortete Maja.

    Maja räumte ihren Teller in die Küche und suchte nach ihrer Jacke.

    „Willst du schon wieder raus?", fragte ihre Mutter erstaunt. So kannte sie ihre Tochter gar nicht.

    „Ja", sagte Maja, umarmte ihre Mutter und gab ihr einen Abschiedskuss auf die Wange.

    „Na dann viel Spaß", sagte ihre Mutter.

    Maja nickte und rannte aus der Wohnung. Ihre Füße fanden die Gasse sofort wieder, und ehe sie sich versah, stand sie wieder in dem kleinen Hof, der noch vor kurzem voller Erwachsener und Kinder gewesen war. Jetzt war sie ganz allein. Die Musikinstrumente der Gruppe lagen jedoch noch da. Maja wunderte sich über so viel Leichtsinn. Hatten die keine Angst, dass man ihnen etwas stehlen könnte? Neugierig trat sie näher und betrachtete die Instrumente genauer. Maja selbst machte keine Musik, und es war ihr unvorstellbar, wie aus diesen Geräten Melodien herauskommen konnten. Wenn Leute, die sich damit auskannten, darauf spielten, dann sah das immer so einfach aus. Maja streckte ihre Hand nach der Geige aus, doch da packte sie jemand an der Schulter.

    „Wen haben wir denn da?, sagte eine Stimme hinter ihr. „Du willst uns doch nicht etwa unsere Instrumente stehlen, oder?

    Maja erschrak und fuhr herum. Ihr Gesicht lief so rot an, wie es wahrscheinlich zuvor noch nie der Fall gewesen war. Vor ihr standen alle fünf Musikanten.

    „N-n-n-n-nein, stotterte Maja. „B-b-bestimmt nicht.

    „Bestimmt nicht?", fragte der Mann, der Maja am nächsten stand. Es war der Sänger.

    „Bestimmt nicht", beteuerte Maja noch einmal. Ihr Gesicht brannte wie Feuer.

    „Hmmm, machte der Sänger und kratzte sich am Kopf. „Was wolltest du denn dann?

    Maja blickte verlegen zu Boden.

    Ich wollte wissen, wie sie funktionieren, stammelte sie. Irgendwie kam ihr das, was sie sagte, furchtbar dumm vor.

    „Du wolltest sehen, wie unsere Instrumente funktionieren?", fragte der Sänger.

    Maja nickte. Langsam ließ die Röte in ihrem Gesicht nach.

    „Soso, machte der Mann und kratzte sich wieder am Kopf. „Naja, das ist deine Version. Es könnte immer noch sein, dass du uns einfach etwas vorlügst und trotz allem vorhattest, unsere Instrumente zu stehlen.

    Langsam bekam Maja Angst. Sie hatte noch nie etwas gestohlen, aber wie sollte sie das beweisen? „Jetzt bloß nicht weinen", befahl sie sich.

    „Ich denke, fuhr der Sänger mit erhobener Stimme fort, „dass sich der hohe Rat der Musikanten nun für kurze Zeit zurückzieht, um über das weitere Vorgehen im Falle … äh … wie heißt du denn überhaupt?

    „Maja."

    „...um über das weitere Vorgehen im Falle Maja zu entscheiden."

    Daraufhin drehte er sich um und die fünf Männer und Frauen steckten die Köpfe zusammen. Dann, nach nicht einmal zehn Sekunden, hoben die fünf ihre Köpfe, und der Sänger wandte sich wieder an Maja. Ihr wurde ganz mulmig.

    „Maja, Maja, Maja, sagte der Sänger mit tadelnder Stimme. „Wie du bestimmt selber weißt, können wir dir keine Untat nachweisen. Nicht einmal eine böse Absicht können wir dir unterstellen. Und zu alledem kommt auch noch hinzu, dass wir dir ausnahmslos glauben, dass du unsere Instrumente nicht stehlen wolltest. Wenn du die Geige nur wenigstens berührt hättest, dann hätten wir dich zumindest wegen Beschmutzung fremden Eigentums drankriegen können. Aber so? Schade, Schade.

    Der Sänger zog eine lustige Grimasse, die gespielte Enttäuschung widerspiegelte, und Maja fiel ein Stein vom Herzen. Also war doch nur alles Spaß gewesen!

    „Aber eine Sache ist dennoch unentschuldbar, sagte der Sänger und blickte wieder ernst. „Nämlich die Tatsache, dass du nicht weißt, wie ein Instrument funktioniert. Das ist eine Katastrophe. Wir haben eine lange Zeit, ganze sieben Sekunden, darüber beraten, was in diesem Falle zu tun ist. Und wir sind zu einem Entschluss gekommen. Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, das kannst du uns glauben. Eine ganze Sekunde lang haben wir darüber nachgedacht, aber es blieb dabei.

    Er hob feierlich den Zeigefinger. „Maja, hiermit verurteilen wir dich zu einem mindestens einstündigen Anschauungsunterricht unserer Musiziererei in der Form von Zuhören, Mitsingen und Mitklatschen. Wir sind uns im Klaren darüber, dass das Urteil übermäßig hart ausgefallen ist, doch das Mittagessen war beinahe unverdaulich und hat einigen Mitgliedern des hohen Rates offensichtlich etwas auf den Magen geschlagen. Wir bitten, das zu entschuldigen." Er lachte und auch Maja musste lachen. Der Sänger beugte sich zu ihr hinunter und lächelte sie an.

    „Wir haben dir doch hoffentlich keine Angst gemacht, oder?"

    Maja schüttelte den Kopf und der Sänger legte zweifelnd den Kopf schief. „Auch nicht ein bisschen?" fragte er.

    Maja lachte.

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