Der Fluch des Italieners: Gaslicht - Neue Edition 15 – Mystikroman
Von Elisa Raven
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Über dieses E-Book
In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert!
Bettina schreckte aus dem Schlaf hoch. Sie hatte einen fürchterlichen Alptraum gehabt. Jemand hatte versucht, sie zu erdrosseln. Sie blickte in den Spiegel und wich entsetzt zurück. Was sie sah, konnte sie nicht glauben – rund um ihren Hals waren tatsächlich Würgemale zu sehen! Dunkel und mächtig erhoben sich die Mauern von Gillmore Manor vor der jungen Frau, die die lange, von Pappeln gesäumte Auffahrt, an deren Ende das alte Herrenhaus stand, langsam hinaufschritt. Bettina Hansen setzte ihren schweren Koffer ab und besah sich noch einmal ihren zukünftigen Arbeitsplatz aus einiger Entfernung. Das Gebäude erschien ihr immens groß, viel weitläufiger, als sie es sich vorgestellt hatte. Und auch der um das Haus herum angelegte Park war riesig. Sie ließ ihre Blicke über die Fensterreihen schweifen. Plötzlich sah sie in der obersten Etage an einem der auf der rechten Seite liegenden Fenster eine blonde Frauengestalt, die aufgeregt mit den Armen winkte. Sie machte abwehrende Bewegungen in Bettinas Richtung, als wollte sie ihr bedeuten umzukehren. Im nächsten Augenblick jedoch erschien ein Mann an ihrer Seite, der sie an den Händen packte und in das Zimmer zog. Dann war nichts mehr zu sehen. Etwas zögernd setzte sie ihren Weg auf das alte Gemäuer fort. Was hatte das zu bedeuten? War wirklich sie gemeint gewesen? Aber wovor wollte die Frau sie warnen oder gar bewahren? Vielleicht aber war sie selbst in Gefahr und wollte Bettina bitten, ihr zu helfen. – Das würde es sein!
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Der Fluch des Italieners - Elisa Raven
Gaslicht - Neue Edition
– 15 –
Der Fluch des Italieners
Für Bettina gibt es kein Entkommen
Elisa Raven
Bettina schreckte aus dem Schlaf hoch. Sie hatte einen fürchterlichen Alptraum gehabt. Jemand hatte versucht, sie zu erdrosseln. Sie blickte in den Spiegel und wich entsetzt zurück. Was sie sah, konnte sie nicht glauben – rund um ihren Hals waren tatsächlich Würgemale zu sehen!
Dunkel und mächtig erhoben sich die Mauern von Gillmore Manor vor der jungen Frau, die die lange, von Pappeln gesäumte Auffahrt, an deren Ende das alte Herrenhaus stand, langsam hinaufschritt.
Bettina Hansen setzte ihren schweren Koffer ab und besah sich noch einmal ihren zukünftigen Arbeitsplatz aus einiger Entfernung. Das Gebäude erschien ihr immens groß, viel weitläufiger, als sie es sich vorgestellt hatte. Und auch der um das Haus herum angelegte Park war riesig.
Sie ließ ihre Blicke über die Fensterreihen schweifen. Plötzlich sah sie in der obersten Etage an einem der auf der rechten Seite liegenden Fenster eine blonde Frauengestalt, die aufgeregt mit den Armen winkte. Sie machte abwehrende Bewegungen in Bettinas Richtung, als wollte sie ihr bedeuten umzukehren. Im nächsten Augenblick jedoch erschien ein Mann an ihrer Seite, der sie an den Händen packte und in das Zimmer zog. Dann war nichts mehr zu sehen.
Etwas zögernd setzte sie ihren Weg auf das alte Gemäuer fort. Was hatte das zu bedeuten? War wirklich sie gemeint gewesen? Aber wovor wollte die Frau sie warnen oder gar bewahren? Vielleicht aber war sie selbst in Gefahr und wollte Bettina bitten, ihr zu helfen. – Das würde es sein! Sie mußte sich beeilen, bis zum Haus zu kommen, um irgend jemanden nach oben schicken zu können.
Endlich hatte sie das große Portal erreicht und blickte noch einmal nach oben. Aber der Mann und die Frau am Fenster blieben verschwunden. Hoffentlich war nichts passiert. Bettina holte noch einmal tief Luft, bevor sie die Stufen bis vor die Eingangstür hinaufging. Oben angekommen betätigte sie den schweren Messingtürklopfer in Form eines Löwenkopfes, und nach einem kurzen Moment, in dem ihr vor lauter Aufregung ganz übel ward, wurde die mächtige Eichentür mit einem deutlich vernehmbaren Knarren geöffnet. Bettina setzte ihr freundlichstes Lächeln auf, wurde aber bitter enttäuscht durch den Anblick, der sich ihr bot. Eine hochgewachsene Frau etwa Mitte fünfzig erschien im Türrahmen. Sie hatte herbe, kalte Gesichtszüge und trug ihre schon von vielen grauen Strähnen durchzogenen dunklen Haare straff aus dem Gesicht gekämmt und hinten zu einem Knoten zusammengesteckt. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, und ihr einziger Schmuck war eine alte Gemme, die sie vorne zwischen ihren Kragenecken befestigt hatte. Überrascht und wenig einladend musterte sie Bettina, bevor sie sie fragte: »Was wünschen Sie, Miss? Es ist schon recht spät für einen unangemeldeten Besuch.« Ihre Stimme hatte einen vorwurfsvollen Ton, so daß Bettina das Herz in die Hose rutschte und sie sich schon überlegte, ob sie einfach umdrehen und wieder nach Hause fahren sollte.
»Guten Abend, mein Name ist Bettina Hansen. Ich bin die neue Erzieherin. Aber bevor ich weiterspreche, ich habe das Gefühl, daß dort oben jemand in Gefahr ist. Ich sah an einem Fenster im oberen Stockwerk einen Mann und eine Frau, und ich glaube, daß die Frau mir zugewinkt hat, weil sie Hilfe brauchte.«
Es war unbeschreiblich, was für ein Blick sie jetzt traf. Die Frau in der Tür sah sie an, als sei sie verrückt.
»Wie kommen Sie darauf, daß in irgendeinem Fenster dieses Hauses eine Frau und ein Mann zu sehen waren? Es befinden sich außer mir nur noch die Köchin und das Hausmädchen hier, und von denen hat niemand etwas dort oben zu suchen. Und schon gar kein Mann!«
»Aber glauben Sie mir doch, ich habe es selbst gesehen.« Bettina trat einen Schritt zurück und deutete auf das bewußte Fenster.
»Hier, schauen Sie bitte, hier oben war es.«
Die Frau in Schwarz warf einen kurzen Blick nach oben, wandte sich aber sogleich wieder Bettina zu.
»Sie können mir schon glauben, daß da oben niemand ist. Ich denke, damit ist die Sache erledigt. Sie haben sicher eine weite Reise hinter sich und sind erschöpft. Da hat man manchmal die seltsamsten Erscheinungen. Aber würden Sie mir jetzt bitte erklären, weshalb Sie schon heute hier sind? Wir haben Sie erst morgen erwartet.« Sie durchbohrte Bettina mit einem unfreundlichen Blick.
Diese jedoch war fassungslos. Sie war sich ganz sicher, daß sie die beiden am Fenster gesehen hatte. Sie war doch nicht verrückt! Und so müde konnte man doch gar nicht sein, daß man zwei Menschen sah, die überhaupt nicht existierten. Irgend etwas stimmte hier nicht – entweder mit dieser Frau oder mit dem ganzen Haus. Sie fühlte ein geradezu körperliches Unwohlsein in Gegenwart der Frau, so wie sie es nie zuvor erlebt hatte. Aber im Moment wollte sie eigentlich nur eintreten, denn die lange Fahrt von Lübeck hierher war tatsächlich sehr anstrengend gewesen.
»Es tut mir leid, daß ich heute schon eingetroffen bin. Ich hatte allerdings ein Telegramm geschickt, in dem ich meine Ankunftszeit mitgeteilt habe. Ich hoffe, ich mache Ihnen nicht zu große Schwierigkeiten.«
»Sicher machen Sie uns Schwierigkeiten mit Ihrer verfrühten Ankunft. Aber da Sie nun schon einmal da sind, kommen Sie schon herein. Mein Name ist Elinor Hampbell. Ich bin die Hausdame und leite diesen Haushalt schon seit vielen Jahren. Ich bin dafür verantwortlich, daß alles in diesem Hause seine Ordnung hat, vom Keller bis zum Dach.« Dies kam sehr bestimmt von ihren Lippen, und Bettina mißverstand den unausgesprochenen Hinweis nicht. Elinor Hampbell gab die Anweisungen, und alle anderen hatten sich danach zu richten.
Sie betrat hinter Mrs. Hampbell die ihr riesig erscheinende Halle des alten Herrenhauses, die an Deckenhöhe einer Kirche in nichts nachstand. Alles wirkte wuchtig und erdrückend, diesen Eindruck hatte sie vom ersten Moment an. Und sie fragte sich schon jetzt, ob sie mit dieser Umgebung jemals zurechtkommen würde.
Aber sie wollte sich nicht beirren lassen und ging hinter Mrs. Hampbell durch die Halle bis zu der Treppe, die sich weit und ausladend in der Mitte des Hauses erhob. Sie führte auf die Galerie, von der zahlreiche Türen abgingen. Eine weitere Treppe schloß sich an, die in die obere Etage führte, wo sich auch Bettinas Zimmer befanden. Dies mußte das Stockwerk sein, in das sie von unten geblickt hatte.
Elinor zog einen Schlüssel aus ihrer Rocktasche und schloß auf. Sie öffnete die Tür, und Bettina konnte eintreten. Sie war auf das angenehmste überrascht. Sie stand in einem wunderhübsch möblierten Raum, an dessen Stirnseite sich zwei Fenster befanden. Alles war hell und freundlich eingerichtet, mit einem großen Schrank, zwei Kommoden und einem breiten, antiken Messingbett.
»Es ist sehr hübsch hier. Ich werde mich sicher sehr wohl fühlen in diesen Räumen.«
»Wir werden sehen. Es ist ein Teil der Gemächer der ehemaligen Lady Gillmore. Hier war das Zimmer ihrer Zofe. Lord Gillmore hat alles neu für Sie herrichten lassen.« Für einen Augenblick schien die Hausdame ihre Gedanken abschweifen zu lassen, doch schnell hatte sie sich wieder im Griff. »Sie sollten sich jetzt ein wenig frisch machen und Ihre Koffer auspacken. Ich lasse unten ein Abendessen für Sie zubereiten. Wenn Sie sich dann bitte im Speisezimmer einfinden wollen.« Mit diesen Worten ließ sie Bettina allein in ihrem neuen Zuhause.
Diese ließ sich, kaum hatte die andere den Raum verlassen, mit einem tiefen Seufzer auf das Bett fallen. Sie blickte sich in dem Zimmer um, und all das, was sie gerade erlebt hatte, und auch das, was sie hierhergeführt hatte, purzelte wild in ihrem übermüdeten Kopf hin und her.
Zu Hause in Deutschland hatte sie schon zwei Jahre in einem Kindergarten gearbeitet. Diese Arbeit hatte ihr immer viel Freude bereitet, denn sie liebte Kinder über alles. Doch als dann ihre Freundschaft mit einem jungen Lehrer in die Brüche gegangen war und all das, was sie sich für die Zukunft ausgemalt hatte, mit einem Mal bedeutungslos geworden war, hatte sie sich auf eine Anzeige in einer überregionalen Zeitung hin hier in England beworben.
Es wurde eine Erzieherin für zwei Jungen gesucht, deren alleinstehender Vater – ein englischer Lord und Besitzer mehrerer Firmen – aus beruflichen Gründen nicht die Zeit hatte, sich ständig um seine Söhne zu kümmern. Aufgrund ihrer hervorragenden Zeugnisse und ihrer sehr guten Englischkenntnisse hatte Bettina die Stelle fast sofort bekommen. Doch auf was sie sich da eingelassen hatte, wußte sie in diesem Moment noch nicht…
Noch nie war Bettina jemandem begegnet, der so viel rätselhafte Kälte ausstrahlte wie Elinor Hampbell.
Sie stand auf und ging in das angrenzende Zimmer, das als Wohn- und Arbeitszimmer hergerichtet war. Bettina durchschritt ihre Räume und fühlte sich gleich sehr viel bedeutender als zu Hause in Lübeck, wo sie sich nur eine kleine Einzimmerwohnung hatte leisten können.