Vom Vater nicht geliebt …: Mami Classic 5 – Familienroman
Von Claudia Torwegge
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»Hast du eine Ahnung, wo Katrin sein könnte, Wölfchen? Sie müßte schon längst zu Hause sein!« Der kleine Junge sah von seinem Spiel auf und schüttelte den Kopf. »Nö, Mama, weiß ich nicht«, sagte er und setzte geduldig immer wieder einen Baustein auf den anderen, bis ein hoher Turm entstanden war. Daniela von Thumberg seufzte und lief zum Fenster. »Langsam mache ich mir Sorgen«, sagte sie halblaut und mehr zu sich selber. »Die Schule ist schon längst aus. Sie weiß doch, daß ich am Freitag im Büro früher Schluß habe und zu Hause bin.« Doch dann fiel ihr siedendheiß ein, daß ihr Chef, Herr Brenner, sie gebeten hatte, noch ein paar dringende Briefe für ihn zu schreiben. Deshalb war es im Büro doch später geworden. Sie war gerade noch rechtzeitig gekommen, um Wölfchen aus dem Kindergarten abzuholen. Aber Kathrin, die ausgerechnet heute ihren Schlüssel vergessen hatte, war sicherlich vor verschlossener Tür gestanden – und dann wieder fortgegangen. »Wo mag sie nur hingegangen sein?« überlegte Daniela laut. »Ich habe doch schon bei ihrer Freundin Inge angerufen und auch bei Claudia. Dort ist sie nicht.« Allmählich machte sich eine lähmende Furcht in ihr breit. Wie, wenn dem Kind etwas zugestoßen war?
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Buchvorschau
Vom Vater nicht geliebt … - Claudia Torwegge
Mami Classic
– 5 –
Vom Vater nicht geliebt …
Claudia Torwegge
»Hast du eine Ahnung, wo Katrin sein könnte, Wölfchen? Sie müßte schon längst zu Hause sein!«
Der kleine Junge sah von seinem Spiel auf und schüttelte den Kopf.
»Nö, Mama, weiß ich nicht«, sagte er und setzte geduldig immer wieder einen Baustein auf den anderen, bis ein hoher Turm entstanden war.
Daniela von Thumberg seufzte und lief zum Fenster.
»Langsam mache ich mir Sorgen«, sagte sie halblaut und mehr zu sich selber. »Die Schule ist schon längst aus. Sie weiß doch, daß ich am Freitag im Büro früher Schluß habe und zu Hause bin.«
Doch dann fiel ihr siedendheiß ein, daß ihr Chef, Herr Brenner, sie gebeten hatte, noch ein paar dringende Briefe für ihn zu schreiben. Deshalb war es im Büro doch später geworden. Sie war gerade noch rechtzeitig gekommen, um Wölfchen aus dem Kindergarten abzuholen. Aber Kathrin, die ausgerechnet heute ihren Schlüssel vergessen hatte, war sicherlich vor verschlossener Tür gestanden – und dann wieder fortgegangen.
»Wo mag sie nur hingegangen sein?« überlegte Daniela laut. »Ich habe doch schon bei ihrer Freundin Inge angerufen und auch bei Claudia. Dort ist sie nicht.«
Allmählich machte sich eine lähmende Furcht in ihr breit. Wie, wenn dem Kind etwas zugestoßen war? Wie, wenn sie auf dem Heimweg von der Schule verunglückt oder vielleicht sogar von einem Unhold belästigt und gar entführt worden war? Man las
so Schreckliches in den Zeitungen…
»Dummes Zeug«, wies sie sich selbst energisch zurecht. »Dummes, dummes Zeug…«
In diesem Moment fiel Wölfchens hoher Turm aus Holzbausteinen mit einem lauten Plumps in sich zusammen, und Daniela stieß einen entsetzten Schrei aus. Sie preßte die Hand aufs Herz.
»Du meine Güte, Wölfchen, hast du mich aber erschreckt! Was fällt dir ein!« rief sie aus. Der Kleine breitete mit einer entschuldigenden Geste beide Hände aus und sah sie verschmitzt von unten herauf an.
»Das war nicht meine Schuld, Mama, der Turm ist ganz von alleine zusammengestürzt. Ich habe ihn nicht angetippt, nicht einmal ein kleines bißchen!«
»Schon gut, mein Junge, ich habe es ja auch nicht so gemeint. So was passiert eben, nicht wahr? Mir tut es selber leid um deinen wunderschönen, hohen Turm«, sagte sie und strich ihrem kleinen Sohn über den blonden Schopf. »Weißt du, ich bin ein wenig nervös, weil Katrin noch nicht zu Hause ist.«
Wölfchen sammelte seine Bausteine ein, die im ganzen Zimmer verstreut herumlagen, und meinte eher beiläufig: »Vielleicht ist sie ja zu Oma Keller gegangen…«
Daniela schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
»Natürlich! Oh, Wölfchen, du bist ein Schatz! Nein, daß ich nicht schon selber draufgekommen bin!« sagte sie. Sie hatte es auf einmal sehr eilig, zur Tür hinaus und über die breite Treppe zwei Stockwerke nach oben zu laufen. Dort – in der Wohnung im obersten Stockwerk – wohnte eine reizende alte Dame. Sowohl für Daniela als auch für ihre beiden Kinder war Frau Keller, eine herzensgute, lebenskluge Frau, so eine Art Großmutter-Ersatz. Meta Keller war nicht mehr gut zu Fuß, das Gehen war ihr beschwerlich geworden. Deshalb erledigte Daniela, so oft sie es nur einrichten konnte, die Einkäufe für sie oder kleine Besorgungen. Frau Keller dagegen war bereit, sich um Danielas Kinder zu kümmern, wenn die junge Frau im Büro aufgehalten wurde. Das war in letzter Zeit immer öfter der Fall. Ihr Chef nahm häufig ihre freie Zeit in Anspruch, allerdings bezahlte er auch sehr gut dafür. Und Daniela konnte das Geld wahrhaftig gut gebrauchen.
Vor Meta Kellers Wohnung angekommen, mußte Daniela erst einmal tief Luft holen. Sie drückte auf den Klingelknopf und horchte auf die Schritte, die sie hinter der Tür vernahm. Es waren flinke, hüpfende Kinderschritte, und Daniela atmete erleichtert auf. Ein Stein fiel ihr vom Herzen. Dann ging auch schon die Tür einen Spalt auf, und Katrin streckte den Kopf hindurch.
»Katrin!« rief Daniela anstelle einer Begrüßung und nahm das Kind in die Arme. »Bin ich aber froh, daß ich dich endlich sehe! Ich habe mir schon schreckliche Sorgen gemacht…«
»Warum regst du dich so auf, Mama?« meinte Katrin ungerührt. Sie runzelte die Stirn und befreite sich aus der Umarmung ihrer Mutter. »Du kannst dir doch denken, daß ich zu Oma Keller gehe, wenn du nicht zu Hause bist.«
»Du konntest nicht rein«, stellte Daniela fest. Katrin nickte ein wenig schuldbewußt.
»Nein, konnte ich nicht. Ich habe nämlich meinen Schlüssel vergessen.«
»Das habe ich gemerkt«, meinte Daniela. Aus dem Hintergrund kam die fragende Stimme der alten Dame.
»Wer ist es denn, Katrin? Mit wem sprichst du?«
»Es ist meine Mutter! Sie ist jetzt nach Hause gekommen und will mich abholen«, sagte Katrin und wandte sich dann an ihre Mutter: »Ich verabschiede mich nur noch schnell, dann komme ich.«
Sie war schon davongehüpft, ehe Daniela noch antworten konnte. Langsam ging sie ihr nach und blieb in der Tür zu Meta Kellers Wohnzimmer stehen.
»Kommen Sie nur herein, mein liebes Kind«, rief die alte Dame, die in ihrem Lieblingsstuhl am Fenster saß. Daniela trat näher. Jedesmal, wenn sie diesen schönen großen Raum betrat, umfaßte sie ein heimeliges Gefühl.
Katrin hüpfte ungeduldig von einem Fuß auf den anderen und faßte nach der Hand ihrer Mutter. So gern sie bei Oma Keller war, so gern wollte sie nun auch wieder nach Hause.
»Komm, Mama, laß uns gehen«, drängte sie.
»Ja, wir müssen gehen, Wölfchen ist allein unten in der Wohnung. Auf jeden Fall vielen Dank, Frau Keller. Für mich ist es beruhigend zu wissen, daß Katrin bei Ihnen unterschlüpfen kann, wenn mein Chef mich im Büro aufhält«, sagte Daniela dankbar. Die alte Dame winkte ab.
»Ich habe Ihre Kinder gern um mich, meine Liebe«, sagte sie. »Sie können immer zu mir kommen. Das gibt mir das Gefühl, daß ich wenigstens noch zu etwas nütze bin!«
»Warum hat sie das gesagt, Mama?« fragte Katrin halblaut, als sie die Treppe hinuntergingen.
»Frau Keller ist allein und hat kaum noch Verwandte. Sie hat niemanden, der sich um sie kümmert«, antwortete Daniela.
»Aber wir kümmern uns um sie, nicht wahr, Mama?« meinte Katrin. »Und sie sich um uns…«
*
»Papa kommt!« verkündete Katrin, die am Küchenfenster stand. »Er steigt gerade aus seinem Auto aus.«
Danny warf einen flüchtigen Blick hinunter und beeilte sich, um Harro die Tür zu öffnen. Er sah müde aus und abgespannt. Außerdem wirkte er ziemlich nervös.
»Dann gibt es heute wohl keine Gute-Nacht-Geschichte,« stellte Wölfchen mit finsterer Miene fest. Er wußte genau, wenn der Papa zu Hause war, dann hatte die Mami keine Zeit mehr für ihn und auch nicht für Katrin.
»Nein, tut mir leid, heute gibt es keine«, bestätigte Danny. »Ich muß mich um den Papa kümmern, er ist sicher müde und hat riesengroßen Hunger.«
Wölfchen nickte ergeben. Für Hunger hatte er Verständnis, denn ihm war nichts – fast nichts – wichtiger als ein leckeres Essen.
»Frag doch mal deine Schwester, vielleicht kann sie dir noch eine Geschichte vorlesen«, schlug sie vor und gab ihm einen aufmunternden Schubs.
»Sie liest lange nicht so schön wie du«, maulte er.
»Dann laß ich es eben bleiben«, sagte Katrin beleidigt. Sie war erst sieben Jahre alt und sehr stolz auf ihre Lesekünste.
»Aber Mami hat gesagt, du sollst!« beschwerte sich der Kleine lautstark und stampfte mit dem Fuß auf.
»Jetzt mag ich aber nicht mehr!« war Katrins spitze Antwort, und Wölfchen streckte ihr die