Ich hatte einmal einen Sohn …: Mami Classic 4 – Familienroman
Von Myra Myrenburg
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Wie immer im November packte Uta von Scheer ihre Koffer, ungeachtet der schweren Erkrankung des Hausherrn und der damit verbundenen gedämpften Stimmung im Haus Bergfried, ungeachtet auch der Tatsache, daß sie diese Koffer erst vor drei Monaten ausgepackt hatte. »Du willst doch nicht fort?« erkundigte sich Fräulein Paula, die vor zwanzig Jahren als Kinderfrau ins Haus gekommen und geblieben war, weil sie inzwischen zur Familie gehörte. »Aber ja, sicher«, erwiderte Uta unbekümmert, knüllte einen blitzblauen Badeanzug zusammen und stopfte eine Ecke des prallgefüllten Koffers damit aus. »Das ist nicht dein Ernst!« stieß Fräulein Paula entsetzt hervor. Uta klappte den Kofferdeckel zu und richtete sich auf. Seit Jahren schon überragte sie ihre Kinderfrau um Kopfeslänge. »Aber Paula! Um diese Zeit fahre ich immer weg!« Das stimmte. Leider, wie Fräulein Paula im stillen hinzuzufügen pflegte. Zu lange schon war Uta ihrer Obhut entwachsen, als daß Kritik noch gefruchtet hätte. Vier Jahre in einem Schweizer Elite-Internat hatten aus dem fügsamen, liebenswerten kleinen Mädchen eine anspruchsvolle junge Rebellin gemacht, der nichts mehr heilig war. Vor drei Jahren, nach bestandenem Abitur, hatte Uta mit ihrer Clique beschlossen, den Winter in Goa zu verbringen, an der indischen Malabarküste. Daraus war zu Fräulein Paulas Leidwesen eine Gewohnheit geworden. Von der letzten Goa-Reise war Uta nicht wie sonst im Mai, sondern erst im August zurückgekommen. Wie konnte sie dann jetzt schon wieder ihre Koffer packen? Wie konnte sie überhaupt an eine solche Reise denken, da ihr Vater gerade aus der Klinik entlassen worden war, und keineswegs geheilt!
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Buchvorschau
Ich hatte einmal einen Sohn … - Myra Myrenburg
Mami Classic
– 4 –
Ich hatte einmal einen Sohn …
Myra Myrenburg
Wie immer im November packte Uta von Scheer ihre Koffer, ungeachtet der schweren Erkrankung des Hausherrn und der damit verbundenen gedämpften Stimmung im Haus Bergfried, ungeachtet auch der Tatsache, daß sie diese Koffer erst vor drei Monaten ausgepackt hatte.
»Du willst doch nicht fort?« erkundigte sich Fräulein Paula, die vor zwanzig Jahren als Kinderfrau ins Haus gekommen und geblieben war, weil sie inzwischen zur Familie gehörte.
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»Das ist nicht dein Ernst!« stieß Fräulein Paula entsetzt hervor.
Uta klappte den Kofferdeckel zu und richtete sich auf. Seit Jahren schon überragte sie ihre Kinderfrau um Kopfeslänge.
»Aber Paula! Um diese Zeit fahre ich immer weg!«
Das stimmte. Leider, wie Fräulein Paula im stillen hinzuzufügen pflegte. Zu lange schon war Uta ihrer Obhut entwachsen, als daß Kritik noch gefruchtet hätte. Vier Jahre in einem Schweizer Elite-Internat hatten aus dem fügsamen, liebenswerten kleinen Mädchen eine anspruchsvolle junge Rebellin gemacht, der nichts mehr heilig war.
Vor drei Jahren, nach bestandenem Abitur, hatte Uta mit ihrer Clique beschlossen, den Winter in Goa zu verbringen, an der indischen Malabarküste. Daraus war zu Fräulein Paulas Leidwesen eine Gewohnheit geworden. Von der letzten Goa-Reise war Uta nicht wie sonst im Mai, sondern erst im August zurückgekommen. Wie konnte sie dann jetzt schon wieder ihre Koffer packen? Wie konnte sie überhaupt an eine solche Reise denken, da ihr Vater gerade aus der Klinik entlassen worden war, und keineswegs geheilt!
Fräulein Paula verstand es nicht. Sie war zutiefst bestürzt darüber, und ausnahmsweise machte sie keinen Hehl aus ihren Gefühlen. Sie senkte den Kopf, dessen einstmals leuchtende Pracht nur noch in blassem Weißgold schimmerte, faßte nach Utas Hand und raunte in beschwörendem Ton: »Denk an deinen Vater!«
»Aber das tue ich ja«, erwiderte Uta leichthin, »er hat nichts dagegen, daß ich nach Goa fliege! Wir haben schon neulich in der Klinik darüber gesprochen. Da ich zur Krankenpflege überhaupt nicht tauge und mich im Winter hier kein bißchen wohl fühle, hat er mir sogar zugeredet, mich wieder in sonnige Gefilde abzusetzen – Vanessa fliegt ja auch, und die andern sind sogar schon unterwegs.«
»Die andern sind auch nicht erst im August zurückgekommen«, wandte Fräulein Paula mit bebender Stimme ein, »du warst schließlich nur knappe drei Monate zu Hause – und was hast du schon groß getan! Nichts! Du nimmst dir gar nicht erst vor, etwas zu tun, weil es sich für die kurze Zeit nicht lohnt!«
Uta lächelte scheinbar belustigt von oben herab.
»Genau! Es lohnt sich wirklich nicht, irgendein Programm aufzustellen, solange ich die kalte Jahreszeit in Goa verbringe! Gott sei Dank sind Vater und Mutter derselben Meinung.«
Fräulein Paula ließ die sanft gebräunte schmale Hand los, umfaßte Uta mit einem langen Blick und wandte sich ab, stumm, enttäuscht bis in die Tiefen ihres Herzens. Hier gab es nichts mehr zu sagen.
Einen Menschen, der nur an sich selbst dachte, konnte man mit Worten nicht mehr erreichen.
Sie hörte Utas rasche Schritte hinter sich, als sie über das ehrwürdige Parkett der Zimmerflucht hinaus in den Korridor ging.
»Warte, Paula! Sei doch nicht so! Du weißt doch genau, daß ich in dem Moment zurückkomme, wenn es Vater wieder schlechtergeht!«
»Woher soll ich das wissen?«
»Weil ich es dir sage, hier und jetzt! Großes Ehrenwort!« Uta hob die Hand zum Schwur, und Fräulein Paula mußte wider Willen lächeln. Aber ein erlösendes Wort kam nicht über ihre Lippen, eine versöhnliche Geste blieb aus. Abweisend, den Kopf gesenkt, setzte sie ihren Weg in die Küchenräume fort.
Uta sah ihr nach, biß sich auf die Lippen und stürmte in langen Sätzen die breite, geschwungene Treppe hinauf.
Es war fünf Uhr nachmittags.
Wenn sich nicht alles gegen sie verschworen hatte, wenn das Leben im Haus Bergfried seinen gewohnten Verlauf nahm, dann würde ihre Mutter jetzt am Teetisch sitzen, Mozart hören und eine Patience legen. Und so war es auch.
Uta klopfte, trat ein, atmete auf, lauschte flüchtig den bekannten Klängen und wartete, bis ihre Mutter sie mit einer freundlichen Kopfbewegung zum Sitzen einlud.
»Möchtest du Tee?«
»Ja, gern.«
»Dann nimm dir eine Tasse.«
Gisela von Scheer reichte ihrer Tochter die silberne Zuckerdose, das Sahnekännchen und das Schälchen mit den Zitronenscheiben. Dann schob sie mit einem unterdrückten Seufzer des Bedauerns die Patiencekarten zusammen.
Sie war eine zierliche, überaus gepflegte Frau von fünfzig Jahren, die wie alle ätherischen Erscheinungen alterslos und zeitlos zu sein schien.
»Hast du alles gepackt?« fragte sie, während die Mozartmusik ausklang.
Uta nickte, rührte mißmutig in ihrer Teetasse und schlug anklagend die Augen auf.
»Paula ist ja sooo beleidigt«, stieß sie halblaut hervor.
Ihre Mutter hob fragend die hübsch gewölbten Brauen.
»Ich finde, sie hat kein Recht, mich zu kritisieren«, fuhr Uta heftig fort, »wenn ich nach Goa fliege, dann ist das meine Sache, nicht wahr? Ich brauche sie schließlich nicht um Erlaubnis zu fragen, nachdem es nun einmal beschlossen ist und ihr einverstanden seid.«
Gisela von Scheer lehnte sich auf ihrem geschnitzten Stuhl zurück und schob fröstelnd die Hände in die Ärmel ihres weichen zartgrauen Angorapullovers.
»Gewiß.«
»Oder?« Utas Blicke hefteten sich auf ihre Mutter und prallten ab an den gesenkten Augen, dem unbewegten Ausdruck. Wie immer. Gisela von Scheer zu einer klaren Stellungnahme zu bewegen, war ein aussichtsloses Unternehmen.
Seit Uta denken konnte, hatte sie sich immer gefragt, was ihre Mutter wirklich bewegte, was sie wirklich wollte, was sie wirklich erwartete.
In diesem Moment öffnete sich die Tapetentür, und Arno von Scheer trat ein. Selbst jetzt noch, in seinem siebzigsten Jahr, in Schlafanzug und Morgenmantel, machte er eine gute Figur.
Alles, was an Uta bemerkenswert war, hatte sie von ihm: den hohen Wuchs, die stolze Haltung, die dunklen Augen mit den rebellischen Funken, die ausdrucksstarken Gesichtszüge, den schönen Haaransatz und das dichte dunkle Haar. Er hatte sich nie viel mit ihr beschäftigt. Als Kind hatte sie ihn kaum gekannt, und auch in den Jahren des Heranwachsens waren sie einander fern gewesen. Trotzdem fühlte sich Uta ihrem Vater stärker verbunden als ihrer Mutter. Denn selbst aus der Ferne hatte er sich ihr verständlich gemacht, war er präsent gewesen mit seinem Willen, seinen Vorstellungen, seinen Forderungen.
Ein klarer Fall, ihr Vater. Ein Macher. Eine Autorität von Natur aus.
»Ich habe euer Frage- und Antwortspiel gehört«, sagte er und zog sich einen Stuhl an den Teetisch, »und mich gefragt, was das soll. Ich habe doch deutlich genug zum Ausdruck gebracht, daß ich weder Zuschauer noch Mitleidende um mich haben möchte. Meinen Niedergang, meinen Verfall, meinen Abstieg ins Grab will ich so allein wie möglich erleben.«
»In Ordnung, Arno«, murmelte Gisela von Scheer besänftigend, »reg dich nicht auf. Paula hat es nur gutgemeint. Sie sieht die Dinge anders.«
»Nicht nur Paula! Du auch, meine Liebe, du auch! Wenn es nach euch ginge, müßte Uta hier auf Zehenspitzen herumschleichen und die aufopferungsvolle Tochter spielen. Im Grunde ihres Herzens würde sie nichts so