Unsere Suse macht das schon: Mami 2064 – Familienroman
Von Rosa Lindberg
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Suse dachte angestrengt nach. Das hinderte sie allerdings nicht daran, nach dem dritten Brötchen zu greifen und es doppelt mit gekochtem Schinken zu belegen, ohne vorher an der aufgestrichenen Butter großartig gespart zu haben. »Nun?« fragte Astrid ihre Tochter und füllte Kakao nach. »Moooment! Moooment!« sagte Suse kauend und zog ihre runde Kinderstirn kraus. Tante Josy lachte. »Also – ich weiß nicht! Wenn mich früher jemand gefragt hätte, ob mein Geburtstag groß oder klein gefeiert werden soll, ich hätte sofort die Antwort gewußt!« Suse seufzte, doch es klang sehr wohlig. »Jaaaa, duuuu…«, machte sie gedehnt, und Tante Josy fragte sich lächelnd, ob das als Kompliment oder als das Gegenteil eines Komplimentes zu werten war. Bei Suse wußte man das nie so genau. »Dann möchte ich außerdem noch gern wissen«, sagte Astrid, »was du dir wünschst, wirklich wünschst.« Suse hörte unvermittelt auf zu kauen. Ihre blaugrünen Augen unter dem roten Haar leuchteten auf. »Das weiß ich schon ganz genau!« erklärte sie strahlend.
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Buchvorschau
Unsere Suse macht das schon - Rosa Lindberg
Mami
– 2064 –
Unsere Suse macht das schon
Unveröffentlichter Roman
Rosa Lindberg
Suse dachte angestrengt nach. Das hinderte sie allerdings nicht daran, nach dem dritten Brötchen zu greifen und es doppelt mit gekochtem Schinken zu belegen, ohne vorher an der aufgestrichenen Butter großartig gespart zu haben.
»Nun?« fragte Astrid ihre Tochter und füllte Kakao nach.
»Moooment! Moooment!« sagte Suse kauend und zog ihre runde Kinderstirn kraus.
Tante Josy lachte. »Also – ich weiß nicht! Wenn mich früher jemand gefragt hätte, ob mein Geburtstag groß oder klein gefeiert werden soll, ich hätte sofort die Antwort gewußt!«
Suse seufzte, doch es klang sehr wohlig.
»Jaaaa, duuuu…«, machte sie gedehnt, und Tante Josy fragte sich lächelnd, ob das als Kompliment oder als das Gegenteil eines Komplimentes zu werten war. Bei Suse wußte man das nie so genau.
»Dann möchte ich außerdem noch gern wissen«, sagte Astrid, »was du dir wünschst, wirklich wünschst.«
Suse hörte unvermittelt auf zu kauen. Ihre blaugrünen Augen unter dem roten Haar leuchteten auf.
»Das weiß ich schon ganz genau!« erklärte sie strahlend.
»Dann wüßten wir doch schon mal eines«, stellte Astrid fest, »was also ist es?«
»Ein Schwesterchen oder ein Brüderchen. Jedenfalls ein Baby!«
Sie blickte von Mami zu Tante Josy und zurück.
Es wunderte sie, daß die beiden auch plötzlich aufhörten zu kauen und sie merkwürdig anstarrten, als hätte sie mal wieder Schei… oder so was gesagt!
»Ein Baby…?« fragte Tante Josy dann endlich, obwohl sie doch so gut hören konnte!
»Ja«, sagte Suse fest und immer noch strahlend, vollkommen sicher, daß ihr Wunsch erfüllt werden würde. Bisher waren fast alle ihre Wünsche erfüllt worden, fast!
Na ja, daß Mami und Tante Josy damals nicht erlaubt hatten, die acht süßen Ferkel von Bauer Janzen mit nach Hause zu nehmen, verstand sie ja inzwischen! Obwohl sie damals sehr, sehr traurig gewesen war! So – jetzt war sie erst einmal satt! Großzügig, wie immer mit vollem Bauch, schob sie den Rest Kochschinken zu Fräulein Tussy unter den Tisch, ohne daß Mami etwas merkte. Und Fräulein Tussy war ja Spitze! Sie kaute leise, ganz leise! Ach was: Unhörbar kaute sie! Keine Setterdame weit und breit konnte Fräulein Tussy das Wasser reichen!
Astrid lachte unsicher auf und fuhr mit rascher, zärtlicher Hand über Suses roten Schopf. Dann stand sie auf, doch glatt so, als ob es Suse nicht ernst gewesen wäre mit ihrem Wunsch! Als hätte sie Witze gemacht! Suse aber hatte keinen Witz gemacht! Es war ihr ernst mit dem Wunsch, vollkommen ernst!
»Eine Puppe also«, sagte Mami von der Spüle her, in die sie jetzt das Geschirr stapelte.
»Nein«, stellte Suse richtig, »keine Puppe, Puppen sind doof, meine nicht, aber neue! Und ich hab ja auch genug davon. Jetzt, jetzt wünsch ich mir ein richtiges Baby!«
Tante Josy schaltete sich ein, indem sie erst einmal Suses Hand tätschelte und dann vorschlug: »Am besten ist, du schreibst alle Wünsche auf einen Zettel. Du weißt ja: Wünschen kann man sich viel, aber ob…«
»Ich hab doch bloß einen einzigen Wunsch diesmal! Soll ich den extra aufschreiben?«
»Ja«, sagte Tante Josy, »außerdem ist immer noch nicht geklärt, ob du den Geburtstag groß oder klein feiern willst.«
»Außerdem wird es höchste Zeit«, rief Mami, »daß du dich auf den Weg machst!«
»Au Backe!«
Suse sprang auf. Sie hatte die Schule ganz vergessen! »Komm, Tussy!« schrie sie, denn Fräulein Tussy, die im Hunderegister als Thusnelda von der Wehrburg zu finden war, begleitete Suse jeden Morgen bis zum Schultor.
»Tschüs Mami, tschüs Tante Josy.« Mami half ihr beim Ranzenaufsetzen.
»Keinen Kuß heute?« fragte sie dabei.
»Aber ganz schnell!«
Suse absolvierte die Abschiedszeremonie mit der Schnelligkeit einer Windboe, rief im Laufen noch irgend etwas zurück, was nicht zu verstehen war. Dann war es still.
Sehr still.
»Haste gemerkt«, fragte Suse unterdessen trabend neben der ebenfalls trabenden Tussy auf dem Schulweg, »daß die ganz baff waren?«
Fräulein Tussy machte: »Wuff!«
»Bist ja auch ein kluger Hund, Fräulein Tussy! Nu bin ich bloß gespannt, ob sie auch… guck mal, da kommt die Petra! Huhu! Peeeetra!«
Die Schulkameradin Petra, ebenfalls trabend, blickte sich um, winkte, wartete, bis Suse neben ihr war, und dann trabten sie zu dritt weiter.
»Was macht euer Baby?« erkundigte Suse sich, denn es interessierte sie brennend. Petra nämlich hatte sich auch zum Geburtstag von ihren Eltern ein Baby gewünscht und hatte es bekommen! Sogar drei Wochen vor ihrem Geburtstag! Und was bei den Schneiders möglich war, sollte bei den Sunderns nicht möglich sein? Ha! Das wär doch gelacht!
»Es schreit ziemlich viel«, erklärte Petra.
»Och, das macht doch nix!«
»Aber auch nachts, du, da kannste manchmal nicht schlafen!«
»Das würde mir nichts ausmachen!«
Petra sah im Trab die Freundin von der Seite an, sagte aber nichts mehr, denn sie hatten das Schultor erreicht, gerade als es schellte.
»Tschüs, Fräulein Tussy«, sagten die Mädchen, und Fräulein Tussy hockte sich erst einmal hin. Trab am Morgen war nicht so sehr nach ihrem Geschmack. Aber was tut man nicht alles aus Liebe!
Sie verschnaufte, bis die Schultür sich hinter den lärmenden Kindern geschlossen hatte, und machte sich dann gemächlich auf den Heimweg.
Tante Josy betrachtete das stille Profil ihrer Nichte.
»Es wird Zeit«, sagte sie endlich leise.
Astrid nickte und drehte langsam den Kopf. »Ja – es wird Zeit…«
»… daß wir den Laden öffnen«, vollendete Tante Josy, wohlwissend, daß Astrid etwas ganz anderes gemeint hatte.
Josy Kersting hatte hier draußen in dem kleinen Ort vor Hamburg vor mehr als fünfundzwanzig Jahren ihren Traum verwirklichen können. Eigentlich waren es zwei Träume, der erste, nicht mehr in der Großstadt leben zu müssen, der zweite, eine Buchhandlung zu haben. Beides hatte sie erreicht. Sie war eine eingefleischte Junggesellin, was jedoch ihr Verständnis für Frauenprobleme keineswegs ausschloß. Als ihre Nichte Astrid vor ungefähr acht Jahren zu ihr gekommen war und ihr eröffnet hatte, daß sie ein Kind von einem Mann erwarte, der nach Venezuela oder Timbuktu gegangen war, hatte sie sie kurzerhand bei sich aufgenommen.
Sie hatte es nie bereut.
Für einen kleinen Ort wie Olsrode, wo jeder jeden kannte, war es gut, daß dieser Dr. Thomas Sundern Astrid angeboten hatte, sie pro forma zu heiraten, damit, wie es so schön heißt, das Kind einen Namen hatte.
Ja, das war gut gewesen! Erst später hatte Tante Josy das erkannt. Sie selbst hatte wohl allzu große Toleranzvorstellungen von den Bewohnern kleiner Städte gehabt!
Und wenn sie sich heute vorstellte, daß irgend jemand, und sei es auch nur im Scherz, ihrer Suse gegenüber eine Bemerkung – mein Gott!
Für seine Tat liebte sie diesen Dr. Thomas Sundern im fernen, wenn auch nicht allzu weiten Hamburg, der in regelmäßigen Abständen nach Olsrode kam, um sich als Vater von Suse auch zu zeigen. Im Ort wußte niemand, wie die Geschichte wirklich war. Und das war gut so. Suse hielt Thomas Sundern für ihren Vater.
Jetzt blickte Tante Josy ihrer Nichte nach, wie sie mit diesen hübschen langen Schritten zum Laden ging.
»Sie war…«, sagte Tante Josy laut zu sich selbst, »einfach zu hübsch!«
Und damit wandte sie sich den ersten Tätigkeiten des Alltags zu, indem sie das Frühstücksgeschirr in den Spülautomaten packte.
*
Astrid betrat den dämmrigen Laden und zog, sie tat das jeden Morgen, den Bücherduft ein. Sie liebte diesen Duft, so wie sie durch Tante Josy gelernt hatte, Bücher zu lieben.
Sie zog die Jalousien an den beiden Schaufenstern hoch, dann die an der Tür. Danach drehte sie den Schlüssel und öffnete die Tür. Es war schon sonderbar, daß sie dieses allmorgendliche Ritual mit einer gewissen fröhlichen Feierlichkeit tat, wenn es auch heute mit ihrer Fröhlichkeit nicht ganz so weit her war wie sonst. Aber irgendwann, sie hatte es immer gewußt, würde der Zeitpunkt kommen, an dem sie nachdenken mußte, nachdenken darüber, wie ihr Leben weitergehen sollte. Auch hatte sie immer gewußt, daß Suse eines Tages alles erfahren mußte.
Astrid trat einen Schritt vor die Tür und sah Fräulein Tussy von der Schule zurückkommen. »Na du…«, sagte sie, als Tussy schwanzwedelnd neben ihr stand, »alles gut gelaufen?«
Tussy blickte vorwurfsvoll hoch. Natürlich war alles gut gelaufen!
Die Straße war noch