34. Liebes gluck in Schottland
Von Barbara Cartland
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Buchvorschau
34. Liebes gluck in Schottland - Barbara Cartland
Liebesglück in Schottland
Die Damen mit den glitzernden Tiaras im Haar versanken in einem tiefen Hofknicks, als die königliche Gesellschaft unter Trompetengeschmetter den Ballsaal betrat. Ihre gebauschten Röcke ließen sie wie Blumen erscheinen, die sich im Winde blähten. Ein Trommelwirbel erklang, und die Kapelle intonierte „God Save the Queen".
Ein Hofball stellte naturgemäß alle anderen Bälle in den Schatten, an denen Tamara während ihrer Londoner Saison Nacht für Nacht teilgenommen hatte. Nicht nur die Damen im Schmuck ihrer funkelnden Juwelen, sondern auch die eleganten Herren verliehen der Veranstaltung ihren besonderen Glanz. Nichts wirkte attraktiver als die ordensgeschmückte Brust eines Offiziers, der bestickte Ausgehanzug eines Botschafters oder Kniehosen, die mit dem Hosenbandorden getragen wurden.
Wie gewöhnlich übertraf die Prinzessin von Wales alle anwesenden Damen an Schönheit. In ihrem silberweißen Brokatkleid ließ sie die anderen Frauen zur Bedeutungslosigkeit verblassen.
Das königliche Gefolge, das von Lord Chamberlain, dem Lordkanzler, angeführt wurde, zerstreute sich. Die Damen und Herren des Hofes folgten dem Prinzen und der Prinzessin von Wales, die den Ball eröffneten, auf das Tanzparkett und bewegten sich elegant und graziös durch die Figuren einer Quadrille.
Tamara stand neben ihrer Stiefmutter, die ihren Platz auf der den Botschaftern reservierten roten Samtbank eingenommen hatte. Sie war bisher noch nicht zum Tanz aufgefordert worden, doch sie wußte, daß es ihr nicht an Partnern fehlen würde, sobald das Eröffnungszeremoniell vorüber war.
„Der Marquis von Lome ist ein sehr gut aussehender Mann", hörte sie die neben ihrer Stiefmutter sitzende Botschafterin sagen.
„Das ist er, stimmte Lady Vernon zu. „Noch mehr bewundere ich aber den Earl of Fyfe. Bei solchen Gelegenheiten zeichnen sich doch immer wieder die Schotten aus.
Die Botschafterin lachte.
„Die Engländer sollten aufhören, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen, wenn auch die Konkurrenz nicht mehr so groß ist, seit der Herzog von Strathcraig unseren Ballsälen fernbleibt."
„Ich vermisse ihn, stellte Lady Vernon fest. „Meiner Meinung nach war er der bestaussehende Mann bei Hofe.
„Der Meinung waren wir alle, sagte die Botschafterin lächelnd. „Es ist jammerschade, daß er sich jetzt ständig auf seinen Gütern im Norden vergräbt.
„Wollen Sie damit andeuten, daß er seit... seit der Tragödie die Gesellschaft meidet?"
„Angeblich nimmt er nicht einmal Einladungen nach Schloß Balmoral an."
Sie sprach mit gedämpfter Stimme weiter, so daß Tamara nichts mehr verstehen konnte.
Sie war dem Gespräch nur mit halber Aufmerksamkeit gefolgt, fragte sich aber doch etwas verwundert, welcher Mann in solchem Maße die Begeisterung ihrer Stiefmutter erregen konnte. Lady Vernon war als überaus kritisch bekannt, und wußte fast über jeden etwas Herabsetzendes zu berichten.
Ein junger Gardeoffizier in prächtiger Uniform verbeugte sich vor Tamara. Er verehrte sie schon seit einiger Zeit, und sie hatte gehofft, ihm am heutigen Abend aus dem Weg gehen zu können. Da sie aber sonst niemand auf die Tanzfläche gebeten hatte, konnte sie ihn nicht abweisen, ohne zu unhöflich zu erscheinen.
„Ich muß Sie sehen", sagte er eindringlich, sobald sie außer Hörweite ihrer Anstandsdamen waren.
„Sie haben mich gestern und vorgestern gesehen", erwiderte das Mädchen.
„Ich meine allein."
„Sie wissen, daß das unmöglich ist."
„Das stimmt nicht. Sie könnten Ihrer Stiefmutter gegenüber die Ausrede gebrauchen, Sie wollten die Bibliothek oder das Britische Museum aufsuchen."
„Warum sollte ich das wohl tun?"
Tamaras Stimme klang so kühl, daß der junge Mann sie besorgt anblickte, bevor er antwortete: „Sie kennen den Grund. Ich habe Ihnen schon tausendmal versichert, daß ich Sie liebe."
„Und ich habe Sie nicht weniger oft darauf aufmerksam gemacht, daß ich nichts davon hören will."
„Was ist, wenn ich mich an Ihren Vater wende?"
„Er dürfte Ihnen mit Sicherheit eine Abfuhr erteilen. Lassen Sie mich ein für allemal klarstellen, daß ich weder Sie noch sonst jemand zu heiraten gedenke."
„Was spricht denn in solchem Maße gegen mich, daß Sie mich nicht lieben können? Bin ich Ihnen so zuwider?"
„Es tut mir leid, Captain Witheringham, aber ich halte eine weitere Diskussion über dieses Thema für fruchtlos."
Der Tanz ging zu Ende, und Captain Witheringham begleitete Tamara zu ihrer Stiefmutter zurück, wo er höflich Konversation machte, bis die Musik von neuem begann.
Der nächste Partner forderte Tamara zum Tanzen auf und machte ihr die gleichen Avancen, die sie nicht weniger kühl und überlegen zurückwies als die des jungen Gardeoffiziers.
Als sie nach dem fünften Tanz wieder bei ihrer Stiefmutter erschien, sagte Lady Vernon: „Dein Vater und ich müssen uns jetzt der königlichen Gesellschaft zum Abendessen anschließen. Lady Carthew wird sich während unserer Abwesenheit um dich und ein paar andere Mädchen kümmern."
In dem allgemeinen Durcheinander, das dadurch entstand, daß sich die vornehmeren der Gäste aufstellten um dem Prinzen und der Prinzessin von Wales in den Bankettsaal zu folgen, gelang es Tamara, sich unbemerkt davonzumachen.
Sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß jeden Augenblick Captain Witheringham wieder auftauchen könnte, um sie zum Tanzen aufzufordern, und das wollte sie vermeiden. Als sie früher am Abend in Begleitung Lady Vernons einen Salon aufgesucht hatte, um dort ein kürzlich gemaltes Bild der Königin mit ihren Enkelkindern zu bewundern, hatte sie bemerkt, daß dort ein französisches Fenster zum Balkon hin offen stand. Plötzlich überfiel sie das unwiderstehliche Verlangen nach frischer Luft, und sie trat hinaus in die warme Julinacht.
Der königliche Garten war wunderschön, wie sie nicht anders erwartet hatte. Kleine Lampions hingen in den Bäumen, und ein blasser Mond tauchte den Rasen und einen plätschernden Springbrunnen in sein sanftes Licht.
Tamara atmete in tiefen Zügen die Nachtluft ein. Über der Schönheit der Natur vergaß sie fast die Menschen, die ihr plötzlich unerträglich erschienen. Ihre Gedanken trugen sie in ihre eigene Traumwelt, aus der sie mit einem Ruck in die Wirklichkeit zurückkehrte, als in ihrem Rücken eine Stimme ertönte.
„Woran denkt eine hübsche junge Dame ganz allein hier draußen?"
Als sie sich umdrehte, entdeckte sie einen hochgewachsenen Mann, der ihr schon früher am Abend aufgefallen war, weil er sie ständig durchdringend musterte, wenn sie vorüber tanzte. Sie war sich nicht sicher gewesen, ob sie ihn kannte, hatte sich nach kurzem Nachdenken aber dagegen entschieden.
Er rauchte eine Zigarre, was ihr zutiefst mißfiel, weil der Geruch des Tabaks den süßen Duft der Blumen überdeckte.
Tamara antwortete nicht, doch ohne sich um ihr Schweigen zu kümmern, fuhr der Fremde fort: „Sie sind Tamara Vernon. Ich bin nicht nur ein Freund Ihres Vaters, ich kannte auch Ihre Mutter."
„Sie kannten meine Mutter?" fragte Tamara eifrig.
„Allerdings, aber vielleicht sollte ich mich zuerst vorstellen. Mein Name ist Crowley, Lord Crowley."
„Ich habe schon von Ihnen gehört, erwiderte Tamara. „Papa hat ab und zu Ihre Aufsehen erregenden Erfolge auf dem Rennplatz erwähnt.
„Ich besitze ein paar ganz gute Pferde, sagte er gleichgültig. „Ich wollte Sie gern kennenlernen, Tamara.
Es überraschte sie, daß er sie so vertraulich beim Vornamen nannte.
„Warum? fragte sie kühl. „Nur weil Sie meine Mutter gekannt haben?
„Sie war sehr schön, erklärte er, „und Sie gleichen ihr.
„Genau das habe ich mir immer gewünscht, erwiderte sie. „In meiner Erinnerung lebt sie als die bezauberndste Frau, die ich mir vorstellen kann. Leider starb sie, als ich erst zehn Jahre alt war.
Ihre großen traurigen Augen schienen viel zu groß für das ovale Gesicht.
Lord Crowley trat näher und lehnte sich lässig gegen die Balustrade des Balkons.
„Ich habe auch Ihren Großvater gekannt, erzählte er weiter. „Bei meinem letzten Besuch in Rußland habe ich bei ihm gewohnt. Damals habe ich ihm gegenüber auch einmal den Namen Ihrer Mutter erwähnt.
Tamara sah ihn fragend an und wartete.
„Ich dachte, daß ihr Tod den alten, selbstherrlichen Mann weicher gestimmt hätte, fuhr er fort. „Doch Prinz Kaupenski äußerte nur lapidar: ,Sie müssen sich irren. Ich habe nie eine Tochter gehabt’.
Tamara tat einen tiefen Atemzug.
„Seit meiner Kinderzeit habe ich gehofft, eines Tages meine russischen Verwandten kennenzulernen."
„Der Prinz ist inzwischen gestorben, sagte Lord Crowley. „Aber es dürfte eine ganze Anzahl von Tanten und Onkeln, Kusinen und Vettern geben, die Sie sicherlich willkommen heißen würden.
„Das bezweifle ich sehr, meinte Tamara. „Außerdem könnte ich ihnen nie verzeihen, wie sie Mama behandelt haben.
„Aber liebes Kind, schließlich ist sie mit Ihrem Vater durchgebrannt."
„War das wirklich ein solches Verbrechen? warf Tamara erregt ein. „Sie liebten sich. Ausgerechnet die Russen sollten doch Verständnis für starke Gefühle aufbringen.
„Und Sie? Wie steht es in dieser Beziehung mit Ihnen?"
In Lord Crowleys Stimme hatte sich ein Unterton eingeschlichen, der ihm von Tamara einen strengen Blick eintrug.
Er war über vierzig und mochte in seiner Jugend nicht schlecht ausgesehen haben. Jetzt aber wirkte er verlebt, wozu auch noch sein beträchtliches Übergewicht beitrug. Tamara wandte den Kopf ab und sah in den Garten hinaus.
„Erzählen Sie mir noch mehr von meiner Mutter", bat sie ruhig.
„Ich würde viel lieber über Sie sprechen. Wie alt sind Sie, Tamara?"
„Über achtzehn, erwiderte sie. „Ich hätte schon letztes Jahr debütieren sollen, aber der Tod meiner Großmutter väterlicherseits hat dies verhindert.
„Sie mögen zwar eine verspätete Debütantin sein, sind aber die bezauberndste, die sich ein Mann nur vorstellen kann."
„Vielen Dank, sagte sie höflich. „Doch jetzt muß ich wirklich wieder in den Ballsaal zurück. Ich hätte ihn gar nicht verlassen dürfen, aber es war unerträglich heiß.
Er hielt sie zurück.
„Kein Grund zur Eile. Ihr Vater und Ihre Stiefmutter haben sich der königlichen Gesellschaft angeschlossen; ich sah sie zum Bankett gehen."
„Wo Sie, Mylord, vermutlich jetzt sein sollten."
„Ich zog es vor, mich mit Ihnen zu unterhalten."
„Dann sind Sie mir also gefolgt?"
„So ist es. Als ich Zeuge Ihrer Flucht wurde, behauptete ich von einem plötzlichen Unwohlsein befallen zu sein und ließ meine Tischdame allein und untröstlich zurück."
„Das war unnötig und nicht sehr liebenswürdig. Vielleicht wird sie jetzt nichts zu essen bekommen."
„Irgendein aufmerksamer und tüchtiger Stallmeister dürfte inzwischen meinen Platz eingenommen haben, bemerkte Lord Crowley. „Da ich aber Ihretwegen auf mein Abendessen verzichtet habe, müssen Sie mich zumindest entschädigen, daß Sie mir Gesellschaft leisten.
Tamara mochte den großen, dominierenden Mann nicht, und ihr Gefühl trog sie selten. Meist wußte sie sofort, ob sie einem Menschen trauen konnte oder ob es besser war, ihm aus dem Weg zu gehen. Das Wanderleben mit ihrem Vater von einem diplomatischen Posten zum anderen hatte sie Menschenkenntnis gelehrt. Ihre Erziehung mochte auf die eine oder andere Art vernachlässigt worden sein, jedoch mit Sicherheit nicht, soweit es Menschen und vor allem Männer betraf.
„Sie sind sehr schön, stellte Lord Crowley fest, wobei er Tamara wie ein preisgekröntes Pferd musterte. „Sind Sie verliebt?
Die Frage kam so unerwartet, daß sie ihn überrascht anblickte.
„Nein, natürlich nicht", gab sie empört zurück.
„Und doch sprechen Sie, als ob Ihnen dieses aufregende und unbegreifliche Gefühl nicht fremd wäre."
„Ich war noch nie verliebt."
„Aber Sie sehnen sich danach, sagte Lord Crowley. „Welche Frau möchte nicht dem Märchenprinzen ihrer Träume begegnen und glücklich bis ans Ende ihrer Tage mit ihm leben?
In seiner Stimme lag ein solcher Sarkasmus, daß Tamara unwillkürlich fragte: „Sie sind verheiratet, Mylord?"
„Ich war es, verbesserte er. „Seit ungefähr fünf Jahren bin ich Witwer.
„Das tut mir leid."
„Kein Grund, mir Ihr Mitgefühl anzubieten, sagte er. „Ich vermisse meine Frau nicht. Wir hatten nur sehr wenig miteinander gemein.
Tamara blickte ihn erstaunt an.
„Warum haben Sie dann geheiratet?"
Während sie sprach, wurde ihr klar, daß die Frage nicht nur reichlich impertinent, sondern auch sehr vertraulich war.
„Ich habe mich zu entschuldigen, rief sie schnell, bevor er antworten konnte. „Das hätte ich natürlich nicht sagen dürfen. Und jetzt, Mylord, muß ich wirklich in den Ballsaal zurückkehren.
Als sie einen Schritt auf die offene Fenstertür zutat, faßte er nach ihrer Hand.
„Bleiben Sie", sagte er, „ich möchte mit Ihnen sprechen, aber mehr als