81 jagd nach dem gluck
Von Barbara Cartland
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Buchvorschau
81 jagd nach dem gluck - Barbara Cartland
1 ~ 1885
Der Herzog betrat das Speisezimmer, und zwei der Damen, die gerade frühstückten, standen hastig auf.
»Guten Morgen, Hermione«, sagte er, und seine Augen ruhten einige Sekunden lang auf der rosigweißen Schönheit seiner Tochter.
»Guten Morgen, Papa«, antwortete Lady Hermione.
Schweigend schaute er zu dem Mädchen hinüber, das sich auf der anderen Seite des Tisches erhoben hatte.
»Guten Morgen, Onkel Lionel«, sagte es rasch.
Ohne etwas zu erwidern, gab er einen Laut von sich, der beinahe wie ein Stöhnen klang, und setzte sich ans Kopfende des Tisches.
Der Butler eilte herbei und stellte einen Silberständer mit der Times vor ihn hin, die im Anrichtezimmer sorgsam geglättet worden war. Ein Lakai brachte eine dampfende Kanne Kaffee und füllte eine Tasse für den Herzog, ein anderer reichte ihm eine mit Wappen verzierte Silberplatte.
»Schon wieder Bries?« fragte der Herzog. »Was gibt es sonst noch?«
»Nieren, Euer Gnaden, Speck mit Eiern und Lachs-Kedgeree.«
Der Herzog überlegte kurz, dann nahm er sich mit einer Miene, die besagte, daß er dies alles widerwärtig fand, etwas von dem zuerst angebotenen Bries.
»Du mußt müde sein, Lionel«, bemerkte die Herzogin in fürsorglichem Ton. »Gestern abend hatte der Zug größere Verspätung denn je.«
»Die Dienstleistungen bei der Eisenbahn werden immer schlechter«, entgegnete er. »Ich hatte gehofft, mit einem früheren Zug zu fahren, wurde aber aufgehalten.«
»Aufgehalten?«
»Davon wollte ich dir erzählen«, erklärte er in bedeutsamem Ton, und die Herzogin nahm an, daß er erst dann sprechen wollte, wenn die Dienstboten den Raum verlassen hatten.
Das Silbergestell mit heißen Toastscheiben und eine goldene Glocke wurden neben seinem Ellbogen platziert. Dann zogen sich der Butler und die Lakaien zurück, und sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, richteten sich drei erwartungsvolle Augenpaare auf das Kopfende der Tafel.
Der Herzog war ein attraktiver Mann. In seiner Jugend hatte er als äußerst hübsch gegolten, doch jetzt färbte sich sein Haar grau, und die tiefen Furchen in seinem Gesicht ließen ihn älter erscheinen, als er war. Trotzdem war er aufgrund seiner würdevollen, gebieterischen Haltung eine herausragende Persönlichkeit, wo immer er in Erscheinung trat. Und wie man wußte, genoß Königin Victoria, die sich gern mit gutaussehenden Männern umgab, seine Gesellschaft. Obwohl ihn dieser Umstand zu häufigen Reisen nach London zwang, fühlte er sich geschmeichelt, weil Ihre Majestät so oft Rat bei ihm suchte und auf seiner Anwesenheit bei zahlreichen offiziellen Veranstaltungen am Hof bestand.
Die Herzogin hatte die Jahre nicht so gut bewältigt wie ihr Mann. Bei der Hochzeit war sie ein hübsches blondes Mädchen gewesen, aber nun wirkte sie ein wenig verwelkt, was ihrer besonderen Ausstrahlung allerdings keinen Abbruch tat. Sie verbreitete eine Aura, die fremde Leute nervös machte und den Partys auf Langstone Castle eine steife Atmosphäre verlieh. Dadurch entwickelten sich diese Feste für jene, die das erste Mal daran teilnahmen, zur Qual.
Lady Hermione war der ganze Stolz ihres Vaters. Die hübsche junge Dame besaß einen makellosen, typisch englischen Teint, goldblondes Haar und Augen, die hellblau schimmerten wie Drosseleier. Vermutlich hätte man ihr nicht so viel Aufmerksamkeit und Bewunderung gezollt, wäre sie als unbedeutendes Mädchen ohne gesellschaftlichen Rang geboren worden. Doch da sie die Tochter eines Herzogs war, fügte der Glanz dieser Position ihrem Aussehen ein gewisses Flair hinzu. Deshalb wirkte sie in den Augen jener, die sie betrachteten oder sich in den Gesellschaftsspalten der Zeitungen über sie informierten, viel schöner, als es den Tatsachen entsprach.
Das zweite Mädchen am Frühstückstisch machte einen ganz anderen Eindruck. Alita Lang, die Nichte des Herzogs, fristete bei Onkel und Tante ein leidvolles Dasein und hielt sich nur dann in den vorderen Räumen des Hauses auf, wenn die Familie unter sich war.
Lady Hermione, stets nach der neuesten Mode gekleidet, trug ein Modell mit kunstvollen Drapierungen und Stickereien an der Vorderseite sowie einer üppigen Turnüre. Damit konnte Alita nicht mithalten. Ihr Kleid in häßlichem Braun - schmucklos und offensichtlich von ungeübter Hand angefertigt - ließ ihre Haut fahl erscheinen. Daran mochte es vielleicht liegen, daß ihr Onkel sie immer nur kurz und angewidert ansah, um sofort wieder wegzuschauen.
Aber Alita hatte sich längst daran gewöhnt, wie sie von ihren Verwandten behandelt wurde, und so fühlte sie sich nicht mehr verletzt. Als wäre sie durch diese Mißachtung ihrem eigenen Aussehen gegenüber völlig gleichgültig geworden, hatte sie ihr Haar zu einem unordentlichen Knoten am Hinterkopf zusammengesteckt. Sie bemühte sich nicht, einzelne Strähnen zu bändigen, die den Klammern entkommen waren und unkleidsam zu beiden Seiten ihres Gesichts herabhingen. Die Augen, die nun den Herzog betrachteten, waren grau und paßten zu ihrem Haar, dessen ungewöhnliche Farbe irgend jemand einmal als »aschblond« bezeichnet hatte. Aber das war vor langer Zeit gewesen. Damals hatten ihre Eltern und auch sie selbst großen Wert auf ihr Äußeres gelegt.
Jetzt nahm sie sich nur selten die Mühe, in den Spiegel zu schauen, wenn sie morgens aufstand. Und falls sie es manchmal tat, während sie sich für das Dinner umkleidete, dann nur, damit sie nicht ungekämmt aussah und ihre Tante zu einem Tadel veranlaßte.
»Was ich erzählen wollte . . .«, begann der Herzog nun in jenem gemessenen, pompösen Ton, der seine Zeitgenossen oft erzürnte. »Yeovil, der Treuhänder des armen D’Ardy, hielt mich im Club auf und besprach mit mir den Verkauf des Marshfield-Anwesens.«
»Es ist verkauft worden?« rief die Herzogin. »Warum hat mir das niemand mitgeteilt?«
»Soeben hast du es gehört, meine Liebe«, erwiderte er.
»Erst vor einer Woche fragte ich Mr. Bates, ob ein Käufer in Sicht sei«, beschwerte sie sich, »und er versicherte mir, für ein so großes Haus würde sich kaum jemand interessieren. ,Die Treuhänder hoffen, einen Millionär aufzutreiben‘, sagte er wortwörtlich.«
»Genau den haben sie gefunden.«
»Einen Millionär?«
»Einen Multimillionär«, erklärte der Herzog.
»Oh Papa, wie aufregend!« kreischte Hermione.
»Es ist in der Tat aufregend, Hermione«, bestätigte der Herzog. »Vor zwei Tagen machte mich der amerikanische Botschafter mit dem bewußten Gentleman auf Windsor Castle bekannt.«
»Der amerikanische Botschafter?« wiederholte die Herzogin.
»Der Käufer von Marshfield House stammt aus Amerika, meine Liebe.«
Die Herzogin war sichtlich beunruhigt, aber ehe sie ihre Gefühle in Worte fassen konnte, fuhr ihr Mann fort: »Glaub mir, Clint Wilbur ist ein sehr eindrucksvoller junger Mann. Ich habe ihn für heute abend zum Dinner eingeladen.«
»Heute abend?« stieß die Herzogin entsetzt hervor. »Dann bleibt mir viel zu wenig Zeit, um eine Party zu arrangieren.«
»Es muß keine Party sein. Ich glaube, Mr. Wilbur wird sich freuen, unsere Familie kennenzulernen.«
Während er antwortete, musterte er Hermione, und deren Mutter - keineswegs schwer von Begriff - erriet seine Gedanken.
»Aber ... ein Amerikaner!« sagte sie, als hätte er seine Überlegungen ausgesprochen.
»Soviel ich weiß, stehen die Wilburs in hohem Ansehen. Der Botschafter erzählte mir, sie seien mit den Vanderbilts und den Astors verwandt.«
»Ist er wirklich so reich, Papa?« erkundigte sich Hermione.
»Meinen Informationen zufolge gehört er zu den reichsten, begehrenswertesten amerikanischen Junggesellen. Er besitzt eine astronomische Anzahl von Ölfeldern, dazu Eisenbahnlinien, Schiffahrtsgesellschaften und - der Himmel mag wissen, was sonst noch alles.«
Endlich schien die Herzogin verstanden zu haben, worauf ihr Mann hinauswollte.
»Natürlich müssen wir unser Bestes tun und Mr. Wilbur helfen, sich hier einzuleben. Aber warum hat er einen so großen englischen Landsitz gekauft?«
»Das führt mich zu einem weiteren Punkt, den ich in Erfahrung gebracht habe«, entgegnete der Herzog voller Genugtuung. »Wilbur sagte mir, er wolle einige Pferde kaufen, insbesondere Jagdpferde. Er wird an der Quexby-Jagd teilnehmen.«
Nun wandte er sich zu seiner Nichte.
Offenbar vermutete er, sie wäre mit ihren Gedanken anderswo, denn er fragte in scharfem Ton: »Hast du mir zugehört, Alita?«
»Ja, Onkel Lionel.«
»Dann sei so nett und sorge dafür, daß die Pferde, denen du so viel Zeit widmest, möglichst gut aussehen, wenn Mr. Wilbur sie begutachtet.«
»Das werde ich tun, Onkel Lionel.«
»Ich werde mit Bates besprechen, welchen Preis wir verlangen sollen.«
»Ich weiß viel besser als Mr. Bates, was man bei einer Auktion dafür bekommen könnte«, sagte Alita.
Ein kurzes Schweigen trat ein, als würden dem Herzog die Kenntnisse seiner Nichte mißfallen. Doch dann nickte er widerstrebend.
»Also gut, ich werde das mit dir diskutieren. Jetzt erhältst du Gelegenheit, zu beweisen, daß du mir mit Recht eine so große Summe für unsere Stallungen entlockst hast.«
»Sicher wird Mr. Wilbur keine besseren Pferde finden, zumindest nicht in diesem Teil des Landes.«
»Hoffentlich irrst du dich nicht!«
»Verkauf bloß nicht zu viele Pferde, Papa!« bat Hermione schmollend. »Ich möchte mir für die Jagd in diesem Jahr die besten aussuchen. Die Tiere, die ich in der letzten Saison ritt, waren viel zu wild und machten mir richtig Angst.«
Alita blickte über den Tisch zu ihrer Kusine hinüber und überlegte nicht zum ersten Mal, welch ein Fehler es war, daß Hermione überhaupt ritt. Die Tochter des Herzogs fürchtete sich vor jedem Pferd, so sanft es auch sein mochte, und wirkte viel attraktiver, wenn sie in einer Kutsche oder einem Ponywagen zu einem Jagdtreffen und dann wieder nach Hause fuhr, ohne sich sportlich zu betätigen.
Doch Hermione wußte sehr wohl, daß ihr eine Jagd die günstigsten Chancen bot, wenn sie fern von der steifen Förmlichkeit ihres Elternhauses einen Gentleman kennenlernen wollte. Deshalb zwang sie sich jeden Winter, mit den Fuchshunden zu jagen, obwohl sie, was ihrer Kusine nicht entging, jede einzelne Sekunde eines solchen Ereignisses haßte.
»Wie viele Pferde möchte Mr. Wilbur kaufen?« fragte die Herzogin.
»Ich hoffe, eine ganze Menge«, entgegnete ihr Mann. »Wir können das Geld weiß Gott brauchen.«
Sie seufzte.
»Über dieses Thema wollte ich mit dir sprechen, Lionel, hatte aber beschlossen, bis nach deiner Rückkehr von Windsor zu warten.«
»Falls du mich um eine Erhöhung des Haushaltsgelds oder um völlig unnötige Dekorationsgegenstände bitten willst, kannst du dir den Atem sparen!« erwiderte er mit scharfer Stimme.
Dann lenkte er seine Aufmerksamkeit auf die Times, schlug sie unter lautem Geraschel auf und faltete sie säuberlich zusammen, um wie immer zuerst den Leitartikel zu lesen.
»Du hast leicht reden, Lionel!« klagte die Herzogin. »Aber die Vorhänge im Salon sind schon furchtbar fadenscheinig, und Hermione braucht ein paar neue Kleider für den Winter. Sie kann doch auf den Bällen nicht dieselben Sachen tragen wie letztes Jahr.«
Alita wußte, daß ein endloser Monolog drohte, sobald ihre Tante beginnen würde, eine Liste der Dinge