159 Hochzeit wider Willen
Von Barbara Cartland
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Über dieses E-Book
Doch jetzt ist auch ihre seit längerem kranke Mutter verstorben, was heißt, dass ihr Stiefvater nun ihr Vormund ist. Zu allem Uebel verspricht er einem schrecklich groben Mann namens Bernard Howell ihre Hand, ein Schicksal das sie schlimmer als den Tod findet.
Also sucht Helga Hilfe bei ihrer Tante Millicent wie ihre Mutter ihr vor deren Tod riet. Diese ist eine glamouröse Schauspielerin am Gaiety Theater – und wird ihr Leben für immer verändern.
Indem sie sich für eine „Rolle“ vorschlägt, für die sie tausende Pfund bezahlt bekommt und für die sie vorgeben muss die Verlobte des gutaussehenden Herzog Hugo von Rocklington zu sein, befindet sich Helga plötzlich auf dem Landsitz des begehrtesten Junggesellen der Gesellschaft.
Und trotz Tante Millicents strenger Instruktionen sich nicht in den Herzog zu verlieben, ist Helga zutiefst beeindruckt und findet ihre Rolle fast zu einfach.
All dies ändert sich plötzlich als Helga den gefürchteten Bernard Howell wiedertrifft, der sie mit seiner Peitsche verfolgt als sie zurück nach Rock Castle galoppiert damit der Herzog sie rettet.
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Buchvorschau
159 Hochzeit wider Willen - Barbara Cartland
1 ~ 1845
Die Kerzen im Ballsaal des Buckingham-Palasts strahlten genauso hell wie die Diamanten der Damen, die mit ihren Tiaras, Colliers und Ohrringen einen hinreißenden Anblick boten, während sie sich im Rhythmus eines Wiener Walzers wiegten.
Obwohl die Königin schon drei Kinder geboren hatte, tanzte sie ebenso unermüdlich wie die anderen, und ihre Augen leuchteten vor Glück. Seit ihrer Hochzeit hatte sie ihrer Tanzleidenschaft nicht mehr so eifrig frönen können wie in jenen Tagen, bevor der ernsthafte, gesetzte stattliche Prinz Albert ihr Herz erobert hatte. Aber an diesem Abend gefiel die fröhliche Musik, die manchmal von den lebhaften Stimmen der Gäste übertönt wurde, sogar ihrem Gatten.
Nur ein einziger Gast schien die Tanzpaare gelangweilt und zynisch zu betrachten, und er zog unweigerlich alle weiblichen Blicke auf sich, immer wieder. Der Herzog von Tynemouth war nicht nur so hochgewachsen, daß man ihn in einer Menschenmenge unmöglich übersehen konnte, sondern auch sehr attraktiv. Seine unwiderstehliche Anziehungskraft hinterließ Heerscharen gebrochener Herzen, wohin ihn sein Weg führte. An diesem Abend trug er den Hosenbandorden und weitere Auszeichnungen auf der Brust, die er zum Großteil für seine außergewöhnliche Tapferkeit erhalten hatte, und er sah wahrhaft königlich aus, während er seine Pflichten als Kammerherr Ihrer Majestät erfüllte.
Es war allgemein bekannt, daß die Königin gutaussehende Männer zu schätzen wußte. Zur Zeit ihrer Thronbesteigung war sie in den hübschen, verführerischen Lord Melbourne verliebt gewesen. Und nun glaubten manche Klatschbasen, sie würde trotz ihrer Zuneigung zu Prinz Albert großen Wert auf die ständige Anwesenheit des Herzogs legen.
Heute Abend tanzte sie sogar mit ihm, ein Gunstbeweis, der in den Kreisen der anderen Höflinge nicht unbemerkt blieb. Allerdings wußten sie auch, daß sie dem Herzog damit ein zweifelhaftes Vergnügen bereitete. Er tanzte höchst ungern, und die Damen, die sein flatterhaftes Interesse zu erregen suchten, konnten ihn nur selten aufs Parkett locken.
Nachdem der Walzer verklungen war, zog er sich in eine Ecke des Ballsaals zurück und begann ein Gespräch mit einem der Generäle, der sich wie üblich über die Kürzung des Heeresbudgets beklagte. Deshalb atmete der Herzog von Tynemouth erleichtert auf, als er die Gräfin von Langstone auf sich zukommen sah. Sie zählte zu den schönsten Frauen Englands, und wie der Herzog fand, übertraf sie ihren Ruf heute Abend noch.
Das Kleid mit dem weitschwingenden Rock betonte die unglaublich schmale Taille, die blendend weiße, mit Diamanten bestickte Spitzenborte am Ausschnitt die makellos geformten Schultern. Das Smaragdhalsband funkelte genauso geheimnisvoll und betörend wie ihre Augen.
Als sie neben dem Herzog stehenblieb, erinnerte er sich, daß er ihr erst vor wenigen Nächten gesagt hatte, sie wäre wie eine Tigerin im Dunkeln. Er fand diesen Vergleich äußerst passend angesichts ihrer wilden Leidenschaft und der Zielstrebigkeit, mit der sie auf die Jagd gegangen war, um ihn zu erobern. Eine Zeitlang war er ihr ausgewichen, allerdings nicht, weil sie ihm mißfallen hätte. Es war unmöglich, ihre magnetischen Reize zu ignorieren. Aber er hatte sich nicht mit der Gattin eines Mannes einlassen wollen, den er fast täglich im Buckingham-Palast traf.
Der Graf von Langstone war Oberhofmeister der Königin, und wenn der Herzog ihn auch langweilig und fast ebenso eigensinnig wie den Prinzen fand, hegte er nicht den Wunsch, sich mit diesem Mann zu verfeinden. Aber sobald die Gräfin ein Auge auf einen Mann geworfen hatte, fiel es diesem schwer, ihr aus dem Weg zu gehen. Und weil sie ihn so beharrlich verfolgt hatte, war der Herzog schließlich schwach geworden. Das bereute er keineswegs, doch er erklärte Aline Langstone immer wieder, sie müßten vorsichtig sein. Nur zu gut wußte er,1 daß die Klatschtanten einen Mann von seinem Ruf und eine so schöne Frau wie die Gräfin mit Argusaugen beobachteten.
„Um Himmels willen, Aline, hatte er sie letzte Woche eindringlich gebeten. „Behandle mich höflich, aber kühl, wenn wir uns in der Öffentlichkeit sehen. Diesen Klatschmäulern entgeht keiner noch so diskrete vertrauliche Geste.
„Ich weiß, sie hassen mich, aber falls sie uns verdächtigen, so wäre es nicht meine Schuld."
„Wer immer daran schuld wäre, das Ergebnis bliebe das gleiche. Man wird die Königin informieren, und du kannst dir vorstellen, wie sie auf einen solchen Skandal reagieren würde."
„Allerdings, hatte Aline mit scharfer Stimme erwidert. „Auch George kann sehr eifersüchtig sein.
Wie schon so oft, dachte der Herzog auch an diesem Abend, daß es ein Fehler gewesen war, ein Verhältnis mit der Herzogin anzufangen - obwohl er nichts bedauerte. Nun war es zu spät. Er konnte keinen Rückzieher mehr machen. Und wie er sich ehrlich eingestand, wollte er das auch gar nicht.
Nie zuvor hatte er eine Frau gekannt, die so unersättlich in der Liebe und bei jeder Begegnung so erfinderisch war, um ihn zu beeindrucken. Sie amüsierte und faszinierte ihn und erschien ihm wie eine zweite Circe. Und dies, nachdem er im Lauf der Jahre die zynische Überzeugung gewonnen hatte, eine Frau sei wie die andere. Keine seiner verflossenen Liebhaberinnen war so aufregend gewesen wie Aline, und da er auf reichhaltige Erfahrungen zurückblicken konnte, war seine Bewunderung ein aufrichtig gemeintes Kompliment.
Die gehörnten Ehegatten hielt er für schrecklich gefühllos oder selbstsüchtig, denn bevor sie ihn trafen, schienen sich ihre Ehefrauen ihrer geheimen Sehnsüchte nicht bewußt gewesen zu sein. Vielleicht lag das daran, daß er mit den Frauen genauso rücksichtsvoll umging wie mit seinen Pferden. Niemals würde er ein Pferd reiten, ohne alles über das Tier zu wissen, von der Aufzucht bis zu den individuellen Eigenarten, von den Aversionen und Raffinessen, die man bei jedem Tier fand.
Was die Frauen betraf, verhielt es sich im Grunde genauso. Bei jeder ging er auf ihre persönlichen Eigenschaften ein und nahm sich die Mühe, herauszufinden, was sie erfreute, um sie glücklich zu machen.
„Ich liebe dich, ich liebe dich", hatten ihm die Frauen unzählige Male zugeflüstert. Und wenn sie es nicht sagten, glaubte er, sie um die Wonnen der Liebe betrogen zu haben.
Nun überlegte er mit leicht gerunzelter Stirn, daß es ziemlich indiskret von Aline war, hier im Ballsaal seine Gesellschaft zu suchen, vor den Augen so vieler Gäste. Sie schien dem General interessiert zuzuhören, aber wie der Herzog wußte, fand sie seine Nähe ebenso aufreizend wie er die ihre.
Endlich tauchte ein rettender Engel in Gestalt einer älteren Dame auf, um den General anzusprechen.
„Sir Alexander, ich halte schon den ganzen Abend nach Ihnen Ausschau, sagte sie vorwurfsvoll. „Sie haben versprochen, mich zum Souper zu führen, und wenn wir jetzt nicht gehen, finden wir keinen Platz mehr.
„Verzeihen Sie, daß ich Sie so lange warten ließ, meine Liebe", erwiderte der General galant, bot ihr seinen Arm, und die beiden gingen davon.
Hastig wandte sich Aline Langstone an den Herzog.
„Ich muß dich unbedingt sehen, Ulric."
Er wollte sie schon wegen ihrer Indiskretion tadeln, aber der eindringliche Klang ihrer Stimme bestürzte ihn.
„Ist irgendetwas nicht in Ordnung?"
„Das kann ich dir hier nicht sagen ... Komm zu mir morgen Nachmittag - zum Tee ... Es ist sehr wichtig."
Nun hatte der Herzog in der Tat allen Grund zur Sorge. Bis jetzt war er dem Prinzip treu geblieben, niemals die Häuser seiner verheirateten Geliebten zu betreten. Das hatte ihm schon viele Unannehmlichkeiten erspart, denn die meisten Dienstboten fungierten als Spione ihrer Herren.
„Das wäre unklug", erwiderte er leise.
„Es gibt keine andere Möglichkeit ... Und ich muß dich unbedingt sehen. Ich habe dir etwas mitzuteilen, das dich betrifft. Es geht um deine Zukunft."
Verblüfft starrte er sie an. Als wüßte sie, daß er ihren Wunsch ohne Zögern erfüllen würde, wandte sie sich ab, um Freunde zu begrüßen, die soeben den Ballsaal betreten hatten.
Irritiert fragte er sich, was sie ihm sagen wollte und warum sie die Sache so dramatisierte. Es wär wohl am besten, einen weiten Bogen um das Haus der Langstones am Grosvenor Square zu machen und zu hoffen, Alines wichtige Neuigkeit könnte bis zur nächsten heimlichen Begegnung warten. Wie der Graf wußte, würden sie sich am Wochenende bei einer Abendgesellschaft treffen. Und da würden sie bestimmt Gelegenheit finden, unbeobachtet miteinander zu sprechen, vielleicht sogar ein paar Küsse zu tauschen.
Andererseits war Ulric daran gewöhnt, daß die Frauen es nicht erwarten konnten, wieder in seinen Armen zu liegen.
„Wie soll ich eine ganze Woche überleben, ohne dich zu sehen?" lautete eine jammernde Frage, die er oft zu hören bekam und nie zu beantworten wußte.
Aber weil Aline bisher verhältnismäßig diskret war, hat sie mir vielleicht doch etwas Wichtiges zu erzählen, überlegte er, während er in einen anderen Teil des Ballsaals ging. Allerdings war es schon vielen Frauen ungemein ,wichtig' gewesen, seine Zärtlichkeiten zu genießen und seine Lippen auf den ihren zu spüren.
So attraktiv er die Gräfin von Langstone auch fand - der Herzog hatte nicht die Absicht, einen überflüssigen Skandal heraufzubeschwören. Die Königin erwartete von den Untertanen, die ihr im Palast dienten, einen moralisch einwandfreien Lebenswandel. Er hatte sich schon oft ironisch gesagt, daß er im falschen Zeitalter geboren war. Unter der Herrschaft Georgs des Vierten, des Onkels Ihrer Majestät, hätte er das Leben bestimmt amüsanter gefunden. Damals waren Indiskretionen im Palast an der Tagesordnung gewesen, und jeder, der sich diskret verhalten hatte, war wie ein Weltwunder bestaunt worden. Aber als die Königin, ein unschuldiges junges Mädchen, den Thron bestiegen hatte, war ihr jegliche Unmoral ein Greuel gewesen. Und nun machte ihr Gemahl, Prinz Albert, mit seiner deutschen Strenge und seinem lutherischen Gewissen den attraktiven Männern das Dasein noch schwerer.
„Verdammt! hatte ein Freund des Herzogs einmal gerufen. „Wir könnten genauso gut in ein Kloster gehen.
„Ich bezweifle, daß wir unsere Probleme auf diese Weise lösen könnten, Charles", hatte der Herzog spöttisch erwidert.
„Wenigstens würde ich dann nicht mehr Prinz Alberts Atem im Nacken spüren und ihn über die verlotterte Moral dieses Landes wettern hören - in einer Art und Weise, die nur zu deutlich ausdrückt, daß er mich meint."
„Vielleicht bist du überempfindlich."
„Unsinn! Du weißt genauso gut wie ich, daß die Deutschen schrecklich intolerant sind, was menschliche Schwächen betrifft, und der Prinz bildet da keine Ausnahme."
Ulric hatte seinem Freund mehr oder weniger recht geben müssen.
Prinz Albert war im Herzen ein Coburger. Mochte er auch manchmal scheu und verlegen wirken - er achtete stets auf würdevolle Haltung und den Einfluß seines moralischen Gewissens. Sicher besaß er viele gute Eigenschaften, aber es mangelte ihm an Humor. Und weil er so übertrieben ernsthaft und respektabel war, fanden ihn viele leichtlebige Aristokraten entsetzlich langweilig.
Während Ulric die Gäste im Ballsaal beobachtete, überlegte er, daß sich England in Gestalt dieser schönen Frauen und eleganten Männer, die ihre glitzernden Orden ganz unbefangen zu tragen wußten, von seiner besten Seite zeigte. Doch diese lässige Lebensart war dem Prinzen fremd, und so fühlte er sich in seinem eigenen Haus als Außenseiter.
Plötzlich verspürte der Herzog große Lust, zu gähnen und nach Hause zu gehen. Eigentlich müßte es jetzt genug sein. Für eine kleine Weile fand er die königliche Gesellschaft ganz nett, aber es störte ihn, daß man sich bei solchen Festen niemals zwanglos amüsieren konnte. Ginge es nach ihm, müßte ein Abend wie der heutige nicht allzu oft wiederholt werden.
Aline tanzte im Arm eines Generaladjutanten vorbei und warf ihm einen Blick zu, den er nicht mißdeuten konnte. Sekundenlang fragte er sich, ob dieser Ausdruck in ihren schönen grünen Augen vielleicht zu verräterisch war. Doch dann lachte sie ihren Partner an, und Ulric erkannte, daß niemand diesen Blick bemerkt hatte - und wenn doch, falsch verstehen würde. Wie hinreißend sie aussah ... Ulric freute sich auf das Wochenende, wo sie unter einem Dach schlafen würden. Die Gastgeberin wußte, was man von ihr erwartete. Sicher würde sie so manchen heimlichen Liebespaaren auf subtile Weise zu einem ungestörten Beisammensein verhelfen.
Aber warum sollte er bis zum Wochenende warten, wenn Aline ihn für morgen zum Tee eingeladen hatte? Sicher mochte es ein Fehler sein, das Haus der Langstones zu besuchen, während sich der Graf in London aufhielt. Andererseits hatte sie mit solchem Nachdruck betont, wie wichtig die Angelegenheit wäre, daß Ulrics Neugier geweckt war. Und der Blick, den sie ihm soeben geschenkt hatte, verriet unmißverständlich, wie sehr sie sich nach ihm sehnte.
Also gut, ich werde sie besuchen, beschloß er. Lächelnd verließ er den Ballsaal.
Am nächsten