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Die Saison von Lady Chastity: Die Unerschrockenen Debütantinnen, Buch 4, #4
Die Saison von Lady Chastity: Die Unerschrockenen Debütantinnen, Buch 4, #4
Die Saison von Lady Chastity: Die Unerschrockenen Debütantinnen, Buch 4, #4
eBook259 Seiten3 Stunden

Die Saison von Lady Chastity: Die Unerschrockenen Debütantinnen, Buch 4, #4

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Über dieses E-Book

Lady Chastity Neville steht seit Jahren im Schatten ihrer älteren Schwester. Aber während Blaustrumpf Prudence sich vielleicht damit begnügt, ihre Stunden allein mit einem Buch zu verbringen, sehnt sich Chastity heimlich danach, ihr Dasein als Mauerblümchen abzustreifen. Als sie einen alten Brief findet, aus dem hervorgeht, dass ihre Mutter möglicherweise eine skandalöse Vergangenheit hinter sich hatte, wird Chastity von dem Geheimnis dieser Frau angezogen, die sie nie gekannt hat. In dieser Weihnachtszeit ist sie entschlossen, die Wahrheit aufzudecken - und einen eigenen Skandal auszulösen.

Bastian Stanhope, der Earl of Mansfield, hat sein Leben nach den Wünschen anderer gelebt. Die Sorge für seine kranke Mutter ist seine Hauptverantwortung. Aber als er Lady Chastity kennenlernt, fühlt er sich von ihrem Mitgefühl und ihrem abenteuerlichen Geist angezogen. Zum ersten Mal denkt er über seine eigene Zukunft nach. Weihnachten ist die Zeit des Jahres, in der Fröhlichkeit und Spiele an der Tagesordnung stehen, und Bastian ist bereit, ein bisschen zu wagen, um das Herz von Chastity zu gewinnen.

Die Küsse unter dem Mistelzweig könnten vielleicht dafür sorgen, dass Chastitys Bestreben, einen Skandal aufzudecken, in die Liebe ihres Lebens mündet ...

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum15. Sept. 2019
ISBN9781071504017
Die Saison von Lady Chastity: Die Unerschrockenen Debütantinnen, Buch 4, #4
Autor

Christina McKnight

USA Today Bestselling Author Christina McKnight writes emotionally intricate Regency Romance with strong women and maverick heroes.Christina enjoys a quiet life in Northern California with her family, her wine, and lots of coffee. Oh, and her books...don't forget her books! Most days she can be found writing, reading, or traveling the great state of California.Sign up for Christina's newsletter and receive a free book: eepurl.com/VP1rPFollow her on Twitter: @CMcKnightWriterKeep up to date on her releases: christinamcknight.comLike Christina's FB Author page: ChristinaMcKnightWriterJoin her private FB group for all her latest project updates and teasers! facebook.com/groups/634786203293673/

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    Buchvorschau

    Die Saison von Lady Chastity - Christina McKnight

    WIDMUNG

    Für jeden Leser, der an den

    ZAUBER der Weihnachtszeit glaubt!

    PROLOG

    Downshire Place

    London, England

    Oktober 1815

    Lady Chastity Neville stieg die endlos scheinende Treppe hinauf, um ihr Ziel zu erreichen: den Dachboden des Downshire Place. Ihre Beine brannten bei der Anstrengung, die nötig war, um an den höchsten Punkt des Londoner Stadthauses ihrer Familie zu gelangen. Es war viele Jahre her, seit sie den Dachboden das letzte Mal aufgesucht hatte. Obwohl die muffige, abgestandene Luft sie immer wieder in die häufiger genutzten Stockwerke des Hauses zurückgetrieben hatte, hatten sie und ihre ältere Schwester Prudence es immer noch geliebt, sich zwischen den alten, staubigen Koffern und den mit Stoffen zugedeckten antiken Möbeln zu verstecken. Wenn sie früher hier oben gewesen waren, hatten sie Trost in der Nostalgie der Vergangenheit gesucht: Erinnerungen an ihr Leben, bevor ihr älterer Bruder weggezogen war und ihr Vater sich eine weitere Frau genommen hatte... eine Frau, die kaum älter war als Chastity selbst.

    Doch dieses Mal ging es ihr in dem längst vergessenen, höhlenartigen Raum über den Quartieren der Dienerschaft nicht darum, sich zu verstecken - oder dem Leben zu entkommen.

    Sobald die heruntergekommene Tür in ihren rostigen Scharnieren aufschwang, bemerkte Chastity, dass sich der Dachboden nicht verändert hatte, und es schien - zumindest aufgrund der dicken Staubschicht auf jeder Oberfläche, einschließlich der Fußböden -, dass seit ihrem letzten Besuch niemand den Raum betreten hatte.

    Es war tröstend, und gleichzeitig ärgerte es sie.

    Das unbeachtete Zimmer war ihr und Prudences Mutter sehr ähnlich.

    Vergessen.

    Etwas aus einer vergangenen Zeit, das weggesperrt und aus den Gedanken gelöscht werden sollte.

    Normalerweise würde sie sich aus ihren Erinnerungen nicht viel machen. Aber Chastity erinnerte sich nicht an ihre Mutter, Lady Downshire, Clara Neville, die zweite Frau des Marquis of Downshire.

    Beeil dich, drängte Prudence auf dem Treppenabsatz hinter ihr. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.

    Merkwürdigerweise hatten sie den ganzen Tag Zeit. Ohne ihre Pläne dafür ändern zu müssen, konnten sie vierzehn Tage auf dem Dachboden bleiben, bevor irgendjemand ihre Abwesenheit bemerkte. Ihr Vater war nicht in London, sondern besuchte seine dritte Frau Esmee in ihrem neuen Zuhause, und Triston, ihr Bruder, wohnte mit seiner Frau in einem Stadthaus, das sie sich am Berkeley Square gekauft hatten.

    Chastity würde natürlich ihrer Schwester gegenüber nicht die Fülle an Freizeit erwähnen, die sie zur Verfügung hatten. Stattdessen betrat sie den muffigen Raum, um die Sammlung an alten Truhen zu begutachten, die sich in der Mitte des Raums befanden. An den Wänden standen alle möglichen Stücke aus ihrer gemeinsamen Kindheit.

    Ihr Kinderbett, zwei Schaukelstühle und ein großer lavendelfarbener Kleiderschrank.

    Die einzigen Überreste ihrer Kindheit. Chastity sehnte sich danach, die winzigen Stühle zu betrachten oder das Kinderbett anzuschieben, bis es leicht hin und her schaukelte.

    Triston hatte ihnen Geschichten erzählt, wie ihr Vater seine beiden kleinen Mädchen angehimmelt hatte. Wie er sie hielt, zu ihnen sang und sie in den Schlaf wiegte - eine in jedem seiner Arme. Trotz der zehn Monate, die Chastity und Prudence voneinander trennten, waren sie in Größe und Aussehen immer nahezu identisch gewesen.

    Weder Chastity noch Pru erinnerten sich an diese zarten Momente mit ihrem Vater. Sie waren genauso schwer fassbar wie Erinnerungen an ihre Mutter.

    Die Weichheit der Haut von Chastitys Mutter, die Melodie ihrer Stimme, der Geruch ihrer Haare ... das waren alles Dinge, die Chastity niemals erfahren würde.

    Mit hochgehaltenem Kerzenhalter schob sich Prudence an Chastity vorbei und stampfte durch den Raum. Ihr Schatten waberte geheimnisvoll und bedrohlich an der Wand entlang. Ich verstehe immer noch nicht, warum wir hierher kommen sollten.

    Chastity schob ihre Hand in die Tasche ihrer Schürze und spürte die Einladung, die mit der Morgenpost eingetroffen war.

    Lady Luci heiratet Montrose, und wir müssen was zum Anziehen finden, erwiderte Chastity.

    Wir haben zwei Schränke voll mit Kleidern aller Farben und Stile in unserer eigenen Kammer zur Auswahl.

    "Geeignete Kleider. Chastity seufzte. Sie wollte mit ihrer Schwester keinen weiteren Streit anfangen. Es wird eine Weihnachtshochzeit mit vier Tagen voller Aktivitäten. Wir brauchen etwas Besonderes."

    Es ist ja nicht so, als würde uns irgendwer beachten, solange Edith, Luci und Ophelia anwesend sind. Prudence stellte den Kerzenhalter auf einen niedrigen, staubigen Tisch. Und das ist genau so, wie wir es wollen.

    Wir ... sie ... die anderen.

    Das waren die üblichen Worte, die jeder in ihrer Bekanntschaft verwendete, wenn er von den Neville-Schwestern sprach.

    Ein Paar.

    Ein passendes Pärchen.

    Ununterscheidbar voneinander.

    Viele vermuteten, dass sie Zwillinge waren, doch niemand verschwendete Zeit darauf, eine der beiden Schwestern kennenzulernen. Wenn sie es tun würden, würden sie schnell herausfinden, dass es bei Chastity mehr gab, als sie an der Oberfläche sahen.

    Ärger flammte in Chastity auf. Sogar Prudence sah sie als zwei gleichgesinnte Frauen, die für ihre Zukunft das Gleiche wollten.

    Nämlich im Schatten zu bleiben. Mauerblümchen, die sich damit begnügten, ihre Jugend zu verschwenden, bis sie als alte Jungfern nur noch eine Last waren.

    Wenn jemand an einer Soiree teilnahm, musste er lange und genau hinschauen, um die Neville-Schwestern zu entdecken, die sich in den Palmen am Rande des Ballsaals oder im Schatten der Veranda versteckten.

    Chastity hatte es satt, in der Rolle des Mauerblümchens festzustecken. Ein gesichtsloses Fräulein ohne Aussicht auf eine Zukunft, trotz ihrer reichen, betitelten Abstammung.

    Edith, Luci und Ophelia zu sehen, wie sie sich verliebten, war genug gewesen, um in Chastity die Sehnsucht zu wecken, dass ihr das auch passieren würde. Es gab weitaus schlimmere Schicksale als eine Verbindung mit einem schneidigen und gutaussehenden Lord einzugehen, der nur Augen für sie hatte. Ihre und Prudences erste Saison war alles andere als herausragend gewesen, und es gab keine Lords - oder überhaupt irgendeinen Gentleman - der sich für die beiden interessiert hätte. Es hatte keine gesellschaftlichen Besuche von Matronen gegeben, die nach vorteilhaften Verbindungen für ihre adligen Söhne suchten, keine Ausflüge mit eleganten Lords im Hyde Park und keine Bitte um einen Tanz.

    Lady Luciannas Hochzeit zu Weihnachten mit Montrose wäre jedoch die perfekte Gelegenheit für Chastity, ihre Zeit als Mauerblümchen hinter sich zu lassen. Fünf herrliche Tage auf Montroses Landgut, Oxburgh Hall. Es würde Reitausflüge geben, Scharaden, Kartenabende, eine Hochzeit ... alles gipfelte in einem großen Ball, um das Ehepaar zu feiern. Chastity hatte sogar gehört, dass es eine Fuchsjagd geben sollte.

    Es sollte eine kleine Feier von Familienmitgliedern und engen Freunden sein, was bedeutete, dass die heiratsgierigen Debütantinnen des Londoner Beau Monde nicht anwesend sein würden - obwohl Montrose sicher seine Freunde einladen würde. Vielleicht befanden sich darunter ein paar ungebundene, gutaussehende Herren in heiratsfähigem Alter.

    Chastity achtete darauf, ihre Aufregung nicht sichtbar werden zu lassen, als sie sich neben einen großen Koffer kniete und den Deckel öffnete. Während ihrer Kindheit waren sie und Pru ihrer Gouvernante immer wieder entkommen und die Treppen hinaufgelaufen, um Stunden damit zu verbringen, in die alten Gewänder ihrer Mutter zu schlüpfen, ihre seidenen, ellenbogenlangen Handschuhe anzuprobieren und auf dem Dachboden zu tanzen. Jedes Kleid war maßgeschneidert und aus feinster Seide, Satin und Musselin gefertigt.

    Wenn Chastity wahrgenommen werden wollte, brauchte sie das perfekte Kleid für den großen Ball.

    Der Koffer enthüllte eine Fülle von Stoffen in allen Farben: leuchtender Smaragd, Kanariengelb, Blutrot, Mandarinenorange und Königsblau. Satin, Seide und Brokat. Feine Spitze und Perlenbesätze.

    Jedes Kleidungsstück war exquisit schön, und von keinem von ihnen hätte sie jemals geträumt, es außerhalb der Grenzen ihres Stadthauses zu tragen.

    Seit ihrer Einführung in die Gesellschaft zu Beginn der Saison bevorzugten Pru und Chastity pastellfarbene Kleider mit bescheidenen Ausschnitten und wenigen Verzierungen.

    Nichts davon ist passend. Pru verschränkte die Arme über dem Oberteil ihres Morgenkleides und klopfte mit ihrem knöchelhohen Stiefel auf den Boden.

    Wenn sie ein paar Monate zuvor die Roben durchsucht hätten, hätte Chastity ihrer Schwester zugestimmt. Sie alle waren viel zu kühn mit ihren kaskadenartigen Ausschnitten und Perlenverzierungen, die mit Sicherheit Beachtung finden würden.

    Seit der Einführung von Chastity in die Gesellschaft hatte sich jedoch viel geändert.

    Sie griff in den Koffer und zog ein königsblaues Kleid heraus. Die Seide war zerknittert, weil sie jahrelang auf dem Dachboden versteckt gewesen war, aber ohne weitere Schönheitsfehler. Es hatte einen gewagten Ausschnitt, eine hohe Taille, angeschnittene Ärmel und schwarze Perlen, die in die Falten und über dem Mieder eingenäht waren.

    Das Kleid war exquisit.

    Perfekt für einen Weihnachtsball.

    Du kannst doch nicht ein solches Kleid tragen, schnaubte Prudence.

    Ich werde genau das tun. Chastity hielt das Kleid gegen ihren Körper. Die Länge war perfekt, und der Stil schien beinahe zu gewagt zu sein, für ein Kleid, das mindestens fünfzehn Jahre alt war. Hilf mir, es anzuziehen.

    Chastity drückte das Kleid Pru in die Hand und fing an, die Reihe aus schwarzen Perlmuttknöpfen zu lösen, die den Rücken hinunterlief. Sie weigerte sich, ihrer Schwester Gelegenheit zu geben, Einwände zu erheben.

    Prudences zusammengekniffene Augen drückten eindeutig ihre Missbilligung aus und machten Worte überflüssig, obwohl ihre Schwester nie eine Gelegenheit ausließ, jemanden, der gerade an ihr vorbeiging, für einen Fehlgriff zu verurteilen. Es wird zu viel Aufmerksamkeit erregen.

    Was ist schlecht daran? Chastity war mit den Knöpfen fertig, griff nach dem Saum und bedeutete ihrer Schwester, ihr dabei zu helfen, das Kleidungsstück über den Kopf zu ziehen.

    Mit nur einem kleinen Seufzer hielt Prudence das Kleid hoch, als es über Chastitys Körper und über ihr Morgenkleid glitt. Es war ein bisschen eng an ihren Hüften, aber ansonsten umhüllte sie das Kleid an den richtigen Stellen. Chastity glättete das Kleid mit ihren Händen, und ihre Augen schlossen sich, als sie sich vorstellte, wie ihre Mutter in diesem Kleid an einer Soiree teilnahm. Es dauerte nicht lange, bis das Bild verblasste, da Chastity tatsächlich nur ein Bild von ihrer Mutter besaß. Es war ein Porträt, das über dem Kamin im gemeinsamen Zimmer der Schwestern aufgehängt war. Ihre Mutter saß dort hochschwanger, hielt vorsichtig einen Säugling in ihren Armen, und ihr Vater stand starr und steif hinter seiner Frau, die Hände an den Seiten herabhängend.

    Das Familienporträt war nur drei Wochen vor der Geburt von Chastity in Auftrag gegeben worden - ihre Geburt, bei der ihre Mutter gestorben war. Es wäre fast in den Müll geworfen worden, als ihr Vater Esmee, seine dritte und jetzige Frau, heiratete.

    Chastity öffnete ihre Augen und betete, dass die Erinnerungen sich verflüchtigen würden.

    Es sieht wirklich gut an dir aus, gab Prudence mit gerunzelter Stirn zu. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, warum du so etwas tragen möchtest.

    Chastitys Ärger über die schlechte Laune ihrer Schwester verflog. Es war nicht Prudences Schuld, dass Chastity immer zu zurückhaltend gewesen war, um über ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu sprechen, oder dass ihre Wünsche sich in keiner Weise mit Prus Bedürfnis in Einklang bringen ließen, im Schatten zu bleiben.

    Danke, liebe Schwester. Chastity starrte auf die offene Truhe. Was ist mit dir? Du wirst auch ein Abendkleid brauchen.

    Pru winkte bei der Frage ihrer Schwester ab. Ich habe ein hellgrünes Musselin-Kleid, das ich noch tragen muss. Es wird ausreichen.

    Es hatte Chastity immer erstaunt, dass ihre ältere Schwester so sehr damit zufrieden war, am Rande der Gesellschaft zu bleiben. Während die neuesten Debütantinnen durch Ballsäle und Gärten in ganz London stolzierten und vorgeführt wurden, blieb Prudence unsichtbar. Sie machte sich nichts aus tanzen oder der Gesellschaft.

    Sie war bestrebt, alles andere als eine erfolgreiche Debütantin zu sein.

    Und weil sie einander so nahe standen, nahm Prudence an, dass Chastity dasselbe wollte. Das lag vermutlich an all den Jahren, die sie zusammen verbracht hatten, untrennbar miteinander verbunden, wie es die meisten Geschwister nie geschafft hatten. Sie hatten ihre Mutter verloren, bevor sie sie kannten. Mit der Wiederverheiratung ihres Vaters hatten sie ihn in gewisser Weise auch verloren - obwohl er noch sehr lebendig war.

    Ihr Bruder Triston war alles, was Prudence und Chastity nicht waren. Er sah auf eine griechisch-halbgöttliche Art gut aus, oder zumindest behauptete dies gern Tristons Frau, Edith. Chastity hatte nie einen Mann getroffen - und auch keine Frau -, der oder die nicht zu Triston hingezogen war. Trotz der Aufmerksamkeit und der Aufregung um ihn herum war er demütig und freundlich. Vor allem liebte er seine jüngeren Schwestern. So sehr, dass er während der ganzen Saison an ihrer Seite gewesen war und jeden Ball, jedes Musical und jeden Ausflug im Park mitgemacht hatte.

    Niemals hatte er sie dazu gedrängt, etwas zu sein, was sie nicht waren.

    Zu dritt hatten sie sogar hin und wieder ein Abenteuer erlebt ... und ihre Stiefmutter als die abscheuliche Frau entlarvt, die sie war. Doch das war, bevor Triston Lady Edith seine Liebe erklärt hatte - und viele Monate, bevor Lady Lucianna den Herzog von Montrose getroffen hatte.

    Durch Triston hatte Chastity Edith, ihre neue Schwägerin, und Ediths Busenfreundinnen Ophelia und Lucianna kennengelernt.

    Seit sie die jungen Frauen kennengelernt hatte, empfand Chastity immer mehr Sehnsucht danach, ihre Zeit als Mauerblümchen zu beenden. Sie wünschte, sie hätte Lucis schüchternes Lächeln, oder Ediths offensichtliche Natur, oder Ophelias abenteuerlichen Geist.

    Ihr Aufenthalt auf dem Landsitz von Montrose würde Chastity die Freiheit geben, diejenige zu sein, die sie sein wollte, aber in relativ kleinem Kreis. Sie war nicht bereit, vor ganz London für Aufsehen zu sorgen. Ein paar Abenteuer in Oxburgh Hall konnten jedoch nicht schaden. Sie könnte feststellen, dass sie es genoss, oder vielleicht würde sie auch bemerken, dass ihr dieses Leben gar nicht lag. So oder so war Chastity entschlossen, herauszufinden, wer sie sein könnte.

    Sie und Pru konnten nicht immer zusammen bleiben.

    Lass dir das Kleid ausziehen. Der ganze Staub in diesem Raum bleibt daran kleben. Prudence ergriff die Röcke des blauen Kleides und hob es über Chastitys Kopf, wobei ein Knopf kurz an Chastitys hellbraunen Locken hängenblieb und einen scharfen Schmerz durch ihre Kopfhaut schickte.

    Sie streckte die Hand aus und entwirrte ihre Haare, als ein Stück Papier zwischen ihr und Pru auf den Boden flatterte.

    Sie erstarrten beide und blickten auf das Stück Pergament.

    Als sie noch jünger gewesen waren, hatten sie den Koffer so oft durchsucht, doch nie bemerkt, dass Papiere in den Falten der Kleider steckten.

    Das Objekt schien ein akribisch gefalteter Brief zu sein, dessen Papier vom Alter vergilbt war. Was auch immer darauf geschrieben war, schimmerte nicht durch das dicke Briefpapier.

    Was denkst du, was es ist?, flüsterte Prudence atemlos, als der Blick ihrer braunen Augen den von Chastity suchte.

    Ich habe keine Ahnung. Aber Chastity würde es herausfinden. Sie beugte sich vor und hob das Papier auf. Ihre Hand zitterte, als sie den Zettel langsam auffaltete. Sie überflog die Seite und war schockiert, als sie die kritzelnde, ausgesprochen weibliche Schrift entzifferte. Es scheint eine Art Brief zu sein ...

    Prudence entriss ihr das Papier und kniff die Augen zusammen, als sie sich bemühte, im trüben Licht zu lesen. Nach einem kurzen Moment trat sie näher an den Kerzenleuchter heran.

    Was steht denn drin?

    Es ist Mutters Handschrift. Genau wie auf dem Briefpapier in ihrem Schreibtisch. Prudences unruhiger Ton hätte Chastity besorgt machen sollen, aber stattdessen trat sie näher und war gespannt, die Handschrift ihrer Mutter zu sehen und die Worte zu lesen, die sie geschrieben hatte. Das ist eigenartig.

    Gib es her, forderte Chastity. Sie kannten beide nur einige wenige Notizen, die ihre Mutter aufgeschrieben hatte - einen Zettel, eine Küchenliste und einen Essensvorschlag für eine Dinnerparty, die ihre Eltern vor Chastitys Geburt veranstaltet hatten.

    Warte doch, ich werde es dir vorlesen. Prudence räusperte sich und begann.

    Mein liebster Cam.

    Mein Herz schlägt immer für dich - und nur für dich. Meine Seele pocht vor purer Qual, wenn du nicht in der Nähe bist. Mein größter Wunsch ist es, dass deine Wünsche mit meinen übereinstimmen. Trotz meiner Abwesenheit - und diese Zeit war einfach furchtbar - waren es nur die Gedanken an dich, die mich während unserer Trennung bei Verstand gehalten haben. Wenn dein Herz bei meinem Anblick zu schlagen beginnt, so bitte ich dich ... triff mich nach dem zweiten Cotillion. Auf der Terrasse vor dem Arbeitszimmer meines Vaters. Wir werden in dieser Nacht endlich eins sein, auch wenn es vielleicht alles ist, was wir jemals haben werden.

    Mit all meiner Liebe und größter Sehnsucht

    Clara

    Chastity drückte ihre Handflächen an ihre Wangen, weil sie sich über die geschriebenen Worte ihrer Mutter schämen musste. Die Notiz sollte privat sein, und sie konnte sich dem Gefühl nicht entziehen, auf ein lang gehütetes Geheimnis gestoßen zu sein.

    Liebe. Begehren. Sehnsucht.

    In dem Brief war alles das enthalten, was sich in den letzten Monaten in Chastitys Kopf angesiedelt hatte.

    Wer ist Cam?, fragte Prudence, Verärgerung in ihrem Tonfall offensichtlich.

    Der Brief hatte Chastity so überrascht, dass sie nicht bemerkt hatte, dass Liebster Cam sich eindeutig nicht auf ihren Vater, Horace Neville, beziehen konnte. Ich habe keine Ahnung.

    Plötzlich dachte Chastity nicht mehr an die Worte der Liebe und Anbetung, sondern daran, dass ihre Mutter von Trennung gesprochen hatte. Wann waren ihre Mutter und ihr liebster Cam getrennt worden und warum? Nie hatte sie die Liebe ihrer Mutter zu ihrem Vater in Frage gestellt, obwohl seine vielen Affären allen, die am Downshire Place lebten, allgemein bekannt waren. Zu erfahren, dass das Herz ihres Vaters für eine andere schlug, hätte sie oder Pru nicht überrascht. Aber ihre Mutter?

    Sie sah ihre ältere Schwester an und brauchte eine Antwort. Die einzige Erklärung, die Chastity fassen konnte, war, dass ihre Mutter einen anderen geliebt hatte. Dass sie gezwungen worden war, sich von ihm zu entfernen ... doch sie hatten einen anderen Weg gefunden, um zusammen zu sein.

    Aber wo hatten sie sich ineinander verliebt?

    Wann hatten sie geplant, sich auf der Terrasse zu treffen?

    ... und

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