Fidibus und die Gemme der Venus: Ein Mönch Fidibus Krimi
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Über dieses E-Book
Denise Remisberger
Denise Remisberger, geboren am 13.12.1967 in St. Gallen, Schweiz; Berufe: Autorin, Kunstmalerin, mediale sowie psychologisch-astrologische Beraterin, Übersetzerin und eidg. dipl. Kauffrau.
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Buchvorschau
Fidibus und die Gemme der Venus - Denise Remisberger
Vorwort
Während Papst Johannes XII. in Rom den Vatikan zu einem Bordell umfunktionierte, König Otto der Grosse das Ostfrankenreich plus Oberitalien und baldige Heilige Römische Reich durch die Stärkung des Reichsepiskopats durchmauschelte, was den treu ergebenen Bischöfen, Äbten und Äbtissinnen immer mehr königliche Befugnisse und den eigensinnigen Stammesherzögen immer weniger einräumte, Bischof Konrad von Konstanz unermüdlich Bauwerke nach ihren Vorbildern in Jerusalem und Rom errichtete, die Herrschenden des Herzogtums Schwaben, Burchard III. und seine Frau Hadwig, nicht immer einer Meinung waren und Abt Craloh im Kloster Sankt Gallen seine Mönche terrorisierte, verschwand eine Ladung wertvolles Holz in undurchsichtigen Kanälen, was Fidibus, Cellerar des Klosters Sankt Gallen, im Juni des Jahres 957 eine rutschige Reise ins Rheingau abverlangte, wo er einer geheimnisvollen Möchtegernnonne begegnete und daraufhin das tatkräftige Burgfräulein Siegelinde und ihren Panzerreiter Blage sowie den stets auch auf den eigenen Vorteil bedachten Spion des Bischofs, Furdin, mit seiner Freundin, der in Sachen Furdin zwar etwas naiven, doch ansonsten aufgeweckten Laienschwester Helwi, wohl oder übel in die Angelegenheit miteinbeziehen musste.
1
Und da sass sie nun. Sie war den weiten Weg aus Italien hergekommen, und das alles aus einer Laune heraus. Obwohl. Eine Laune war es genau genommen nicht gewesen. Eher Wut. Ja. Sie hatte sich wieder mal unglaublich geärgert. Über die Tante, über den Vetter, über sich selber. Vor allem über sich selber. Wie hatte sie nur so blöd sein können, diesem fremden Mann zu vertrauen. Er wollte dafür zahlen. Ja sicher, wieso nicht. Das hatte sie schon ein paarmal gemacht. So blöd war sie nun auch wieder nicht, dass sie ihren Körper gratis hergab. Schliesslich sah sie toll aus und war jung. Wieso nicht etwas dazuverdienen, bei dem, das die Tante ihr gab: nämlich bloss Kost und Logis. Das war nun wirklich zu wenig für all die Schufterei für das Erzbistum Mailand. Die Tante lieferte Gemüse. Und Eier. Und Kräuter. Und vielleicht mal ein zähes Huhn. Viel war es nicht, das für sie selber übrig blieb. Aber sie hatte mehr, als viele andere hatten, denn sie zweigte immer mal etwas hinterrücks für sich und zum Weiterverkauf ab. Geizig war sie, die Tante. Geizig. Doch nicht nur die. Der fremde Mann, der grossspurig zahlen wollte, zahlte nicht nur nicht, nein, er hatte sie, nach geleisteter Arbeit, niedergeschlagen, dort, im mickrigen Stall der Tante, und dann auch noch beraubt. Die kleine Gemme, die an einem ledernen Bändel um ihren Hals gehangen hatte, musste er ihr über den Kopf gestreift haben und damit einfach getürmt sein. Das Geld, das sie in ihren Haaren versteckt hielt, hatte er zum Glück nicht gefunden, falls er danach gesucht haben sollte, als sie darniederlag. Aber geplaudert hatte er. Während des Aktes selbst. Dann verraten sie dir ihre Geheimnisse. Vor allem, wenn sie denken, dass du ihre Sprache nicht verstehst. Und nur dann. So waren sie, die Männer. Sonst logen sie, dass sich die Balken bogen. Er hatte ihr verraten, wo er wohnte. Oh! Und dass er verheiratet war auch. Ja. Das auch. Und nun sass sie hier. Im Rheingau, am Ufer des Alpenrheins, und sah den beiden Flössern zu, wie sie anlegten, Waren abluden und ihre Muskeln spielen liessen. Der eine grinste sie frech an. Sie hob nur ihre Nase noch ein bisschen höher, was er mit einem lauten Lachen quittierte. Sie würde sich bestimmt nicht mit einem dahergepaddelten Flösser begnügen. Sie hatte höhere Ambitionen.
2
„Oh, Mann!, verdrehte Burgfräulein Siegelinde die Augen und starrte entnervt in Panzerreiter Blages Gesicht. „Wieso um alles in der Welt müssen wir diesen neuen Imker empfangen?! Das könnte auch unser Hausdiener machen.
„Eure Tante ist halt ausgerechnet heute ausser Haus. Und der Hausdiener hat sie begleitet."
„Der ist auch weg?"
„Ja. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als auf den Mann zu warten."
„Und das bei diesem schönen Juniwetter. Warm ist es. Und die Vöglein pfeifen. Ich würde viel lieber ausreiten."
„Die eine oder andere Pflichtübung wird Euch nicht schaden", schmunzelte Blage und verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein, sodass die Plättchen an seinem Schuppenpanzer leise klingelten. Sie befanden sich im Hof von Burg Falkenhorst in der Nähe Obergoldachs im Herzogtum Schwaben, Blage an der Holzwand lehnend, Siegelinde, die Füsse demonstrativ von sich gestreckt, auf einer hölzernen Bank in der Sonne sitzend, während der Wächter auf der Hurde nach dem Neuen Ausschau hielt, der auf dem Weglein, das von der Sankt Galler Strasse abzweigte und zur Burg führte, daherkommen musste. Ausser er würde die Wildwechsel benutzen, die sich überall im angrenzenden Wald befanden. Doch das würde er wohl nicht tun, denn er kam nicht aus dieser Gegend und kannte sich somit noch nicht gut aus.
Da tauchte sie also vor ihm auf. Burg Falkenhorst. Seine neue Arbeitsstelle. Niedlich. Eher niedlich. Aber hübsch. Durchaus angenehm. Ah ja. Und gleich neben dem Weglein sah er die Bäume. Nadelige Tannen und Föhren, laubtragende Weiden und eine grosse Linde. Gut.
„Was ist dein Begehr?", schallte es über seinem Kopf von der Hurde herunter.
„Ich bin der neue Zeidler und komme, meine Arbeit anzutreten", rief er zum Wächter hinauf, der daraufhin die paar Stufen – mehr konnten es nicht sein – herabstieg und das kleinere der beiden Tore öffnete.
„Oh, Mann!", flüsterte Siegelinde in Richtung Blage.
„Stattlich, was?!", grinste Blage zurück.
„Geht so", tat sie ihren Ausruf gleich wieder ab.
„Ihr werdet Euch doch wohl nicht verlieben? Ihr, die Ihr auf keinen Fall heiraten wollt?"
„Witzig! Erstens, mein lieber Blage, hat Verliebtsein eher wenig mit heiraten zu tun, wenn ich mir diese Welt so ansehe, und zweitens gehört der Herr Imker da vorne nicht gerade meinem Stand an", rümpfte das vom eberhardingerischen Adelsgeschlecht aus dem Zürichgau abstammende Burgfräulein ihr hochwohlgeborenes Näschen.
„Nein, bestimmt nicht", lachte der adelige Panzerreiter. Es war nicht ganz klar, welche der beiden Anführungen Siegelindes er meinte. Nicht, dass er die Frauen wahnsinnig gut kannte, schliesslich war er mehr im Kampf mit Männern ausgebildet denn in der Liebe zu einer Frau. Doch dass er in diesem Fall vermehrt auf sein Fräulein aufpassen musste, war klar. Denn Siegelinde hatte die nervenaufreibende Angewohnheit, sich nicht besonders besonnen zu verhalten. Wer weiss, was sie in ihrem Übermut mit diesem armen Imker anstellen würde, wenn er, Blage, sie nicht daran hinderte. Nachdem er vor zwei Jahren auf dem Lechfeld für König Otto gegen die Magyaren gekämpft und gewonnen hatte, war ihm von Tronhilde, der Tante Siegelindes, die Begleitung ihrer bewegungsfreudigen Nichte angeboten worden. Was hiess, dass er darauf aufpassen musste,