Observiere undercover die Polizei
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Über dieses E-Book
Denise Remisberger
Denise Remisberger, geboren am 13.12.1967 in St. Gallen, Schweiz; Berufe: Autorin, Kunstmalerin, mediale sowie psychologisch-astrologische Beraterin, Übersetzerin und eidg. dipl. Kauffrau.
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Buchvorschau
Observiere undercover die Polizei - Denise Remisberger
1
Lisa stand am hohen Fenster ihrer alten Tessiner Villa und schaute interessiert ins Badezimmer ihres Nachbarn von gegenüber. Er hatte sein Fenster offen gelassen und tat so, als fühlte er sich nicht beobachtet. Er war Polizist.
Natürlich benutzte Lisa für ihre tägliche Observation ein gutes, etwas zu schweres Fernrohr für ihr fortgeschrittenes Alter und ihre magere Statur, das sie jeweils mit beiden Händen hochhielt, die Kugel grauweissen Haares auf dem Kopf wippend ob ihrer Anstrengung.
Sie musste aufpassen, dass der Druck des Fernrohrs nicht ihre Kontaktlinsen verschob. Auch im Alter wollte sie keine Brille haben.
Sergio, der Polizist, stand vor seinem Badezimmerspiegel und verkleidete sich als Ganove: halblange schwarze Perücke, senfgelb-giftgrün kariertes Jackett, schwarz-rote Plastiksonnenbrille, sieben goldfarbene Ringe auf beide Hände verteilt, drei goldene Kettchen am rechten Handgelenk und um den Hals sowie eine enorme, absolut lausige Fälschung einer Rolex.
Den grimmigen Blick sollte er noch ein bisschen einüben, doch er hatte keine Zeit, er musste an die Arbeit.
Lisa wandte sich vom Fenster ab, legte das unhandliche, aber nützliche Fernrohr in eine Schublade, strich ihr langes olivfarbenes Seidenkleid glatt und platzierte ihre Füsse von Neuem in den flauschigen Pantoffeln, in Ocker gehalten und mit je einem Bommel in der Mitte.
Sie fühlte sich wohl in ihrem grossen Haus mit dem abbröckelnden Putz und dem palmenbestückten Garten drum herum.
Elvira wohnte in einem zweistöckigen modernen Appartementhaus zuoberst, unter sich Sergio, den Polizisten, und im Parterre zwei Musiker, Alfredo und Pietro, die den Keller als Übungsraum benutzten.
Sie spielten Grunge, trugen ihre Haare lang bis zu den Hüften und bevorzugten betont andere Jeans als der Rest der Menschheit. Ihre T-Shirts waren mit dem eigenen Bandnamen „Legalize Whatever" beschriftet, ihre Mäntel schwangen im adäquaten Rhythmus um sie herum und ihre Kopfbedeckungen lösten immer wieder Erstaunen aus.
Elviras Katze miaute unüberhörbar und stand, ganz schwarz-weiss getupftes Fellknäuel und anklagende dunkle Augen, neben ihrem leer gegessenen rosaroten Napf und wollte sofort eine zweite Portion.
„Du überisst dich!", mahnte Elvira.
Sassa war nicht derselben Meinung und miaute herzerweichend weiter, bis ihr Napf nochmals aufgefüllt wurde.
Dass es ein bisschen weniger war als die erste Ladung, kommentierte die Süsse mit einem extra stinkigen Furz. Dann ass sie.
2
Berenike, Lisas jüngere Schwester, erholte sich nach ihrem Saunagang auf einem der bequemen Liegestühle im Ruheraum, als ein Mann, aus der Dusche kommend, an ihr vorbeistolperte, sein Handtuch auf den Boden rutschen und seinen Energie-Drink in den neben ihm stehenden Papierkorb fallen liess.
Berenike betrachtete ihn, nun ganz nackt, von unten bis oben und freute sich.
„Entschuldigung", nuschelte er, hob sein Tuch auf, fischte sich den Drink in der seltsam rechteckigen Flasche mit dem breiten Ausguss aus dem Abfallbehälter, entfernte ein fremdes Haar davon und versteckte sich irgendwo hinter dem perlenden Springbrunnen in einer anderen Ecke des Raumes.
Dann fischte er sich sein Handy aus dem speziell geformten Energie-Drink-Behälter, tippte eine kurze Zahl ein und flüsterte: „Sergio, hallo, hier Edwin. Die Schwester der dich suspekterweise mit dem Fernrohr beobachtenden Person liegt im Ruheraum der Sauna und lacht."
„Sie lacht?", kam es unbegriffen von Sergio.
„Ja, sie hat keine Angst vor einem nackten Mann. Sie findet mich amüsant."
„Mist! Dann zieh dich halt wieder an."
„Könnte ich nicht ein Schwätzchen mit ihr halten? Ich glaube, ich gefalle ihr. Sie sieht auch nett aus."
„Nein!", brüllte der strenge Sergio in den Hörer und damit hatte es sich.
3
Pietro musste unbedingt ein Eis essen.
„Willst du auch eins?", schmeichelte er in Richtung des bibbernden Alfredo, der im kurzärmeligen T-Shirt und vor allem im ungeheizten Keller an seiner E-Gitarre klebte und verspannt versuchte, seine Finger warm zu kriegen.
Der ultrakleine elektrische Ofen würde noch eine Weile brauchen, um den in diesem Zusammenhang zum Glück ebenfalls ultrakleinen Raum erträglich warm werden zu lassen.
„Wolltest du nicht eine Diät machen, Amigo, hä?", zündete er, begleitet von ein paar extraharten Riffs und einem ganz ganz kurzen Solo.
„Nein. Ich finde meinen Schwabbelbauch praktisch. Ich kann den Bass darauf abstützen im Gegensatz zu dir, Rippchen", grinste Pietro breit und zeigte mit seinem vanillefarbenen Löffel auf den mageren Alfredo.
Die feuersichere Türe wurde aufgedrückt und herein kam Clara, die Schlagzeugerin der „Legalize Whatever".
Sie zog sich ihren grün-golden gestreiften Wollschal aus, drapierte ihn fürsorglich um Alfredos Hals und hüpfte gut gelaunt zu ihrem Instrument hinüber.
„Wollen wir, meine zwei Süssen?", lud sie die beiden zum Üben ein.
Pietro stellte seinen Eisbecher auf einem nahen Stuhl ab, schnappte sich seinen Bass, den er nicht etwa auf seinem Bauch