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Pfad der Jäger: Erzählungen über Jäger und ihre Beute
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Pfad der Jäger: Erzählungen über Jäger und ihre Beute
eBook310 Seiten4 Stunden

Pfad der Jäger: Erzählungen über Jäger und ihre Beute

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Über dieses E-Book

Jäger und ihre Beuten. Ein Hirsch, eine Frau, ein Mann, eine Jüdin, das Geld, der Ruhm, die Macht.
Wie weit gehen Menschen, um ihre Beute zu erlegen?
Zwölf Geschichten zum Nachdenken über menschliche Schwächen und Stärken.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum23. Juli 2020
ISBN9783347099043
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    Buchvorschau

    Pfad der Jäger - Sylwester Dr. Minko

    Pfad der Jäger

    Da es sich vermuten ließ, dass die Party bei Gerry reichlich mit einer Auswahl an besten Alkoholgetränken versehen sein würde, wurde eine Münze geworfen und es traf die Korbachs. Der alte Rechtsanwalt Korbach nörgelte zwar, es sei besser, ein Taxi zu nehmen. Er wusste, dass sein Sohn Edward sich nicht überreden ließe, den Mercedes des Vaters nach Hause zurückzufahren.

    Doch Liv blieb standhaft. Sie hätte mit ihrem Mann Thomas keinen Münzwurf riskiert, um sich dann bei der Morgendämmerung auf das Erbarmen eines Taxifahrers zu verlassen. Ansonsten wäre es unsportlich, jetzt den Wettgegenstand auf Tragen der Taxikosten zu ändern. Edward war wie immer derselben Meinung wie Liv. Seit Monaten verfolgte er sie mit seinen Annäherungsversuchen und fand keine bessere Methode, ihre Zuneigung zu gewinnen, als ihr in jeder Angelegenheit zuzustimmen. Thomas sah und tolerierte seine Aufdringlichkeiten, weil er seine Erfolgsaussichten sehr gering einschätzte. Sie wohnten in unmittelbarer Nachbarschaft, daher die Idee des gemeinsamen Fahrens.

    Edward sah bereits Gerrys Haus und bezeugte, dass in dieser Gegend solch prächtige Häuser kaum anzutreffen waren. Obwohl die Männer einer gut eingespielten Jägergruppe angehörten, kannte Liv den Gastgeber bisher nicht. Sie war gespannt, nicht nur auf ihn, sondern auch auf seine sagenhafte Villa, auf die Atmosphäre und auf alles rundherum. Vor allem als sie hörte, dass niemand wusste, wer die Dame des Hauses war.

    Thomas kannte seine Frau gut und warnte sie drei Stunden vor der vereinbarten Zeit, dass sie nun jede Minute würden rausgehen müssen. Er ahnte schon, dass sie das neue Make-up zur Verzweiflung bringen würde, dass sie allein für ihre Augen eine gute Stunde brauchte und zwischendurch in Tränen ausbräche. Natürlich hatte sie inzwischen gemäkelt, als sie ihn noch in der alten Hose und der Strickjacke sah.

    „Wir haben ja Zeit versuchte er sie zu beruhigen, und wunderte sich nicht, als sie verkündete: „Wir werden uns verspäten", denn sie würde es nicht rechtzeitig schaffen.

    Liv war aufgeregt. Sie vertrieb sogar ihren geliebten Cockerspaniel aus dem Badezimmer - Taxi, die sie aufdringlich begleitete. Thomas tröstete die Hündin. Er sah es als Ungerechtigkeit des Schicksals, dass Taxi sich so an Liv anlehnte. Er fürchtete die gegenseitige Loyalität der beiden weiblichen Geschöpfe. Er wusste bereits davon, dass ein Hund meistens eine Replik des Eigentümers darstellte; das rotgoldene, seidene Haar der Hündin entsprach der Schönheit seiner Frau. Als er bei Abwesenheit seiner Gattin Besuch einer Dame empfangen hatte, war er noch eine Woche danach nervös gewesen – Taxi war Zeugin geworden. Jetzt, den Geräuschen aus dem Badezimmer lauschend, spielte er mit der Goldhaarigen.

    „Mach dich fertig", kam endlich die Warnung von jenseits der geschlossenen Tür. Offenbar waren die Make-up-Probleme gelöst worden. Beim Binden der Krawatte hörte er das Brummen des Mercedes-Motors.

    Warum hatte ihr Gerry so gefallen? Eigentlich zeugte alles, was sie vorfand, vom schlechten Geschmack des Gastgebers. Zu viel Marmor im Wohnzimmer, das eigentlich ein zentraler Saal des Palazzo Prozzo war. Und das nervige Mädchen – die Hausherrin. „Knopf, stellte sie sich vor und reichte ihre Hand, als würde sie erwarten, dass selbst die Frauen sie ihr küssten. Schön, aber sonst nichts. Und schließlich „Gerry.

    „Warum nennen Sie sich so, Herr Gerhard?", fragte sie provokativ, nachdem er sie nach mehreren Wodkas zum Tanz aufgefordert hatte.

    „Meinen Sie, das ist zu prätentiös? Und wie ist es mit Liv?, entgegnete er und schob seine Hand hinunter, ihren Rücken entlang. „Oliv würde mir besser gefallen, er berührte leicht die Spitze ihres Ohres mit seiner Zunge.

    Sie hatte sich zurückgelehnt und war erbost, dass eine Hitzewallung durch ihren Körper ging. Ich bin betrunken, dachte sie. Deshalb reagiere ich so! Doch gleich sah sie sich um, neugierig, wo seine „Assistentin" war.

    „Sie hat nichts zu sagen, beruhigte er sie, der Alleswissende. „Es ist alles so unkompliziert, lachte er.

    „Was ist unkompliziert?"

    „Ihr Frauen." Sie spürte seine Hand, die ihren Nacken immer stärker hielt, und die andere, die er an ihrem Gesäß schob. Sie war wütend auf sich selbst und auf den Alkohol, der ihren Kreislauf aufwühlte und ihre Haut unter dieser schamlosen Hand so vergnüglich erwärmte. Sie drehte sich instinktiv mit dem Rücken zur Wand, so, dass sie die ganze tanzende Gesellschaft beobachten konnte. Sie bemerkte den aufmerksamen Blick von Thomas und genoss ihre offensichtliche Untreue, was eine sinnesfreudige Schwäche ihrer Oberschenkel bewirkte. Gerry schien all das zu registrieren und seine Hand …

    „Du hattest dieses schelmische Lächeln, das ich nicht beim Namen nennen darf, murmelte später ihr betrunkener Ehemann, als er versuchte, ihr das Kleid auszuziehen. Einmal sagte er: „Dieses sexsüchtige Lächeln, und sie hatte danach eine Woche lang nicht mit ihm geredet. Doch das würde erst nach einigen Stunden geschehen.

    Momentan führt Gerry sie auf die erste Etage, um ihr seine Bibliothek zu zeigen. Unterwegs auf dem Podest begegnen sie einem Pärchen. Sie sitzt etwas tiefer und zieht den Spaghettiträger hoch, um das Dekolleté etwas abzudecken.

    Liv geht mit, betrunken und wütend. Sie schwört, sie gibt ihm gleich eine Ohrfeige, doch jetzt wartet sie darauf, was als Nächstes geschieht und der vermutete Grund ihrer gedachten Reaktion sorgt für Hyperventilation. Gerry geht vor – eine schlanke, sportliche Figur – öffnet die Tür. Es ist dunkel.

    Liv zögert, er schaltet das Licht an. Sie befinden sich in einem kleinen, schön ausgestatteten Arbeitszimmer. Vom Sofa springt ein Hund herunter. Er begrüßt das Herrchen wie nach langer Abwesenheit. Gerry befiehlt kurz: „Otto zurück!, und der Foxterrier springt erneut auf das Sofa. „Nicht dort!, tadelt ihn Gerry und Liv ahnt, für wen das breite Sofa gedacht ist. Sie versucht, mit sich zu kämpfen.

    Thomas sollte in so einem Arbeitszimmer seine Drehbücher schreiben, denkt sie und weiß schon, dass sie sich würdevoll verhalten wird. Doch er schiebt ihr einen Sessel zu und setzt sich auf einen anderen. Sie ist desorientiert. Ist so angespannt, dass sie das Geräusch ihres seidenen Kleides hört, als sie ein Bein über das andere legt. Er fragt sie, ob er eine Pfeife rauchen darf. Was für eine Frage! Natürlich darf er das, aber wozu sind sie hierhergekommen?

    Die Pfeife duftet. Von unten kommt betörende Musik, Stimmen … Er hat die Tür offen gelassen. Liv steht plötzlich auf, doch bevor sie einen Schritt machen kann, ergreift er ihre Hand und setzt sie auf seinen Schoß. Sie will sich befreien und die geahnte erotische Aggression stoppen. Das Geräusch von leisen Schritten zwingt Gerry, seinen Griff zu lockern.

    „Kein Koitus, dennoch interruptus", sagt er so laut, als hätte er gewollt, dass das Mädchen am Zimmereingang ihn hört.

    „Ich suche dich überall, sagt das Mädchen, und ignoriert Livs Anwesenheit. „Das Eis für den Whiskey fehlt. Was wollen wir nun tun?

    Liv war verwirrt. Sie hatte am Oberschenkel ein brennendes Gefühl genau an der Stelle, wo ihr Kleid den Oberschenkel berührte. Vor dem Abschied hatte sich der Gastgeber zu der an einem breiten Sofa sitzenden „Mercedes-Gruppe gesetzt. Vor aller Augen hatte er seine Hand auf ihr Knie gelegt. „Wie ein Löwe über die erjagte Antilope, so hieß es in der vorgestern gesehenen Dokumentation über Wildkatzen. Sie nahm diese „Pfote" und legte sie auf die lederne Lehne, nachdem sie ihre Fingernägel in sie gekrallt hatte. Warum hatte diese Berührung ein angenehmes Glühen hinterlassen? War wirklich ein Funke von seiner Hand auf die ihre übergesprungen, als sie ihm ihre Hand zum Abschied reichte? In der Ecke des Wagens horchte sie auf das langweilige Gerede von Edward, ihrem ewigen Verehrer. Ihr Mann saß aufrecht neben dem Wagenlenker. Sie fuhren zurück nach Hause.

    Sie spielte zur Begrüßung noch mit der Hündin, als Thomas anfing sie auszuziehen.

    „Du sollst den Pelz lassen." Sanft, jedoch bestimmend lenkte sie sein Interesse nach unten. Sie streichelte gebeugt die springende Hündin, während er sie eilig kniend entkleidete. Instinktiv genoss sie seine schweigende Eifersucht. Sie spürte seinen beschleunigten Atem auf ihrem Nacken, als er sie zum Tisch drängte. Gleich, auf die Ellenbogen gestützt, unterwarf sie sich seinem Tätscheln. Sie war betrunken und plötzlich, als sie an den anderen dachte, spürte sie, dass sie dieses Lächeln auf ihrem Gesicht haben musste, das ihn so köstlich reizte. Sie wollte ihm ihr Gesicht zeigen, drehte sich um und stürzte ihn aus dem Sattel. Sie lachte kurz, als er hektisch versuchte, seinen Griff zu verstärken.

    „Denk nicht an ihn", hörte sie seine raue Stimme, die Stimme eines Betrunkenen.

    „Wunderbar", flüsterte sie, den Kopf in der Dunkelheit verloren, spürte den Pelz kitzelnd an ihrer Wange. Endlich war Thomas der Mann, der er sein sollte.

    „Es geht nichts über Eifersucht", dachte sie und nahm ihn wieder mit dem Aufstöhnen des Vergnügens an.

    Vier Jahre waren seit ihrer Hochzeit vergangen, doch ihre gemeinsame „Initiation" lag bereits zehn Jahre zurück. Es waren Jahre voller Sex, Angst und Neugier; so konnte sie jetzt ihre Gefühlszustände aus dieser naiven Zeit beschreiben, der Zeit der Ausschweifungen. Es war zuerst Sex der Berührungen, die Begegnung der bekleideten, heißen Oberschenkel eines auf der Bank sitzenden Paares. Des beschleunigten Atmens und der schmerzhaften Anwesenheit des Unterleibes, während des scheinbar unschuldigen Tanzes in einer Diskothek, schließlich der Erfahrung der neugierigen Zunge beim Küssen.

    Liv war noch die Olivia aus der vorletzten Stufe des Gymnasiums, als Thomas (er war immer der Thomas) begonnen hatte, sie ins Kino zu begleiten. Die Dunkelheit des Kinosaals war viel aufregender als die Anwesenheit dieser Schatten auf dem weißen Bildschirm. Die Küsse und die beim Einschlafen aufdringliche Neugier, was kommen würde … Was würde demnächst geschehen?

    Die gemeinsame Zeit am Strand, plötzliches Erstarren auf dem Sand, selbst das Herauspflücken ihrer Brüste aus dem BH während des Küssens reichten nicht mehr. Eines Abends, bei Abwesenheit ihrer Mutter, standen sie sich nackt gegenüber, wie Modelle in der Kunsthochschule. Sie hatten vereinbart, dass sie sich ohne Kleider zeigen und dass es dabei zu keiner Annäherung kommen würde. Sie wusste eigentlich nicht, warum es nicht dazu kommen sollte, doch sie wusste, dass sie vor Scham sterben würde. Und es kam tatsächlich zu nichts. Sie standen nebeneinander, Thomas zitterte wie ein Rekrut vor dem ärztlichen Auswahlausschuss, sie sah Gänsehaut auf ihren Brüsten und spürte, dass ihr Herz tiefer als sonst pulsierte; schließlich senkte sie ihren Blick und betrachtete lange seine erhobene Männlichkeit; dann berührte sie diese und flüchtete mit einem nervösen Lachen ins Bad. Das war das kindische erste Mal.

    Sie verloren sich aus den Augen. Er begann ein Studium in Berlin und eines Tages begegneten sie sich zufällig auf der Straße. Er – ein vielversprechender Schriftsteller, sie eine Praktikantin. Ein überraschendes Gemeinsamkeitsgefühl. Vielleicht verlangte das nicht Abgeschlossene nach Fortsetzung, und sie trafen sich öfter.

    Sie war in dieser Beziehung die Bestimmende. Sie verfügte, wo und wann sie sich verabredeten. Bei einem Treffen im Park Friedrichshain setzte sie sich auf seine Knie und überraschte ihn mit einem leidenschaftlichen, tiefen Kuss. Sie lachte und mit überraschendem Kennerattest sagte sie: „Du küsst so ungeschickt." Bald sollte sich zeigen, dass sie die Erfahrenere war. Als sie endlich bei ihm zu Hause war, erfuhr er von ihr, dass es ihr erstes Mal sein würde. Sie erzählte ihm nichts über die Ängste und die Alpträume, die ihr ihre Großmutter, die sie großgezogen hatte, eingeimpft hatte. Sie gab nicht zu, dass er vielleicht deshalb der Auserwählte war, weil sie schon einmal dieses schreckliche Ding berührt hatte. Dafür gab es im Pyjama ihrer Großmutter diesen Schlitz, damit der göttliche Akt der Befruchtung ohne überflüssige Berührung der Körper stattfinden konnte. Jaja, dieses Mädchen, das beim Rock’n’Roll den Jungen beim Tanzen mit beiden Beinen umklammerte, war eine Jungfrau.

    Der Alptraum dieser Begegnung zog sich lang in die Nacht hinein.

    „Es wird nichts daraus", sagte sie scheinbar gleichmütig nach zwei Stunden der vergeblichen Mühe und zog sich wieder an.

    „Wie soll es auch, wenn du ständig zurückweichst?, beklagte er sich hilflos. Ihre Schreie – „Nein! –, das Gezerre, ihre Rückzüge, als er sie gerade erreichen sollte. Ein Alptraum, das männliche Verzweifeln und Erlahmen …

    Davon wurde sie schnell von einem bekannten, zwei Meter großen Basketballspieler geheilt.

    „Was nein?", fragte er, als sie leise quiekte, sich unter ihm beruhigte und die Befreiung vom jungfräulichen Komplex genoss. Er hielt sie fest am Nacken und bewegte sich hartnäckig, ohne auf ihr leises Miauen und ihre Bitten Rücksicht zu nehmen. Das, was dieser Junge mit ihr in einer schrecklich sachlichen und herrlich brutalen Weise tat, war genau das, was sie brauchte.

    Wie konnte man erklären, dass sie, als sie Thomas erneut begegnete, einen gemeinsamen Ausflug nach Potsdam vorschlug? Dass es nun mit Thomas ernst wurde? Vielleicht, um den gemeinen Basketballer, der sie wie ein Gänserich sein langhalsiges Weibchen am Nacken festhielt, zu demütigen und ihn endgültig aus ihrem Leben zu vertreiben.

    Der erste, demütigende, grausame Abend in Potsdam, wo sie ihm erzählt, dass sie schon zur Frau geworden ist. Ganz präzise, mit allen Einzelheiten wie. Bis er sie wütend und ermüdet vom langen begehrlichen Warten aufs Bett wirft und ihre Unterwäsche zerreißt. Jedes Mal, wenn sie erregt ist und es nicht geht, sieht sie diese Szene immer wieder vor ihren inneren Augen.

    Wie kann es sein, dass sie bestimmen und sich gleichzeitig übermannen lassen will? Eines davon reicht ihr nicht. Der Basketballer wird aus ihrem Gedächtnis ausradiert und Thomas kommt zurück, wie er eigentlich ist. Er wird sanft, voller Komplexe – und langweilig. Wie dieser eheliche Sex nach der Dusche an den ungeraden Tagen. Thomas ist systematisch in jedem Aspekt des Lebens, so wie das Leben eben ist. Und so wie im Leben, kommt es zu dieser Party im neuen Haus von Gerry.

            Drei Tage später ist sie wieder dort.

    „Einem Mann seine Telefonnummer zu geben, ist wie den Schlüpfer auszuziehen", sagte er nach einer weiteren Liebesannäherung, als sie ihn fragte, warum er sich so sicher war.

    „Du kanntest doch Thomas’ Telefonnummer."

    „Deshalb eben habe ich dich um deine Nummer gebeten. Damit ich sicher sein konnte."

    Er war so zauberhaft ungehobelt. Eindeutig schubste er den Otto vom Sofa hinunter.

    „Wir wurden an dieser Stelle unterbrochen", erinnerte er sie und setzte sich auf den Sessel, nahm ihre Hand und zog sie zu sich, bis sie sich auf seine Knie niederließ. Er griff sie am Nacken und obwohl sie wusste, weshalb sie hierhergekommen war, war sie sich sicher, dass sie das Richtige tat und dass es so sein musste.

    Sie erwartete überhaupt nicht, dass ihr Abenteuer sich in eine dauerhafte Romanze verwandeln würde. Dass das, was eine wunderbare Überraschung war, zu einem aufregenden Ritual wurde. Dass das erste Treffen „nur mit Ohrringen" zu einer Tradition werden würde.

    „Ich will dich nur mit Ohrringen sehen", bat er am Telefon und sie schaute die Tür von Thomas’ Arbeitszimmer an, als sie die Uhrzeit vereinbarte. Ihr Ehemann arbeitete gerade an einem Drehbuch zur nächsten Folge des Fernsehkrimis. Er war nicht nur begabt, sondern auch enorm fleißig.

    „Du kannst dir nicht vorstellen, was für benediktinische Arbeit notwendig ist, um ein perfektes Verbrechen auszutüfteln, doch ich kann es."

    Sie küsste ihn auf die Stirn. „Ja, du kannst es."

    Sie war loyal.

    „Thomas soll damit nichts zu tun haben", unterstrich sie immer dem Liebhaber. Sie lehnte es ab, zusammen mit ihm ins Theater zu gehen. Sie wollte Thomas nicht blamieren. Keine öffentlichen Auftritte, keine Partys. Nicht mal ins Kino waren sie gegangen, damit sie keiner sah. Doch es gab keine Langeweile. Niemals. Nicht mal einen Augenblick. Es dauerte den ganzen Winter, Frühling, Sommer …

    „Mein Gott, ich ziehe mich immer mittags aus", stöhnte sie einmal. Die Abende verbrachte sie zu Hause.

    Sie war wütend. Ihre Schneiderin hatte ihren Hosenanzug versaut, dazu hatte sie noch zu wenig Zeit. Das erste Mal trennten sie sich, ohne es zu tun.

    Er soll nicht denken, ich sei sein Eigentum, dachte sie, als er sie am nächsten Tag anrief. „Ich bin nicht zu Hause", sagte sie rüde und beendete das Gespräch.

    Eine halbe Stunde später stand er vor der Tür.

    „Ich komme nicht zu dir, ich komme zu Thomas", sagte er und schob sie auf die Seite, weil sie wie eine Salzsäule im Wege stand.

    „Du weißt, dass er nicht da ist."

    „Deshalb komme ich zu ihm. Ich werde warten."

    „Wahrhaftig eigenartige Sitten", neckte sie ihn über seine neureichen Brauchtümer, kombinatorischen Geschäfte und Börsenspekulationen. Er blieb unbeeindruckt. Ohne Vertraulichkeiten zu versuchen, machte er es sich in einem Sessel bequem.

    „Ich denke, dass man dem Freund des Ehemannes ein Glas Whiskey aus Höflichkeit anbieten darf", suggerierte er.

    „Ich muss leider gehen."

    „Macht nichts. Du kannst mich einschließen, ich werde nichts mitnehmen. Ich habe wirklich etwas mit Thomas zu besprechen."

    Sie verspürte eine unbestimmte Besorgnis. Als sie vor Kurzem über ihre Befürchtung gesprochen hatte: „Thomas könnte etwas ahnen, sagte er gelassen: „Wir beide haben Waffen, wir beide wollen dich haben, wir gehen in den Wald und klären die Angelegenheit.

    „Ein Höhlenmensch …!"

    „In diesen Angelegenheiten sind wir alle Höhlenmenschen", lachte er und zeigte ihr das abgedunkelte Zimmer mit zugezogenen Vorhängen. Dunkel wie in einer Höhle.

    „Was hast du mit Thomas zu besprechen?", fragte sie, gedemütigt durch ihre Angst und Neugier. Er hatte vor einigen Tagen gesagt, sie solle sich scheiden lassen. Was konnte er schon wissen, was sie mit Thomas verband?

    „Mit dir habe ich immer dasselbe." Er stand nahe bei ihr und sie hatte keine Kraft mehr, zu widerstehen. Sie waren schon mehrere Tage nicht zusammen gewesen.

    „Es geht nicht", flüsterte sie, als sie wieder sprechen konnte. Mit einem Kuss brachte er sie zum Schweigen.

    „Er kann wirklich jederzeit zurückkommen", schaffte sie noch zu sagen, während er sie zum Fenster führte.

    „Du wirst sehen, wenn er zurückkommt", wisperte er, während er ihre Dessous hinunterschob. Auf die Ellenbogen gestützt, stöhnend, empfing sie seine zornigen, mächtigen Stöße. Die Erfüllung kam schnell, sie vereinte die beiden wie immer in derselben Sekunde.

    „Es war abstoßend", beklagte sie ohne Überzeugung, während sie ihren Slip heraufzog.

    „Ich will es wirklich nicht. Ich wollte es nicht, verbesserte sie sich. „Du hast mich vergewaltigt.

    „Gibst du mir endlich den Whiskey", er versuchte seinen Atem zu beruhigen, immer noch unverschämt.

    „Vergewaltigt?, fragte er dann mit einem Glas in der Hand. „Tu nicht so als ob. Übrigens eine Frau ist auf eine Vergewaltigung angewiesen. Sie findet bei ihr eine physiologische Genehmigung. Ich könnte es nicht tun, wenn du nicht vorbereitet wärst. Ärgere dich nicht, sonst wiederholen wir es gleich.

    „Thomas", flüsterte sie ratlos, denn sie wusste, sie würde tun, was er wollte.

    „Nun gut, doch du kommst morgen …"

    „Um zwei", antwortete sie und spürte diese köstliche Unruhe des Unterleibs.

    Gerry wartete artig auf Thomas.

    „Hey, mein Alter, ich habe eine wunderbare Nachricht, begrüßte er ihn in der Tür. „Wir gehen zusammen auf Hirschjagd.

    ***

    Sie hatte sich überreden lassen. Natürlich von Gerry. Der Wald, die fantastische Jagdhütte. Wir werden zusammen sein.

    „Wir? Und Thomas?"

    „Was soll’s, in Berlin gibt’s ihn ebenfalls", sagte er lässig.

    Und so kamen sie zusammen. Die Jagdhütte war wirklich ausgezeichnet. Unten ein großes Jägerzimmer. Hirschgeweihe, Leder, vier Sofas. Sie hatte sich nicht von Gerry überreden lassen und bezog zusammen mit Thomas ein kleines Zimmer im Dachgeschoss. Schließlich sollten auch die beiden Korbachs bald kommen.

    Sie war sich nicht sicher, ob es nur an Gerry lag, dass ihr das Ganze angefangen hatte zu gefallen. Der Wald, der glücklicherweise die ganze Zeit in der Septembersonne ruhte. Diese Männer, die unermüdlich hinter dem liebestollen Hirsch her waren. Sie hörte abends sein Gebrüll und empfand eine nicht näher definierte Erregung. Gerry war ständig bei ihr, doch sie war immer noch für ihn unerreichbar. Dieses tolle Gefühl eines Weibchens, das das Aufbrausen des Männchenblutes verspürte. Thomas, obwohl er eigentlich nichts ahnte, war eifersüchtig. Jeden Abend, nach den erschöpfenden Versuchen, den Hirsch aufzuspüren, beschäftigte er sich mit ihr in einer Weise, die sie aus den ersten Flitterwochen in Erinnerung hatte. Und Gerry, der ahnte, was im Zimmer da oben vor sich ging … Eines Tages flüsterte er, er höre dort unten alles, was da oben geschähe.

    „Wie du deine Schlappen abwirfst. Gestern nur einen." Er drückte ihre Hand bis an die Schmerzgrenze.

    „Thomas war so leidenschaftlich."

    Sie liebte diese Rache an ihrem Liebhaber. Sie rettete die Würde ihres Mannes, indem sie den Liebhaber auf die Folter spannte. Und sie blieb ebenfalls nicht von den Wellen der Regsamkeit verschont. Als sie neben ihm auf einem Sessel vor der Hütte saß und sah, wie der Gänserich nah an ihren Füßen sich mit seiner Partnerin beschäftigte und fest ihren Hals mit dem Schnabel hielt … Gerry, der zu ihren Füßen saß, drückte ihren Knöchel, so dass er schmerzte. Sie riss ihren Fuß weg.

    „Thomas!" Doch sie fühlte eine Schwäche, die es ihr unmöglich machte, aus dem Sessel aufzustehen.

    Endlich hatte er sein Ziel erreicht. Sie hatten mit der

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