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Halbe Apfelsinen
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eBook288 Seiten4 Stunden

Halbe Apfelsinen

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Über dieses E-Book

Halbe Apfelsinen erzählt mitten aus dem Leben einer rheinischen Frohnatur, einer verwöhnten Göre aus dem Schwaben Ländle und eines Landeies aus der bayrischen Provinz.
Mit Humor und Ironie wird erzählt, wo das Leben einen hinführen kann, oder eben auch nicht!
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum21. Mai 2021
ISBN9783347288485
Halbe Apfelsinen

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    Buchvorschau

    Halbe Apfelsinen - Anka Tarina

    1.

    Lis lag auf ihrem Liegestuhl am Pool des Urlaubsresorts und blinzelte in die spanische Mittagssonne. Die letzten Tage als Lisa Gruber lagen vor ihr und sie wollte es mit ihren Freundinnen nochmal so richtig krachen lassen, wie sie es nannten. Was auch immer damit gemeint war, da war sich Lis nicht so ganz sicher. Manchmal hatte sie den Eindruck, dass ihre beiden Freundinnen ihr die bevorstehenden Ereignisse ausreden wollten. Nicht etwa, weil sie es ihr nicht gönnten, nein keineswegs. Es war viel eher so, dass die beiden es sich überhaupt nicht vorstellen konnten, „so etwas zu tun. „Dafür sind wir viel zu jung hieß es dann und Fragen wie: „woher willst du wissen, dass das überhaupt dein Ding ist?" riefen bei Lis Zweifel hervor und ließen sie darüber nachdenken, ob sie wirklich das Richtige tat. Was, wenn ihre beiden Freundinnen recht hatten? Wäre das möglich? Das würde ja gar nicht in ihr geordnetes Leben passen, indem sie immer gerne alles unter Kontrolle und ordentlich sortiert hatte. Nachdenklich kaute sie auf ihrer Unterlippe rum, legte ihre Cosmopolitan zur Seite und schaute zu ihren beiden Freundinnen, die rechts und links neben ihr in ihren Liegestühlen lagen, um sich von einer langen Nacht zu erholen.

    „Nie wieder Tequila", stöhnte die eine.

    „Nie wieder High Heels," stöhnte die andere.

    „Ich dachte ihr macht das immer so", sagte Lis.

    „Tun wir auch", antwortete die eine, ohne sich auch nur einen Millimeter zu bewegen.

    „Wir jammern ja auch immer so", sagte die andere wieder, auch ohne sich dabei zu bewegen.

    „Ich frage mich wie die Spanierin aus dem Housekeeping das immer macht. Die feiert nächtelang durch und ist am nächsten Tag immer gut drauf."

    „Die hat ja auch als Gogo-Girl in Madrid gearbeitet. Die weiß, wie es geht und hat bestimmt das eine oder andere `Hilfsmittelchen`."

    „Meinste? Abends LSD, morgens Koks?"

    „Jede Jeck ist eben anders!"

    Schnell wurde eine Schublade geöffnet und schwups, war die arme Spanierin drin.

    „Gut, das heißt also ihr nehmt nichts, deutete Lis nun das Gespräch der beiden. „Dann bin ich ja froh, dass ihr rumstöhnt. Macht weiter!

    Sie musste einsehen, dass die beiden jetzt nicht in der richtigen Verfassung waren mit ihr über das Thema, das sie eigentlich beschäftigte, zu debattieren. Vor allem, da sie ja ihre Einstellungen im Grunde kannte: „Bitte doch noch um etwas Bedenkzeit…"

    Lis hatte Hanna und Marie vor einigen Jahren an der Hotelfachschule am Tegernsee kennengelernt. Die drei hatten damals gemeinsam einen 2 jährigen Studiengang an der renommierten Privatakademie absolviert und waren seitdem miteinander befreundet.

    Nun war Lis wieder einmal zu Besuch bei den beiden, die sich bald nach der bestandenen Abschlussprüfung in den sonnigen Süden auf und davon gemacht hatten. Zuerst tingelten sie eine Zeitlang durch Spanien, bis sie auf dieser Insel landeten. Mittlerweile genossen sie ihr Leben in vollen Zügen in einer Ferienanlage, die Lis von Tag zu Tag mehr an die Truman-Show erinnerte. Hier lief alles nach Plan und jede Minute schien durchorganisiert zu sein. Dabei war die Hauptbeschäftigung der Gäste: Essen! Bis auf ganz kurze Unterbrechungen von maximal einer Stunde, wurde von morgens bis abends ständig irgendwo irgendein Buffet aufgebaut, an dem sich ein unfassbares Gewusel abspielte. Und sei es nur das Kuchenbuffet am Nachmittag oder ein Snack um Mitternacht, auf dass sie sich stürzten wie die Hyänen. Dazwischen sorgte man dafür, dass ohne Essensaufnahme keine schlechte Laune oder Langeweile entstand und es wurde regelmäßig um die gleiche Uhrzeit dieselbe Aktivität angeboten. Jeden Tag. Gleicher Ort, gleiche Zeit, gleiche Musik, damit man nur ja auch noch hörte, was passierte. Während die Gäste alle 2-3 Wochen ausgetauscht wurden, blieben die Mitarbeiter in der Endlosschleife hängen.

    Lis konnte sich damals nicht entscheiden mit den beiden loszuziehen und fuhr nach ihrem zweiwöchigen Urlaub mit dem Reisebus aus Lloret de Mar auch wieder in die Heimat zurück. Ohne Hanna und Marie, die beiden fuhren aus diesem Urlaub nicht nach Hause zurück. Lis hatte oft darüber nachgedacht, ob sie es jemals bereuen würde, nicht bei den beiden geblieben zu sein. Dann hätte sie jetzt auch ein schönes Leben, die Sonne schien jeden Tag, ihre Beine wären immer braun gebrannt und sie würde maximal die Entscheidung treffen müssen, was sie abends anziehen sollte. Und meistens wurde einem die Entscheidung von der Clubdirektion auch noch abgenommen: Es gab einen Galaabend, eine „Weiß-Show und jede Menge „Themenabende, an denen man sich entsprechend zu kleiden hatte. Erstaunlicherweise schien es niemanden zu stören, dass man nicht anziehen konnte, wonach einem grade der Kopf stand, sondern das kleine Schwarze nur sonntags und die weiße Hose eben nur montags zu tragen hatte. Nebenbei bemerkt sahen die Männer mit ihren weißen Leinenhosen und weißen Hemden an den Abenden der „Weiß-Shows" allesamt aus wie Chefärzte und das Restaurant verwandelte sich dann immer in eine Krankenhauskantine. Das war in Lis Augen sowieso das absurdeste, dass die Gäste da alle so mitmachten.

    Nach diesen Überlegungen kam sie zu dem Ergebnis, dass das wohl eher nicht das Richtige für sie gewesen wäre. Hin und wieder eine Woche Ferien hier zu verbringen fand sie toll, aber so zu leben wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts für sie gewesen.

    Gerade als der Udo-Jürgens-Song „Aber bitte mit Sahne mit dem Aufruf zum Nachmittagsquiz bei Kaffee und Kuchen durch die Anlage dröhnte, kam ein Typ Marke „Brad Clooney -wie die drei eine gelungene Mischung aus Brad Pitt und George Clooney nannten- auf sie zu und riss Lis aus ihren Gedanken. Er war sympathisch, sportlich und ausgesprochen attraktiv, wie eigentlich alle hier. Das bizarr gute Aussehen schien zu den Einstellungsbedingungen zu gehören.

    „Na Mädels, habt ihr noch immer nicht ausgeschlafen?"

    „Axel, wie spät ist es?" Marie schreckte hoch.

    „Kurz vor vier, dein Kurs geht gleich los" antwortete er und ließ sich auf den freien Liegestuhl neben ihr fallen. Axel war Maries aktueller Lover und wirklich ein Hingucker, fand Lis.

    „Du willst noch vor deiner Abendschicht zum Sport?, fragte Hanna und blickte über den Rand ihrer Gucci-Brille zu Marie hinüber. „Ja, kommst du mit?, fragte Marie.

    „Auf gar keinen Fall" erwiderte Hanna und machte es sich wieder auf ihrem Liegestuhl bequem. Sie griff, ohne die Augen zu öffnen, ziemlich lässig und absolut treffsicher nach einer Flasche Sonnenöl, die neben ihrem Liegestuhl stand, und ölte sich ein Paar endlos lange Beine ein.

    „Das ist nichts für meinen Körper." Wonach dieser allerdings überhaupt nicht aussah. Hanna gehörte zu den Menschen, die, was Schönheit und Ausstrahlung anging, in allen Disziplinen die volle Breitseite abbekommen hatten.

    „Aah! Sport ist heute wieder Mord!", erwiderte Marie sarkastisch. Sie war nicht ganz so schlank, aber sportlich und durchtrainiert. Sie hielt es keinen Tag aus ohne sich in irgendeiner Form sportlich zu betätigen. Zum Glück, fand sie hier auch ausreichend Gelegenheit dazu.

    „Nein, überhaupt nicht, entgegnete Hanna, „ich hab‘ eben noch die Fit for Fun durchgeblättert.

    „Tsssss, kommentierte Marie Hannas Antwort, „ich muss jedenfalls fit sein für meinen Auftritt heute Abend, fügte sie hinzu.

    „Oh, bist du heute Abend wieder in der Show dabei?, wollte Lis wissen. Sie war ganz versessen auf diese allabendlichen, hin und wieder recht albernen Shows, bei denen die Mitarbeiter ihre Talente zum Besten gaben und sich nicht selten dabei auch ordentlich blamierten. Ihr fiel wieder die Szene aus dem Musical vom Abend zuvor ein. Ein ernstes Stück, eigentlich eine Tragödie, die man versuchte so gut wie möglich nachzustellen. Fast wäre es sogar gelungen, einige der Darsteller waren gar nicht mal so schlecht. Wenn nicht einer der Todesengel mit den falschen Socken bestückt gewesen wäre und noch dazu eine Hose trug, die ihm zu kurz war. So konnte unter dem Schwarzlicht jeder die neonfarbenen Kondome auf den Socken sehen, die so gar nicht zum Drama aus dem letzten Jahrhundert passten. Licht aus, Spot an für den „Tanz der Kondome!

    Aber bei den Tanzshows war Marie zweifellos das Highlight, was ihr auch viele Neider unter den Kolleginnen einbrachte. Aber da stand sie ganz gelassen drüber, wie über so vielem. Neben Tanzen war Gelassenheit Maries große Stärke.

    „Kommst du mit zum Sport, Lissy?", wollte Marie wissen während sie sich ihr T-Shirt überzog.

    „Nein, ich habe noch eine Verabredung."

    „Ach, echt? Mit wem?", wollten Marie und Hanna gleichzeitig wissen.

    „Mit Jean-Francois, dem Surflehrer", klärte Lis die beiden auf und lächelte.

    Axel zog Luft durch die Zähne und grinste.

    Marie ließ ihre Shorts sinken, die sie gerade anziehen wollte und blickte über den Rand ihrer Sonnenbrille Hanna an. Diese wiederum saß mit einem Ruck kerzengerade auf ihrem Liegestuhl, nahm ihre Sonnenbrille ab und rief: „Waaaas? Mit Jean-Francois? Wie kommst du denn dazu? Ausgerechnet mit dem!"

    „Na, ihr habt doch gesagt, ich soll es nochmal richtig krachen lassen und mich amüsieren …. entgegnete Lis nun etwas verwundert und setzte das Wort „amüsieren mit ihren Fingern in Anführungszeichen.

    „Ja, aber doch nicht mit Jean-FranSchwanz!", entfuhr es Hanna schockiert. Ihr Talent lag wiederum darin, die Dinge immer gleich beim Namen zu nennen und sofort zum Punkt zu kommen und zwar so schnell und so deutlich wie möglich, damit bloß keine Missverständnisse entstehen konnten.

    „Ja, also er hat mich ganz freundlich gefragt, als ich heute Morgen mit ihm runter zum Strand ging." Lis versuchte sich zu erklären, doch Hanna gab ihr keine Chance.

    „Du warst mit ihm am Strand?"

    „Ja, wieso denn nicht? Er ist doch ein Kollege von euch und ihr wart beide am Arbeiten, während ich alleine beim Frühstück saß. Was ist denn jetzt dabei?" Lis verstand die ganze Aufregung nicht so richtig. Hanna klärte sie gerne auf und nahm auch dabei kein Blatt vor den Mund:

    „Das kann ich dir sagen: Der Franzose nimmt sich jede, die nicht bei drei auf dem Baum ist! Er hat dich nicht einfach so mit zum Strand genommen, er hat dich abgeschleppt!

    Und das am frühen Morgen, ich fass es nicht! Und heute Abend will er dich wieder abschleppen."

    Jetzt nahm auch Lis ihre Sonnenbrille ab und starrte Hanna sprachlos an. Dann wanderten ihre arglosen blauen Augen zu Marie, die zustimmend nickte und ein leises:

    „Aber er war doch so charmant", kam es ernüchtert über Lis´ Lippen.

    „Ja, erklärte Marie nun ganz ruhig, „das sind sie immer, die Franzosen. Und surfen können Sie auch. Das war´s dann aber auch schon. Nur die zwei Sachen, sonst nix! Und du kannst uns glauben, Lis, wir nennen ihn auch nicht umsonst ‚Jean-FranSCHWANZ‘! Dieses Mal bediente sich Marie der imaginären Anführungszeichen mit den Fingern und zwar bei dem Wort „Schwanz".

    „OK, Konntet ihr etwa auch nicht bis drei zählen…?", fragte Lis nun sehr vorsichtig.

    „Also, bitte, empörte sich Hanna und stellte direkt klar: „Ein bisschen wählerisch sind wir schon.

    „Oh, da habe ich wohl großes Glück gehabt", meldete Axel sich nun wieder zu Wort, der die ganze Zeit eher wie ein Zuschauer in einer Sitcom dasaß.

    „Auch wenn wir sonst nicht gerne was anbrennen lassen, bemerkte Marie ganz nebenher während sie sich ihre Oakley Brille aufsetzte. „Außerdem sollte man meinen, du hättest die Nase von Franzosen voll, seit deinem Date am Tegernsee…

    „Mon Dieu, sagte Lis jetzt mit gespielter Empörung, „ich hab´s verstanden. Was machen wir denn dann heute Abend?

    „Wir könnten doch später noch in den Ort fahren. Ins „Surfer-Action, anstatt wieder hier im Club abzuhängen schlug Hanna vor.

    „Gute Idee, fand Marie „morgen haben wir eh frei und Axel hat schon ein Auto gemietet. Er fährt. Sie strahlte ihn an, so dass er dem nichts entgegenhalten konnte und natürlich einverstanden war. Axel war Sportstudent und als Saisonverstärkung für ein paar Wochen hier angestellt, um die Gäste mit allerhand sportlichen Aktivitäten bei Laune zu halten. Sein Studienkollege Phillip, der mittlerweile fest auf der Insel lebte, hatte ihm diesen Job empfohlen. Axel war ihm dafür mehr als dankbar, denn so lernte er Marie kennen, in die er sich sofort verliebt hatte. Er verbrachte gerne seine freien Tage mit ihr. Mit ihr war´s nie langweilig und sie war für jeden Blödsinn zu haben.

    „Einverstanden. Ich wollte sowieso mal wieder bei Phil vorbeischauen." erwiderte er.

    Lis schaute die beiden an, sie waren eigentlich ein schönes Paar. Aber Lis ahnte warum sich Marie „nur einen Saisonverstärker geangelt hatte, der bald wieder aus ihrem Leben verschwinden würde. Marie war schon lange in jemand ganz anderen verliebt, der nur leider ein „Hallodri war, wie Lis‘ Mutter zu sagen pflegte.

    „Cool, freute sich Hanna „dann lernst du Axels Freund Philip kennen. Der wird dir gefallen!

    „Na dann, seufzte Lis, drehte sich um, um ihre Rückseite gar zu brutzeln und lächelte zufrieden „bin ich ja froh, dass wir das geklärt haben. Nach einer Weile, fügte sie noch hinzu: „Und diesen Jean-Frans…… schwanz, lasse ich einfach sitzen?"

    „Auf jeden Fall! Auch Hanna lächelte zufrieden. Sie konnte diesen eingebildeten Franzosen nicht leiden. Sie wollte auf keinen Fall, dass er sich mit ihrer Freundin vergnügte nur um später damit anzugeben, wie schnell er sie „rumgekriegt hatte. Mit solchen von sich selbst überzeugten Typen würde sie sich niemals einlassen. Hanna fand die Männer viel interessanter, die nicht so leicht zu haben waren, ihnen zu gefallen war schon eher ihr Stil. Das war auch momentan ihre Lieblingsbeschäftigung, die ihr das Dolce Vita der Sonneninsel noch mehr versüßte. Ihre Arbeit in der Ferienanlage war für sie nur Nebensache, Hauptberuflich war sie eigentlich Partygirl. Sie hatte immer den richtigen Riecher dafür, wann und wo die besten Partys stiegen, oder wie auch immer man sich gerade am besten amüsieren konnte. In dem Moment forderte sie Lis auf, mit ihr runter an den Strand zu gehen.

    „Jetzt noch?", fragte Lis mit einem Blick auf die Uhr. Es war gleich halb fünf und die meisten Leute kamen gerade vom Strand zurück.

    „Das ist die beste Zeit!, wusste Hanna, „wir können ganz in Ruhe in Emilios Chiringuito noch was trinken. Lis zweifelte keine Sekunde an Hannas Worten und packte schon ihre Sachen zusammen. Hanna war diese Uhrzeit am Strand am liebsten, wenn die Sonne den Sand schon leicht orange färbte, die Wellen nur noch leicht und kaum hörbar ausliefen und man den Strand fast für sich alleine hatte. Außerdem liebte sie Emilios Chiringuito, er war nur tagsüber viel zu voll und man musste ewig auf seine Bestellung warten. Als sie unten am Strand ankamen, packten die Mitarbeiter vom Wassersport gerade das Material in die Hütte um alles abzuschließen und Feierabend zu machen.

    „Pass auf, dass der lästige Franzose dich nicht sieht," bemerkte Hanna und reichte Lis ihr Cappy.

    „Versteck deine blonde Haarpracht darunter und zieh die dunkle Sonnenbrille auf!"

    Lis schüttelte den Kopf „wie Miss Undercover, hörte aber auf Hannas Rat. „Und wenn er auch zum Chiringuito kommt?

    „Macht er nicht, die Jungs gehen immer direkt hoch an die Poolbar!"

    „Aha. Täglich grüßt das Murmeltier," stellte Lis fest.

    „Bei manchen schon, aber die bleiben dann auch höchstens eine Saison. Hola, Emilio, que tal?"

    „Hola guapa!" Hanna wechselte ein paar Worte mit dem Besitzer des Chiringuitos und er servierte den beiden Erdbeer-Caipirinhas.

    Lis stellte fest, dass sich Hannas Stimme jedes Mal veränderte, sobald sie spanisch sprach. Sie klang dann irgendwie viel weicher und nicht so energisch wie sonst. Im Gegensatz zu Hanna beherrschte Lis Fremdsprachen nicht besonders gut, aber für sie hörte es sich so an, als ob Hannas Spanisch perfekt wäre oder zumindest einen Akzent zu haben schien, bei dem selbst der coolste spanische Macho dahin schmolz. Jedenfalls scharrten sie sich haufenweise um Hanna, die das zwar sichtlich genoss, sich aber trotzdem nach kurzer Zeit wieder ihrer Freundin zu wand.

    „Typisch Lis, dachte Hanna, „sie merkt überhaupt nicht, wie die Spanier sie anstarrten und ihr schöne Augen machten. Dabei weiß doch jeder, dass der Spanier an sich auf lange blonde Haare und blaue Augen steht, die bei Lis auch wirklich nicht zu übersehen waren.

    „Apropos Abwechslung…", Lis deutete auf die kleine Gruppe Spanier, die nun den Strand aufräumten und sich dabei im Takt zu der spanischen Musik bewegten. Anscheinend unterhielten sie sich immer noch über die beiden, denn sie starrten sie immer noch völlig ungeniert an.

    „Die sind harmlos!", bemerkte Hanna beiläufig. Lis schien immer noch nicht zu bemerken, dass das Interesse der Jungs ihr galt.

    „Ganz entgegen dem Klischee, was man über die Machomänner sagt, sind sie überhaupt nicht so." Grinsend schlürfte Hanna an ihrem Erdbeer-Caipirinha.

    „Willst du damit sagen, Spanier sind überhaupt keine Machos?", fragte Lis verblüfft. Das wäre ihr ja völlig neu.

    „Nein, räumte Hanna Lis´ Schublade wieder auf, „in gewisser Weise sind sie natürlich schon Machos und ganz bestimmte Dinge tun sie einfach nicht, wie Wäsche waschen, putzen und die Kinder erziehen. Da genügt dann ein kurzer Blick und die Frau weiß was sie zu tun hat! Aber sie würden eine Frau niemals bloßstellen, was Schlechtes über sie sagen oder grob anfassen. Ganz im Gegenteil, bis auf die Dinge, die Männer einfach nie tun, tun sie alles für ihre Chicas. Sie sind überaus charmant und machen gerne Komplimente. Das halt nicht nur ihren eigenen Frauen, da muss man dann eben auch wieder aufpassen! Sie wollen einfach so oft wie möglich ihre Männlichkeit unter Beweis stellen und brauchen dafür solche Bestätigungen. Einer Frau hingegen ist das Flirten in dem Stil natürlich strengstens untersagt. Da sind sie wieder Machos.

    „Klingt kompliziert", Lis nahm nachdenklich einen Schluck von ihrem Erdbeer-Caipirinha. Lecker das Zeug! Dass es das bei ihr zu Hause nicht gab…

    „Nee, abwechslungsreich!" erwiderte Hanna.

    „Und du verliebst dich nie in einen von denen? Auch nicht, wenn er noch so niedlich ist?"

    „Verliebt sein ist doch nur eine vorübergehende Sinnestäuschung."

    „Woher hast du die Weisheit denn?" Lis staunte nicht schlecht über den Spruch.

    „Ist von mir! Hanna grinste stolz und Lis musste einen Augenblick darüber nachdenken. Könnte sie womöglich recht haben? Sie dachte wieder an die bevorstehenden Ereignisse, die zu Hause auf sie warteten. Im Grunde grübelte sie doch ohnehin schon immer viel zu viel über alles nach und machte es sich niemals leicht Entscheidungen zu treffen. Und jetzt waren da wieder diese Zweifel. Womöglich hatte sie sich mit allem zu schnell einverstanden erklärt, anstatt in Ruhe darüber nachzudenken. Aber als Toni ihr damals unter dem Gipfelkreuz der Zugspitze die Frage aller Fragen stellte, da hatte sie freudenstrahlend und ohne zu lange zu überlegen ja gesagt. Es fühlte sich einfach richtig an und sie konnte wieder dieses Glücksgefühl spüren, das sie damals überflutet hatte, gerade so wie die Wellen vor ihr im Atlantik. „Aber, dachte sie jetzt, „vielleicht waren das auch nur die Endorphine, die durch den Anstieg auf den Berggipfel haufenweise ausgeschüttet wurden? Toni hatte sie zwar schon oft mit in die Berge genommen und inzwischen war sie im Klettern und Seile befestigen geübt. Nur bis ganz nach oben hatte sie es noch nie geschafft. Bestimmt wurde diese alberne Glücksseligkeit damals nur durch die körperliche Anstrengung und die dünne Höhenluft hervorgerufen, so dass sie auf Tonis Idee so euphorisch und überschwänglich reagiert hatte. „Genau! Das muss auch bei Toni der Auslöser gewesen sein, denn er faselte sonst nie so einen romantischen Unsinn wie in dem besagten Moment. Oh je, waren die Zweifel am Ende etwa berechtigt? Schnell schob sie den Gedanken wieder beiseite und widmete sich wieder Hanna und ihrer neuerworbenen Weisheit.

    „Das finde ich aber nicht. Ich bin immer noch in Toni verliebt, wie am ersten Tag. Und diese Woche ohne ihn ist zwar ganz ok aber ich freue mich wahnsinnig darauf, ihn wiederzusehen." Und das war noch nicht mal gelogen. Kein bisschen! Also doch keine Zweifel.

    „Bist du dir deshalb so sicher, dass er der Richtige für dich ist? Daß er tu media naranja ist, wie die Spanier sagen."

    „Media was?"

    „Deine media naranja, also deine halbe Apfelsine. Die andere Hälfte die zu deiner Hälfte passt. Woran erkennst du das?"

    „Hm, das kann ich dir jetzt gar nicht so genau sagen…. sowas merkt man einfach und weiß es dann…" Lissy überlegte und suchte nach den passenden Worten, denn mit romantisch gefaseltem Unsinn brauchte sie Hanna nicht zu kommen, da traf man auf völliges Unverständnis. Andererseits fragte sie sich nach Hannas Beweggründen für dieses Gespräch. Hatte sie sich etwa doch in jemanden verliebt und wusste nicht mehr weiter? Oder sollte man in ihrem Fall besser sagen, sie hatte sich verliebt und wusste jetzt nicht, wie sie aus der Nummer rauskommen sollte. Das würde eher zu ihr passen.

    „Also, wenn ich jemanden gut finde und ihn dann näher kennenlerne, finde ich ihn plötzlich gar nicht mehr so gut" griff Hanna nun das Gespräch wieder auf. Das war tatsächlich ein Phänomen, das sie seit einiger Zeit bei ihren sogenannten Selbstversuchen mit Männern beobachtete.

    „Tja, erwiderte Lis, „da hast du dann gemerkt, dass es ein Deppenhaufen ist!

    „Ok, aber da kommt dann eine andere, für die ist der Deppenhaufen überhaupt kein Deppenhaufen und sie wird mit ihm froh und glücklich."

    „Oder, konterte Lis wieder, „sie merkt gar nicht, dass der Deppenhaufe ein Deppenhaufen ist und ist nur deshalb froh und glücklich mit ihm, weil sie es nicht checkt?!

    „Ach, dann bedeutet verliebt sein also, dass man einfach nicht checkt, dass der andere ein Trottel ist oder was?"

    „Naja, das ist jetzt schon eine sehr nüchterne Version. Sagen wir mal, man merkt es erst, wenn es schon zu spät ist oder man merkt es, findet es aber gar nicht so schlimm und kann damit leben."

    „Also doch nur eine vorübergehende Sinnestäuschung!"

    Lis ließ ihre Schultern samt Cocktail sinken. Hanna war hoffnungslos unromantisch.

    „Ok, Hanna, ich gebe mich geschlagen, den Zustand des Verliebtseins könnte man durchaus unter ganz nüchternen und unromantischen Menschen als Sinnestäuschung bezeichnen."

    „Ha, Hanna lachte hämisch, „ich wusste es! Mit dieser Erkenntnis könnte man der Menschheit einen großen Gefallen erweisen

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