Herzenswünsche kommen teuer: (Märchenspinnerei 10)
Von Mira Lindorm
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Über dieses E-Book
Nach Kinderart äußert Suleika ihren ersten Herzenswunsch spontan – ohne zu ahnen, was sie damit anrichtet.
Für eine Weile schwört Suleika darauf der Wunderlampe ab, doch als sie zur Frau heranwächst, bringt das Leben neue Sehnsüchte mit sich, für die der Dschinn der ideale Ausweg scheint. Bleibt nur die Frage, ob Suleika inzwischen gelernt hat, ihre Wünsche mit mehr Weitsicht zu äußern.
1001 Nacht lang erzählte die todgeweihte Sheherezade ihre Geschichten, bis der Sultan sie verschonte. Mira Lindorm spinnt das Garn nun weiter und beschreibt in "Herzenswünsche kommen teuer" die möglichen Folgen der 1002 Nacht. Ein Thema so zeitlos aktuell wie der Zauber der arabischen Sagenwelt: Egoistische Wünsche, kurzsichtig verwirklicht - ein prima Rezept für Schwierigkeiten.
Band 10 aus der Reihe der Märchenspinner
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Buchvorschau
Herzenswünsche kommen teuer - Mira Lindorm
978-95959-089-1
Prolog
Der Dschinn war alt. Selbst für seinesgleichen. Und er hatte keine Lust mehr. Immer diese dummen Wünsche der Menschen! Kein Sinn und Verstand lag darin. Kaum einer von ihnen hörte wirklich zu, wenn er versuchte, ihnen einen guten Rat zu geben.
Der Dschinn räkelte sich – und stieß prompt gegen die Wand der goldenen Lampe. Verdammtes Gefängnis! Wie sollte er je daraus freikommen, wenn die Menschen so uneinsichtig waren? Und selbst wenn einer von ihnen sich seine Worte zu Herzen nehmen sollte, würden er ihm vermutlich dennoch nicht helfen wollen. War ja so bequem, einen Dschinn-Diener zu haben, dem man einfach befehlen konnte: Tu dies, mach das, kümmere dich um jenes; und er stampfte Wunder aus dem Boden, wenn nötig.
Der Dschinn seufzte. Es klang wie das Stöhnen der Winde über den Maghreb-Höhen, wo er zuhause war. Wie er die Berge vermisste, die klare Luft, die funkelnden Sterne!
Der Dschinn drehte sich frustriert und versuchte, auf dem harten, glatten Gold des Lampeninneren eine bessere Ruheposition zu finden. Wenn er doch bloß von dieser dummen Lampe befreit würde.
Frei sein. Im Wind schweben, unsichtbar, substanzlos, ohne Befehle, ohne Wünsche, ohne Bedürfnisse, ohne Gefühle, vergessen zu können, vergessen zu werden ... Was würde er nicht dafür geben!
Der erste Herzenswunsch
Mama!" Die kleine Prinzessin stampfte wütend mit ihrem zierlichen Fuß auf. Sheherezade versteckte ihr Lächeln hinter ihrem Fächer. Wie sehr die Kleine doch ihrem Vater, dem Sultan, glich! In Sachen Temperament und Sprunghaftigkeit war sie sein absolutes Ebenbild. Allerdings hatte sie auch von ihrer Mutter einiges abbekommen. Die Eunuchen wurden nicht müde, wieder und wieder zu versichern, dass Suleika ebenfalls zu einer Schönheit heranwachsen würde.
„Ich will aber mit den Jungen spielen!, trotzte die Prinzessin. „Ihre Spiele machen einfach mehr Spaß!
„Jungenspiele gehören sich nicht für eine Prinzessin."
„Aber Mädchenspiele sind so entsetzlich langweilig! Außerdem will ich unbedingt lernen, wie man mit einem Schwert kämpft, damit ich eine holde Maid vor einem Drachen retten kann."
„Du wirst doch selbst zu einer holden Maid heranwachsen, die vielleicht eines Tages gerettet werden muss!"
„Quatsch. Ich werde bestimmt nicht in Tränen ausbrechen und herumschreien, wenn ich auf einen Drachen treffe. Ich werde ihn einfach töten. Ich brauche bloß das passende Schwert dazu."
„Und so etwas erzählen sie dir? Sheherezade seufzte. „Ich werde ein ernstes Wort mit den Jungen reden müssen. Sie setzen dir lauter dumme Ideen in den Kopf.
Die Prinzessin zog eine Schnute. „Wieso soll es eine dumme Idee sein, einen Drachen mit einem Schwert zu töten?"
„Na, erstens kommt so ein Schwert überhaupt nicht durch die Schuppen der Drachenhaut hindurch. Du würdest ihn höchstens damit kitzeln können. Zweitens sind Menschen einfach viel zu klein, um mit einem Schwert gegen Drachen zu kämpfen. Du würdest nicht einmal bis an seinen Bauch kommen, geschweige denn an seinen Kopf. Und drittens bist du die Tochter des Sultans, und du lebst in seinem Harem. Es gibt nicht den Schatten einer Chance, dass du hier jemals auf einen Drachen treffen könntest."
Suleika rieb sich ihre zierliche Stupsnase. „Mmmmm." Dann kratzte sie sich am Kopf. Sheherezade lächelte ihre kleine Tochter voller Zuneigung an. Denken war wohl noch harte Arbeit für die Kleine.
Endlich schien Suleika zu einem Entschluss zu kommen. Ihr rundes Gesichtchen zeigte einen geradezu königlichen Ernst. „Wenn der Drache nicht in den Harem kommen wird, dann muss ich eben den Drachen aufsuchen. Sie sah jetzt sehr ernst und entschlossen aus. „Und wenn das bedeutet, dass ich mein Heim verlassen muss, dann sei es so. Inschallah!
Bevor Sheherezade reagieren konnte, drehte die Kleine sich um und lief los, um sich neue Spielkameraden zu suchen.
Suleika lugte um die Ecke. Da war der Ausgang, so nahe und doch so unerreichbar. Die beiden Eunuchen, die links und rechts der Tür wachten, würden keine Frau aus dem Harem herauslassen, egal, wie klein oder groß sie war.
Verdammt, das war unfair! Ihre Brüder durften hinaus!
Moment. Und wenn sie als Junge verkleidet war? Das müsste doch gehen!
Wenig später stolzierte ein ziemlich merkwürdig aussehender junger Prinz auf den Ausgang zu. Pluderhosen, Sandalen und Hemd sahen eigentlich noch ganz normal aus, wenn man einmal davon absah, dass das Hemd irgendwie verkehrt herum zu sitzen schien. Aber seit wann trugen die jungen Prinzen Makeup? Und die Haarsträhnen, die unter der Kappe herauskrochen, waren verdächtig lang.
Die Wachen tauschten einen amüsierten Blick.
„Öffnet mir die Türe!"
Das Stimmchen klang nicht so, als ob es gewohnt war, laut zu reden. Der ältere der beiden Eunuchen beschloss, das Spiel mitzumachen.
„Eure Hoheit, ich würde Euch ja gerne die Türe öffnen. Bloß ..."
„Bloß was?"
„Es schickt sich nicht für einen Prinzen, alleine in die Stadt zu gehen. Ihr solltet wenigstens ein halbes Dutzend Diener dabeihaben. Zudem wäre Eure Sicherheit nicht gewährleistet, wenn Ihr nicht ein gutes Dutzend Soldaten zu Eurem Schutz bestellt hättet. Und, entschuldigt, wenn ich das sagen muss, Hoheit, es sind keine Soldaten bestellt worden. Zumindest warten keine auf der anderen Seite des Tores. Ohne Soldaten und Diener kann ich Euch unmöglich hinauslassen."
Auf der Stirn des vorgeblichen Prinzen erschien dieselbe steile Falte, die auch der Sultan zeigte, wenn er ungehalten war.
Der Eunuch verbeugte sich hastig. „Es tut mir überaus Leid, dass ich Euch nicht gehorchen kann, mein Prinz. Aber wir haben Befehl von Eurem Vater, dem Sultan. Wir sind verantwortlich für Eure Sicherheit, und es kostet uns unseren Kopf, wenn wir in dieser Aufgabe versagen."
Einen Moment hing das Schicksal in der Schwebe. Dann glättete sich die junge Stirn. „In diesem Falle, sagte das Stimmchen gönnerhaft, „werde ich warten, bis alles zur Zufriedenheit meines Vaters geregelt ist.
Suleika war nicht begeistert, als ihre Mutter sie nach dem Abendessen sprechen wollte. Allerdings war sie auch nicht überrascht. Sheherezade war berüchtigt dafür, dass sie buchstäblich das Gras wachsen hörte. Nichts im Harem entging ihrer Aufmerksamkeit.
So hörte Suleika sich mit gesenktem Kopf die Gardinenpredigt an, die ihre Mutter über sie ergoss. Unverantwortliches, unziemliches Benehmen. So etwas gehöre sich nicht einmal für eine Krämerstochter, geschweige denn für eine Prinzessin. Was sie sich wohl dabei gedacht habe?
Suleika hob den Blick. „Ich wollte doch nur sehen, wie die Welt wirklich aussieht hinter unseren Mauern."
Sheherezade hielt inne, betrachtete ihre Tochter. Dann huschte ein flüchtiges Lächeln über ihr Gesicht, bevor sie wieder ernst wurde und seufzte. „Das glaube ich dir gerne, Kleines. Aber du wirst dich daran gewöhnen müssen, dass deine Welt nun einmal nur aus dem Platz zwischen diesen Mauern besteht. Und das wird sich vermutlich niemals ändern."
Suleika blieb still. Aber sie spürte, wie sich ihr Herz zusammenkrampfte. Niemals hinaus? Wirklich niemals?
Es war still im Harem, die Glut der Mittagssonne hatte alle Bewohner in die kühlen Schatten getrieben. Die Frauen dösten auf dem Diwan oder unterhielten sich in gedämpftem Tonfall, ihre Stimmen nicht lauter als das sanfte Gemurmel des Springbrunnens im Hof. Hin und wieder ein leises Klirren, wenn Armreifen gegeneinander stießen oder eine Tasse mit heißem, süßen Pfefferminztee abgesetzt wurde.
Suleika stieß mit der Fingerspitze gegen