Mami 1764 – Familienroman: Über die Kinder zu deinem Herzen
Von Annette Mansdorf
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"Meinen Sie, ich kann so etwas tragen?"
Die wohlbeleibte Kundin hatte sich in ein schwarz-weiß gestreiftes Kleid gezwängt und versuchte nun, vor dem Spiegel den Bauch einzuziehen, was ihr natürlich nicht gelang. Sie sah aus wie die berühmte Wurst in der Pelle.
Nikola übte sich in Geduld. Eigentlich wollte sie ihre Boutique um diese Zeit schon geschlossen haben, doch die Kundin probierte sich durch sämtliche Kleider auf der Suche nach etwas Passendem. Das ging schon seit einer halben Stunde so.
"So würde ich es nicht tragen, aber ich habe da schicke schwarze Überwürfe, die Sie überziehen könnten. Das müßte Ihnen hervorragend stehen."
"Ja? Wo denn?"
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Mami 1764 – Familienroman - Annette Mansdorf
Mami -1764-
Über die Kinder zu deinem Herzen
Annette Mansdorf
»Meinen Sie, ich kann so etwas tragen?«
Die wohlbeleibte Kundin hatte sich in ein schwarz-weiß gestreiftes Kleid gezwängt und versuchte nun, vor dem Spiegel den Bauch einzuziehen, was ihr natürlich nicht gelang. Sie sah aus wie die berühmte Wurst in der Pelle.
Nikola übte sich in Geduld. Eigentlich wollte sie ihre Boutique um diese Zeit schon geschlossen haben, doch die Kundin probierte sich durch sämtliche Kleider auf der Suche nach etwas Passendem. Das ging schon seit einer halben Stunde so.
»So würde ich es nicht tragen, aber ich habe da schicke schwarze Überwürfe, die Sie überziehen könnten. Das müßte Ihnen hervorragend stehen.«
»Ja? Wo denn?«
Nikola holte einen Leinenüberwurf, der wie ein kurzärmeliger Kittel geschnitten war, vom Ständer, und half ihrer Kundin, ihn überzuziehen. Und endlich sah die schon etwas ältere Frau wirklich gut aus. Sie seufzte erleichtert.
»Ja, das gefällt mir. Das nehme ich und behalte es gleich an.«
Na also, ihre Geduld hatte sich ausgezahlt, und obendrein hatte sie sicher eine neue Stammkundin gewonnen. An der Kasse erstand die Dame noch einen Flatterschal, den sie sich um den Hals legte und bezahlte dann alles zusammen mit einem Scheck. Nikola war zufrieden, die Kundin auch.
Für die angepeilte Kinovorstellung war es jetzt schon zu spät, aber Nikola wollte sich eine Pizza leisten und erst dann nach Hause fahren. Immerhin konnte sie sich ihre Zeit flexibel einteilen, seit sie sich von Rüdiger getrennt hatte. Es gab also eine Menge Vorteile dafür, daß sie nun allein lebte. Zwar vermißte sie ihn noch hin und wieder, aber die ewige Streiterei in der letzten Zeit, weil sie abends oft keine Lust gehabt hatte, sich noch um den Haushalt zu kümmern und er die Arbeit nicht mit ihr teilen wollte, war auch nicht gerade angenehm gewesen. Da lebte sie so auf jeden Fall ruhiger.
Vielleicht sollte sie Clarissa anrufen. Möglicherweise hatte ihre Freundin Lust, mit essen zu gehen. Nikola hatte sie schon seit zwei Wochen nicht mehr gesehen. Clarissa hatte sich in einen Psychologen verliebt, den sie in einem Yoga-Kursus kennengelernt hatte. Seitdem war sie auf Tauchstation.
Nikola schloß den Laden ab und ging nach hinten in das winzige Büro. Sie wählte die Nummer ihrer Freundin, obwohl sie sich wenig Hoffnung machte, daß diese an einem Freitagabend überhaupt Zeit hatte.
»Clarissa Jürgens.«
»Hier Niki. Wie geht es dir?«
»Oh, Niki, ich erwarte gerade einen Anruf von Torsten. Mir geht es gut, und dir? Entschuldige, daß ich so lange nicht mehr angerufen habe, aber du weißt ja…«
»Ja, junge Liebe und so. Wie vertragt ihr euch denn?«
»Sehr gut. Du, ich glaube, diesmal ist es etwas Ernstes. Es kann ja auch kein Zufall sein, wie wir uns kennengelernt haben. Eigentlich wollte Torsten nämlich an dem Kurs gar nicht teilnehmen. Sicher sollten wir uns nur treffen.«
Ach du meine Güte, dachte Nikola resigniert. Schon wieder glaubte Clarissa an die große, schicksalhafte Begegnung. Das passierte ihr mindestens zweimal jährlich. Klüger war sie auch nicht geworden, wenn die Verbindung zerbrach. Immer wieder ging sie mit neuem Mut eine weitere Beziehung ein.
»Ich weiß, daß du von meiner These nichts hältst. Aber warte nur, bis dir das passiert. Eines Tages…«
»Ich bin erst einmal froh, daß ich solo bin. Wenn ich mir vorstelle, Rüdiger säße jetzt bei mir herum und maulte, weil ich schon wieder zu spät komme, nein danke. Das muß ich nicht haben.«
»Er war eben nicht der Richtige.«
»Weswegen ich anrufe, kommst du heute mit mir essen? Oder hast du Lust, etwas anderes zu unternehmen?«
»Nein, tut mir leid, aber ich kann nicht. Torsten und ich müssen auf die Kinder aufpassen. Ich warte darauf, daß er mich anruft und mir sagt, wann er mich abholt.«
»Kinder? Welche Kinder?« fragte Nikola erstaunt.
»Seine. Aus seiner geschiedenen Ehe. Sie leben eigentlich bei seiner Frau, aber hin und wieder sind sie auch bei ihm.«
»Und wie alt sind sie?«
Nikola fiel auf, daß Clarissa ihr eigentlich noch gar nichts von diesem Torsten erzählt hatte, außer daß er natürlich traumhaft aussah.
»Dreieinhalb und zwei Jahre alt. Ein Junge und ein Mädchen.«
»Und seit wann ist er geschieden?«
»Seit einem halben Jahr. Sie verstehen sich aber noch ganz gut.«
Das klang nun entschieden nicht begeistert, was Nikola verstehen konnte. Clarissa neigte zur Eifersucht.
»Und du machst heute also den Babysitter. Na ja, läßt sich nicht ändern. Gehen wir ein andermal miteinander aus. Wenn du mal wieder Zeit hast für eine alte Freundin.«
»Oh, Niki, fang nicht so an. Dann habe ich sofort ein ganz schlechtes Gewissen.«
»Mußt du nicht. Ist schon okay. Ich habe es halt nur einmal versucht. Bis bald.«
»Bis bald. Ich melde mich.«
Wenn ihr Torsten ihr die Zeit dazu läßt, dachte Nikola leicht resigniert und legte den Hörer auf.
Sie machte noch etwas Ordnung im Laden und fuhr dann nach Hause. Erst als sie die Haustür aufschloß, fiel Nikola ein, daß sie ja eigentlich eine Pizza hatte essen wollen. Nun mußte das Tiefkühlfach herhalten, denn sie wollte nicht noch einmal losfahren.
Eine Viertelstunde später lag Nikola in der Badewanne und genoß den duftenden Schaum und die Wärme des Wassers. Wenn Rüdiger jetzt hiergewesen wäre, müßte sie Abendessen machen. Und dann neben ihm sitzen und sich anhören, was er tagsüber wieder Großes geleistet hatte in seinem Geschäft. Und dann…
Nein, es war viel besser so. Er hatte auch möglichst schnell Kinder haben wollen, wenn sie verheiratet wären. Daran mochte Nikola nicht einmal im Traum denken. Sie liebte die Arbeit in ihrer Boutique.
Die ersten beiden Jahre waren ziemlich hart gewesen, denn sie mußte erst lernen, in den richtigen Mengen einzukaufen und immer ein paar exklusive Stücke zu haben. Mit der Zeit war es leichter geworden, denn sie hatte sich einen Kundenstamm herangezogen, die das, was Nikola bei den kleineren Designern einkaufte, liebten und gut tragen konnten. Jetzt war Nikola ganz sicher in der Auswahl ihrer Einkäufe und irrte sich höchstens einmal bei einem Stück, das sie dann – heruntergesetzt – immer noch loswurde oder selbst trug. Diesen mühsam errungenen Erfolg wollte sie nicht wieder aufgeben. Rüdiger hatte sie natürlich festnageln wollen, er war immer ein wenig eifersüchtig gewesen, wenn er ihre Umsatzzahlen gesehen hatte.
Ihre Gedanken wanderten zu ihrer Freundin. Wenn Clarissa tatsächlich bei diesem Torsten bliebe, hätte sie auf einen Schlag eine Familie. Clarissa war ein anderer Typ als sie, zugegeben, aber es mußte ziemlich schwer sein, zu zwei fremden Kindern ein Verhältnis zu entwickeln. Und dann gab es ja immer noch die Mutter, die die Kinder betreute und vielleicht auch gegen die Neue beeinflußte. Ob dieser Torsten stark genug war, das auszuhalten? Daß er als Psychologe arbeitete, hieß noch gar nichts. Das waren oft die Schlimmsten, wenn es um eigene Probleme ging. Hilflos wie die Wickelkinder. Nikola war auch einmal mit einem solchen Mann befreundet gewesen, allerdings nur ganz kurz, dann hatte sie lieber das Weite gesucht. Er hatte einen echten Mutterkomplex gehabt.
Nikola beendete ihre Betrachtungen und stieg aus der Wanne. Als sie sich gerade das flauschige Badehandtuch