Von ihm hing alles ab: Dr. Norden Bestseller – Neue Edition 36 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
»Von wem sind denn die wunderhübschen Blumen?«, fragte Dr. Daniel Norden seine Frau, als er zur Mittagspause heimkam, zum Glück mal wieder pünktlich, denn Fee hatte sich für den Nachmittag etwas vorgenommen. »Für wen, musst du fragen. Christine hat Geburtstag. Ich fahre nachher zu ihr.« Ein Schatten fiel über sein Gesicht. »Man müsste ihr ein neues Gesicht schenken können«, sagte er nachdenklich. »Eben darüber wollte ich auch mit ihr sprechen«, sagte Fee. »Vielleicht kann es Dr. Marein. Ich habe mich erkundigt. Er macht fantastische plastische Operationen. Ich würde es nicht glauben, wenn ich nicht heute Morgen Frau Eckart getroffen hätte. Du erinnerst dich doch noch, wie sie nach dem Warenhausbrand aussah.« »Und ob«, sagte Daniel. »Nicht zum Wiedererkennen ist sie.
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Buchvorschau
Von ihm hing alles ab - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Bestseller – Neue Edition
– 36 –
Von ihm hing alles ab
Patricia Vandenberg
»Von wem sind denn die wunderhübschen Blumen?«, fragte Dr. Daniel Norden seine Frau, als er zur Mittagspause heimkam, zum Glück mal wieder pünktlich, denn Fee hatte sich für den Nachmittag etwas vorgenommen.
»Für wen, musst du fragen. Christine hat Geburtstag. Ich fahre nachher zu ihr.«
Ein Schatten fiel über sein Gesicht. »Man müsste ihr ein neues Gesicht schenken können«, sagte er nachdenklich.
»Eben darüber wollte ich auch mit ihr sprechen«, sagte Fee. »Vielleicht kann es Dr. Marein. Ich habe mich erkundigt. Er macht fantastische plastische Operationen. Ich würde es nicht glauben, wenn ich nicht heute Morgen Frau Eckart getroffen hätte. Du erinnerst dich doch noch, wie sie nach dem Warenhausbrand aussah.«
»Und ob«, sagte Daniel.
»Nicht zum Wiedererkennen ist sie. Wenn sie mich nicht angesprochen hätte, wäre ich an ihr vorbeigelaufen. Warum sollte es bei Christine nicht auch möglich sein?«
»Wenn sie zu überzeugen ist«, sagte Daniel sinnend. »Ein neues Leben für Christine Gahlen? Ich würde es ihr von Herzen wünschen. Es ist schlimm, um die schönsten Jahre betrogen zu werden.«
»Die schönsten Jahre einer Frau beginnen mit dreißig«, sagte Fee optimistisch, »und bis dahin hat Christine noch eine Menge Zeit. Sie wird heute vierundzwanzig.«
»Dein Gedächtnis ist unübertrefflich, mein Schatz«, sagte Daniel. »Nun, dann versuch mal dein Glück. Von Frau zu Frau lässt sich so was leichter besprechen. Aber herzlich grüßen kannst du sie von mir.«
»Das hätte ich bestimmt nicht vergessen.«
»Die Kinder nimmst du aber nicht mit«, sagte Daniel.
»Gott bewahre, dann würde Sie sich doch gleich wieder verkriechen. Die Kinder gehen rüber zu Neffs. Barbara freut sich, und Lenni geht natürlich mit, damit sie auch alle unter Aufsicht sind.«
»Wird auch gut sein«, meinte Daniel, »aber unser Sorgenkind Mischa scheint sich ja gut zu entwickeln.«
»Und wie gut«, sagte Fee.
Vor ein paar Wochen hatte ihnen der kleine Mischa Neff große Sorgen bereitet, da er durch einen Bienenstich dem Erstickungstod nahe gewesen war. Durch dieses Unglück war dann eine Freundschaft entstanden. Die Neffs hatten auch drei Kinder, und sie waren glücklich, schon nach der kurzen Zeit der Nachbarschaft einen so herzlichen Kontakt gefunden zu haben.
Der Kontakt zu Christine Gahlen war auch durch ein schreckliches Unglück entstanden. Es war drei Jahre her, dass die junge Chemieassistentin bei einem Versuch ihres Chefs, Dr. Lohne, schwer verletzt worden war. Durch ätzende Säure war die linke Hälfte ihres Gesichts verunstaltet worden, und auch andere Narben waren zurückgeblieben, die jedoch durch die Kleidung zu verdecken waren.
Das reizende junge Mädchen wurde zu einer einsamen Frau. Ihr Verlobter, Werner Pohl, ließ sie im Stich. Dr. Lohne, der ein halbes Jahr später seinen Verletzungen erlag, hatte Christine jedoch sein ganzes Vermögen und ein Haus auf dem Land hinterlassen, in dem sie nun ein abgeschiedenes Leben führte.
Die Nordens waren die einzigen Menschen, mit denen sie in Verbindung blieb. Aber es war ein trostloses Leben, obgleich sie durch Dr. Lohnes Vermächtnis finanziell völlig gesichert war.
Er hatte in dem Schuldbewusstsein, ein blühendes, fröhliches Menschenkind zu einer verzweifelten Frau gemacht zu haben, keinen Lebenswillen mehr gehabt, aber er hatte seine Forschung noch zu Ende geführt, von der Christine zeitlebens die Nutznießung haben sollte.
Aber was nützte alles Geld, wenn jeder sich abwandte, dem sie begegnete. Ganz konnte sie die schrecklichen Narben auch nicht mit Kopftüchern verdecken. Und wenn es auch oft tiefstes Mitleid war, das ihr entgegengebracht wurde, für Christine war es stets ein Schock, den Schrecken in den Augen anderer zu lesen.
Fee und Daniel Norden wussten um die seelischen Qualen dieser jungen Frau. So oft es ihnen möglich war, besuchten sie Christine in dem hübschen kleinen Landhaus, in dem sie allein mit ihrem Spaniel Bastian lebte, dem einzigen Freund, der kein Mitleid für sie empfand, sondern mit größter Anhänglichkeit stets an ihrer Seite blieb.
Und Bastian spürte wohl, dass die Nordens wirkliche Freunde waren, denn sie waren die Einzigen, die er nicht verbellte, wenn sie vor der Gartentür standen.
Auch an diesem Tag wurde Fee schwanzwedelnd und mit leisem freudigen Jaulen begrüßt. Und deshalb wurde ihr auch sofort die Tür geöffnet.
Sehr schlank und doch wohlgeformt stand Christine in Jeans und einem leichten Pulli vor Fee, ihr die rechte Gesichtshälfte zuwendend, die verriet, wie apart und reizvoll sie einmal gewesen war.
Fee umarmte Christine. »Alles Gute für das neue Lebensjahr, Christine«, sagte sie weich.
»Gut gemeint, schwer getan«, sagte Christine, »aber es ist lieb, dass ihr mich nicht vergesst.«
»Ganz liebe Grüße und Wünsche von Daniel. Und vielleicht gibt es doch eine Hoffnung, Christina.«
»Welche?«
»Dr. Marein. Ich werde es dir erzählen. Ich habe mich eingehendst nach ihm erkundigt. Er ist nicht so ein Schönheitschirurg, der nur Liftings macht und kassiert. Er ist ein ganz großer Könner, der im Stillen Wunder vollbringt.«
»Ich glaube nicht mehr an Wunder«, sagte Christine mit dunkler Stimme, die ein ganz besonderes Timbre hatte. Allein mit dieser Stimme könnte Christine Karriere machen, dachte Fee.
»Wir werden in aller Ruhe darüber sprechen«, sagte sie. »Es geht natürlich nicht von heute auf morgen, aber ich bin überzeugt, dass Marein dir genauso helfen kann, wie er Frau Eckart geholfen hat. Bei ihr hat es genauso schlimm ausgeschaut wie bei dir, und du müsstest sie heute sehen. Es hat doch keinen Sinn, dass wir diskret herumreden, Christine. Wir wollen dir helfen. Zumindest könnte Dr. Marein sagen, wie dir zu helfen ist. Du bist zu jung, um zu resignieren.«
Bastian drückte sich an Christines Seite, als wolle er sich in Erinnerung bringen.
»Und was wird aus diesem kleinen treuen Freund, wenn ich ja sagen würde?«, fragte Christine dann auch sofort.
»Den nehmen wir«, erklärte Fee spontan. »Und ich verspreche dir, dass er bestens versorgt werden wird.«
»So gut, dass er auch mich vergessen wird, wenn ich einige Wochen weg bin«, sagte Christine leise.
»Das wird bestimmt nicht eintreten. Du sollst nicht resignieren, Christine. Das Leben liegt noch vor dir. Du hast Geld. Kauf dir ein neues Leben.«
»Du bist eine gute Trösterin, Fee«, sagte Christine. »Man darf nichts unversucht lassen«, sagte Fee ruhig.
»Gut, wenn du es meinst, aber du musst es in die Wege leiten.«
»Das werde ich«, erwiderte Fee aufatmend.
*
Dr. Carlo Marein befasste sich an diesem Tag mit einer anderen Patientin, dem Topmannequin Charmaine, deren richtiger Name Carola Schüssler lautete.
Charmaine konnte sich über ihr Aussehen eigentlich nicht beklagen, aber sie ging auf die vierzig zu und wollte ihre Karriere nicht gefährdet wissen. In letzter Zeit war sie häufig schweren Depressionen unterworfen.
Sie war eine bildschöne Frau von hinreißendem Charme, aber die Angst vor dem Alter hatte ihre Spuren schon hinterlassen. Sie wünschte eine Ganzheitsliftung.
Er konnte es ihr nicht abschlagen, obgleich er fand, dass gerade diese kleinen Fältchen ihrem Gesicht einen besonderen Reiz verliehen. Aber ihr Charme, dem sie auch ihren Namen verdankte, besiegte auch ihn.
»Ich muss meinem Namen doch gerecht werden, lieber Doktor. Und ich muss Geld verdienen.«
Eigentlich müsste sie doch genug verdient haben, dachte er. Und wie sie aussah, könnte sie sich auch heute noch einen Millionär angeln.
Doch dann erfuhr er etwas, was ihn verblüffte. »Sie sehen mich so erstaunt an«, sagte Charmaine. »O ja, ich habe viel verdient, aber leider hatte ich einen Ehemann, der es meisterhaft verstand, auch alles um die Ecke zu bringen. Nun, am Hungertuch brauche ich nicht zu nagen, und Sie werden Ihr Honorar bekommen, aber für mein Alter muss ich auch vorsorgen. Das heißt, für die Jahre, die noch vor mir liegen und die ich sorglos verbringen möchte. Dafür möchte ich jung bleiben.«
Er hätte ihr nun den Vortrag halten können, dass dazu eigentlich nur die innere Einstellung notwendig sei, aber dann spürte er plötzlich, wie sie abschlaffte. Er erschrak.
»Wir müssen Sie gründlich untersuchen, Madame«, sagte er. »Das gehört dazu.«
»Nennen Sie mich ruhig Charmaine«, lächelte sie. »Tun Sie, was Sie wollen, aber so gut, wie Sie nur können. Ich brauche meine Arbeit, ich brauche diesen Stress, ich kann kein Nichtstuerleben führen. Ich war einmal ein ganz armes Mädchen, das nichts hatte als seine gute Figur und ein hübsches Gesicht. Ich habe meine Chance wahrgenommen. Es war ein steiniger Weg, aber ich habe es geschafft, und nun will ich oben bleiben, und nun wird mich kein Mann mehr ausnehmen.«
Ihre Aufrichtigkeit verblüffte ihn, berührte ihn aber gleichzeitig überaus angenehm. Sie hatte Charakter, und er wollte auch bemüht sein, ihrem Gesicht diesen wirklich nicht zu nehmen.
Doch am nächsten Tag war Dr. Marein zum ersten Male in seiner Praxis völlig deprimiert, denn die Laborbefunde, die äußerst sorgfältig gemacht worden waren, verrieten ihm, dass