Sagen Sie die Wahrheit, Dr. Wieland?: Dr. Norden Bestseller – Neue Edition 25 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
Lenni, die unermüdliche Haushälterin der Nordens, stand in der Küche am Herd. Sie fühlte sich unbeobachtet, sonst hätte sie das leise Stöhnen, mit dem sie sich an die Hüfte fasste, bestimmt unterdrückt. Aber Fee Norden war gerade aus dem Wohnzimmer gekommen und sah durch die offene Tür diese Bewegung, und sie hörte auch das leise Stöhnen. »Was ist Ihnen, Lenni?«, fragte sie besorgt. »Ach, nichts weiter.« »Natürlich ist etwas, und ich möchte es wissen.« »Es kommt und geht, beim Stehen und auch beim Laufen«, gab Lenni schließlich zu. »Und die Füße brennen so leicht.« »Dann werde ich Sie mal zu Dr. Bardow bringen. Sicher brauchen Sie Einlagen.« An etwas Schlimmeres wollte Fee vorerst nicht denken. »Kann das nicht unser Doktor feststellen?«, fragte Lenni bestürzt. »Nein, das muss schon ein Orthopäde tun. Dr. Bardow ist ein ausgezeichneter Arzt.« »Aber er hat eine Klinik, und in der Klinik bleibe ich nicht«
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Buchvorschau
Sagen Sie die Wahrheit, Dr. Wieland? - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Bestseller – Neue Edition
– 25 –
Sagen Sie die Wahrheit, Dr. Wieland?
Patricia Vandenberg
Lenni, die unermüdliche Haushälterin der Nordens, stand in der Küche am Herd. Sie fühlte sich unbeobachtet, sonst hätte sie das leise Stöhnen, mit dem sie sich an die Hüfte fasste, bestimmt unterdrückt. Aber Fee Norden war gerade aus dem Wohnzimmer gekommen und sah durch die offene Tür diese Bewegung, und sie hörte auch das leise Stöhnen.
»Was ist Ihnen, Lenni?«, fragte sie besorgt.
»Ach, nichts weiter.«
»Natürlich ist etwas, und ich möchte es wissen.«
»Es kommt und geht, beim Stehen und auch beim Laufen«, gab Lenni schließlich zu. »Und die Füße brennen so leicht.«
»Dann werde ich Sie mal zu Dr. Bardow bringen. Sicher brauchen Sie Einlagen.« An etwas Schlimmeres wollte Fee vorerst nicht denken.
»Kann das nicht unser Doktor feststellen?«, fragte Lenni bestürzt.
»Nein, das muss schon ein Orthopäde tun. Dr. Bardow ist ein ausgezeichneter Arzt.«
»Aber er hat eine Klinik, und in der Klinik bleibe ich nicht«, erklärte Lenni entschlossen.
»Das wird wohl auch nicht nötig sein«, meinte Fee nachsichtig. »Er hat heute Nachmittag Sprechstunde, und da fahren wir gleich hin.«
Jetzt war Mittagszeit, da wollte sie nicht anrufen, aber sie wusste ohnehin, dass Dr. Bardow sie nicht warten lassen würde. Bei der Gelegenheit konnte sie sich auch gleich mal nach Victoria, Dr. Bardows reizende Tochter, erkundigen, die sich vor vier Wochen mit Stefan Groh verlobt hatte. Diese Verlobung hatte bei den Nordens allerdings einiges Befremden hervorgerufen, denn Stefan Groh war als Playboy bekannt, ja, berüchtigt. Man konnte sich kaum vorstellen, dass der bekannte Facharzt mit dieser Verlobung einverstanden war, und dennoch schien es so.
»Wir wissen, dass Liebe Wunder vollbringen kann«, hatte Daniel die Verlobungsanzeige kommentiert, »und Victoria ist ein so reizendes Mädchen, dass sich auch ein Playboy ändern kann.«
Sie hatten Blumen geschickt. Zu mehr konnte sich Fee nicht aufraffen, da sie felsenfest überzeugt war, dass diese Verlobung nicht von Dauer sein konnte.
Als Daniel Norden zum Mittagessen heimkam, raunte ihm Fee zu, dass sie nachmittags mit Lenni zu Dr. Bardow fahren würde. »Entweder sind es die Füße oder die Hüfte«, sagte sie leise. »Rede ihr zu, mach ihr Mut.«
Das tat er dann auch, und als er sagte, dass es nichts mit den Nieren zu tun haben könnte, da ihre Laborbefunde darüber etwas ausgesagt hätten, war Lenni einigermaßen beruhigt. Dr. Norden bestand darauf, dass sie, wie auch Fee, jedes Jahr gründlich untersucht wurden und seine »Weibsen« wie er sie scherzhaft nannte, fügten sich, wenn auch recht widerwillig.
Danny, Felix und Anneka, die Norden-Kinder, waren nicht erbaut, an so einem schönen Nachmittag zum Arzt zu fahren.
»Dann bringe ich euch zu Claudia«, sagte Fee schnell entschlossen. »Ihr könnt mit Hannes und Feechen spielen.«
»Feechen kann ja noch nicht mal richtig reden«, meinte Danny.
»Ihr habt es auch mal lernen müssen«, erklärte Fee.
»Sie ist aber nieklich«, sagte Anneka.
»Niedlich«, wurde sie von Danny berichtigt.
»Dann eben niedlich«, sagte sie.
Claudia, die liebenswerte Frau des Gynäkologen Dr. Leitner, freute sich immer, wenn Fee Norden kam, und sie hatte auch gar nichts dagegen, die drei kleinen Nordens zu betreuen. Hannes, Danny und Felix tobten dann auch gleich durch den Garten, und Anneka beschäftigte sich mit der knapp einjährigen Felicitas, die ihren Namen nach ihrer Patentante Felicitas Norden bekommen hatte, aber auch sie wurde schon Fee, Feechen oder Feelein genannt.
Sie war ein süßes Kind. Fee musste es Claudia mal wieder sagen.
»Papis Liebling«, meinte Claudia. »Da gerät Hannes ein bisschen ins Hintertreffen.«
»Mit Töchtern kann man eben besser schmusen, Claudi«, sagte Fee, »das ist bei uns auch so. Nur keine Panik. Buben fühlen sich erhaben.«
»Hoffentlich ist mit Lenni nichts Ernstes«, sagte Claudia.
»Sicher nicht. Vielleicht hat sie Senkfüße, das kann schwer zu schaffen machen. Wir werden es bald wissen.«
Aber sie konnte nicht wissen, welch dramatischen Verlauf dieser Nachmittag noch nehmen sollte.
*
Victoria Bardow öffnete ihnen die Tür. Im weißen Kittel wirkte sie noch ätherischer. Mondscheinprinzessin war sie in der Schule genannt worden. Fee Norden wusste das, denn sie kannte einige Klassenkameradinnen von Victoria.
»Frau Dr. Norden«, staunte Victoria, »was führt Sie zu uns?«
»Unsere Lenni. Ich möchte gern, dass Ihr Vater sich mal mit ihren Füßen beschäftigt.«
»Papa ist aber ein paar Tage verreist«, sagte Victoria. »In seine geliebten Berge, er brauchte ein bisschen Ablenkung.«
Plötzlich machte sie einen bedrückten Eindruck und fuhr sich mit der linken Hand über die Stirn, um eine Haarsträhne zurückzustreichen. Am Ringfinger blitzte ein Ring auf, ein Memory-Ring, rundherum mit Brillanten besetzt. So was bekam man jetzt als Verlobungsring.
»Dr. Wieland wird sich Ihre Lenni aber gern ansehen«, sagte Victoria rasch. »Er hat Papas volles Vertrauen, sonst könnte er sich ein paar Tage Urlaub auch gar nicht leisten. Wir sind voll belegt.«
Fee war neugierig auf diesen Dr. Wieland. Sie hatten erfahren, dass Dr. Bardow sich vor einem Vierteljahr einen ständigen Assistenten in die Klinik genommen hatte, und darüber waren sie erstaunt gewesen. Dr. Bardow war Mitte fünfzig, sehr vital und auch ein bisschen eigenwillig. Er musste den jungen Kollegen schon recht hoch einschätzen, wenn er bereit war, ihn ständig um sich zu haben.
Sie lernte ihn nun bald kennen. Victoria übernahm die Vorstellung und entfernte sich.
Dr. Günter Wieland war schätzungsweise Anfang dreißig, mittelgroß, schlank, mittelblond, und man konnte ihn als den typischen Intellektuellen bezeichnen mit dem schmalen klugen Gesicht, den wachsamen Augen, der hohen Stirn. Fee schätzte ihn als introvertiert ein, obgleich sein klar geschnittener Mund auch Humor verriet.
Lenni war es nur recht, dass Fee sich zuerst allein mit ihm unterhielt, und Fee gewann einen sehr guten Eindruck von diesem jungen Arzt. Sie konnten sich ja auch als Kollegen unterhalten, da Fee noch immer als approbierte Ärztin tätig sein könnte, wenn Daniel dies zugelassen hätte.
Dann wurde Lenni höflich hereingebeten, und zwanzig Minuten dauerte die sehr gründliche Untersuchung. Dr. Wieland stellte fest, dass Lenni dringend Einlagen brauchte, und Fee war erleichtert, dass sie doch richtig getippt hatte.
Die Abdrücke wurden auch gleich gemacht. »Am besten wäre es, wenn Ihnen danach auch gleich Schuhe angemessen würden«, sagte Dr. Wieland, und in diesem Augenblick sprang die Tür auf. Victoria lehnte fast kreidebleich mit weit ganz aufgerissenen Augen am Rahmen.
»Papa«, stammelte sie, »Papa ist tot, man hat es mir gerade telefonisch mitgeteilt.«
Fee erstarrte, aber auch Dr. Wieland richtete sich völlig fassungslos auf. »Das kann doch nicht wahr sein«, murmelte er. »Er war doch ganz gesund.«
Fee ging auf Victoria zu und legte den Arm um die bebende Gestalt.
»Er ist abgestürzt«, schluchzte Victoria auf. »Er war doch ein so routinierter Bergsteiger.«
Fee brachte kein Wort über die Lippen. Sie sah Dr. Bardow lebend vor sich, groß, breitschultrig, knorrig konnte man ihn nennen, ein durch und durch sportlicher, naturverbundener Mann. Ein Frösteln kroch durch ihren Körper.
»Ich muss nach Bozen fahren«, flüsterte Victoria.
»Doch nicht allein«, sagte Fee heiser.
»Mein Verlobter wird mich begleiten«, sagte Victoria tonlos.
Schnell wanderte Fees Blick zu Dr. Wieland, und sie sah, wie seine Lippen sich aufeinanderpressten.
»Entschuldigen Sie, Frau Norden, aber ich muss mich erst fangen«, sagte Victoria leise. »Sie müssen jetzt hier die Arbeit weitermachen, Dr. Wieland«, fügte sie tonlos hinzu.
Lennis Beine zitterten, als sie mit Fee die Klinik verließ. Sie wusste, was es bedeutete, geliebte Menschen zu verlieren. Sie hatte es selbst durchgemacht, denn an einem Tag war ihr der Mann und ihre Mutter durch einen tragischen Autounfall genommen worden, und sie war schwer darüber hinweggekommen.
»Man kann dieses junge Ding doch nicht allein lassen«, flüsterte sie. »Sie ist so zerbrechlich.«
»Ihr Verlobter wird ihr schon beistehen, Lenni«, sagte Fee. Hoffentlich, dachte sie, denn von Stefan Groh hatte sie noch immer keine bessere Meinung.
*
Victoria rief auch vergeblich bei ihm an. Er war nicht da, obgleich sie es mehrmals versuchte, zwischendurch immer wieder in verzweifelte Tränen ausbrechend. Ihr geliebter Vater, ihr Papa sollte nicht mehr leben. Sie konnte es nicht begreifen.
Dr. Wieland hatte die Sprechstunde beendet. Er kam herüber zu den Privaträumen.
»Verzeihen Sie, Victoria«, sagte er beklommen, »aber ich kann das einfach nicht verstehen.«
»Ich auch nicht.« Sie presste ihre geballten Hände an die Augen, die schon geschwollen waren und unter denen wieder Tränen herabrollten. »Und ich kann Stefan nicht erreichen.«
Dr. Wielands Augen verengten sich. Er hatte auch seine eigene Meinung über Stefan Groh, aber die behielt er für sich, und gerade jetzt hätte er sie nicht kundgetan.
»Ich fahre allein«, sagte Victoria. »Ich muss wissen, wie das passiert ist.«
»Ich würde Sie gern begleiten, Victoria«, sagte er, »aber die Patienten müssen versorgt werden. Würden Sie gestatten, dass meine Mutter Sie begleitet?«
»Ihre Mutter, aber das kann man ihr doch nicht zumuten.«
»Sie hat schon mehr mitgemacht«, sagte er leise. »Sie würde bestimmt nicht nein sagen. Und sie ist eine sehr gute Autofahrerin. Seit dreißig Jahren unfallfrei. Ich kann es nicht zulassen, dass Sie allein fahren.«
»Wenn Ihre Mutter einverstanden ist«, murmelte sie geistesabwesend.
»Ich rufe sie an«, erklärte er.
Barbara Wieland war zuerst auch völlig entsetzt, aber sie erklärte sich sofort bereit, Victoria zu begleiten.
Schon eine halbe Stunde später stand ihr Wagen, ein recht flottes Modell, vor der Tür.
Barbara war ihrem Sohn so ähnlich, dass Victoria schon beim ersten Kennenlernen verblüfft gewesen war, doch sie wirkte energischer als ihr Sohn. Sie war auch mit fünfzig Jahren