Ihr Retter in der Not: Der kleine Fürst 293 – Adelsroman
Von Viola Maybach
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Über dieses E-Book
"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
»Und Sie könnten sich vorstellen, nach Sternberg zu ziehen?«, fragte Dr. Walter Brocks. »Es ist nicht gerade eine Großstadt, das wirkt auf manche abschreckend. Besonders junge Leute wollen ja lieber dorthin, wo etwas los ist.« Der junge Mann, der ihm gegenüber saß, lächelte. »Ich bin ja hier zur Welt gekommen. Nicht direkt in Sternberg, aber meine Eltern leben im Sternberger Land. Das hier ist meine Heimat, Herr Brocks. Ich habe in München studiert, war zwei Jahre in den USA, und jetzt wäre ich froh, zurückkommen zu können. Und meine Eltern erst recht, das können Sie sich wahrscheinlich vorstellen.« »Ich danke Ihnen für das Gespräch«, erwiderte Walter Brocks. »Sie wissen, Sie sind nicht der Einzige, der in die engere Auswahl gekommen ist. Geben Sie mir noch eine Woche Zeit, dann habe ich mit allen anderen gesprochen und gebe Ihnen Bescheid.« Dr. Sebastian von Witten erhob sich. Er war ein Mann von beeindruckender Statur: mehr als einen Meter neunzig groß, kräftig, mit breiten Schultern. Er hatte braune, etwas längere Haare und ein gut geschnittenes Gesicht, das man gerne ansah, ohne dass es sich sofort einprägte. Einprägsam waren hingegen seine Zeugnisse und Beurteilungen.
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Buchvorschau
Ihr Retter in der Not - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 293 –
Ihr Retter in der Not
… und ein böser Fall von Fahrerflucht
Viola Maybach
»Und Sie könnten sich vorstellen, nach Sternberg zu ziehen?«, fragte Dr. Walter Brocks. »Es ist nicht gerade eine Großstadt, das wirkt auf manche abschreckend. Besonders junge Leute wollen ja lieber dorthin, wo etwas los ist.«
Der junge Mann, der ihm gegenüber saß, lächelte. »Ich bin ja hier zur Welt gekommen. Nicht direkt in Sternberg, aber meine Eltern leben im Sternberger Land. Das hier ist meine Heimat, Herr Brocks. Ich habe in München studiert, war zwei Jahre in den USA, und jetzt wäre ich froh, zurückkommen zu können. Und meine Eltern erst recht, das können Sie sich wahrscheinlich vorstellen.«
»Ich danke Ihnen für das Gespräch«, erwiderte Walter Brocks. »Sie wissen, Sie sind nicht der Einzige, der in die engere Auswahl gekommen ist. Geben Sie mir noch eine Woche Zeit, dann habe ich mit allen anderen gesprochen und gebe Ihnen Bescheid.«
Dr. Sebastian von Witten erhob sich. Er war ein Mann von beeindruckender Statur: mehr als einen Meter neunzig groß, kräftig, mit breiten Schultern. Er hatte braune, etwas längere Haare und ein gut geschnittenes Gesicht, das man gerne ansah, ohne dass es sich sofort einprägte. Einprägsam waren hingegen seine Zeugnisse und Beurteilungen. Nicht umsonst war er bei Walter Brocks, der in Sternberg seine eigene Privatklinik leitete, in die nähere Auswahl für die neu zu besetzende Stelle eines Onkologen gekommen. Jemand wie Sebastian von Witten würde auf dieser Stelle sicherlich hervorragende Arbeit leisten. Kurz fragte sich der Klinikchef, ob er sich die Mühe weiterer Gespräche überhaupt noch machen sollte. War das nicht Zeitverschwendung? Er war beinahe sicher, dass er mit diesem jungen Arzt, der sich jetzt von ihm verabschiedete, den Richtigen bereits gefunden hatte.
Aber er verscheuchte diesen Gedanken, es war ungerecht den anderen gegenüber, die noch auf ihre Chance hofften. Drei weitere Gespräche musste er noch führen – mit zwei Frauen und einem Mann. Er würde nicht mehr unvoreingenommen sein, das wusste er bereits jetzt. Alle drei würden sich Vergleiche mit Sebastian von Witten gefallen lassen müssen.
Er war jedenfalls froh, wenn die Stelle endlich besetzt war. Schon seit längerem dachte er über eine Erweiterung der Klinik nach. Das Gelände war groß genug, um noch einen Flügel anzubauen. Er wollte eine onkologische Station eröffnen, die der neue Arzt oder die neue Ärztin aufbauen sollte. Das war von Anfang an seine Absicht gewesen, aber er hatte sich selbst zur Vorsicht gemahnt. Immerhin hatte die Möglichkeit bestanden, dass er mit der Klinik scheiterte – da war es besser, nicht allzu groß anzufangen. Nun jedoch war der Zeitpunkt gekommen, da er die Erweiterung ins Auge fassen konnte.
Er verließ sein Büro mit den Worten: »Ich fahre jetzt ins Schloss. Es wird vermutlich nicht lange dauern.«
Seine Sekretärin legte ihm noch zwei Briefe zur Unterschrift vor und erinnerte ihn an einen Termin am späteren Nachmittag.
Er wusste, dass sich einige Kollegen darüber lustig machten, dass er, als Chef einer angesehenen Privatklinik, noch immer der ›Hausarzt‹ – oder musste man in diesem Fall ›Leibarzt‹ sagen? – der Schlossbewohner war. Ihn focht das nicht an. Mit den Schlossbewohnern verband ihn eine in langen Jahren gewachsene Beziehung, die er von sich aus nicht aufkündigen würde. Kurz bevor er seine Klinik eröffnet hatte, war das einmal zum Thema gemacht worden, danach nie wieder.
Natürlich bedeutete die medizinische Betreuung der Schlossbewohner für ihn zusätzliche Arbeit, die er jedoch gern auf sich nahm. Das lag zum einen daran, dass der Arbeitseinsatz sich in Grenzen hielt, da im Schloss nicht ständig jemand krank war – eher im Gegenteil, zum anderen war es keine rein geschäftliche Beziehung mehr nach all den Jahren. Er hatte freundschaftliche Gefühle für die Menschen im Schloss entwickelt, und er wusste, dass es umgekehrt ebenso war. Sie vertrauten ihm, und sie mochten ihn, was auf Gegenseitigkeit beruhte.
Langsam fuhr er die schmale Straße zum Schloss hinauf. Es war noch immer eisig kalt, dieses Wetter hielt sich nun schon seit Weihnachten. Die Straße war zum Glück geräumt, er hätte sonst Mühe gehabt, das Schloss oben auf dem Sternberg zu erreichen. Der Sternberg hieß eigentlich anders, aber der Volksmund hatte sich durchgesetzt: Niemand nannte den Berg bei seinem offiziellen Namen, ihm selbst fiel er nicht einmal mehr ein.
Auf den Ästen der kahlen Bäume lag Schnee, der in der blassen Nachmittagssonne leuchtete, aber nicht schmolz, denn Wärme verbreitete sie kaum. Die Teenager waren um diese Zeit noch in der Schule, was er bedauerte. Er freute sich immer, wenn er ihnen begegnete. Sie waren es, die das Schloss mit Leben erfüllten.
Seine Gedanken wanderten zurück in die Zeit, in der das junge Fürstenpaar von Sternberg hatte begreifen müssen, dass dem Erstgeborenen Christian kein Kind nachfolgen würde. Das war ein schwerer Schlag für Fürstin Elisabeth und Fürst Leopold gewesen, doch die beiden hatten das einzig Richtige getan: Sie hatten sich in das Unabänderliche gefügt und eine Lösung für das Problem gefunden, dass Christian nicht als Einzelkind im Schloss aufwachsen sollte. So waren Baronin Sofia und Baron Friedrich von Kant als neue Schlossbewohner in den Westflügel von Schloss Sternberg gezogen. Sofia war Elisabeths Schwester, die beiden Frauen waren zudem engste Freundinnen gewesen. Und: Die Kants hatten zwei Kinder, Konrad und Anna. So war Christian, der kleine Fürst, wie die Leute ihn nannten, praktisch mit zwei Geschwistern aufgewachsen.
Das Schloss kam in Sicht, wie immer verlangsamte Walter Brocks bei seinem Anblick die Fahrt. Er kannte kein Schloss, das er schöner fand als das Sternberger: Es war ein weißes, elegantes Gebäude, das im Licht der Wintersonne noch mehr als sonst etwas Unwirkliches hatte. Kein Wunder, dachte er, dass viele es ›Märchenschloss‹ nannten.
Langsam fuhr er weiter, kehrte in Gedanken zu den damaligen Ereignissen zurück. Das Glück der beiden Familien hatte nicht einmal fünfzehn Jahre gedauert. Im vergangenen Jahr waren Fürstin Elisabeth und Fürst Leopold bei einem Hubschrauberabsturz gemeinsam mit dem Piloten ums Leben gekommen. Sie hatten versucht, sich ein Bild von den Verheerungen zu machen, die ein Sturm über dem Sternberger Land angerichtet hatte, und dann waren sie diesem Sturm selbst zum Opfer gefallen. Seitdem lebte Christian bei der Familie Kant im Westflügel. Er hatte seine Eltern verloren, nicht aber seine Familie im weiteren Sinne. Walter Brocks war überzeugt davon, dass auch das dem Jungen, der jetzt sechzehn Jahre alt war, geholfen hatte, an seinem Verlust nicht zu zerbrechen. Er war liebenswürdig, hilfsbereit und so sozial eingestellt wie seine Eltern es gewesen waren. Kein Wunder, dass er sich allgemein so großer Beliebtheit erfreute.
Walter Brocks wusste freilich, dass Christian selbst die Aufmerksamkeit, die er praktisch überall erregte, eher unangenehm war – und seit er sich in Stephanie von Hohenbrunn verliebt hatte, Anna von Kants beste Freundin, wünschte er sich wohl noch häufiger als zuvor, er könnte einfach einmal unerkannt durch die Straßen der kleinen Stadt schlendern und dabei