Ungleiche Brüder: Heimat-Heidi 46 – Heimatroman
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»Michl…?« »Ja?« Toni Erlacher zeigte die Hausweide hinauf. »Einige Pfähle sind herausgerissen und zweimal schon sind die Rösser weg. Hast schon nachgesehen?« Michl schüttelte den Kopf, ging zu seinem Wagen, grinste und stieg ein. Dann ließ er die Scheibe herunter und sagte: »Ich hab' keine Zeit, großer Bruder. Da mußt du dich schon selbst hinaufbemühen.« Dann startete er den Wagen, lachte und fuhr mit durchdrehenden Rädern vom Hof. Toni und Michl Erlacher bewirtschafteten den Erlacher-Hof gemeinsam. Nicht weil ihr Vater das so gewollt hatte, sondern weil der Toni seinem Bruder einfach nicht sagen konnte, daß er sein Leben endlich selbst in die Hände zu nehmen hatte. Toni war der Ältere der beiden. Er war dreiunddreißig Jahre alt, groß, schlank, ruhig und ausgeglichen, und man konnte sich unbedingt auf ihn verlassen. Michl war fünfundzwanzig, einen halben Kopf kleiner als sein Bruder, ebenso schlank, er grinste meistens und wo was los war, da war der Michl zu finden. So zuverlässig Toni war, so unzuverlässig war der Michl, der lebte in den Tag hinein. Sein Vater hatte noch einen gewissen Einfluß auf den Jungen gehabt, doch seit der vor anderthalb Jahren mehr oder weniger überraschend verstorben war, hielt sich der Michl an gar nichts mehr. Die Arbeit überließ er seinem Bruder und er tat nur das, was ihm gerade in den Sinn kam. Vor allem ging er häufig in die verschiedenen Gasthäuser der Gegend, wo er keinem Schmäh aus dem Weg ging und vor allem den Madeln nachstellte. Toni sah dem davonfahrenden Wagen seines Bruders nach. Der hatte eine Banklehre absolviert, weil sein Vater darauf bestanden hatte, daß der Michl einen Beruf erlernte, was den aber wenig interessierte, denn schon während seiner Lehrzeit war er öfter und unangenehm aufgefallen.
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Rezensionen für Ungleiche Brüder
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Buchvorschau
Ungleiche Brüder - Stefanie Valentin
Heimat-Heidi
– 46 –
Ungleiche Brüder
Eine Entscheidung fürs Leben
Stefanie Valentin
»Michl…?«
»Ja?«
Toni Erlacher zeigte die Hausweide hinauf. »Einige Pfähle sind herausgerissen und zweimal schon sind die Rösser weg. Hast schon nachgesehen?«
Michl schüttelte den Kopf, ging zu seinem Wagen, grinste und stieg ein. Dann ließ er die Scheibe herunter und sagte: »Ich hab’ keine Zeit, großer Bruder. Da mußt du dich schon selbst hinaufbemühen.« Dann startete er den Wagen, lachte und fuhr mit durchdrehenden Rädern vom Hof.
Toni und Michl Erlacher bewirtschafteten den Erlacher-Hof gemeinsam. Nicht weil ihr Vater das so gewollt hatte, sondern weil der Toni seinem Bruder einfach nicht sagen konnte, daß er sein Leben endlich selbst in die Hände zu nehmen hatte.
Toni war der Ältere der beiden. Er war dreiunddreißig Jahre alt, groß, schlank, ruhig und ausgeglichen, und man konnte sich unbedingt auf ihn verlassen.
Michl war fünfundzwanzig, einen halben Kopf kleiner als sein Bruder, ebenso schlank, er grinste meistens und wo was los war, da war der Michl zu finden.
So zuverlässig Toni war, so unzuverlässig war der Michl, der lebte in den Tag hinein. Sein Vater hatte noch einen gewissen Einfluß auf den Jungen gehabt, doch seit der vor anderthalb Jahren mehr oder weniger überraschend verstorben war, hielt sich der Michl an gar nichts mehr.
Die Arbeit überließ er seinem Bruder und er tat nur das, was ihm gerade in den Sinn kam. Vor allem ging er häufig in die verschiedenen Gasthäuser der Gegend, wo er keinem Schmäh aus dem Weg ging und vor allem den Madeln nachstellte.
Toni sah dem davonfahrenden Wagen seines Bruders nach. Der hatte eine Banklehre absolviert, weil sein Vater darauf bestanden hatte, daß der Michl einen Beruf erlernte, was den aber wenig interessierte, denn schon während seiner Lehrzeit war er öfter und unangenehm aufgefallen.
Vor allem weil er den Madeln nachstellte. Keine war vor ihm sicher, alle und jede, die ihm gefiel, quatschte er an, und wenn er einen Korb bekam, was wegen seiner aufdringlichen und oft auch frechen Art nicht selten geschah, dann zuckte er mit den Schultern und lachte.
An jenem Tag, als sein Bruder den Michl daran erinnerte, daß Zaunpfähle zu erneuern seien, fuhr der jüngere der beiden Erlacher-Brüder in Richtung Bergerhof. Dort hatte er sich mit einigen seiner Spezl verabredet, die unbedingt nach Oberstdorf fahren wollten, weil sie, wie sie sagten, was losmachen wollten.
Als der Michl kam, hockten die Burschen auf der Terrasse und hatten sich soweit beraten, daß sie, gleich wenn der Michl kommen würde, losfahren wollten.
Michl ging durch alle Gaststuben, begrüßte diesen und jenen und als er die alte Gaststube auch fast durchquert hatte, blieb er wie angewurzelt stehen und drehte sich ganz langsam um. Dann sah er ein Mädchen an, das mit einem Burschen an einem der Tische saß und ging langsam auf sie zu.
»Moni?« fragte er, »Monika Laufner?«
Das hübsche Mädchen blickte erschrocken auf, erkannte Michl, bekam knallrote Wangen und warf ihrem Begleiter einen ganz raschen Blick zu.
»Hallo, Michl«, sagte sie. »Wie geht’s dir denn?«
»Gut«, antwortete der junge Bursche, dann grinste er, »und dir? Du warst damals ziemlich rasch verschwunden. Ich hab’ noch ein paarmal nach dir gefragt, aber keiner hat gewußt, wo du abgeblieben warst.«
Monika Laufner sah wieder ihren Begleiter an, dessen Gesichtsausdruck verriet, wie er sich vorkam.
»Das ist Hans Schmid«, stellte Monika ihren Begleiter vor, »er und ich… also, wir sind verlobt.«
»Da schau her«, Michl grinste übers ganze Gesicht, »das ist aber eine Überraschung. Grüß dich Hans, und meine Glückwünsche, die Moni ist ein erstklassiges Madel.«
Hans wußte nicht, wohin er schauen sollte. Am liebsten wäre er aufgestanden und hätte dem Michl eine gelangt oder aber er wäre weggegangen, aber so blieb ihm kaum eine andere Möglichkeit, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
»Wir sind nur auf der Durchreise«, sagte Moni, »wir bleiben ein paar Tage, um dann weiter nach Italien zu fahren.«
»Soso, nach Italien wollts also«, Michl lachte, »der Amore wegen, wie? Paß nur auf, Hans, net daß ein heißblütiger Italiener dir die Moni ausspannt.«
Moni wußte jetzt auch nicht mehr, was sie sagen sollte und als Michl keine Anstalten machte, zu gehen, da sagte sie: »Wie geht’s deinem Bruder?«
»Meinem Bruder?« Michl lachte. »Der arbeitet und arbeitet, daß er nimmer weiß wie er heißt. Dumm genug, sich so ins Zeug zu legen.«
»Aber irgendwer muß doch die Arbeit machen«, sagte Moni, »wenn alle so leben wie du, dann…!«
»… geht’s net weiter, ich weiß.« Michl lachte. »Da aber net alle so gescheit sind wie ich, sondern viele so sind wie mein Bruder Toni, geht’s immer weiter.«
»Komm, Hans«, Moni stand auf und sah Hans an, »wir gehen. Wir haben noch soviel zu tun und…!«
»Hab’ ich euch jetzt vertrieben?« Michl machte ein Gesicht, das sein Bedauern ausdrücken sollte, dabei grinste er unverschämt, »das würd’ mir jetzt aber leid tun.«
Moni nahm ihren Verlobten bei der Hand, zog ihn in Richtung Tür und als der Michl sich zwischen sie drängen wollte, schob sie ihn mit großer Kraftanstrengung beiseite.
»Verschwind’ doch endlich«, sagte das hübsche Mädchen, auf dessen Stirn kleine Schweißperlen standen, in Richtung Michl, »wieso bist du so wie du bist?«
Da lachte Michl laut los, und als er auf die Terrasse zu seinen Spezln kam, da lachte er immer noch.
»Was meint ihr, wen ich grad’ getroffen hab’?« fragte er.
Die drei jungen Burschen sahen Michl fragend an. »Sicher irgendein Madel, mit dem er mal was gehabt hat…!«
Michl grinste. »Bingo. Die Laufner-Moni ist’s. Sie ist auf Durchreise nach Italien. Mit ihrem Verlobten. Der hat vielleicht blöd dreingeschaut.«
»Jetzt erzähl keine Opern, sondern laß uns lieber losziehen«, sagte einer seiner Spezl, während er aufstand. »Wohin gehen wir jetzt? Ins ›Mozart‹ oder ins ›Eulenspiegel‹?«
»Das ist mir völlig wurscht«, erwiderte Michl, »nur heraus aus der stickigen Enge hier in den Hochtälern. Nachher findet mich mein Bruder noch und ich muß tatsächlich arbeiten…!«
*
Toni schnitt am gleichen Nachmittag die Pfähle, spitzte sie mit der Axt an, dann brachte er sie noch oben auf die Hochweide, wo eine Koppel voller wunderschöner Haflinger weidete.
Dann wechselte er die zerstörten Pfähle aus, spannte den Draht neu und als er alles erledigt hatte, sah er erschöpft auf die Uhr.
»Schon wieder so spät«, murmelte er, »wenn doch der Michl nur einmal ein bisserl mit anpacken würd’. Arbeiten tut er nix, dafür langt er aber kräftig zu, wenn’s ans Geldverteilen geht. Es wird mir nix übrigbleiben, als ihm zu sagen, daß er endlich ausziehen und auf