Im Bann der Erinnerungen: Toni der Hüttenwirt 270 – Heimatroman
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"Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser.
Franziskas Gesicht war immer noch anzusehen, dass sie nachts stundenlang geweint hatte. Lukas Meininger hielt auf dem Parkplatz des Hotels in Kirchwalden, in dem Franziskas Bruder Sebastian arbeitete. Lukas überlegte. Es wäre Franziska wahrscheinlich peinlich, so das Hotel zu betreten und den Nachtportier zu bitten, ihren Bruder zu rufen. »Franziska, du hast doch Sebastians Handynummer gespeichert. Gib mir dein Handy, und ich rufe ihn an!« Franziska kramte in ihrer Handtasche, die die Form eines kleinen Rucksacks hatte. Sie gab Lukas ihr Handy. Er stieg aus dem Auto, damit er in Ruhe mit Sebastian sprechen konnte. Franziska blieb auf dem Beifahrersitz sitzen und schwieg. Lukas ließ es klingeln. Es dauerte lange, bis sich Sebastian meldete. »Franziska, was gibt es? Es ist mitten in der Nacht«, sagte er mit verschlafener Stimme. »Grüß Gott, ich bin's, Lukas!« »Ist etwas mit Franziska?«, fragte Sebastian, der schlagartig hellwach war. »Ich bin mit ihr auf dem Parkplatz vorm Hotel. Sie wollte zu dir.
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Im Bann der Erinnerungen - Friederike von Buchner
Toni der Hüttenwirt
– 270 –
Im Bann der Erinnerungen
Ein offenes Wort unter Männern hilft
Friederike von Buchner
Franziskas Gesicht war immer noch anzusehen, dass sie nachts stundenlang geweint hatte. Lukas Meininger hielt auf dem Parkplatz des Hotels in Kirchwalden, in dem Franziskas Bruder Sebastian arbeitete.
Lukas überlegte. Es wäre Franziska wahrscheinlich peinlich, so das Hotel zu betreten und den Nachtportier zu bitten, ihren Bruder zu rufen.
»Franziska, du hast doch Sebastians Handynummer gespeichert. Gib mir dein Handy, und ich rufe ihn an!«
Franziska kramte in ihrer Handtasche, die die Form eines kleinen Rucksacks hatte. Sie gab Lukas ihr Handy.
Er stieg aus dem Auto, damit er in Ruhe mit Sebastian sprechen konnte. Franziska blieb auf dem Beifahrersitz sitzen und schwieg.
Lukas ließ es klingeln. Es dauerte lange, bis sich Sebastian meldete.
»Franziska, was gibt es? Es ist mitten in der Nacht«, sagte er mit verschlafener Stimme.
»Grüß Gott, ich bin’s, Lukas!«
»Ist etwas mit Franziska?«, fragte Sebastian, der schlagartig hellwach war.
»Ich bin mit ihr auf dem Parkplatz vorm Hotel. Sie wollte zu dir. Sebastian, Franziska hatte einen Nervenzusammenbruch.«
»Einen Nervenzusammenbruch? Franziska? Was ist passiert? Ich komme sofort! Geh vom Parkplatz aus auf die Rückseite des Hotels. Dort gibt es eine kleine blaue Tür. Das ist der Personaleingang zum Wohntrakt. Ich bin gleich unten.«
Lukas ging zurück zum Auto. Franziska war eingeschlafen. Leise schlich er davon.
Es dauerte nicht lange, dann trat Sebastian aus der Tür und wollte losrennen. Lukas hielt ihn fest.
»Stopp! Ich habe gerade nach ihr geschaut. Sie ist eingeschlafen. Schlaf tut ihr gut.«
»Was ist passiert?«, schrie Sebastian.
»Komm!«, flüsterte Lukas. »Wir setzen uns auf die Mauer, und ich erzähle dir alles. Von dort aus haben wir das Auto im Blickfeld, falls Franziska aufwacht und aussteigt.«
Wenig später saßen Lukas und Sebastian nebeneinander auf dem niederen Mäuerchen, das den Parkplatz begrenzte.
»Nun rede schon!«, herrschte Sebastian Lukas ungeduldig an.
»Okay, das war so...« Lukas seufzte tief. »Ronja, meine liebe kleine Nervensäge von Schwester, kam zu mir ins Schlafzimmer und weckte mich. Ihr Zimmer liegt zur Hofseite. Es seien Fremde auf dem Hof, sagte sie. Sie habe Schritte gehört und die Angeln des Scheunentors hätten gequietscht. Du hast wieder mal schlecht geträumt, sagte ich zu ihr, geh wieder ins Bett! Wenn jemand deine kostbaren Turopolje-Ferkel klaut und sie als Spanferkel verkauft, antwortete sie, dann kannst du mir keine Vorwürfe machen. Ich habe dich gewarnt. Da war ich sofort wach.«
Sebastian verstand. Er wusste, mit welcher Mühe und Hingabe Lukas mit der Zucht dieser alten Freilandrasse begonnen hatte. Franziska unterstützte ihn dabei.
»Ich zog mich an, um sicherheitshalber nachzusehen. Meine kleine Schwester hatte recht. Das Scheunentor stand zur Hälfte offen. Ich hatte es persönlich zugemacht, wie jeden Abend. Ich mache abends immer meinen Rundgang.«
Sebastian forderte Lukas' detaillierter Bericht viel Geduld ab. Ihn interessierte nicht, ob Ronja nicht schlafen konnte, das Scheunentor offen war oder ob die Schweine in Gefahr waren. Er brannte darauf zu erfahren, was mit Franziska los war. Doch er wusste, dass es besser war zuzuhören, als jemanden zu bedrängen. Außerdem konnten die Details vielleicht doch wichtig sein.
»Ich schaute durch das offene Scheunentor. Franziskas Handtasche, dieser kleine bunte Rucksack, lag neben der großen Leiter, die auf den Heuboden führte. Dann hört ich, dass jemand heulte und schluchzte. Das kann nur Franziska sein, dachte ich. Ich kletterte hinauf auf den Heuboden. Dort lag sie zusammengekrümmt im Heu und weinte.«
»Warum?«, stieß Sebastian hervor. »Franziska und ich haben am spätenAbend miteinander telefoniert. Da war noch alles in Ordnung. Sie wollte zur Berghütte, damit sie Anna morgen Früh helfen konnte. Toni ist wandern gegangen.«
Lukas nickte.
»Nach dem, was ich aus ihrem Gestammel und Geschluchze heraushören konnte, hatte sich Franziska auch auf den Weg gemacht. Sie war aber nur bis zum ›Erkerchen‹ gegangen. Dann ist sie umgekehrt, wenn ich sie richtig verstanden habe, Sebastian.«
»Dort muss etwas passiert sein, Lukas. Warum ist sie nicht weitergegangen? Die Berghütte war doch näher. Der Rückweg auf den Bichler Hof ist länger. Das macht für mich keinen Sinn«, rätselte Sebastian.
Lukas zuckte mit den Schultern.
»Diese Frage kann ich dir nicht beantworten. Ich bot ihr an, auf der Berghütte anzurufen und sie hinzubringen. Das wollte sie nicht. Ja, sie schrie mich an, dass sie nie mehr die Berghütte betreten werde. Nie mehr!«
Sebastian war erschüttert. Konnte Franziskas Nervenzusammenbruch etwas damit zu tun, dass die Berghütte für Übernachtungsgäste geschlossen war?
»Was ist da nur passiert, auf dem Weg von euch, bis zur Berghütte?«, fragte Sebastian.
»Bis zum ›Erkerchen‹«, korrigierte ihn Lukas und zuckte mit den Schultern. »Sie hat es mir nicht erzählt. Ich sagte ihr, ich werde ihr helfen, was immer auch geschehen sei. Sie lehnte ab, weinte nur. Ich war etwas enttäuscht. Ich dachte, dass mich Franziska als einen guten, vertrauenswürdigen Freund ansieht. Ich mag sie nämlich sehr gut leiden. Du verstehst?«
Sebastian schmunzelte und rempelte Lukas freundschaftlich an.
»Lukas, ich habe Augen im Kopf. Ich habe längst bemerkt, wie du meine Schwester ansiehst. Aber das ist ein anderes Thema und das hat Zeit. Wir müssen herausfinden, was passiert ist.«
»Nur du kannst dahinterkommen, was passiert ist, Sebastian. Mir sagt sie nichts. Ich war schon froh, als sie mich bat, sie zu dir zu bringen.«
»Danke, dass du dich Franziskas angenommen hast! Dann bleibst du am besten hier. Ich gehe zum Auto und versuche mit ihr zu reden. Oder noch besser, ich bringe dich ins Foyer. Ich rede mit dem Kollegen, der Nachtdienst hat. Dort ist es bequemer und du kannst Kaffee bekommen.«
Sebastian brachte Lukas ins Foyer des Hotels und ließ ihm Kaffee bringen, eine ganze Kanne Kaffee.
Danach ging Sebastian zu Lukas’ Auto und setzte sich auf den Fahrersitz, neben Franziska.
Bewusst schloss er laut die Tür und Franziska wachte auf.
Als sie Sebastian sah, warf sie sich an seine Schulter und weinte. Liebevoll streichelte er seiner jüngeren Schwester über ihr blondes Haar. Er bedrängte sie nicht. Er wartete geduldig, bis die Tränen langsam versiegten.
Dann reichte er ihr ein Taschentuch.
»Was ist passiert?«, fragte er leise. »Franziska, sage es mir! Du musst keine Angst haben. Was immer es auch ist, wir beide halten zusammen. Es gibt immer einen Ausweg.«
Franziska wischte sich die Augen und schnäuzte die Nase. Sie sah ihn mit großen Augen an.
»Ich will weg aus Waldkogel. Am besten, wir verlassen beide Waldkogel. Du bist volljährig, und ich werde es nächste Woche. Dann kann ich machen, was ich will. Ich will fort, weit fort. Hast du etwas Geld?«
Sebastian war überrascht. Er überlegt kurz.
»Franziska, ich habe etwas Geld gespart. Auf dem Treuhandkonto, auf dem die Pachterträge des Bichler Hofes liegen, ist eine schöne Summe. Du kannst bald genauso darüber verfügen wie ich. Aber warum gefällt es dir in Waldkogel nicht mehr? Es ist unsere Heimat. Wir sind hier aufgewachsen. Unser Hof ist hier. Unsere Eltern sind hier beerdigt.«
»Waldkogel ist unsere Heimat, aber nicht die Berghütte!«, stieß Franziska heftig hervor.
Sebastian hörte Bitternis in ihrer Stimme.
Langsam wurde Franziska lebhaft.
»Ich habe es mir genau überlegt. Ich werde mir einen Anwalt nehmen, gleich nach meiner Volljährigkeit, und ihn bitten, meine Adoption rückgängig zu machen. Ich will nicht mehr Baumberger heißen. Dir empfehle ich das auch. Und rechne nicht damit, dass du einmal Tonis Nachfolge auf der Berghütte antreten kannst. Du wirst nur ausgenutzt. Die Berghütte übernimmt später mal jemand ganz anderes, das weiß ich genau.«
Franziskas Worte überraschten Sebastian sehr. Er konnte sich darauf keinen Reim machen.
»Wie kommst du darauf? Ich habe mit Toni und Anna alles geregelt. Im nächsten Sommer arbeite ich als feste Kraft auf der Berghütte. Später machen sie mich zum Teilhaber. Und wenn sie sich aufs Altenteil zurückziehen, werde ich der Hüttenwirt.«
»Vergiss es, Sebastian! Blut ist dicker als Wasser. Wir sind nur Adoptivkinder.«
»Franziska, ich verstehe