Schweigende Schönheit: Der Bergpfarrer 407 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
»Servus, Franz«, begrüßte Sebastian Trenker den alten Senner. Franz Rohlingers dunkle Augen blitzten vor Vergnügen auf, als er den Bergpfarrer erkannte. »Grüß Gott, Hochwürden«, sagte er. »Schön, daß Sie sich auch einmal wieder sehen lassen. Nehmen S' doch Platz. Ich hol' Ihnen gleich ein Glaserl Milch.« Wie alle Senner auf den umliegenden Almen, so wußte auch er, daß es für den guten Hirten von St. Johann nichts Schöneres nach einem Aufstieg gab, als ein Glas kühler Alpenmilch. Er verschwand im Inneren der Hütte, während Sebastian sich auf der Bank davor niederließ. Hier auf der Selchner-Alm gab es keine richtige Hüttenwirtschaft. In erster Linie produzierte Franz einen erstklassigen Bergkäse. Verirrten sich doch ab und an ein paar Wandersleut' hierher, was durchaus vorkam, wurden sie dennoch von dem alten Senner bewirtet. Zumindest eine warme Mahlzeit hielt er immer bereit, und natürlich gab es auch einige Getränke. Sebastian lehnte sich an die Hüttenwand und schaute zufrieden auf das einmalig schöne Bild, das sich ihm bot. Weit ging sein Blick ins Wachnertal hinunter, über das satte Grün der Almwiesen und dem schroffen Gestein der Berge. In der Ferne zeigten sich die Zwillingsgipfel, »Himmelspitz« und »Wintermaid«. Hinter sich hörte er das Geläut der Glocken, die die Kühe um die Hälse trugen.
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Buchvorschau
Schweigende Schönheit - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 407 –
Schweigende Schönheit
Toni Waidacher
»Servus, Franz«, begrüßte Sebastian Trenker den alten Senner.
Franz Rohlingers dunkle Augen blitzten vor Vergnügen auf, als er den Bergpfarrer erkannte.
»Grüß Gott, Hochwürden«, sagte er. »Schön, daß Sie sich auch einmal wieder sehen lassen. Nehmen S’ doch Platz. Ich hol’ Ihnen gleich ein Glaserl Milch.«
Wie alle Senner auf den umliegenden Almen, so wußte auch er, daß es für den guten Hirten von St. Johann nichts Schöneres nach einem Aufstieg gab, als ein Glas kühler Alpenmilch. Er verschwand im Inneren der Hütte, während Sebastian sich auf der Bank davor niederließ.
Hier auf der Selchner-Alm gab es keine richtige Hüttenwirtschaft. In erster Linie produzierte Franz einen erstklassigen Bergkäse. Verirrten sich doch ab und an ein paar Wandersleut’ hierher, was durchaus vorkam, wurden sie dennoch von dem alten Senner bewirtet. Zumindest eine warme Mahlzeit hielt er immer bereit, und natürlich gab es auch einige Getränke.
Sebastian lehnte sich an die Hüttenwand und schaute zufrieden auf das einmalig schöne Bild, das sich ihm bot. Weit ging sein Blick ins Wachnertal hinunter, über das satte Grün der Almwiesen und dem schroffen Gestein der Berge. In der Ferne zeigten sich die Zwillingsgipfel, »Himmelspitz« und »Wintermaid«. Hinter sich hörte er das Geläut der Glocken, die die Kühe um die Hälse trugen. Zusammen mit einer Herde Ziegen weideten sie am Hang, wo besonders saftiges Gras wuchs, herrlicher Klee und würzige Kräuter. Dieses alles zusammen gab der Milch ihren einzigartigen Geschmack.
Der Pfarrer sah auf, als die Hüttentür geöffnet wurde, doch zu seinem Erstaunen trat nicht der alte Senner heraus, sondern ein Madel, mit langen blonden Haaren. Als es den Mann auf der Bank erblickte, schrak es zusammen und schaute ihn ängstlich an.
»Grüß Gott«, sagte Sebastian und betrachtete die junge Frau genauer.
Sie war etwa Anfang zwanzig und von schlanker Figur. Die Haare rahmten ein niedliches Gesicht ein, das von ihren herrlichen geschwungenen Lippen betont wurde. Sie trug eine bunt gemusterte Hemdbluse und Jeans. Die Füße steckten in Wanderstiefeln.
Der Seelsorger hatte die Frau noch nie gesehen. Sie stammte weder aus St. Johann, noch konnte sie eine Verwandte von Franz Rohlinger sein. Der alte Senner, das wußte Sebastian, hatte keine Angehörigen mehr.
Um sie zu betrachten und diese Überlegung anzustellen, brauchte es keine Minute. Dann war das Madel aber auch schon wieder in der Hütte verschwunden, nachdem es dem Fremden auf der Bank kurz zugenickt hatte.
Wenig später kam Franz mit der Milch.
»So, Hochwürden, lassen S’ sich’s schmecken«, sagte er und reichte Sebastian das Glas.
Der nahm einen tiefen Schluck und wischte sich über die Lippen.
»Hast’ Besuch?« fragte er beiläufig.
Der Senner sah zur Hüttentür. Er hob die Arme und ließ sie wieder sinken.
»Das ist eine merkwürdige Geschichte«, berichtete er. »Ich hab’ die Michaela vor ein paar Tagen drunten an der Kachlachklamm aufgelesen. Offenbar hatte sie sich verirrt und wußte net wohin. Na, ich hab’ ihr angeboten, erst einmal hierzubleiben. Platz genug ist ja.«
Er beugte sich zu dem Geistlichen.
»Also, wenn S’ mi’ fragen – da stimmt was net, mit dem Madel. Den ganzen Tag spricht’s kaum ein Wort, und wenn jemand Fremdes kommt, dann versteckt’s sich in der Hütte. G’rad so, als wenn’s befürchtet, daß wer entdecken könnt’, daß ’s sich hier aufhält.«
Das war auch Sebastians Eindruck gewesen. Offenbar hatte die junge Frau nichts von seiner Ankunft gesehen, sonst wäre sie nicht so sorglos herausgekommen. Ihr Erschrecken war ihr ja deutlich anzusehen gewesen.
Das Interesse des Bergpfarrers wurde geweckt. Mit dem Gast auf der Selchner-Alm stimme etwas nicht, und Sebastian war gewillt, herauszubekommen, was das war.
Er ließ sich noch einmal schildern, unter welchen Umständen der Senner auf Michaela getroffen war.
»Das war vorige Woche am späten Freitag abend«, berichtete Franz. »Wissen S’, als das Unwetter über’s Tal hinwegzog. Ich hatte die Ziegen und Kühe zusammengetrieben und festgestellt, daß eine Färse abhanden gekommen war.«
Er deutete auf einen großen Schäferhund, der unablässig um die Tiere lief, die am Hang standen.
»Eigentlich hat der Rex sie gefunden«, fuhr er fort. »Ich bin mit ihm los, um die Kuh zu suchen. An der Klamm stieß der Hund auf das Madel, das sich ganz naß und ängstlich unter einen Felsüberhang verkrochen hatte. Na, ich hab’ die Michaela mitgenommen und nun ist sie da.«
»Spricht sie denn gar net über ihre Vergangenheit? Wer sie ist und woher sie kommt?« wollte Sebastian wissen. »Sie muß doch noch Angehörige haben. Eine Familie, Eltern, vielleicht Geschwister.«
»Kein Wort«, schüttelte Franz den Kopf. »Ich hab’ einmal versucht, etwas zu erfahren, aber da hat sie mich gebeten, ihr keine Fragen zu stellen, und dann saß sie lange Zeit weinend in der Ecke.«
Der Geistliche strich sich nachdenklich über das Kinn. Daß da etwas net stimmte, lag ganz klar auf der Hand. Und daß er, Pfarrer Trenker, herausbekommen mußte, was das war, auch! Allerdings hieß es, behutsam zu Werke zu gehen. Das Madel schien äußerst verängstigt und mißtrauisch. Wenn er gleich darauf bestand, mit Michaela zu sprechen, würde der Seelsorger bei ihr bestimmt auf Abwehr stoßen. Am besten war es wohl, wenn er sich erst einmal zurückzog und in den nächsten Tagen noch einmal heraufkam. In der Zwischenzeit würde sie von Franz erfahren haben, wer der Mann war, den sie heute noch so bange angesehen hatte. Vielleicht half ihr dieses Wissen, Vertrauen zu Sebastian aufzubauen.
Der Bergpfarrer stand auf und reichte dem Senner das leere Glas.
»Dank’ schön, Franzl«, sagte er. »Für’s erste würd’ ich wieder hinabsteigen. Aber ganz bestimmt komm’ ich bald wieder her.«
»Das wär’ schön, Hochwürden«, nickte der Alte. »Das Madel braucht Hilfe, ich spür’s. Und wenn da einer helfen kann, dann Sie.«
Er sah dem Pfarrer nach und ging dann in die Hütte.
*
»Ist er fort? Wer war der Mann? Was wollte er?«
Hastig und ohne Pause hatte Michaela ihre Fragen gestellt. Dabei blickte sie immer wieder aufgeregt aus dem Fenster. Franz Rohlinger sah sie kopfschüttelnd an.
»Madel, nun beruhig’ dich erst mal«, sagte er. »Was bist’ denn bloß so ängstlich?«
Er ging durch den kleinen Flur in die Küche und stellte das Milchglas in das Spülbecken. Die junge Frau folgte ihm.
»Hat er sich nach mir erkundigt? Wollte er meinen Namen wissen?«
Der Senner holte tief Luft.
»Ja«, antwortete er. »Er hat sich nach dir erkundigt und wollte wissen, wer du bist, wie du heißt und wo du herkommst.«
Sie riß die Augen vor Entsetzen weit auf und sah ihn mit flackerndem Blick an.
»Und du? Was hast’ ihm geantwortet?«
Franz verzog den Mundwinkel.
»Was hätt’ ich ihm denn schon groß antworten können? Ich weiß